Die Trierer proben den Aufstand – eine Laien(theater)kritik

Juni 22nd, 2013 § Kommentare deaktiviert für Die Trierer proben den Aufstand – eine Laien(theater)kritik § permalink

Dass es einen FC Bay­ern Mün­chen gibt, ist kein Ein­wand gegen Fei­er­abend- und Ama­teur­fuß­ball in zahl­lo­sen ört­li­chen Ver­ei­nen. Und dass letz­te­re nicht auf dem Niveau des Ers­te­ren spie­len, eine Selbst­ver­ständ­lich­keit. Denn die zahl­lo­sen loka­len Ver­ei­ne haben eine ande­re lokal-gesell­schaft­li­che Funk­ti­on, als die Cham­pi­ons League Sportler.

Mit Lai­en­thea­ter ist es eine ähn­li­che Sache. Gewöhnt an die Hoch­äm­ter der Büh­nen­kunst in pro­fes­sio­nel­len Häu­sern, kann man recht schnell zu einer ent­täusch­ten Ein­schät­zung sol­cher Thea­ter­ak­ti­vi­tä­ten kom­men und sich gelang­weilt oder frus­triert abwen­den. Man kann sich aber auch den Eigen­ge­set­zen die­ser viel­leicht nicht ein­mal im empha­ti­schen Sin­ne „künst­le­ri­schen“, son­dern lokal gemein­schaft­li­chen Form widmen.

Die Trie­rer Pro­duk­ti­on „Stadt in Auf­ruhr“, pro­du­ziert für und gezeigt im Rah­men des Fes­ti­vals „Maxi­mie­rung Mensch 4:Mensch Marx“ der Uni­ver­si­tät und des Thea­ters Trier, ist ein sol­cher Anlass, die Bewer­tungs­kri­te­ri­en pro­fes­sio­nel­len Büh­nen­thea­ters zurück­zu­stel­len, um sich dem wid­men zu kön­nen, was da tat­säch­lich an Span­nen­dem geschah. Das soll hier ver­sucht wer­den, wes­halb es sich hier eigent­lich nicht um eine Kri­tik han­delt, son­dern um eine Laienkritik.

Es fan­den sich mehr als 60 Trie­rer (mei­ne Zäh­lung – Ver­an­stal­ter­an­ga­ben über 100) unter Anlei­tung der GRUPPE INTERNATIONAL zusam­men, um „Stadt in Auf­ruhr“ zu geben. Nicht auf einer Büh­ne, son­dern indem die Stadt selbst zur Büh­ne ver­wan­delt, das Publi­kum zum Spa­zier­gän­ger in einer Stadt­füh­rung wur­de. Erschien der Beginn noch auf übli­chem Lai­en-Niveau, wan­del­te sich die Akti­on spä­ter plötz­lich in Anderes.

Die ers­ten Akte: Von damals

Ers­te Spiel­stät­te war die Kunst­bau­stel­le „Tuf­ta­po­lis“, ein etwas her­un­ter­ge­kom­me­ner Aben­teu­er­spiel­platz, auf dem Kin­der in Kos­tü­men des Micha­el aus Lön­ne­ber­ga, Bat­man, Robin und Pip­pi Lang­strumpf Klein­grup­pen eine Füh­rung gaben und den Besu­chern gesprä­chig erzähl­ten, was das damals alles war. „Damals“ (so ver­stand ich) ist das Trier der Gegen­wart, denn die Insze­nie­rung sie­del­te sich in der Zukunft des Jah­res 2025 (in Anknüp­fung an ein gera­de ver­öf­fent­lich­tes Stra­te­gie­pa­pier „Trier Zukunft 2025“ der Stadt) an  – einer durch­aus dys­to­pi­schen, durch­öko­no­mi­sier­ten und in einer ver­elen­de­ten und zutiefst in Reich und Arm gespal­te­nen Stadt.

