Wenn es so wäre, dass die unter dem Namen von Aristotles in „περὶ ποιητικῆς“ zusammenschriebenen, synthetisierten Trivialitäten zutreffend sind – was wäre dann der Dramatiker anderes als ein Synthesizer? Ein solcher, der allerdings nicht etwa Vorhandens synthetisiert, sondern das Synthetisierte in der Synthese erzeugt. Das unterscheidet den Verfertiger » Read the rest of this entry «
Drama und Ideologie 4
August 18th, 2014 § Kommentare deaktiviert für Drama und Ideologie 4 § permalink
Drama und Ideologie 3
August 18th, 2014 § Kommentare deaktiviert für Drama und Ideologie 3 § permalink
Es ist höchst bedauerlich: aber es scheint tatsächlich, als wäre seit Aristoteles nichts Bemerkenswertes mehr über Drama geschrieben worden. Dass es scheint, als ließe sich nichts Bemerkenswertes hinzufügen, hat nicht zuletzt damit zu tun, dass in diesem Büchlein unter dem Namen des Aristoteles ein Haufen von Platituden und Trivialitäten versammelt und formuliert, aufgezeichnet wurde. Trotzdem macht es noch immer Sinn, sich mit diesen Trivialitäten zu beschäftigen
Das kleine Büchlein, in dem sich das Bemerkenswerte findet, trägt den Titel „περὶ ποιητικῆς“. Man übersetzt gerne „Von der Dichtkunst“. Oder ähnlich. Vielleicht ist es hilfreicher, etwas näher an der Titelvokabel zu bleiben, beim „ποιεῖν“ und zu übersetzen „Von der Verfertigung“ oder „Vom Machen“. Es geht in diesem Fragment ums Machen. Aristoteles setzt sich mit Gemachtem, Verfertigtem auseinander. Mit einem speziellen Verfertigten, unter anderem der τραγῳδία, die er dezidiert in ihrer Verfertigtheit in den Blick nimmt. In die θεωρία, die Betrachtung, Beobachtung. Er konzentriert sich » Read the rest of this entry «
Drama und Ideologie 2
August 17th, 2014 § Kommentare deaktiviert für Drama und Ideologie 2 § permalink
In seinem vielgenutzen Buch „Das Drama“ scheint Manfred Pfister dazu auszugehen, dass es etwas gibt, dass es Artefakte gibt, die als Drama bezeichnet werden können. Und die unterscheidbar sind von anderen Artefakten (sei es sprachlich-schriftlicher Natur oder welcher sonst auch immer), die kein Drama sind. Ohne diese beiden Kriterien wäre die Rede von und das Buch über Drama sinnlos bzw. überflüssig. Es gibt also zumindest ein Drama, ein Artefakt, das als Drama bezeichnet und abgegrenzt werden kann. Wenn ich Pfister richtig verstehe, geht er sogar davon aus, dass es mehrere Artefakte gibt, die Drama sind, die sich zwar stark voneinander unterscheiden, dabei aber doch etwas Gemeinsames haben, das sie als Drama qualifiziert im Unterschied zu vielen anderen Dingen, die nicht als Drama qualifizierbar sind. Und er scheint zudem vorauszusetzen, dass die Beschreibung bestimmter Artefakte als Drama von einem Leser geteilt und als geteilte von ihm vorausgesetzt werden können. Es ist kein Vorschlag, Artefakte als Drama zu betrachten oder zu beschreiben, sondern es ist der Versuch, einer ‚allgemeinen und systematischen » Read the rest of this entry «
Theater als Gesellschaftslabor (mit Bruno Latour): die “kostbare kleine Institution”
Juli 29th, 2014 § 1 comment § permalink
Im Vortrag zum agilen Theater hatte ich als vorläufige Arbeitsdefinition von Theater angegeben, es sei “ein Ort der Gesellschaft in der Gesellschaft, an dem sich in Gesellschaft über Gesellschaft ästhetisch reflektieren lässt.” Zudem gab es den Verweis auf Dirk Baeckers sehr schöne Formulierung vom Theater als “Labor der praktischen Vernunft” (in: Wozu Theater?). Bei der Lektüre von Bruno Latours Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft ist mir nun eine Passage untergekommen, die sich zur Präzisierung dieser Formulierungen eignet, wiewohl das Originalzitat dafür eine kleinen Verdrehung hin zu Theater bedarf.
