Die Facebook Frage (Teil 8): Das Unternehmen: Datenspeicher und Datenquelle

Februar 22nd, 2011 § 3 comments

Ich möch­te noch ein­mal kurz auf eine Bemer­kung von Micha­el See­mann zurück­kom­men, die ich im letz­ten Pos­ting bereits zitiert hatte:

In der Rei­he, der Unter­neh­men, die poten­ti­ell oder real an Infor­ma­tio­nen von Nut­zern her­an­kom­men, ist kein ein­zi­ges dabei, das mit einer Keu­le auf irgend­wen ein­schla­gen wird oder eine Skla­ven­ga­le­re betreibt, auf der wir rudern müs­sen, weil wir den fal­schen Film­ge­schmack haben

Das wirft die Fra­ge auf, ob Face­book „gut“ oder „böse“ ist. Bzw. „Gutes“ oder „Böses“ Im Schil­de führt. Und das ist ein­deu­tig die fal­sche Kate­go­rie. Denn Unter­neh­men han­deln weder gut noch böse. Unter­neh­men han­deln nicht nach mora­li­schen Prin­zi­pi­en. Das ist in die­ser Form der Beschrei­bung zunächst nicht ein­mal kri­tisch gemeint. Es ist ledig­lich eine Feststellung.

Unter­neh­men ver­fol­gen kei­ne mora­li­schen Zie­le. Sie ver­fol­gen auch nicht unbe­dingt unmo­ra­li­sche Zie­le. Ihr Ziel ist Gewinn. Und in Wett­be­werbs­zei­ten: Gewinn­stei­ge­rung. Dafür set­zen sie alle ver­füg­ba­ren Res­sour­cen ein – es sei denn, Geset­ze ver­bie­ten die­ses. Moral spielt dabei kei­ne Rol­le.  Die Por­no­in­dus­trie ver­dient ihr Geld mit Pro­duk­ten, die ver­mut­lich weit ver­brei­te­ten Moral­vor­stel­lun­gen zuwi­der sind. Die katho­li­sche Kir­che bedien­te sich über die Jahr­hun­der­te zur Markt­durch­set­zung ihrer Moral- und Glau­bens­vor­stel­lun­gen höchst unmo­ra­li­scher Mit­tel. Mar­ke­ting ist kei­ne Mora­lis­ten­schu­le. Zu glau­ben, Unter­neh­men wür­den also mora­lisch oder ethisch han­deln, ist Blöd­sinn. Man kann es nicht von Ban­kern for­dern. Nicht von Por­no­ver­lei­hern. Nicht von Goog­le, nicht von Face­book. Unter­neh­men unter­las­sen, was den Gewinn schmä­lert oder was gesetz­lich ver­bo­ten ist.

Und sie wer­den das tun, was erlaubt ist, wenn sie sich davon eine Stei­ge­rung des Gewinns ver­spre­chen. Böse böse? Nein – die inter­ne Dyna­mik von Wirt­schafts­ein­hei­ten. Das ein­zi­ge, was neben Geset­zen Unter­neh­men dazu bringt, von bestimm­ten Akti­vi­tä­ten abzu­las­sen, ist: wenn es Kun­den ver­grault. BP hät­te auf das Öl im Golf von Mexi­co geschis­sen – wenn nicht die Welt­öf­fent­lich­keit in einer Wei­se invol­viert gewe­sen wäre, die Gewinn­ver­lust erwar­ten ließ. Das ist so. Kann man gut fin­den. Kann man schlecht fin­den. Es ist so. Moral ist kein Bestand­teil unter­neh­me­ri­scher Ent­schei­dun­gen – auch nicht für Facebook.