Durch Sei­ten­gas­sen, an denen sich Bau­an­kün­di­gun­gen für Enter­tain­ment Cen­ter fan­den, ging es zum zwei­ten Akt, einen Gara­gen­hof. Dort wur­de das Publi­kum (geschätzt über 100 Zuschau­er) auf­ge­teilt auf ver­schie­de­ne Gara­gen, in denen ver­klei­de­te Ein­zel­dar­stel­ler ver­arm­te Trie­rer gaben, die von einer gemein­schaft­li­chen Aldi-Plün­de­rung erzähl­ten. Wei­ter dann auf einen Park­platz, auf dem vier Dar­stel­ler sich als Opfer staat­li­cher Gewalt der jün­ge­ren Gegen­wart (Athen, Tune­si­en) und der ent­fern­te­ren Trie­rer Ver­gan­gen­heit (ein 1848 von der Poli­zei in Trier getö­te­te Revo­lu­tio­när) gaben und ihre Geschich­te erzählten.

Der drit­te Akt: Der Auf­stand beginnt

Span­nend wur­de es direkt im Anschluss. Die Dar­stel­ler misch­ten sich unter die Zuschau­er-Spa­zier­gän­ger, drück­ten Dut­zen­den von ihnen Demo-Pla­ka­te mit der » Read the rest of this entry «

Die Baumol’sche “Kostenkrankheit” der Theater und der Ökonomismus

Juni 17th, 2013 § 2 comments § permalink

In Istan­bul und Stutt­gart wer­den Park-Natur­oa­sen tap­fer ver­tei­digt – wäh­rend die Abhol­zung von thea­tra­len Kul­tur­oa­sen in Trier, Des­sau und anders­wo ver­gleichs­wei­se still über die Büh­ne gehen. Wäh­rend wir vor dem Fern­se­her hockend täg­lich Bil­der sehen, wie in Istan­bul Park­an­la­gen gegen den Zugriff des Staa­tes ver­tei­digt wer­den und die Zen­tral­macht in die Kri­se gerät, scheint in Deutsch­land die Fäl­lung der deut­schen Thea­ter­land­schaft weit­ge­hend unspek­ta­ku­lär abzu­lau­fen. Wird eine, auch nur als inner­städ­ti­sche Par­kin­sze­nie­rung vor­han­de­ne, Um- oder Lebens­welt ange­grif­fen, sind Bevöl­ke­run­gen – wie schon in Stutt­gart vor eini­gen Jah­ren – bereit auf die Bar­ri­ka­den zu gehen und die Macht dazu zu zwin­gen, sich zur Sicht­bar­keit zu ent­stel­len, Schlag­stö­cke, Trä­nen­gas, Was­ser­wer­fer ein­zu­set­zen. Hin­ge­gen sind Angrif­fe auf die gesell­schaft­li­che Mit­welt und ihre Insti­tu­tio­nen weit­ge­hend wider­stands- und pro­test­frei. Das Leben oder die Lebens­grund­la­ge von Men­schen ein­zu­schrän­ken mag hin­ge­hen – aber wehe, es geht Parks und Bäu­men an die Bor­ke. Wäre gele­akt wor­den, dass die USA ein welt­wei­tes Ent­lau­bungs­pro­jekt unter dem Namen Prism gestar­tet hät­te: Mil­lio­nen wären auf den Stra­ßen. Die Aus­spä­hung der welt­wei­ten Kom­mu­ni­ka­ti­on – zieht nur eine iro­nisch-lar­moy­an­te Melan­cho­lie nach sich. Oder fin­det gar Befür­wor­ter in bedeu­ten­dem Umfang (die sicher­lich anders reagier­ten, wäre bekannt gewor­den, dass deut­sche Finanz­äm­ter sämt­li­che Geld­strö­me und Kon­ten aus­spio­nier­ten … aber das ist ein ande­res Thema.

