Juni 14th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Sich Gesellschaft leisten — funktioniert. § permalink
In der taz vom Wochenende findet sich hier dieser kurze Infotext:
Wirtschaften ohne Wachstum II: Die Sawayaka Welfare Foundation in Japan, in den Neunzigern gegründet von Ex-Justizminister Tsutomu Hotta, etablierte ein geldloses Pflegesystem mit mittlerweile über drei Millionen Mitgliedern. “Fureai Kippu” heißt “Pflege-Beziehungs-Gutschrift” und ist das weltgrößte Zeittauschsystem. Wer Pflegebedürftigen hilft, kriegt die Stunden auf seinem Zeitkonto gutgeschrieben. Die Gutschrift kann er oder sie später gegen Pflegedienste eintauschen oder an Verwandte übertragen. Eine Stunde bleibt eine Stunde — ohne Zins und Inflation.
Klasse Sache — die Stunden, die eingesetzt werden, um die eigene Großmutter zu pflegen, können konvertiert werden in die eigene Pflege durch irgendwen. Originäre Wertschöpfung aus Schuldverschreibungen der Großmutter gegenüber dem Dienstleister, der diese Schuldverschreibungen und damit die Schuld der Großmutter, die sich aus der körperlichen Hinfälligkeit ableitet, an die Kinder oder » Read the rest of this entry «
Juni 13th, 2011 § § permalink
Es ist Pfingsten – Zeit für Geist, der ins Theater fährt. Nicht Heiligen. Eher Spirit. A new spirit.
Schlechtgelauntes wie zuletzt hier über das gegenwärtige Stadttheater abzusondern ist eine Leichtigkeit. Den Beobachter in der Loge zu geben, der souverän sein Urteil über die Gladiatoren fällt, die sich täglich mit dem Theater herumschlagen, reicht nicht. Wie also wäre ein neues Theater anzugehen? Dirk Baecker hat mit der siebten seiner 15 Thesen gerade eine ganz launige Diskussion unter Systemtheoretikern (autopoiet und Differentia) angestoßen, die sich darüber unterhalten, wie denn wohl eine solche Kunst beschaffen sein müsste. Abgesehen davon, dass „Kunst“ ein ziemlich hohler und damit unhandlicher Begriff ist, den es überhaupt erst einmal über Bord zu werfen gilt, sind die Gedanken inspirierend. Allerdings geht es hier um eine andere Dimension der Frage nach einer neuen Kunst (kann überhaupt von „Kunst“ die Rede sein – wenn, dann als Formulierung eines Gedankens, nicht aber als Zuschreibung zu irgendeinem real existierenden Ding. Das vorab). Es geht um Theater. Und es geht mir darum, wie ein Theater aussehen könnte, das sich dem scheinbar unausweichlichen Krepieren der gegenwärtigen Theater entziehen, entgegenstellen könnte. Eine Utopie von Theater, die mit dem bestehenden pyramidalen Grabmälern der Vergangenheit bricht. Das will ich hier und heute zeigen. Und das geht so: » Read the rest of this entry «
April 11th, 2011 § § permalink
Im Zeitalter des Netzes wird die Frage nach dem Subjekt neu gestellt. Sie muss neu gestellt werden, da die traditionellen Bestimmungen von Subjektivität nicht mehr hinreichend zu sein scheinen, um den polymorph perversen Surfer oder User zu fassen. Gemessen am Begriff des Subjekts ist der Surfer eine vielgestaltig gallertartige Masse an Kommunikation, die sich bald hierhin, bald dorthin verbreitet, kleben bleibt und selbst zu einem Netz im Gesamtnetz gerinnt, bestehend aus den hinterlassenen Spuren. Ob dahinter eine Identität, Konstanz, Autonomie liegt? Ob überhaupt ein einheitlicher Fluchtpunkt hinter diesen proteischen Vielgestalten liegt? Ob sich von einer Vielheit im Sinne einer multiplizierten und multiplen Einheit sprechen lässt – oder von einer Unbestimmtheit in sich, einem zeitlichen, räumlichen, kontextuellen Fluidum, das sich in Sekundenschnelle verändert. Das alles ist keine postmoderne Feier eines postsubjektiven Zeitalters – denn der historische Rückgang (mit durchaus bewusster Verknappung) kommt an einem Punkt an, der zeigt, wie wichtig ein Begriff des Subjekts ist (auch wenn es vielleicht zukünftig einen anderen Namen führen muss).