Latour beschreibt hier als 5. Unbestimmtheit des ANT-Soziologen die Praxis des Verfertigens soziologischer Berichte und argumentiert — verkürzt gesagt — für eine geduldige, kleinteilige, entfakttende, nicht vorschnell ins Erklären abdriftende Form der nahen, fast schriftstellerischen Verfertigung von “guten” Texten. Und was er gelegentlich von solchen ANT-soziologischen Texten schreibt, lässt sich nahezu 1:1 auch auf Theater (oder vielleicht zunächst Theatertexte) übertragen. Er schreibt über den textlich Berichtenden:
Er bietet eine künstliche Stätte an (den textlichen Bericht) {oder die Bühne; U.S.}, der für ein bestimmtes Publikum etwa die Frage lösen könnte, zu welcher gemeinsamen Welt man gehört. Versammelt um das ‘Laboratorium’ des Textes {Bühne; U.S.} fangen Autoren wie auch Leser vielleicht damit an, die beiden Mechanismen sichtbar zu machen, die zum einen für die Pluralität der zu berücksichtigenden Assoziationen verantworlich sind, zum anderen für die Stabilisierung oder Vereinheitlichung der Welt, in der sie leben möchten. Einerseits ist es nur ein Text aus Papierbögen, von einem Tinten- oder Laserstrahl geschwärzt. Andererseits eine kostbare kleine Institution, um das Soziale für alle seine Beteiligten zu repräsentieren, oder genauer, zu re-präsentieren, das heißt, um es ihnen von neuem zu präsentieren, ihm eine Performanz, eine Form zu geben. Das ist nicht viel, aber mehr zu verlangen heißt of, weniger zu bekommen. Viele ‘machtvolle Erklärungen’ mögen sich als weniger überzeugend herausstellen als schwächere. {S. 241f.; Anmerkungen in geschweiften Klammern von mir; U.S.}
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“Theater der digitalen Gesellschaft” — Vortrag beim NRW Theatertreffen 2014
Juni 13th, 2014 § 1 comment § permalink
Im Folgenden ist der Vortrag als PDF zu finden und herunterzuladen, den ich bei der Eröffnungsveranstaltung des NRW Theatertreffens 2014 in Dortmund die Ehre und das Vergnügen hatte zu halten. Zusätzlich stelle ich hier noch einmal den längeren Vortrag “Auf dem Weg zum agilen Theater” (gehalten auf der Jahrestagung der Dramaturgischen Gesellschaft 2014 in Mannheim) zur Verfügung. Außerdem die von mir aus den Statistiken des Deutschen Bühnenvereins für die Theater in Nordrhein-Westfalen zusammengestellten Zahlen in einer Excel-Datei zum Download.
»Der Dortmunder Vortrag kann hier heruntergeladen werden.Die Präsentations-Bilder sind ebenfalls in diesem PDF zu finden.
»Die Excel-Datei mit den Bühnenvereins-Zahlen für Nordrhein-Westfalen kann hier heruntergeladen werden. Ich hoffe, die Beschriftungen sind einigermaßen verständlich. Sollten in dieser Datei trotz aller Sorgfalt Übertragungsfehler vorkommen, bitte ich dafür um Entschudligung und um Hinweis, damit ich korrigieren kann.
»Wer den längeren Vortrag aus Mannheim mit den Ausführungen über die agile Organisation herunterladen möchte, wird hier fündig.
»Und dies sind die Mannheimer Präsentations-Slides:
»Außerdem ist der Mannheimer Vortrag auch in einer leicht geänderten Form auf nachtkritik.de zu finden: Auf dem Weg zum agilen Theater.
Schreiben im Writers Room (ein paar Videos zum Beitrag auf nachtkritik.de)
November 13th, 2013 § Kommentare deaktiviert für Schreiben im Writers Room (ein paar Videos zum Beitrag auf nachtkritik.de) § permalink
Heute erscheint von mir ein Text auf nachtkritik.de, der sich anlässlich der angekündigten Einstellung des Stückemarktes in bisheriger Gestalt mit der Frage und dem Konzept von Theaterautorschaft auseinandersetzt. Und zu dem Vorschlag kommt, anstatt mit freien “Autoren” mit Schreibern in Writers Rooms zu arbeiten. Da dieses Konzept vermutlich weitgehend unbekannt ist, habe ich hier ein paar Videos zusammengestellt, aus denen die Arbei in Writers Rooms deutlicher wird.
EinigeZu sehen sind eschöne Interviews von Showrunnern, die erzählen, wie TV-Erzählungen wie Breaking Bad, Sopranos, Mad Men oder Game of Thrones entstehen. In kollaborativen Schreibprozessen. Gemeinsamer Entwicklung. Und dadurch eine Komplexität erreichen, die ein Einzelschreiber niemals — oder jedenfalls nicht in überschaubarer Zeit — realisieren könnte. Für mich DIE Perspektive für die Arbeit an komplexen Projekten. Nicht nur im Fernsehen, sondern vor allem auch am Stadttheater. Tear down the wall between writers and directors — open writers rooms!
