Eine gemeinsame Utopie — Das ABC der kommenden Wirtschaft, Folge 5

September 23rd, 2010 § 1 comment

Mir scheint, dass das in den letz­ten Tagen vor­ge­stell­te ABC-Kon­zept die Kraft hat, unter­schied­li­chen betei­lig­ten Inter­es­sen jeweils posi­ti­ve Ent­wick­lun­gen zu ermög­li­chen, die ande­re Ansät­ze in die­ser Form nicht bie­ten kön­nen. Das sieht für mich dann so aus:

Arbeit­neh­mer

Um ein leb­ba­res Grund­ein­kom­men zu erhal­ten, muss jeder in Deutsch­land auf­ent­halts­be­rech­tig­te Mann und jede Frau 20 Stun­den arbei­ten. Damit wird eine Art „beding­tes Grund­ein­kom­men“ erwirt­schaf­tet – selbst mit dem gesetz­lich defi­nier­ten Min­dest­lohn. Das heißt: Mon­tags bis Frei­tags täg­lich 4 Stun­den. Oder von Mon­tag Mor­gen bis Mitt­woch Mit­tag arbei­ten. Der Rest kann Frei­zeit sein. Für eine ande­re Tätig­keit genutzt wer­den. Für Frei­be­ruf oder eige­nes Unter­neh­men. Oder für eine Tätig­keit in der neu­en Welt der Digi­ta­l­öko­no­mie. Der A‑Vertrag sorgt für maxi­ma­le Sicher­heit und ver­schafft ein ver­gleichs­wei­se hohes Gehalt. Der zusätz­li­che B‑Vertrag ver­schafft ein Ein­kom­men, das einem heu­ti­gen 40-Stun­den Ver­trag ent­spricht. Das heißt: Es ändert sich hier nicht viel für den voll­zeit arbei­ten­den Arbeitnehmer.

Arbeitgeber/Unternehmen
Die Unter­neh­men spa­ren zunächst Lohn­ne­ben­kos­ten, die Arbeits­kraft ist güns­ti­ger ein­zu­stel­len. Durch die in 5er-Schrit­ten auf- und abbau­ba­ren B‑Verträge besteht eine hohe Fle­xi­bi­li­tät dort, wo Fle­xi­bi­li­tät gewünscht wird. Fle­xi­bi­li­tät heißt dann aber eben auch: Bereit­schaft B‑Verträge abzu­schlie­ßen. Und damit ver­mut­lich höhe­re Stun­den­löh­ne zu zah­len, da der hohe Steu­er­satz für B‑Arbeitsstunden sicher­lich einer gewis­sen Kom­pen­sa­ti­on bedarf. Die hohe Zahl an A‑Verträgen mit nur 20 Wochen­stun­den hat den Vor­teil, dass krank­heits­be­ding­te Aus­fäl­le gerin­ge­re Arbeits­zeit­aus­fäl­le bedeu­ten (ein kran­ker A‑Arbeitnehmer fällt nur 20 Stun­den aus, statt 40). Zudem ist ein 20 Stun­den arbei­ten­der Arbeit­neh­mer pro­duk­ti­ver als ein 40 Stun­den arbei­ten­der – das lehrt der Sport, in dem 400 Metern in höhe­rem Tem­po gelau­fen wer­den kön­nen, als 800 Meter.

Der Weg­fall der Lohn­ne­ben­kos­ten kann natür­lich nicht allein den Unter­neh­men zugu­te kom­men. Zu den­ken wäre an eine Drei­tei­lung zwi­schen Unter­neh­men, Arbeit­neh­mern und Steu­ern. Für Unter­neh­men wäre die unter­schied­li­che Belas­tung zwi­schen A‑Verträgen und B‑Verträgen im Übri­gen ein star­ker Trei­ber, um die not­wen­di­gen Arbeits­stun­den in der Pro­duk­ti­on wei­ter zu redu­zie­ren. Das kos­tet gegen­wär­tig Arbeits­plät­ze – wird zukünf­tig aber Arbeits­stun­den im B‑Bereich kos­ten. Die Uto­pie einer durch­schnitt­lich nur noch 20 Stun­den arbei­ten­den Gesell­schaft wird leb­bar und realistisch.