Das Subjekt – Natural Born Fiction
Das Subjekt war immer schon eine Fiktion. Was kein Einwand ist. Es macht lediglich Sinn, das nicht zu vergessen, wenn dagegen angerannt wird. Es ist schier unmöglich, gegen Fiktionen zu kämpfen. Gespenster lassen sich nicht dekonstruieren. Zunächst weil sie von Anfang an konstruiert sind und jede Dekonstruktion nur feststellen kann, dass hier eine Konstruktion vorliegt. Was von wenig Erkenntnisgewinn ist. Zudem weil jeder erneute Kampf gegen das Gespenst ihm nur neue Kraft verleiht. So ist der Entzug der Metaphysik, den die Dekonstruktion bewerkstelligen wollte, gründlich daran gescheitert, dass » Read the rest of this entry «
April 11th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Theatersterben: Zur Kritik des reinen Vergnügens § permalink
Ein kurzer Mailwechsel mit Olivier Garofalo bringt mich dazu, nicht nur zum Hauptthema dieses Blogs – dem Theater – zurück zu kehren. Sondern direkt zu fundamentalen Fragen des Gegenwartstheaters zu kommen. In der Mail von Garofalo findet sich diese provokante Frage:
die wichtigste Frage ist wohl, ob der Inhalt
verschwindet, weil das Publikum in den heutigen Zeiten in ihrer Freizeit
nicht mit Fremdgedanken belastet werden wollen, oder ob besonders die
Schauspiel- und Regieschulen nur Ästhetik lehren (weil das freie Denken eh
nicht beibringbar ist). Wahrscheinlich beides und mittendrin die Kritik,
die ihre Massstäbe an der Kunst messen und eben nicht am Inhalt.
Garofalo nimmt damit drei Beteiligte als potenzielle Akteure auf: Publikum, Theaterschulen und Kritik. Das ist insofern spannend, als die Diskussion nicht sofort Intendanten, Dramaturgen und Regisseure in den Blick und Angriff zu nehmen versucht. Sondern die Entstehungsbedingungen einer bestimmten Gesamtsituation auf scheinbare Randbedingungen zurückführt – was Sinn macht.
Das Publikum
Ist das Publikum bzw. sind die Zuschauer Akteure in einem Sinn, der sie mitverantwortlich für das Elend gegenwärtigen Theaters macht? Was will „das Publikum“? Ein großer, einflussreicher Teil des aktuellen Publikums fordert offenbar „werktreue“ Inszenierungen von Klassikern. Sie wollen Museum. Identische Reproduktion der eigenen Vorstellungen dessen, was „die alten Meister“ schrieben, wollten, vorstellten. Diese Debatte ist nicht tot zu bekommen. Und Theater tun diesem Publikum ja den Gefallen. Man spielt die Klassiker. Und wenns keine » Read the rest of this entry «
Februar 2nd, 2011 § Kommentare deaktiviert für Das kleine psychische System – ein Märchen. Teil II § permalink
Nach einigem Umsehen stellte jedes kleine psychische System fest, dass sein lebendiges System ausweglos gefangen sei. Und so lebte man also etwa 10 Jahre verschüttet vor sich hin. Keiner vermisste die kleinen eremitischen psychischen Systeme. Die Umwelt hatte sie längst schon in der Wüste verloren gegeben. Und die Eremiten selbst dachten nicht im Träume daran, sich mit den anderen Eremiten im Raum zusammen zu tun. Etwa eine eremitische Gesellschaft zu gründen. Oder einen Verein zur Förderung des Eremtitismus. Oder » Read the rest of this entry «
Januar 5th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Sehr Lesenswert: O.Garofalos Masterarbeit über „Sich Gesellschaft leisten“ (Download) § permalink
Eine sehr spannende Erfahrung, eine wissenschaftliche Arbeit über sich selbst bzw. über einen eigenen Text zu lesen. Insbesondere eine so schlaue und reflektierte wie die Masterarbeit von Olivier Garofalo „Der regulierte Mensch in Ulf Schmidts Theatertext sich Gesellschaft leisten“. Die Arbeit ist als Masterarbeit am germanistischen Lehrstuhl von Franziska Schüßler an der Uni Trier entstanden. Dort war ja im Rahmen des Festivals Maximierung Mensch Sich Gesellschaft leisten (teil)uraufgeführt und zum Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion bei der Tagung geworden.