In Trier, Sach­sen-Anhalt und anders­wo sind die Thea­ter­in­sti­tu­tio­nen in ihrer Exis­tenz bedroht. Dage­gen steht man ein biss­chen auf: Zeich­net Online-Peti­tio­nen (immer­hin ein erkleck­li­cher Teil der Trie­rer Bevöl­ke­rung „unter­schreibt“ gegen die dis­ku­tier­te Ver­stüm­me­lung oder Hin­rich­tung des dor­ti­gen Drei­spar­ten­hau­ses) oder ver­an­stal­tet Pro­test­ak­tio­nen (etwa in Des­sau und Eis­le­ben). Von bedeu­ten­den Pro­tes­ten, wie wei­land noch zur Schlie­ßung des Schil­ler­thea­ters, ist kaum zu reden. Umwelt­ver­tei­di­gung ruft die Men­schen auf die Stra­ße – Mit­welt­ver­tei­di­gung kaum.

Um es vor­weg zu sagen: ich bin mit den kon­kre­ten Ver­hält­nis­sen in Trier und Des­sau eben­so wenig ver­traut, wie mit denen in Istan­bul. Es sind für mich ledig­lich medi­al ver­mit­tel­te Vor­gän­ge. Aber das, was in den Medi­en zu fin­den ist und wie sich Medi­en dazu posi­tio­nie­ren, kann als Anhalts­punkt die­nen, um die fol­gen­de, ins All­ge­mei­ne gehen­de Stel­lung­nah­me zu ermöglichen.

An der Situa­ti­on, dem eher mau­en Wider­stand gegen Thea­ter­schlie­ßun­gen im Ver­gleich zu Park­ab­hol­zun­gen, sind die Thea­ter­leu­te selbst nicht unschul­dig. Dass an Thea­tern Pro­test­for­men genau in dem Augen­blick gefun­den wer­den, da es ans eige­ne Leder geht, wäh­rend alle ande­ren zer­stö­re­ri­schen Akte die schö­nen Spiel­plä­ne nicht wirk­lich aus der Bahn wer­fen, lässt den Ver­dacht eines jäm­mer­li­chen Ego­is­mus auf­kei­men. War­um soll­ten Hartz 4‑Empfänger sich dafür ein­set­zen, dass Thea­ter am Leben gehal­ten wer­den – wo waren die Thea­ter, als den Hartz 4 Emp­fän­gern das Leben beschnit­ten wur­de? Wo waren damals die krea­ti­ven Wider­stands­for­men, mit denen jetzt der eige­ne Fort­be­stand gesi­chert wer­den soll? Wo ist der krea­ti­ve Wider­stand gegen Prism?

Dass die Bäu­me dage­gen sind, abge­holzt zu wer­den, ist kei­ne Über­ra­schung. Die Kunst besteht dar­in, die Men­schen gegen die Abhol­zung der Bäu­me und der Thea­ter auf den Plan zu rufen. Und zwar indem Thea­ter sei­ne eige­ne Funk­ti­on in der Gesell­schaft wie­der­ent­deckt – bevor es ihm selbst an die Bud­gets geht. Ein Thea­ter, das die „Ästhe­tik des Auf­stands“ (Leh­mann) erst ent­deckt, wenn es dar­um geht, die Macher zu ver­tei­di­gen, wird kei­ne Alli­an­zen und Ver­tei­di­ger von außer­halb fin­den, die mehr als ein müdes „Och, nö. Wär scha­de.“ als Pro­test artikulieren.

Aber das ist eigent­lich nicht das The­ma die­ses Pos­tings – und dann am Ende wie­der doch. Von den Bäu­men zu Bau­mol. Damit zu dem The­ma, war­um die Aus­ein­an­der­set­zung mit Öko­no­mie und Öko­no­mis­mus nicht halt machen kann beim Kampf um die eige­nen Thea­ter­etats. Und war­um ein akti­ver und krea­ti­ver Wider­stand gegen die Öko­no­mi­sie­rung der Lebens­ver­hält­nis­se zu spät kommt, wenn es erst um die Ver­tei­di­gung der eige­nen Bud­gets geht.

Das Kos­ten­di­lem­ma der „per­forming arts“.