Vince Gilligan über die Arbeit an X‑Files und Breaking Bad:
Interview zur 3. Staffel Breaking Bad mit schönen Details aus dem Writers Room:
Aufspaltung und Stabilisierung der Demokratie durch Fernsehen #MediaDivina
Juni 28th, 2013 § Kommentare deaktiviert für Aufspaltung und Stabilisierung der Demokratie durch Fernsehen #MediaDivina § permalink
Ein Skyponat mit Klaus Kusanowsky bringt mich dazu einen Gedanken herunterzuschreiben, der mir schon länger durch den Kopf geht und der Teil eines größeren Projektes mit dem Arbeitstitel „Monitori te salutant – Überwachen und Fernsehen“ ist. Nämlich den Folgenden:
Nipkows „elektrisches Teleskop“, als das das Fernsehen hier bereits mehrfach beschrieben wurde (hier und hier), leistet die Ausstanzung aus dem potenziell wahrnehmbaren Kontinuum durch das Kameraobjektiv, die Markierung eines Ausschnittes als herausragend und zugleich die Übertragung dieses Bildes in einen unmarkierten Raum, d.h. in Räume, in denen Zuschauer vor ihren Heiligenschreinen die Nachrichten verfolgen.
Diese Struktur ist für die demokratische Verfassung von Staaten des späten 20. Jahrhunderts von fundamentaler Bedeutung. Lässt man nicht alleine wörtlich Demokratie aus Demos, den Beherrschten, und Kratos, den Herrschenden bestehen, so ist die Aufteilung in diese beiden funktionalen Positionen alles andere als selbstverständlich. Wie kommt es, dass eine Gruppe zu Kratos wird und in dieser Funktion stabilisiert wird, wie kann der Rest sich im unmarkierten Raum der Bevölkerung, des Demos, wiederfinden – wenn nicht (im späten 20. Jahrhundert jedenfalls) durch das Fernsehen?
Die Egalität der Bevölkerung für den Herrscher
Im vordemokratischen Zeitalter waren die Dinge klar: in die Herrschaft wurde der Herrscher hineingeboren, umgeben von einer Gruppe von potenziell Herrschaftsfähigen, mit eigenen (mehr oder minder begrenzten) Herrscherbefugnissen in begrenzten Territorien ausgestattet. Der Pöbel war durch dicke Mauern und bewaffnete Wächter ausschließbar. Dass überhaupt Herrschaft stattfand, dass absolute Macht (wenn schon kein Absolutismus) herrschte, musste der Herrscher von Zeit zu Zeit aktualisieren: Mittels Steuereintreibung und Armeeaushebungen etwa. Oder in Zwischen- und Friedenszeiten durch Erlasse und Verordnungen, die vervielfältigt in die letzten Winkel des Landes getragen und dort an Kirchen- oder Rathaustüren genagelt und von Kanzeln verlesen wurden. Dass diesen Verfügungen kaum praktische Bedeutung zukam, wie neuere Studien über den Mythos des Absolutismus zeigen, lag daran, dass der Zentralherrscher keine hinreichende Organisation hatte, um die Verbreitung und insbesondere Einhaltung der Verfügungen überprüfen und sich mitteilen zu lassen, keine lokalen Mächte in hinreichender Zahl, um überall die Einhaltung durchzusetzen. Die Verordnungen an ihren Nägeln waren der Existenzbeweis der Herrschaft. Die Nichteinhaltung, das Quittieren eines zentralen Edikts durch Achselzucken durch die Bevölkerung war seine Schwäche. In einem interessanten Aufsatz schreibt Achim Landwehr:
Die medialen Möglichkeiten der Publikation und Verbreitung solcher Befehle waren verhältnismäßig begrenzt und bestanden vornehmlich im Aushang und der öffentlichen Verlesung. Angsichts einer allgemein als gering zu veranschlagenden Alphabetisierung kam vor allem der Verlesung, ob sie nun vom Rathaus oder von der Kirchenkanzel vonstatten ging, ein recht hoher Stellenwert zu. Hier stellte sich aber ein weiteres, kaum zu unterschätzendes und auch zeitgenössisch bereits thematisiertes Problem: Wie ließ sich garantieren, daß beispielsweise nach » Read the rest of this entry «
Die Metaphysik des komplexen Quality TV #MediaDivina
Juni 6th, 2013 § 2 comments § permalink
Neben der Live-Ness des „elektrischen Teleskops“ und dem Programm-Flow gehört die Serialität der Inhalte zu den wesentlichen Eigenschaften des Fernsehens. Über die abgeschlossenen Formate des Kriminalfilms etwa hatte ich hier vor einiger Zeit bereits gebloggt. Das ist aber, mit Blick auf das, was sich gegenwärtig im Fernsehen tut, nur eine Variante der Serialität. Viel wirkmächtiger und wuchtiger, viel eigenartiger und erheblich erfolgreicher (kommerziell und in der öffentlichen Wahrnehmung) sind die Formate, die neuerdings als „Quality TV“ oder „komplexe Serie“ subsummiert werden, also Serien wie Sopranos, 24, Lost, Mad Men, Breaking Bad, Homeland, Game of Thrones usw. Serien, die – nicht nur – mich begeistern und elektrisieren und Fernsehinhalten eine magnetische Kraft, ja eine geradezu euphorisierende Aura verleihen, wie sie im Fernsehen wenn überhaupt, dann sicher lange nicht mehr vorgekommen sind.
