Aufruf: Urheber gegen den sogenannten kommerziellen Urheberrechtsschutz

Januar 30th, 2012 Kommentare deaktiviert für Aufruf: Urheber gegen den sogenannten kommerziellen Urheberrechtsschutz

Es ist an der Zeit, dass sich an der Urhe­ber­rechts­de­bat­te, die gegen­wär­tig dazu miss­braucht wird, tech­nisch-juris­ti­sche Maß­nah­men durch­zu­set­zen, die das Ein­kom­men der Ver­wer­tungs­in­dus­trie sicher­stel­len sol­len, die Urhe­ber selbst betei­li­gen. Zumal die Mil­lio­nen Urhe­ber, die das größ­te kol­la­bo­ra­ti­ve Kunst­werk schu­fen und täg­lich ver­grö­ßern, das die Mensch­heit in ihrer Geschich­te her­vor­ge­bracht hat: das Inter­net. Dazu folgt hier ein 7‑Punk­te-State­ment, das als Dis­kus­si­ons­be­ginn ver­stan­den – und ger­ne kopiert, zitiert und wei­ter­ge­lei­tet wer­den kann. Kostenlos.

Kurz vor­weg: Heu­te erschien in der öster­rei­chi­schen Zei­tung derstandard.at ein her­vor­ra­gen­der Arti­kel von Tina Leisch mit dem Titel “Kunst und Käse — Wovon sol­len Künst­le­rIn­nen leben?”, der in ähn­li­cher Stoß­rich­tung wie mein Arti­kel War­um das aktu­el­le Urhe­ber­recht den Urhe­bern nichts nützt – und wer sie wirk­lich aus­plün­dert (wenn nicht die Netz­nut­zer) formuliert:

Die Fra­ge, wovon Künst­le­rIn­nen denn leben sol­len, wenn sie ihre Wer­ke frei im Netz zir­ku­lie­ren las­sen, ohne dar­an maß­geb­lich zu ver­die­nen, soll­te aus­führ­lich dis­ku­tiert wer­den. Die Ant­wor­ten wer­den aber ein­falls­rei­cher, zukunfts­wei­sen­der und ori­gi­nel­ler sein müs­sen als ein Pochen auf das Urhe­ber­recht, das im Inter­net, wenn über­haupt, nur um den Preis von Hyper­über­wa­chung zu haben ist und die ega­li­tä­ren Ansät­ze geteil­ten Wis­sens eben­so bedroht wie den gesam­ten Sek­tor der Remix- und Samplekultur.

Laut einer Stu­die des BMUKK beträgt unser Durch­schnitts­ver­dienst als öster­rei­chi­sche Kunst­schaf­fen­de 4.500 Euro im Jahr, mehr als die Hälf­te ver­die­nen weni­ger als 1.000 Euro im Monat.

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Viel­leicht soll­ten wir also auf­hö­ren, uns mit Win­ze­rin­nen und But­ter­stamp­fern zu ver­glei­chen, und uns eher an Poli­ti­ke­rIn­nen oder Leh­re­rIn­nen ori­en­tie­ren. Die müs­sen für ihre Dienst­leis­tun­gen auch nicht bei jedem jeweils Pro­fi­tie­ren­den kas­sie­ren, son­dern wer­den für ihren Dienst an der All­ge­mein­heit mit Steu­er­gel­dern bezahlt. Die­se Steu­ern oder Abga­ben könn­ten ja sehr spe­zi­fisch dort ein­ge­ho­ben wer­den, wo unse­re Arbeit zum Tra­gen kommt. Weit über die Fest­plat­ten­ab­ga­be hin­aus könn­ten wir ver­lan­gen, aus Abga­ben auf Wer­bung im Inter­net, Daten­men­gen, Netz­ge­büh­ren o. Ä. bezahlt zu wer­den. Oder wir dis­ku­tie­ren die Ein­füh­rung einer moder­nen Vari­an­te der guten, alten Ver­gnü­gungs­steu­er, mit der sei­ner­zeit die Gemein­de­bau­ten bezahlt wurden.

Dar­an (ob Steu­er oder nicht lässt sich dis­ku­tie­ren)  schlie­ße ich mich an, in der Hoff­nung, dass die­se Dis­kus­si­on ein­setzt und vor allem: krea­ti­ve Lösun­gen jen­seits der Über­wa­chungs­me­tho­den ent­ste­hen. Und so sieht mein Statemnt dazu aus:

Urhe­ber gegen den soge­nann­ten kom­mer­zi­el­len Urheberrechtsschutz

  1. Als Krea­ti­ve ver­ur­tei­len wir es aufs Schärfs­te, dass unse­re Krea­tio­nen in Wort, Bild, Klang, Code durch die Ver­wer­tungs­in­dus­trie als Vor­wand genutzt wer­den, um den frei­en Infor­ma­ti­ons- und Mei­nungs­aus­tausch im Inter­net durch tech­ni­sche oder poli­zei­li­che Maß­nah­men ein­zu­schrän­ken, unse­re Rezi­pi­en­ten durch Abmah­nun­gen zu drang­sa­lie­ren und durch Straf­ver­fol­gung zu kriminalisieren.
  2. Der Bun­des­re­gie­rung ist es im Zuge des Super­g­aus von Fuku­shi­ma gelun­gen, die Atom­in­dus­trie zum Ende zu brin­gen, zugleich durch das Erneu­er­ba­re Ener­gien Gesetz zukunfts­wei­sen­de For­men der Ener­gie­pro­duk­ti­on vor­an­zu­trei­ben und finan­zi­ell zu för­dern. Wir for­dern, dass der dro­hen­de Super­gau von SOPA/ACTA/PIPA und 3‑S­trikes-Rege­lun­gen dazu genutzt wird, die Ver­wer­tungs­in­dus­trie ihrem unaus­weich­li­chen Ende ent­ge­gen zu füh­ren und die dis­tri­bu­ier­te Arbeit von (Klein)Kreativen (durch ein „Erneu­er­ba­re Ideen Gesetz“?) zu för­dern und zu unterstützen.
  3. Wir for­dern Aus­stiegs- und Über­gangs­maß­nah­men für die gegen­wär­tig von die­ser Indus­trie abhän­gig Beschäf­tig­ten, um ihnen einen bio­gra­fisch gang­ba­ren Weg in die ver­wer­tungs­in­dus­trie­freie Zukunft zu bahnen.
  4. Bei der Kon­zen­tra­ti­on auf die soge­nann­te Krea­tiv­in­dus­trie for­dern wir eine Kon­zen­tra­ti­on auf die Krea­ti­ven und nicht auf die Indus­trien. Auch wenn es das vor­wie­gen­de und ers­te Ziel von Krea­ti­ven ist, Auf­merk­sam­keit und Publi­kums­in­ter­es­se für die eige­nen Krea­tio­nen zu erlan­gen, so ist es gesell­schaft­lich zugleich von hohem Inter­es­se, einen Lebens­un­ter­halt für die Krea­ti­ven zu sichern. Die Regie­run­gen sind auf­ge­for­dert, krea­ti­ve Kon­zep­te für den Unter­halt der Krea­ti­ven zu erar­bei­ten, anstatt nur das Über­kom­me­ne zu kon­ser­vie­ren. Sozia­le Absi­che­rung durch die Künst­ler­so­zi­al­kas­se war ein ers­ter wich­ti­ger Schritt – aber die Rei­se muss wei­ter gehen.
  5. Das Inter­net als das größ­te kol­la­bo­ra­ti­ve Kunst­werk der Mensch­heits­ge­schich­te wur­de von Krea­ti­ven geschaf­fen – das schließt nicht nur die Schöp­fer von „Inhal­ten“ ein, die in die­sem Netz ver­füg­bar gemacht wer­den, son­dern aus­drück­lich auch Tech­ni­ker, Pro­gram­mie­rer, Hacker. Der Begriff der Krea­ti­vi­tät beschränkt sich des­we­gen nicht nur auf die Küns­te im tra­di­tio­nel­len Sin­ne. Sie umschließt zugleich alle krea­tiv an digi­ta­len, tech­ni­schen oder gesell­schaft­li­chen Wer­ken Arbei­ten­den. Die Gesell­schaft benö­tigt mehr Sha­ring krea­ti­ver Ansät­ze und Inhal­te in jedem Sin­ne des Wor­tes – nicht weniger.
  6. Wir Krea­ti­ven for­dern ein Inter­net, das der gesell­schaft­li­chen, grenz- und kul­tur­über­grei­fen­den Eman­zi­pa­ti­on und Soli­da­ri­tät sowie dem Fort­schritt dient. Das ver­langt sowohl die unge­hin­der­te Mög­lich­keit zur Krea­ti­on und zum Mei­nungs­aus­tausch, wie die Mög­lich­keit Waren und Dienst­leis­tun­gen aus­zu­tau­schen, anzu­bie­ten, zu bewer­ben. Das freie Inter­net ist nicht öko­no­mie­feind­lich – es darf aber den Struk­tu­ren und Mecha­nis­men einer Öko­no­mie, die lan­ge vor dem Inter­net bestand, nicht unter­wor­fen und gewalt­sam ange­passt wer­den.  Und es ver­langt ins­be­son­de­re, Men­schen, die sich den Inter­net­zu­gang nicht leis­ten kön­nen, kos­ten­lo­sen Breit­band­zu­gang zur Ver­fü­gung zu stellen.
  7. Ein Recht der Ver­wer­tungs­in­dus­trie auf Bezah­lung digi­ta­ler Inhal­te anzu­er­ken­nen, hie­ße auch der Post das Recht zuzu­ge­ste­hen, Por­to für Emails zu ver­lan­gen. Es ist eine Absur­di­tät von his­to­ri­schen Ausmaßen.

P.S. Die­se Debat­te haben die Kreativen/Urheber unter sich zu füh­ren – nicht die Ver­tre­ter der Ver­wer­tungs­in­dus­trien und ihrer PR-mäch­ti­gen Lobbyverbände.

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