April 9th, 2013 § Kommentare deaktiviert für Die Finanzmärkte sind die eigentliche Piratenpartei #MediaDivina § permalink
Im Posting zur Funktion des Wetterberichts für das Fernsehen hatte ich damit geschlossen, dass das Börsengeschehen inzwischen funktional die Position des Wetterberichts übernimmt. Denkt man das konsequent weiter, zeigt sich noch etwas anderes Interessantes.
Währen die Piraten noch darüber diskutieren, wie Partizipation am besten organisiert werden, wie Menschen eingebunden werden können und wie aus den heterogenen Meinungen der Vielen einfache Resultate, die als Handlungsgrundlage dienen, destilliert werden können, während also die Piraten noch reden und dabei darüber reden, wie man am besten miteinander redet – handeln die Finanzmärkte. Partizipativ. Mit unglaublich (zerstörerischer) politischer Macht, die sich aktuell gar konkretisiert in der Ablehnung der Demokratie auf einem » Read the rest of this entry «
April 7th, 2013 § § permalink
Jeden Abend um acht schneien die Lichtgestalten auf den Heiligenschrein im Wohnzimmer, um als Boten der umgekehrten Mission die schlechte Nachricht zu verkünden. Alles ist immer neu, anders, aufregend, skandalös. Bis auf eines, das Veränderliche selbst, das am Ende der Nachrichten erscheint. Jene Nachricht, die nicht aus der Ferne kommt, sondern das Nächste ist. Das Nächste am nächsten Tag, dasjenige, was jenseits aller verstandesgemäßen Interessen am Weltgeschehen auf den Leib rückt, den vergeistigten oder entgeisterten Nachrichtenseher wieder aufs einen Körper zurückwirft, jenes schwitzende oder frierende Bündel, das jetzt gerade in amorpher Gemütlichkeit auf der Couch oder im Sessel hockt. Es ist dasjenige, was die Verbindung schafft zwischen dem Jenseits der Nachrichtenwelt und dem Diesseits des Zuschauers. Zugleich die Verbindung schafft zwischen dem hypermodernen Medienkonsumenten und dem Steinzeitmenschen, der besorgt aus der Höhle schaut und die Götter anfleht – um gutes Wetter.
Erst wenn wir jenes Mysterium verstanden haben, das der Fernsehwetterbericht ist, wenn er also erst zum Mysterium und Rätsel wurde durch dessen Durchgang das Verstehen zu verstehen beginnt, können wir einen Ausblick darauf » Read the rest of this entry «
März 17th, 2013 § § permalink
Welt wird nicht reproduziert im technischen (Fernseh-)Zeitalter, verliert auch nicht ihre Aura. Sie wird vielmehr zitierbar – und verwandelt dabei, wie es jedes Zitat tut, die zitierte Welt in eine Autorität. Auratizität. Und produziert zugleich eine bedeutungslose Welt.
Fernsehen ist nicht (allein) auf die Signifikanz sprachlicher Zeichen angewiesen, die immer schon unter dem Vorzeichen der Abwesenheit stand und nur die vormalige Anwesenheit des Schreibers als schriftliche Spur der Geschrieben-habens bzw. Geschrieben-Seins durch … andeutungsweiser verbürgt. Fernsehen kann die Signifikanz nutzen – und tut es in dem Maße, wie es darum geht, die Abwesenheit in das Anwesende des Bildes hineinzubringen. Wo es also etwa darum geht das Abstrakte, Ideale oder Ideelle ins Bild zu bringen, ohne es sichtbar zu machen, es also aufzuladen.
Fernsehen erfüllt zudem den Traum der an der Unzulänglichkeit sprachlicher Kommunikation seit alters Verzweifelnden, mit Dingen sprechen zu können, die zu Zeichen ihrer selbst in der Abbildung werden. Nennen wir diese Funktion die referentielle Funktion, in der das Zeichen auf das zeigt, von dem es redet und in der es selbst zugleich zeigt, wovon es redet. Es weist nicht nur auf das Gezeigte wie der ausgestreckte Zeigefinger. Sondern es weist das Gezeigte zugleich » Read the rest of this entry «
Februar 23rd, 2013 § § permalink
Folgt man der hier im Blog bereits vorgestellten Hypothese, dass Fernsehen im Gebiet der Kunst operiert, speziell in dem Bereich den Kant als „Schematismus“ (hier bzw. hier)beschrieb, jenem Bereich also, in dem sinnliche Anschauungen und Verstandesbegriffe miteinander verbunden und möglichst zur Deckung gebracht werden, so lässt sich ein anderer Blick aufs Fernsehen werfen. Dieser Blick ist ein durchaus Kant-kompatibler und ermöglicht einen erneuten Blick auf das Phänomen der Ereignis- und Katastrophenfixierung von Fernsehnachrichten einerseits, der Mischung von „Nachrichten“ und fiktionalen Formaten andererseits.