Anders als die klassischerweise als Serie bezeichneten Formate, die aus in sich abgeschlossenen Episoden bestehen, sind diese Serien in Abstammung der fortlaufenden Fortsetzung unter dem Namen „Serials“ » Read the rest of this entry «
Die Telefonstrippenzieherdenke der #Drosselkom und warum der Schuss ins eigene Knie geht
Mai 16th, 2013 § 2 comments § permalink
Die Telekom versteht sich traditionell als Verbinder zwischen zwei Punkten: Erleben, was verbindet — lautet ihr Claim. Das hat sie seit ewigen Zeiten gemacht, da sie Kabel in der Erde vergrub. Sie scherte sich wenig darum, dass es zwei Endpunkte gab und was diese Endpunkte miteinander zu tun hatten. Die Kosten zu tragen hatte, wer den Hörer in die Hand nahm, um jemand anderen anzurufen. Gelegentlich auch die andere Seite. Mit den Inhalten hatte die Telekom nichts zu tun. Sie stellt einen Service bereit, der zwei Punkte zum zweck des Inhaltsaustauschs miteinander verbindet. So einfach, so blind. Telefonstrippenziehertradition mit Telefonstrippenzieherdenke und Telefonstrippenziehergebührenabrechnungsmodell.
Jenseits der Strippenzieherei
Die Telekom berechnet Gebühren für die Nutzer von Internetanschlüssen und behandelt sie wie Telefonanschlüsse: Wir verbinden, dafür bekommen wir Geld. Die Inhalte sind uns egal, dafür muss niemand bezahlen. Warum sollte die Telekom dem Enkel Geld bezahlen, weil er die Oma dazu bringt, ihn besorgt anzurufen, um sich nach seinem Befinden zu erkundigen? Reicht ja, wenn der Enkel nichts zahlen muss dafür, dass er angerufen wird. Ein Webseite wie den Neffen zu behandeln ist — Telefonstrippenzieherdenke.
Um der Klarheit willen ein anderer Vergleich. Eine Zeitung. Sagen wir also, eine Zeitung sei eine gewisse Menge Papier, die jeden morgen verkauft wird. Der Zeitungsverleger ist ein Papierverkäufer. Der Käufer kauft das Papier. Dass da etwas darauf steht, das interessiert den Zeitungsverkäufer nicht. Obwohl der » Read the rest of this entry «
Konferenz “Theater und Netz” startet jetzt — mit Livestream #theaterundnetz
Mai 8th, 2013 § Kommentare deaktiviert für Konferenz “Theater und Netz” startet jetzt — mit Livestream #theaterundnetz § permalink
Nach fast einem Dreivierteljahr der Vorarbeit mit Esther Slevogt und Christian Rakow von nachtkritik.de, Christian Roemer und seinem Team von der Boell-Stiftung und Milena Mushak von der Bundeszentrale für politische Bildung ist es jetzt so weit: Die Konferenz Theater und Netz startet. Und ist im Live-Stream auf nachtkritik.de zu sehen.
Heute Abend suchen Claus Peymann und Marina Weisband nach Gemeinsamkeiten und Berührungspunkten zwischen Theater- und Netzkultur. Und morgen werden in sechs Panels Gespräche über Netzgesellschaft, partizipative und interaktive Theaterformen, über Theater im Netz, Kritik im Netz und die Kritiker in der Crowd geführt. Ich freue mich darauf, die beiden letztgenannten Panels zu moderieren. Zusätzlich werden in Praxis-Workshops (komplett ausgebucht) Grundlagen-Techniken und ‑Wissen über Social Media Platformen und das Community-Management vermittelt. Das gesamte Programm, eine Übersicht über die Panelteilnehmer und Moderatoren gibts auf der Konferenz-Webseite.
Und man sollte es kaum glauben: Auch bei Konferenzen kann man Lampenfieber haben.