Boltanski/Ciapello über die vernetzte Welt

Juni 29th, 2010 Kommentare deaktiviert für Boltanski/Ciapello über die vernetzte Welt

Da ich in letz­ter Zeit die Reflxi­on über die Netz­dra­ma­tur­gie etwas habe schlei­fen las­sen, wenigs­tens eine zitie­ren­de Anknüp­fi­ung an die sozio­lo­gi­sche Dimen­si­on, an Boltanski/Chiapello Der neue Geist des Kapi­ta­lis­mus:

Meh­re­re Indi­zi­en deu­ten […] dar­auf hin, dass die Netz­me­ta­pher all­mäh­lich eine neue, all­ge­mein­gül­ti­ge Gesell­schafts­kon­zep­ti­on dar­stellt. [187;…] Die Ent­wick­lung der hier so genann­ten kon­ne­xio­nis­ti­schen Welt und das all­mäh­li­che Ent­ste­hen einer pro­jekt­ba­sier­ten Polis, durch die sich die­se Welt einer Gerech­tig­keits­norm beu­gen muss, bil­den die wesent­li­che nor­ma­ti­ve Basis, auf der der neue Geist des Kapi­ta­lis­mus beruht. [205;…] Im Miet­ver­hält­nis tritt eine drit­te Kom­po­nen­te des Besit­zes in den Vor­der­grund: das voll­gül­ti­ge, aber befris­te­te Nut­zungs­recht. In einer ver­netz­ten Welt muss man die­ser und nur die­ser Kom­po­nen­te sei­ne gan­ze Auf­merk­sam­keit wid­men […] Das Miet­ver­hält­nis ist die Form, die dem Pro­jekt, der Mon­ta­ge für eine befris­te­te Zeit ent­spricht.  [207;…] In einer ver­netz­ten Welt […] ver­schwin­det die Unter­schei­dung zwi­schen Pri­vat- und Berufs­le­ben ten­den­zi­ell unter dem Ein­druck einer dop­pel­ten Ver­qui­ckung einer­seits zwi­schen den Eigen­schaf­ten eines Mit­ar­bei­ters und sei­nem Leis­tungs­ver­mö­gen (die in dem Begriff der Kom­pe­tenz untrenn­bar mit­ein­an­der ver­bun­den sind) und ande­rer­seits zwi­schen per­sön­li­chem Besitz — in aller­ers­ter Linie dem Besitz sei­ner selbst — und gesell­schaft­li­chem, von der Orga­ni­sa­ti­on beses­se­nem Eigen­tum. Inso­fern lässt sich nur schwie­rig unter­schei­den, wann man sich dem Pivat­le­ben und wann dem Berufs­le­ben wid­met, ob man mit Freun­den oder geschäft­lich zu Abend isst, ob die Kon­tak­te affek­tiv oder nütz­lich sind. [209]

Und wenn Boltanski/Chiapello nun noch den letz­ten Schritt gehen und erken­nen, dass in letz­ter Kon­se­quenz das Affek­ti­ve und das Nütz­li­che unun­ter­scheid­bar, kein ent­we­der-oder mehr sind in einer Gesell­schaft, in denen jeder Ein­zel­ne das Beherr­schen der Ver­net­zung per­fek­tio­niert — sind wir bei Sich Gesell­schaft leis­ten. Fast.

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