Als ich am Wochen­en­de die leicht irr­sin­ni­ge Prä­sen­ta­ti­on der Unter­neh­mens­be­ra­tung ICG zur Zukunft des Trie­rer Thea­ters auf Twit­ter geshared habe (hier die Prä­se), bekam ich von @Fritz dan­kens­wer­ter­wei­se den Hin­weis auf eine Publi­ka­ti­on aus dem Jahr 1966: Wil­liam J. Bau­mol & Wil­liam G. Bowen: Per­forming Arts-The Eco­no­mic Dilem­ma: A Stu­dy of Pro­blems Com­mon to Thea­ter, Ope­ra, Music and Dance. Das Buch kos­tet anti­qua­risch lei­der über 8000 Euro – des­we­gen bin ich auf ande­re Quel­len ange­wie­sen. Etwa den von @Fritz geschick­ten Link zu James Heils­bruns Arti­kel Baumol’s Cost Dise­a­se (hier als PDF) und den knap­pen Wiki­pe­dia-Ein­trag zur „Baumol’schen Kos­ten­krank­heit“ hier.

Bau­mols und Bowens Aus­füh­run­gen sind von enor­mer Bri­sanz, da sie zei­gen, dass kon­ti­nu­ier­li­che Kos­ten­stei­ge­run­gen an Thea­tern kein Pro­blem ist, dem man wirk­lich begeg­nen könn­te, son­dern (und ich benut­ze die­sen Begriff für öko­no­mi­sche Zusam­men­hän­ge nur sehr ungern, hal­te ihn hier aber » Read the rest of this entry «

Die Metaphysik des komplexen Quality TV #MediaDivina

Juni 6th, 2013 § 2 comments § permalink

Neben der Live-Ness des „elek­tri­schen Tele­skops“ und dem Pro­gramm-Flow gehört die Seria­li­tät der Inhal­te zu den wesent­li­chen Eigen­schaf­ten des Fern­se­hens. Über die abge­schlos­se­nen For­ma­te des Kri­mi­nal­films etwa hat­te ich hier vor eini­ger Zeit bereits gebloggt. Das ist aber, mit Blick auf das, was sich gegen­wär­tig im Fern­se­hen tut, nur eine Vari­an­te der Seria­li­tät. Viel wirk­mäch­ti­ger und wuch­ti­ger, viel eigen­ar­ti­ger und erheb­lich erfolg­rei­cher (kom­mer­zi­ell und in der öffent­li­chen Wahr­neh­mung) sind die For­ma­te, die neu­er­dings als „Qua­li­ty TV“ oder „kom­ple­xe Serie“ sub­sum­miert wer­den, also Seri­en wie Sopra­nos, 24, Lost, Mad Men, Brea­king Bad, Home­land, Game of Thro­nes usw. Seri­en, die – nicht nur – mich begeis­tern und elek­tri­sie­ren und Fern­sehin­hal­ten eine magne­ti­sche Kraft, ja eine gera­de­zu eupho­ri­sie­ren­de Aura ver­lei­hen, wie sie im Fern­se­hen wenn über­haupt, dann sicher lan­ge nicht mehr vor­ge­kom­men sind.

Anders als die klas­si­scher­wei­se als Serie bezeich­ne­ten For­ma­te, die aus in sich abge­schlos­se­nen Epi­so­den bestehen, sind die­se Seri­en in Abstam­mung der fort­lau­fen­den Fort­set­zung unter dem Namen „Seri­als“ » Read the rest of this entry «

Konferenz “Theater und Netz” startet jetzt — mit Livestream #theaterundnetz

Mai 8th, 2013 § Kommentare deaktiviert für Konferenz “Theater und Netz” startet jetzt — mit Livestream #theaterundnetz § permalink

Nach fast einem Drei­vier­tel­jahr der Vor­ar­beit mit  Esther Sle­vogt und Chris­ti­an Rakow von nachtkritik.de, Chris­ti­an Roe­mer und sei­nem Team von der Boell-Stif­tung und Mile­na Mus­hak von der Bun­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung ist es jetzt so weit: Die Kon­fe­renz Thea­ter und Netz star­tet. Und ist im Live-Stream auf nacht­kri­tik.de zu sehen.