Garofalo konzentriert sich auf die regulierenden Prinzipien in Sich Gesellschaft leisten und nutzt Foucault als Optik für die Betrachtung des Textes. Das funktioniert imho ziemlich gut. Die Arbeit legt die unterschiedlichen Dimensionen der Regulierung und der Verschnürung der Personen in Vertragsgeflechten frei und spürt ihnen präzise nach.
Ich will gar nicht erst versuchen, den Inhalt der Arbeit zusammenzufassen. Olivier Garofalo hat mir erlaubt, seine Arbeit hier zu verlinken und zum Download frei anzubieten. Dafür herzlichen Dank. Und ich kann die Lektüre nachdrücklich empfehlen. Es sind viele Gedanken und Referenzen darin, derer ich mir gar nicht bewusst war bzw. auf die ich erst im Nachhinein reflektieren kann. Hier kann der Text heruntergeladen werden.
Falls ein Theater hier mitliest, das einen cleveren und engagierten Dramaturgen sucht: Garofalo ist jetzt mit dem Studium fertig ….! Ich stelle gerne einen Kontakt her!
Januar 4th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Neues aus dem Maschinenraum: Großformatdrucker für neuen Text da! § permalink
Nachdem das Ausdrucken von Sich Gesellschaft leisten schon ein größeres Problem war und auf A3 auch nur zu mittelmäßiger Lesbarkeit führte — brauchts für den Marienthaler Dachs eine vernünftige Lösung. Einen A1 Drucker aus dem Hause Hewlett-Packard. Designjet 488CA. Gebraucht gekauft. Mich traf ein mittelschwerer Bllitz, als der Lieferant mit einer 1.80 langen Kiste in Form eines Kindersargs dastand, die ich mit ihm zusammen kaum die Treppe raufbekommen hab:
Jetzt aber ist die Maschine ausgepackt, aufgebaut, verstaut. Und wenn ich morgen schaffe, ein Parallel/USB Kabel zu besorgen und es schaffe, den Treiber unter VISTA zu installieren — kann endlich die Übernahme der Zettelwände in die Datei beginnen mit nachfolgendem Wiederausdruck zur Neuverzettelung.
Verzetteln ist eh das beste.
November 4th, 2010 § § permalink
Ja der Wahnsinn. Wirtschaftskrise? Was war das gleich noch. Wie “booooooomen”. Deutschland ist die “Wachstumslokomotive”. Ahhh ja. Wie wird Schäuble heute bei SpON zitiert:
Allerdings könne das Niveau, das die Steuereinnahmen vor der Krise im Jahr 2008 hatten, erst 2012 wieder erreicht werden. (Hier)
Das ist freilich ein dolles “Wachstum”. Wir feiern einfach, dass wir weniger krank sind als gestern. Wenn ich mir zwei Beine breche und eins von beiden heilt schneller — titelt die Wirtschaftspresse “Mann hat überraschend zusätzliches Bein.” Und alle glauben, er hätte drei davon. Was ein Quatsch. Wir freuen uns, dass wir uns ans Niveau von vor zwei oder drei oder wasweißich Jahren wieder hoch wachsen. Darf ich vielleicht auf das in diesem Blogpost eingebundene Chart verweisen und meine damalige Vorhersage, dass sich die Wellenbewegung so » Read the rest of this entry «
Oktober 28th, 2010 § § permalink
Der Artikel, da sehr lang, hier als PDF.