In den Blick rückt ein seltsames Verhältnis von Wiederholung und Neuigkeit. Von Vertrautheit und Unvertrautheit, das insbesondere Nachrichten auszeichnet, die ein zeitlich fest definiertes Format (den Begriff von Stanley Cavell aufnehmend) definieren, in dem möglichst Unerwartetes gezeigt wird, ein Format also, in dem Unerwartetes erwartet oder gar gefordert ist. Man setzt sich vor den Fernseher in der Erwartung, das Unerwartete, die Krise, die Katastrophe, das Ereignis geliefert zu bekommen. Und da, wo die Nachrichten selbst nicht „von sich aus“ den Eindruck erwecken, katastrophisch zu sein, da setzt der Bericht alles daran, das Herausragende dessen, was berichtet wir, zu stärken und möglichst zur Katastrophe » Read the rest of this entry «
Februar 23rd, 2013 § Kommentare deaktiviert für Vor dem Fernseher, nach dem Individuum. Ein Schleef-Zitat #MediaDivina § permalink
Über Andreas Wilinks nachtkritik-Besprechung der Bonner Inszenierung von Hauptmanns Ratten durch Lukas Langhof bin ich über eine Passage eines Einar Schleef-Interviews gestolpert, der dort etwas sagt, das bedenkenswert ist. Noch nicht durchdacht hier, aber bedenkenswert in seiner geradzu buddhistischen Schlichtheit und Prägnanz:
Im traditionellen Sprechtheater hat der Schauspieler den Traum vom Individuum zu erfüllen — aber wo gibt’’s denn heute ein Individuum? Das ist eine antiquierte Vorstellung. Wir leben im Massenzeitalter, und das » Read the rest of this entry «
Februar 22nd, 2013 § Kommentare deaktiviert für Fernsehen als umgekehrtes Missionarstum #MediaDivina § permalink
Das Verhältnis von Nähe und Ferne, von Nipkows Ort A und Ort B und die Übertragung der Botschaft ist historisch nicht neu. Abgesehen davon, dass es vermutlich bereits so lange, wie Menschen und/oder Stämme wanderten, wie Fernhandel betrieben wurde, wie Regenten miteinander kommunizierten, den Austausch von Nachrichten gab, gab es auch die organisierte Nachrichtenverbreitung lange schon. Diejenige durch kirchliche Missionare. Interessant ist nun im Vergleich Fernsehen versus christliche Mission zweierlei:
Einerseits zunächst natürlich die Senderichtung. Während christliche Missionare in die Welt ausschwärmten, um die gute Nachricht mit mehr oder minder starkem Nachdruck zu verbreiten, die Empfänger der Botschaft also in der Ferne lagen, in die die Missionare reisten und an die sie sich annäherten, ist es im Fernsehen genau anders herum. Die „gute Nachricht“, die nicht immer – das wird der zweite Unterschied sein – „gut“ ist, wird aus der Ferne verkündet für die Nahen. Das umgekehrte Missionarstum des Fernsehens macht aus der Ferne selbst die » Read the rest of this entry «
Februar 22nd, 2013 § Kommentare deaktiviert für Das Fernsehen als elektrisches Teleskop und die Weltverdoppelung durch die Mondfahrt #MediaDivina § permalink
Der gelegentlich als Erfinder des Fernsehens bezeichnete Paul Nipkow, Namensgeber des 1935 in Betrieb genommenen ersten öffentlichen Fernsehsenders „Fernsehsender Paul Nipkow“, leitete 1884 seine Patentschrift für die Nipkow-Scheibe, mit einer interessanten Formulierung ein:
Der hier zu beschreibende Apparat hat den Zweck, ein am Orte A befindliches Object an einem beliebigen anderen Orte B sichtbar zu machen. (Quelle)
Er bezeichnete diesen Apparat als „elektrisches Teleskop“. Das scheint auf den ersten Blick eine überraschende, aber nicht gänzlich abwegige Formulierung für das, was später als Fernsehen bezeichnet werden wird. Dass Dinge an Orte A an anderen Orten gesehen werden können, aus der Ferne, ist in den Namen des Fernsehens eingeschrieben. Interessant allerdings wird es, konzentriert man sich auf das Verhältnis von A und B zueinander. Denn diese Orte entstehen als A und kategorial davon verschiedenes B erst durch das Teleskop. Zuvor war die Welt eine Welt von B’s. Ein jeder an einem Ort, an dem zu sehen ist. Definiert durch die Reichweite des Blicks. Erst durch das Teleskop entsteht die Möglichkeit von A, von einer Ferne, die von B gesehen werden kann.