Heu­te Abend suchen Claus Pey­mann und Mari­na Weis­band nach Gemein­sam­kei­ten und Berüh­rungs­punk­ten zwi­schen Thea­ter- und Netz­kul­tur. Und mor­gen wer­den in sechs Panels Gesprä­che über Netz­ge­sell­schaft, par­ti­zi­pa­ti­ve und inter­ak­ti­ve Thea­ter­for­men, über Thea­ter im Netz, Kri­tik im Netz und die Kri­ti­ker in der Crowd geführt. Ich freue mich dar­auf, die bei­den letzt­ge­nann­ten Panels zu mode­rie­ren. Zusätz­lich wer­den in Pra­xis-Work­shops (kom­plett aus­ge­bucht) Grund­la­gen-Tech­ni­ken und ‑Wis­sen über Social Media Plat­for­men und das Com­mu­ni­ty-Manage­ment ver­mit­telt. Das gesam­te Pro­gramm, eine Über­sicht über die Panel­teil­neh­mer und Mode­ra­to­ren gibts auf der Kon­fe­renz-Web­sei­te.

Und man soll­te es kaum glau­ben: Auch bei Kon­fe­ren­zen kann man Lam­pen­fie­ber haben.

Die Darstellung der Welt als eine Veränderbare — Brecht revisted

April 22nd, 2013 § 2 comments § permalink

Wenn also Mas­sen­me­di­en die Welt und die Gesell­schaft, in der wir leben, so kon­stru­ie­ren und dar­stel­len, dass unser Wis­sen über die­se Geselslchaft mehr oder min­der aus den Mas­sen­me­di­en stammt (Luh­mann) — was bleibt dann einer dar­stel­len­den Kunst noch zu kon­stru­ie­ren? Sich ein Bild von der Welt zu machen, kann es kaum sein. Denn gegen das mas­sen­me­dia­le Bild von Fern­se­hen und Zei­tun­gen kann es nicht ankom­men, dafür ist Thea­ter zu lang­sam, ihm feh­len die per­so­nel­len und finan­zi­el­len Mit­tel. Und das Publi­kum ist viel zu klein. In die­sem Zusam­men­hang bin ich über einen klei­nen Brecht-Text von 1955 gestol­pert, der sich dem Pro­blem der Dar­stell­bar­keit der Welt wid­met und dazu Stel­lung bezieht. Was Brecht im Ange­sicht der ato­ma­ren Bedro­hung schreibt, lässt sich even­tu­ell auch über die Welt im Ange­sicht der mone­tä­ren Bedro­hung noch ein­mal sagen. Ich zitie­re ihn in gan­zer Län­ge unkom­men­tiert. Die Fet­tun­gen sind aller­dings von mir.

Brecht – Über die Darstellbarkeit der Welt auf dem Theater

Mit Inter­es­se höre ich, daß Fried­rich Dür­ren­matt in einem Gespräch über das Thea­ter die Fra­ge gestellt hat, ob die heu­ti­ge Welt durch Thea­ter über­haupt noch wie­der­ge­ge­ben wer­den kann.

Die­se Fra­ge, scheint mir, muß zuge­las­sen wer­den, sobald sie ein­mal gestellt ist. Die Zeit ist vor­über, wo die Wie­der­ga­be der Welt durch das Thea­ter ledig­lich erleb­bar sein muß­te. Um ein Erleb­nis zu wer­den, muß sie stimmen.

Es gibt vie­le Leu­te, die kon­sta­tie­ren, daß das Erleb­nis im Thea­ter schwä­cher wird, aber es gibt nicht so vie­le, die eine Wie­der­ga­be der heu­ti­gen Welt als zuneh­mend schwie­rig erken­nen. Es war die­se Erkennt­nis, die eini­ge von uns Stü­cke­schrei­bern und Spiel­lei­tern ver­an­laßt hat, auf die Suche nach neu­en Kunst­mit­teln zu gehen.

Ich selbst habe, wie Ihnen als Leu­ten vom Bau bekannt ist, nicht weni­ge Ver­su­che unter­nom­men, die heu­ti­ge Welt, das heu­ti­ge Zusam­men­le­ben der Men­schen, in das Blick­feld des Thea­ters zu bekommen.