Inspiriert von Thomas Strobls von mir mit Spaß und Interesse gelesenen Schulden-Buch, möchte ich meinen Gedanken, dass eventuell die traditionelle (nicht nur die klassische) ökonomische Lehre auf den Müllhaufen der Geschichte gehören könnte, weiter denken. Im Innersten von Strobls Ausführungen sitzt nicht nur – wie zuletzt bemerkt – der Gedanke der Produktionsindustrie, sondern auch der Gedanke des Eigentums an Sachen. Der Industrielle erwirbt Maschinen, Anlagen, Gebäude als illiquides Kapital, um damit höhere Gewinne zu erwirtschaften. Diese Gewinnaussicht rechtfertig den Einsatz liquider Geldmittel auch unter Eibeziehung von Schulden. Liegt der erwartete Gewinn bzw. das Umsatzplus höher als die Zinssumme, ist die Verschuldung gerechtfertigt. Es sei, so Strobl, eine Anleihe aus der Zukunft, mit der heute schon Umsatzgewinne erwirtschaftet werden können. Und nur durch solche Anleihen kann Wachstum entstehen.
Vom Ingenieur-Entrepreneur zum Manager
Bereits im letzten Posting hatte ich dem entgegen gesetzt, dass die investierende Produktionswirtschaft zunehmend abgelöst wird durch eine mietende oder leasende Servicewirtschaft – verkörpert in den Tätigkeiten der Nutte und des Managers in dem Film Pretty Woman. Das Produkt des Managers ist nicht das Produkt, das die Firma vertreibt, die er leitet. Sei Ziel sind nicht bessere Produkte. Das Produkt des Managers ist die Bilanz. Er wird an dieser Vorgabe, an diesen Zielen und ihrer Erreichung gemessen. Es sei die etwas platte typologische Abstraktion erlaubt: Der Unternehmer alter Provenienz ist eher der Ingenieur, der Edison, Benz, Krupp oder Ferdinand Porsche. Seine Geschäftsidee ist ein bestimmtes Produkt, für dessen Verbesserung er sich stark macht. Der Manager hingegen konzentriert sich darauf, was die beste Bilanz bringt. Wenn er dafür das Produkt verbessern muss – tut ers. Wenn er das Produkt verschlechtern muss – tut er auch das. Sein Leitstern ist ein anderer als der des Ingenieurs. Strobl formuliert ähnlich:
Die Identifikation der Manager mit ihren Unternehmen änderte sich: Sie hafteten jetzt nicht mehr als ‚ehrbare Kaufleute‘ mit eigenem Namen und Vermögen, sondern verdienten ihr Geld schlicht als ‚leitende Angestellt‘. […] Das Renditedenken trat in den Vordergrund, einzelne Unternehmen und ganze Gesellschaften wurden ihm unterworfen. Einmal mehr erwies sich der Kapitalismus als äußerst innovationsfähig: Schumpeters legendäre Entrepreneurs zogen den Blaumann aus und verließen ihre Fabrikhallen, um in Nadelstreifen die holzgetäfelten Büros des Geldadels zu erobern. (63f)
Zu Marx‘ Zeiten war der Kapitalist derjenig, der die Produktionsmittel besaß. Maschinen, Anlagen, Strukturen, Rohstoffe usw. Heute ist der Kapitalist der Bankmanager. Er besitzt gar nichts. Er ist beauftragt, ihm zur Verfügung gestellte Kapitalwerte so einzusetzen, dass am Ende die Bilanz besser wird als im Vorjahr.
Dasselbe gilt natürlich für Managervorstände in produzierenden oder dienstleistenden Unternehmen. Hier lautet der Auftrag, den „Besitzern“ (Aktionären) per Bilanz höhere Aktienkurse und Dividenden zu produzieren. Er besitzt die Produktionsmittel nicht. Er verwaltet d.h. managt das Kapital. Er ist gemietet wie das Haus, in dem die Bank sitzt.