Dabei ist der Ort A erst zu einem A geworden, nachdem er für B aus der Ferne sichtbar wurde. Und das Teleskop hat die wundersame Kraft, einen jeden Ort B in ein A zu verwandeln, indem das Kameraobjektiv darauf gerichtet wird. Die Aufteilung der Welt in A und B geschieht durch das Teleskop. Dieses Teleskop richtet » Read the rest of this entry «
Februar 20th, 2013 § Kommentare deaktiviert für Adorno/Horkheimer über den kantischen Schematismus des Fernsehens § permalink
Vor langem natürlich gelesen, war mir ganz entfallen, dass schon Adorno/Horkheimer über den kantischen Schematismus in der Kulturindustrie, sagen wir also speziell des Fernsehens, geschrieben haben. In der “Dialetik der Aufklärung” heißt es:
Die Leistung, die der kantische Schematismus noch von den Subjekten erwartet hatte, nämlich die sinnliche Mannigfaltigkeit vorweg auf die fundamentalen Begriffe zu beziehen, wird dem Subjekt von der Industrie abgenommen. Sie betreibt den Schematismus als als ersten Dienst am Kunden. In der Seele sollte ein geheimer Mechanismus wirken, der die unmittelbaren Daten bereits so präpariert, daß sie ins System der Reinen Vernunft hineinpassen. Das Geheimnis ist heute enträtselt. (132)
Denkt man das kantisch weiter, würde man auch hier wiederum bei dem Ergebnis ankommen, dass das Fernsehen sich im Bereich dessen ansiedelte, was traditionell der Kunst zugeordnet war. Vielleicht.
Februar 5th, 2013 § Kommentare deaktiviert für Fernsehen: Welterzeugung durch die Gottesmaschine § permalink
Fernsehen stellt die Betrachtung der Welt um von einer bloßen Wahrnehmung hin auf Interpretation. Worauf auch immer das Kameraauge sich richtet, das wird zunächst zu einem Gegenstand der Frage, und zwar der Frage nach der Bedeutung. Damit kassiert Fernsehen zunächst den Unterschied zwischen Naturdingen und Kunstwerken, wenn denn die Auszeichnung der hergestellten Kunstwerke im Gegensatz zu den (jedenfalls nicht von Menschen) hergestellten Naturobjekten darin besteht, dass sie bedeutend sind – während sie sich zugleich von allen anderen menschlichen Hervorbringungen dadurch unterschieden, dass sie keinen anderen zweck haben, als eben zu bedeuten.
Technik, verstanden als der zweckrationale Einsatz von physisch vorhandenen Mitteln, vernutzte die Welt als Rohstoff. Erst durch Einbeziehung in einen solchen Vernutzungszusammenhang bekamen die Rohstoffe „Sinn“ insofern als sie sich zweckmäßig einfügen ließen in eine Produktionskette, in der sie entweder als Produktionsmittel, als durch Arbeit zu ver- und bewertende Ausgangsstoffe oder als Produktionsorte auftraten. Der technisch-instrumentellen Vernunft erscheint die Welt als ein Rohstofflager, dessen Inhalt entweder bereits vernutzbar sind oder die auf eine zukünftige Nutzbarkeit warten, jederzeit auf der Suche, das Ungenutzte nutzbar zu machen und zu verwerten. „Sinn“ der Natur ist dann, darauf zu warten, vernutzt werden zu können.
Diesem technisch-zweckrationalen Sinn stellt das Fernsehen, ähnlich der Kunst, einen anderen Sinn gegenüber, denjenigen, eines verstehbaren Eigensinnes der Welt: Welt dabei zunächst und vorfernsehhaft verstanden als die nicht-einheitshafte Gesamtheit alles Vorhandenen. Als Vor-Welt oder Un-Welt, der die Möglichkeit unterstellt wird, Welt zu werden bzw. als Welt erkannt zu werden, das heißt als geordneter Zusammenhang des Seienden, darin dem griechischen Ursprungsbegriff von „kosmos“ als perfekte Ordnung sich anschließend. Noch die Frage, was die Welt im Innersten zusammenhält, ist ja erst als nachrangige Frage zu verstehen und zwar nach der Grundannahme DASS es einen Zusammenhalt » Read the rest of this entry «
Februar 1st, 2013 § § permalink
Der erste Satz von Luhmanns „Realität der Massenmedien“ ist (neben dem Buchtitel selbst) so komplex, dass eigentlich kein Leser mehr lesen müsste oder dürfte, als diesem Satz. Vorausgesetzt, dieser Leser hätte das Interesse und die Fähigkeit, diesen Satz als mehr denn nur eine Kalenderweisheit zu verstehen, die besagt, dass das Fernsehen uns ziemlich beeinflusst. Warum, dazu gleich.
Fernseh-Spaces
Fernsehen verwandelt die unmarkierte, ungeformte Welt in einen marked space, der ihr Sinn verleiht, zugleich die Welt als unmarked space ausschließend. Wer sich vor dem Fernsher befindet, nimmt die Welt als eine wahr, die Sinn hat – sitzend in einer dadurch nur umso mehr als sinnlos erfahrbaren Welt. Der Fernseher produziert eine „Sinnwelt“ (Luhmann, KdG 61), die sich durch Abbildung aus Elementen einer Welt konstituiert, die dadurch nur als umso sinnloser erfahrbar wird. Fernsehen gibt der Welt als Welt Sinn. Die Außenseite dieser Form „Fernsehen“ – lässt sich Luhmann parodierend (KdG 63) überraschend sinnvoll sagen – » Read the rest of this entry «