Dies schrei­bend, sit­ze ich nur weni­ge hun­dert Meter von einem gro­ßen, mit guten Schau­spie­lern und aller nöti­gen Maschi­ne­rie aus­ge­stat­te­ten Thea­ter, an dem ich mit zahl­rei­chen, meist jun­gen Mit­ar­bei­tern man­ches aus­pro­bie­ren kann, auf den Tischen, um mich Modell­bü­cher mit Tau­sen­den von Fotos unse­rer Auf­füh­run­gen und vie­len mehr, oder min­der genau­en Beschrei­bun­gen der ver­schie­den­ar­tigs­ten Pro­ble­me und ihrer vor­läu­fi­gen Lösun­gen. Ich habe also alle Mög­lich­kei­ten, aber ich kann nicht sagen. daß die Dra­ma­tur­gien, die ich aus bestimm­ten Grün­den nicht­aris­to­te­li­sche nen­ne, und die dazu­ge­hö­ren­de epi­sche Spiel­wei­se die Lösung dar­stel­len. Jedoch ist eines klar­ge­wor­den: Die heu­ti­ge Welt ist den heu­ti­gen Men­schen nur beschreib­bar, wenn sie als eine » Read the rest of this entry «

Theater als Ort des Hier und Jetzt — Antwort an Frank Kroll, Abschluss

Januar 11th, 2013 § 5 comments § permalink

Was macht denn Thea­ter aus? Was kann es denn ande­res, mehr, bes­ser als Film, Fern­se­hen, Inter­net, Video­spie­le? Wo liegt die Quel­le einer ein­zig­ar­ti­gen Kraft des Thea­trons? Natür­lich in der live­haf­ti­gen Koprä­senz von Dar­stel­lern und Zuschau­ern. Aber was heißt das schon, wenn das Dar­stel­lungs­per­so­nal in sei­ner Dar­stel­lung die Live­haf­tig­keit auf die Simu­la­ti­on eines nicht vor­han­de­nen Screens ein­schränkt, vor dem die Zuschau­er sit­zen? In dem Koprä­senz ledig­lich zur Stö­rungs­quel­le des Dar­stel­lungs­per­so­nals durch unbot­mä­ßi­ges Hüs­teln, Flüs­tern, fal­sches Gni­ckern wird, um nicht zu reden von Chips- und Pop­korn­tü­ten­ra­scheln oder den Geräu­schen eines Kalt­ge­trän­ke­ge­nus­ses und ganz zu schwei­gen von der Benut­zung digi­ta­ler Kom­mu­ni­ka­ti­ons­me­di­en. Was bleibt von der Koprä­senz, wenn das Publi­kum nichts ande­res ist als poten­zi­el­ler Störenfried?

Chips? Han­dys im Zuschau­er­raum? Wer will das denn? Will ich das? Ich weiß es nicht. Es geht dar­um auch gar nicht, son­dern dar­um, dass Thea­ter aus sei­ner Hier- und Jet­zig­keit nichts zu machen ver­steht. Und wenn die Gegen­fra­ge „Ja wie denn“ nicht nur pole­misch-rhe­to­risch im Raum ste­hen bleibt, son­dern viel­leicht zum Ansatz eines künst­le­ri­schen For­schungs­pro­gram­mes wird, wenn zudem das all­fäl­li­ge gelang­weil­te „machen wir doch alles schon“ weg bleibt und akzep­tiert wird, dass das Publi­kum das, was in die­ser Form statt­fin­det, eben noch (!) nicht » Read the rest of this entry «

Theater als Ort der Reflexion über die Mitweltzerstörung — Antwort an Frank Kroll, Teil 4

Januar 10th, 2013 § Kommentare deaktiviert für Theater als Ort der Reflexion über die Mitweltzerstörung — Antwort an Frank Kroll, Teil 4 § permalink