Zucker­berg wird irgend­wann sei­nen Inves­to­ren erklä­ren müs­sen, woher das Geld kom­men soll, das den gegen­wär­ti­gen Markt­wert von Face­book in Höhe von etwa 50Mrd Dol­lar recht­fer­tigt. Die Wer­be­ein­blen­dun­gen sind put­zig. Aber das kann natür­lich nicht der Weis­heit letz­ter Schluss sein. Umsatz und Gewinn durch die Wer­bung lässt sich ver­mut­lich nicht in Höhen stei­gern, die einen sol­chen Unter­neh­mens­wert recht­fer­ti­gen. Zumal es eine kri­ti­sche Gren­ze gibt, von der an User begin­nen abzu­wan­dern, weil sie von Dau­er­wer­bung genervt sind.

Was hat Face­book denn für Besitz­tü­mer? 600 Mil­lio­nen Mit­glie­der und deren Inhal­te. Lücken­los gespei­chert von User­hand nicht zu löschen. Die Fra­ge wird also lau­fend sein: Wie lässt sich die­ser Besitz in Gewinn umwan­deln. Das ist kein Pes­si­mis­mus son­dern Betriebs­wirt­schaft. Wie das funk­tio­nie­ren könn­te? Indem der gigan­ti­sche Daten­spei­cher zur kos­ten­pflich­ti­gen Daten­quel­le für ande­re wird. Für Wer­bung­trei­ben­de ist das bei Face­book ange­bo­te­ne Tar­ge­ting-Ver­fah­ren jetzt schon eine sehr effi­zi­en­te Mög­lich­keit, Men­schen mit den pas­sen­den Inter­es­sen zu errei­chen. Das lässt sich sicher noch verfeinern.

Letz­tens hör­te ich (ich fin­de lei­der kei­ne Online-Quel­le mehr dazu), dass eine ame­ri­ka­ni­sche Ver­si­che­rung die Inhal­te von Usern auf Face­book dazu nutzt, um Risi­ko­be­wer­tun­gen für die poten­zi­el­len Kun­den anzu­stel­len. Angeb­lich liegt die Prä­zi­si­on der so gewon­ne­nen Urtei­le bei etwa 98% der auf tra­di­tio­nel­lem Wege gewon­ne­nen Urtei­le. Aller­dings zum Bruch­teil der Kos­ten. Hor­ror­sze­na­ri­en bezüg­lich ande­rer Mög­lich­kei­ten mögen ande­re anstel­len. Mir kommt es nur dar­auf an fest­zu­stel­len, dass ein Ver­trau­en in die Inte­gri­tät des Unter­neh­mens Face­book blau­äu­gig ist. Weil Inte­gri­tät nicht das Geschäfts­mo­dell von Face­book ist. Son­dern die Ansamm­lung von Infor­ma­tio­nen, die aus den Gesprä­chen der User gewon­nen wur­den. Und genau des­we­gen kann einem gewinn­ori­en­tier­ten Unter­neh­men nicht die Hoheit und freie Nut­zung sol­cher Daten anver­traut wer­den. Die Schwie­rig­kei­ten, die etwa bereits das hoch intrans­pa­ren­te Schufa Scoring soll­ten eigent­lich War­nung und Leh­re genug sein, Pri­vat­un­ter­neh­men die­sen Umgang nicht zu gestat­ten. Viel­leicht gibt’s sonst dem­nächst die Fra­ge nach dem Face­book Scoring bevor ein Kon­to eröff­net, eine Rei­se in die USA ange­tre­ten, eine Woh­nung gemie­tet wer­den darf.

Kann, soll, muss der Staat davor schüt­zen – dazu im nächs­ten Pos­ting mehr.

§ 3 Responses to Die Facebook Frage (Teil 8): Das Unternehmen: Datenspeicher und Datenquelle"

  • mspro sagt:

    Her­je. Auch ich habe nicht mit mora­li­schen Kate­go­rien han­tiert, wie du unter­stellst, son­dern ledi­gich mit Gewalt/Nichtgewalt. Ich habe nicht gesagt, dass Face­book gut ist. Nein, ich gebe dir voll­kom­men recht, dass sie ledig­lich Gewinn­ab­sich­ten verfolgen.

