Sich Gesellschaft leisten in Trier mit Kritiken

Juni 11th, 2010 Kommentare deaktiviert für Sich Gesellschaft leisten in Trier mit Kritiken

So, zurück aus Trier. Tol­le Tage, tol­le Leu­te getrof­fen und enorm viel Inspi­rie­ren­des mit­ge­nom­men. Neben Marx’s Geburts­haus auch das Thea­ter, Inten­dant Weber, Chef­dra­ma­turg Petrer Opper­mann, die Kol­le­gin Sibyl­le Dudek, eine mun­te­re Podi­ums­dis­kus­si­on mit u.a. Peter Spuh­ler, Mar­kus Diet­ze, Prof. Dr. Fran­zis­ka Schöß­ler, Bar­ba­ra Wend­land, Til­man Gersch. Und natür­lich eine wun­der­ba­re Urauf­füh­rung mit klas­se Schau­spie­le­rIN­Nen! Geschafft bin ich auch.

Und nun – was schreibt die Kritik?

Der Trie­ri­sche Volks­freund fands “bären­stark”. In der rasant und sehr posi­tiv geschrie­be­nen Kritk (hier) heißt es unter anderem:

Unrea­lis­tisch? Über­trie­ben? Gemach. In Deutsch­lands Bor­del­len wird gera­de die Flat­rate ein­ge­führt. Immer mehr Unter­neh­men las­sen ihre Mit­ar­bei­ter coa­chen. Und dann war da noch der FDP-Bun­des­tags­kan­di­dat, der bei einer Podi­ums­dis­kus­si­on in Trier mit Blick auf Hartz IV-Emp­fän­ger beklag­te, es gebe lei­der “zuneh­mend Leu­te, die nicht in der Lage sind, ihre Eigen­ren­di­te zu erwirt­schaf­ten”. Der Durch­marsch von Effi­zi­enz und Kos­ten-Nut­zen-Rech­nung von der Wirt­schaft in alle Gesell­schafts­be­rei­che ist längst in vol­lem Gan­ge.  [… Der Autor] spinnt sie in sei­nem Stück “Sich Gesell­schaft leis­ten” nur kon­se­quent ins Pri­vat­le­ben wei­ter. Der Mann weiß, wovon er redet, und er spielt vir­tu­os mit dem moder­nen Busi­ness-Kau­der­welsch. Aus Mit­men­schen wer­den Miet-Men­schen, und wer zu sehr auf ande­re ange­wie­sen ist, muss Schul­den machen, die die Gläu­bi­ger dann in Form von Schuld­ver­schrei­bun­gen als Anla­ge-Objekt auf den Markt und in den Han­del brin­gen. Die Trie­rer Insze­nie­rung von Judith Krie­bel und Ger­hard Weber beschreibt das Bör­sen­par­kett des Lebens als streng sti­li­sier­te Szenenfolge.

Wahn­sinn – da kann ich mich nur bedan­ken bei allen, die an die­ser Auf­füh­rung mit­ge­wirkt haben. Und auf­ru­fen zum täg­li­chen käuf­li­chen Erwerb des Volks­freun­des – in Zei­ten wie die­sen braucht das Volk Freun­de drin­gen­der denn je.

Und auch nacht­kri­tik ist an die Mosel gekom­men und hat aus­führ­lich berich­tet. Natür­lich nicht so eupho­risch wie der Volks­freund, son­dern mit eher distan­ziert-soi­gnier­tem Under­state­ment. Sehr beschrei­bend, sehr prä­zi­se in der Wie­der­ga­be des Dar­ge­bo­te­nen. Durch­aus auch abwä­gend im Inhalt­li­chen und Stel­lung neh­mend – dnnoch zeigt sich der Kri­ti­ker am Ende (bzw. lei­der schon vor­her) an Sinn und Geist ermü­det (oder sah jeden­falls ande­re Zuschau­er in die­sem Zustand). Was bedau­er­lich ist. Aber mir gefiel der fol­gen­de Abschnitt (nicht nur ollen Kants hal­ber) sehr:

Mit ihren Rech­nern kal­ku­lie­ren die Figu­ren ihre Bezie­hun­gen, die Bilan­zen wer­den abge­gli­chen, die Punk­te ver­rech­net. Was man für den andern tut, hat sei­nen Preis. Fürs Abwa­schen etwa gibt’s 10 Punk­te – aber wenn der Part­ner es über­nimmt, weil der, der dran ist, kei­ne Lust hat, kann er ver­han­deln und mehr für sich raus­schla­gen. Ansons­ten ist der Preis abhän­gig von der Art der Tätig­keit sowie von der Dau­er der Ver­rich­tung. Das gilt nicht nur fürs Abwa­schen, Kochen, Fens­ter­put­zen, son­dern auch fürs Sich-Aus­spre­chen, und natür­lich für den Sex. Das wuss­te ja schon der olle Kant: Ehe ist ein Ver­trag zum wech­sel­sei­ti­gen Besitz der Geschlechts­ei­gen­schaf­ten. (hier)

Ein star­ker Abend in einer star­ken Loca­ti­on (Indus­trie­hal­le Eltz­stra­ße) mit einer star­ken Regie von Judith Krie­bel und Ger­hard Weber. Und auf der Rück­fahrt aller Zuschau­er im Bus war ange­reg­tes Reden, Dis­ku­tie­ren, Schnat­tern zu hören – die Geis­tes­mü­dig­keit also (bei wem auch sie sie ein­ge­tre­ten war) lös­te sich sehr schnell. Das ist Thea­ter, wies mir gefällt!

So, und heu­te abend fahr ich wie­der nach Trier und hör mir mor­gen die Vor­trä­ge der Kon­fe­renz an der Uni an (hier das Pro­gramm) mit dem viel­ver­spre­chen­den Titel “Die Finanz­kri­se und das zeit­ge­nös­si­sche Thea­ter”. Ich freue mich auf Prof. Schöß­ler und Prof. Alt­hans und end­lo­se Inspi­ra­ti­on für “ein­grei­fen­des Den­ken am Thea­ter”. Daß ich nicht ganz unstolz dar­auf bin, dort einen Vor­trag mit dem Tiel “Der Kan­ten­schnei­der: SICH GESELLSCHAFT LEISTEN als Zer­häck­se­lung des Sozia­len” von Prof. Alt­hans zu hören, erlau­be ich mir hier hinzuzufügen.

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