Thea­ter ist ein Ort der Gesell­schaft in der Gesell­schaft, ein Ort, den sich Gesell­schaft leis­tet und in dem sie sich Gesell­schaft leis­tet. Ein Ort in der Gesell­schaft außer­halb der Gesell­schaft, viel­leicht ein Het­e­ro­top, was ich vor eini­ger Zeit ein­mal hier im Blog ver­gleichs­wei­se mit der Agrip­pa-Legen­de von Titus Livi­us ver­gli­chen hat­te. Thea­ter ist der Ort, in dem hin­ein man aus der Tages­ge­sell­schaft abends hin­aus­tritt, um in die Gesell­schaft zurück zu schau­en, Refle­xi­on also nicht im ein­fach bewusst­seins­phi­lo­so­phi­schen, son­dern im durch­aus opti­schen Sin­ne, in dem sich etwas wider­spie­gelt, das es außer­halb der Spie­ge­lung nicht gibt. Eine Mime­sis, die nichts nach-ahmt, son­dern ein­fach ahmt und durch den Effekt des schein­ba­ren „nach“ der Ahmung Erkennt­nis und Ver­gnü­gen mit­ein­an­der zu ver­bin­den zu ver­mag. Es ist ein Spie­gel­bild ohne Vor­bild. Aber machen wirs viel­leicht auch nicht zu kom­pli­ziert. Also anders.

Seit 40 Jah­ren schaf­fen wir all­mäh­lich ein gesell­schaft­li­ches Bewusst­sein über Umwelt­zer­stö­rung und die unge­wünsch­ten Fol­gen der Mani­pu­al­ti­on an der phy­si­schen Natur. Es ist an der Zeit, für das21. Jahr­hun­dert neben der Umwelt­zer­stö­rung auch die Mit­welt­zer­stö­rung in den Blick zu bekom­men, die in den letz­ten fünf Jah­ren in der soge­nann­ten Finanz­kri­se ihr gesell­schaft­li­ches Fuku­shi­ma » Read the rest of this entry «

Die Frage der Zahl der Produktionen — Antwort an Frank Kroll, Teil 3

Januar 9th, 2013 § Kommentare deaktiviert für Die Frage der Zahl der Produktionen — Antwort an Frank Kroll, Teil 3 § permalink

Natür­lich stim­me ich Frank Krolls Dia­gno­se zu, dass die Anzahl der „Pro­duk­tio­nen“ bereits zu hoch ist, um sowohl ver­träg­lich für die Mit­ar­bei­ter, als auch zuträg­lich für die Kunst zu sein. Höhe­re Schnel­lig­keit kann dem­nach nicht hei­ßen, noch mehr in noch kür­ze­rer Zeit zu pro­du­zie­ren. Wür­den Thea­ter­leu­te nicht mit einer ange­bo­re­nen Arro­ganz gegen­über den Erfah­run­gen nicht­künst­le­ri­scher Insti­tu­tio­nen, wie es etwa Wirt­schafts­be­trie­be sind, her­um­lau­fen, hät­ten sie die Fata­li­tät die­ses Pro­zes­ses schon längst abse­hen kön­nen: Wenn die Zahl der Kun­den gleich bleibt oder sinkt, besteht die ein­zi­ge Chan­ce zum Wachs­tum (sprich: zu höhe­ren oder zumin­dest gleich blei­ben­den  Aus­las­tungs­quo­ten), den ver­blei­ben­den Kun­den mehr (Insze­nie­run­gen) zu ver­lau­fen, ihnen also zusätz­li­che Kauf­an­läs­se zu bie­ten. Heißt: Erhö­hung der Pro­dukt­pa­let­te. Geschieht dies bei gleich­blei­ben­den oder sin­ken­den Bud­gets, tra­gen die Kon­se­quen­zen die Beschäf­tig­ten. Und die Pro­dukt­qua­li­tät. Das ist so ein­fach, wie nur etwas. Und es ist kein infi­ni­ter Pro­zess, weil irgend­wann die hin­ge­schlu­der­ten Pro­duk­te auch immer weni­ger » Read the rest of this entry «

Theater als gesellschaftliche Berufsfeuerwehr – Antwort an Frank Kroll, Teil 2

Januar 8th, 2013 § 11 comments § permalink

Es ist an der Zeit, dass die deut­sche Gesell­schaft (wenn auch nicht unbe­dingt wie­der die Deut­sche Gesell­schaft) wie­der ein­mal frag­te: „Was kann eine gute ste­hen­de Schau­büh­ne eigent­lich wirken?“.