    Und jetzt kommts: DAS IST _VERGLEICHSWEISE_ GUT. Im Ver­gleich mit dem Staat — also der Poli­tik — ver­folgt Face­book eben KEINE nor­ma­ti­ve Agen­da. Es ver­sucht dich eben­so wenig in Gut oder Böse ein­zu­tei­len, wie es sel­ber gut oder böse ist. Und hier hast du auch den Unter­schied, wes­we­gen die Vor­rats­da­ten­spei­che­rung pro­ble­ma­ti­scher ist. Dem Staat gegen­büber kannst du näm­lich gesell­schaft­lich opp­ro­tun oder eben nicht sein. Face­book sind die­se Kate­gro­ri­en egal.

    Zu dem “Hor­ror­sze­na­rio” — dem mög­li­chen Ver­kauf der Daten an Kran­ken­kas­sen oder Scoring­diens­te. Das ist natür­lich immer der Fall, dass sol­che Diens­te alle ver­füg­ba­ren Daten zu nut­zen ver­su­chen. Bei­spiels­wei­se Scoring: Eini­ge benut­zen der­zeit dei­ne Adres­se — die Gegend in der du wohnst — dafür um dei­ne Kre­dit­wür­dig­keit ein­zu­schät­zen. Ich fin­de das bescheu­ert. Ich wet­te die Scoring­diens­te auch. Sie hät­ten ger­ne bes­se­re Daten. Ich auch. Dann wäre Scoring etwas gerech­ter. DIe Ant­wort ist hier: es braucht mehr Daten um gerech­te­res Scoring zu gewähr­leis­ten. Nicht weniger.

    Dass die Kran­ken­kas­sen die Leu­te mit unter­schied­li­chen Vor­an­nah­men unter­scheid­lich ein­stu­fen wol­len ist eben­falls bekannt. Und ich bin da ein­deu­tig dage­gen. Aber hier ist das Pro­blem ein­deu­tig der Gesetz­ge­ber, der das Gesund­heits­we­sen auf eben die­se Füße gestellt hat. Ich bin für eine neu­tra­le Behand­lung durch Kran­ken­kas­sen. Das soll­te das Ziel. Nicht Datenschutz.

    Und hast noch mehr “Hor­ror­sze­na­ri­en” zu bie­ten, oder ist das alles?

  • mspro sagt:

    Goog­le Ana­ly­tics, Quant­cast, Wor­press­Stats, ShareThis und Face­book Con­nect grei­fen im übri­gen mei­ne Daten ab, sobald ich auf dei­ne Web­site schaue. Nicht, dass ich was dage­gen hät­te, aber… naja.

  • Postdramatiker sagt:

    Zum ers­ten Kom­men­tar: Du bewer­test das öko­no­mi­sche Han­deln von Scoring­diens­ten und Kran­ken­kas­sen aus einer niocht-öko­no­mi­schen Per­spek­ti­ve und kommst zu den Schluss, dass etwas, was öko­no­misch effek­tiv und effi­zi­ent ist, nicht unbe­dingt wün­schens­wert oder “gerecht” ist. Ins­be­son­de­re wenn es um den Umgang mit per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten geht. Kann ich unter­schrei­ben. Dar­über rede ich. Sind dei­ne Hor­ror­sze­na­ri­en. Mich inter­es­sie­ren die­se Sze­na­ri­en nicht — ich rede dar­über, dass Face­book an der Ober­flä­che eine Platt­form für den Aus­tausch zwi­schen “Freun­den” ist, tat­säch­lich aber Daten­sam­melr über 600 Mio. Men­schen welt­weit, die von Face­book pro­fi­liert und als Pro­fi­le wei­ter­ver­kauft wer­den. Dass dar­aus eine Daten­macht ent­steht, die neben tra­di­tio­nel­ler finan­zi­el­ler Macht und Gewalt als eine neue Form von Macht in den Blick gehört. Ins­be­son­de­re wenn sie der­ma­ßen geballt ist. Am Ende wer­den du und ich zu kei­ner Eini­gung kom­men. Macht auch nichts.

    Zum zwei­ten Kom­men­tar: Ja — ich will das nächs­te Face­book wer­den und fan­ge schon mal an, Daten zu sammeln.

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