Das System der Mietarbeiter
Der Manager war – Boltanski/Chiapello beschreiben diesen Übergang, der sich bereits seit den Nachkriegsjahren mit wachsender Geschwindigkeit vollzieht – allerdings nur der erste Schritt. Die Entwicklung vom Mitarbeiter zum Mietarbeiter ist die konsequente Weiterentwicklung. War dem Ingenieur die Stammbelegschaft ein wichtiger Besitz (auch wenn er sie vermutlich immer häufiger als lohngierigen Moloch erlebte), betrachtet der Manager die Belegschaft als laufenden Kostenfaktor. Im Rahmen der Bilanz ist die Lohnquote einfach ein Posten unter vielen anderen. Und wie eine Großinvestition die Bilanz eines Jahres hübsch verhageln kann (weil sie ja schuldenfinanziert ein Loch in die liquiden Mittel reißt) und entsprechend die Miete oder Leasing für ihn sinnvoller ist, dass hier laufende Leasingkosten gegen laufende (Mehr)Einnahmen gerechnet werden können, ist auch die Stammbelegschaft als zumeist unflexibler Kostenblock eine Belastung, die durch sogenannte Flexibilisierung, d.h. den Übergang von der Stammbelegschaft zur Leiharbeit (jenseits der unabdingbaren Kernbelegschaft), in eine Kosten-Ertrags-Rechnung überführt werden kann. Die gesamte Flexibilisierungs- und Leiharbeitsdebatte, die der tatsächlichen Leiharbeiterquote voraus läuft, deutet klar in diese Richtung- Egal ob es sich um den produzierenden Sektor oder die Dienstleistungsbranche handelt: Der Mietarbeiter liegt im Trend. Und die ebenfalls von Boltanski/Chiapello luzide beschriebe Wandlung hin zur projektbasierten Netzwerkökonomie wird diesen Trend in gewaltiger Geschwindigkeit realisieren.
Im Mietverhältnis tritt eine dritte Komponente des Besitzes in den Vordergrund: das vollgültige, aber befristete Nutzungsrecht. In einer vernetzten Welt muss man dieser und nur dieser Komponente seine ganze Aufmerksamkeit widmen. Anstatt sich als Eigentümer von seinem Eigentum » Read the rest of this entry «
Oktober 23rd, 2010 § § permalink
Könnte es sein, dass der Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungs- und weiter zur Wissensgesellschaft die gesamte Tradition der Ökonomie auf den Müllhaufen der Geistesgeschichte katapultiert? Der Gedanke kam mir bei der Lektüre der ersten Seiten des Buchs (Update 2015: Bog inzwischen offline; Link zur WaybackMachine))von Thomas Strobl. Nicht etwa, weil das Buch nicht überzeugend argumentieren würde, dass Schulden kein Makel sind. Sondern weil das Buch überhaupt die Schuldenthematik (überzeugend) mit der Wachstumsthematik intim verknüpft. Das Argument, dass Schulden im Sinne einer Anleihe auf die Zukunft nicht nur höheren Wohlstand in der Gegenwart sondern auch Wachstum (um die Schulden plus Profit abzutragen) erzeugt, ist zutiefst industriell gedacht. Es setzt voraus, dass die Verschuldung in eine Investition mündet, also gewisse Anschaffungen, die nicht erst getätigt werden, wenn sie erwirtschaftet wurden, sondern erwirtschaftet werden, nachdem sie angeschafft sind. Und dabei einen höheren Ertrag und Profit abwerfen, als Tilgung und Zins betragen. Das macht für eine auf Maschinen, Anlagen, Werksgebäude, Produktionsniederlassungen usw. hochgradig Sinn. Für alle Wirtschaftszweige, deren Produktion im Wesentlichen mit Investitionsgütern bewerkstelligt wird. Strobl schreibt:
Wer Gewinn machen will, der muss zunächst investieren. Ware und Produktionsanlagen müssen angeschafft, Arbeitslöhne müssen vorfinanziert werden. Das Unternehmen bedarf außerdem eines Standorts, der gekauft oder gemietet werden muss – denn geschenkt wird einem in der Wirtschaft bekanntlich nichts. Für all das ist Kapital erforderlich. Und das muss von irgendwoher kommen: In Form eigener Mittel, die man sich als Eigenkapital quasi selber vorstreckt oder von Gleichgesinnten besorgt. Oder durch Aufnahme von Schulden. (129f)
So produktionsorientiert, so warenorientiert – so weit so richtig. Der laufende Rekurs in der vorherigen Kapiteln auf den Tausch von Eiern gegen Kartoffeln oder unterschiedlicher Fußballbildchen bleibt in derselben Bilderwelt.
Ökonomie ohne Schulden
Aber wie sieht das in einer Dienstleistungsgesellschaft aus? Wie sieht das also in einer Ökonomie aus, die im Wesentlichen nur den Mitarbeiter als Kostenfaktor zum Einsatz bringt? Verglichen zur Industriegesellschaft sind die „Investitionen“ in der Dienstleistungsgesellschaft relativ gering. Sie können zudem durch Miete » Read the rest of this entry «