Und bevor wir uns an die über­ge­ord­ne­ten Fra­gen hin­sicht­lich des Mensch­seins bege­ben, ist also das „ste­hen­de“ zu befra­gen. Denn die zuletzt immer lau­ter wer­den­de Debat­te, die das soge­nann­te Freie gegen das soge­nann­te Stadt­thea­ter aus­spielt, hat mehr oder min­der deut­lich die Fra­ge nach die­sem Ste­hen­den gestellt, sofern das Ste­hen­de doch offen­bar das alzu Bestän­di­ge, das Star­re, das Nicht-Beweg­li­che zu bezeich­nen schien. Soll­te eine Schau­büh­ne also ste­hen oder nicht viel­mehr gehen? Aber das nur als Exergue.

Wozu leis­ten sich Gesell­schaf­ten (ich ver­wen­de die­ses Wort als lee­ren Begriff, der nichts meint als das, was er poten­zi­ell mei­nen könn­te ohne doch bereits bestimmt zu sein) ste­hen­de Insti­tu­tio­nen? Wozu die­ser Bestand? Nicht weni­ge davon sol­len wider­ste­hen, sol­len der Gang der Din­ge ver­lang­sa­men und auf­hal­ten, der ansons­ten en pas­sant zu Ergeb­nis­sen führt, die wären sie vor­her bedacht wor­den, nicht ein­ge­tre­ten wären, da uner­wünscht oder gefürch­tet. Bau­äm­ter » Read the rest of this entry «

Die (Neu)Entfaltung der szenischen Kraft – eine Antwort an Frank Kroll, Teil 1

Januar 7th, 2013 § 2 comments § permalink

Ich fürch­te, die Zeit für „mal aus­pro­bie­ren“, von der Frank Kroll schreibt, läuft ab. Es geht eher dar­um, neue Mög­lich­kei­ten ent­schlos­sen zu ergrei­fen, um Thea­ter die Kraft (wie­der) zu geben, die es hat­te oder haben könn­te. So mensch­lich ver­ständ­lich es ist, dass das Füh­rungs­per­so­nal nach jahr­zehn­te­lan­ger Bela­ge­rung durch Bud­get­spa­rer und Etat­kür­zer Ermü­dungs- und Ver­schleiß­erschei­nun­gen zeigt, so inak­zep­ta­bel ist es für die Insti­tu­ti­on und Kunst des Thea­ters. Es kann nur die Macht der Gewohn­heit sein, die den Blick für den Dorn­rös­chen­schlaf ver­schlei­ert, in dem Thea­ter sich befin­den. Und der, in die­ser Form fort­ge­setzt, all­mäh­lich und unbe­merkt in einen Big Sleep über­geht. Es ist eben nicht edler, die Pfeil und Schleu­dern des Geschicks zu dul­den, son­dern sich zu waff­nen gegen die­se See der Pla­gen und durch Wider­stand sie zu been­den. Wel­chen Weg der Wider­stand ein­schla­gen soll – das mag jedes ein­zel­ne Thea­ter für sich ent­schei­den. Nur Wider­stand gegen Kame­ra­lis­ten zu leis­ten aber heißt, die Kräf­te auf die fal­sche Flan­ke zu kon­zen­trie­ren. Hier ist nichts zu gewin­nen. Schon gar nicht durch spät­hon­ecker­haf­te „Thea­ter muss sein“ Auf­kle­ber auf Autos.

Die Bela­ge­rungs­si­tua­ti­on ent­steht ja nicht etwa aus über­mäch­ti­gen Geg­nern, son­dern sie ist selbst­ge­mach­ter Unbe­weg­lich­keit geschul­det.  Aller­dings gemischt mit dem feh­len­den Blick für mög­li­che Alli­an­zen – und dazu zäh­le ich eben die Schrei­ber (form­er­ly known as Autoren). Nicht in der Form einer Wie­der­ein­set­zung » Read the rest of this entry «

Where Am I?

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