Gesell­schaft
Neben der bereits ange­spro­che­nen Uto­pie, nur noch durch­schnitt­lich 20 Stun­den arbei­ten zu müs­sen, dabei zugleich Frei­räu­me für die eige­ne krea­ti­ve oder unter­neh­me­ri­sche Ent­wick­lung zu schaf­fen, erge­ben sich gesell­schaft­lich wei­te­re Vor­tei­le. Die Stig­ma­ti­sie­rung von Arbeits­lo­sig­keit ent­fällt. Zugleich wird die Gleich­stel­lung der Geschlech­ter for­ciert, denn in einem Zwei-Per­so­nen­haus­halt ist es lukra­ti­ver, wenn bei­de jeweils mit einem A‑Vertrag 20 Stun­den arbei­ten gehen, als den einen mit A- und B‑Vertrag arbei­ten zu las­sen, den ande­ren gar nicht. Eine sol­che Halb­ta­ges­ar­beits­ge­sell­schaft hät­te eben den enor­men Vor­teil, neben der Grund­si­che­rung die Ent­wick­lungs­frei­räu­me für Zukunfts­in­itia­ti­ven zu schaffen.

Staat
Das The­ma Arbeits­lo­sig­keit wird sich weit­ge­hend erle­di­gen. Der Staat hat dafür zu sor­gen, dass die Rah­men­be­din­gun­gen stim­men und ein rei­bungs­lo­ser Über­gang von alten zum neu­en Sys­tem mög­lich ist. Zudem muss der Staat even­tu­ell Anpas­sun­gen in den Zeit­rah­men der Ver­trä­ge vor­neh­men. Gege­be­nen­falls muss der A‑Vertragsrahmen von 20 Stun­den schritt­wei­se wei­ter gesenkt wer­den, um das gesam­te Anreiz­bün­del lang­fris­tig auf­recht zu erhal­ten. Außer­dem  obliegt es dem Staat nun­mehr, die Gesund­heits­vor­sor­ge bud­ge­tär zu orga­ni­sie­ren, die dafür nöti­gen Steu­ern zu ent­wi­ckeln und ein­zu­trei­ben. Ver­nünf­ti­ge und lang­fris­tig trag­fä­hi­ge Sys­te­me für Gesund­heit und Ren­te sind vor­zu­hal­ten. Und mit hoher Kon­troll­in­ten­si­tät ist der Miss­brauch der neu­en Rege­lun­gen zu verhindern.

Die gemein­sa­me Uto­pie aller zusam­men – inklu­si­ve der Tarif­part­ner – soll, muss und wird sein: 
Eine bedin­gungs­lo­se Grund­be­schäf­ti­gung, bei der jeder in Deutsch­land leben­de, auf­ent­halts­be­rech­tig­te, arbeits­fä­hi­ge Erwach­se­ne zwi­schen 16 und 65 Jah­ren durch 20 Stun­den Arbeit sei­nen eige­nen Lebens­un­ter­halt ver­die­nen kann. Aus­nah­men von der gleich­zei­tig bestehen­den Ver­pflich­tung, die­sen Unter­halt selbst zu ver­die­nen, sind Schu­le und Stu­di­um, Krank­heit, Eltern­schaft (6 Wochen) … mehr fällt mir nicht ein. Die­ses 20-Stun­den-Level ist die Basis der Gesell­schaft. Auf sie kann je nach Not­wen­dig­keit eine zwei­te Schicht von bis zu wei­te­ren 20 Stun­den pro Per­son gesat­telt wer­den. Das heißt: Die Gesamt­heit der Arbeit­neh­mer kann inner­halb kür­zes­ter Zeit die ihre ver­füg­ba­re Arbeits­kraft ver­dop­peln oder hal­bie­ren. Zudem kön­nen Last­spit­zen durch ein wei­te­res Ver­trags­le­vel noch über 40 Stun­den hin­aus gestei­gert werden.

§ One Response to Eine gemeinsame Utopie — Das ABC der kommenden Wirtschaft, Folge 5

  • ValentinHerre sagt:

    Hey du, ich bins mal wieder ;)
    Hast du mal über­legt das dem Frei­tag zu schi­cken? Also der Wochen­zei­tung. Die haben das Grund­ein­kom­men grad als Wochen­the­ma, viel­leicht wäre das ja was. Die­ses Modell soll popu­lär werden ;)
    Gruß

What's this?

You are currently reading Eine gemeinsame Utopie — Das ABC der kommenden Wirtschaft, Folge 5 at Postdramatiker.

meta