Im Anschluss an die Blackfacing-Debatte und meinen Artikel “Das Politische im Ästhetischen” auf nachtkritik bzw. hier im Blog, hat mich Sonja Anders, Chefdramaturgin am Deutschen Theater Berlin, per Email-Interview noch einmal zu der Debatte selbst und zur Veränderung des Theaters durch das Netz, den Übergang von der Massenmediengesellschaft zur Netzgesellschaft befragt. Hier gibts das Interview als PDF-Download
Postdramatiker-Interview im aktuellen Magazin des Deutschen Theaters Berlin
April 9th, 2012 § Kommentare deaktiviert für Postdramatiker-Interview im aktuellen Magazin des Deutschen Theaters Berlin § permalink
Leseempfehlung für “Kulturinfarkt”-Geschädigte
März 17th, 2012 § 1 comment § permalink
Leider wird die Aufmerksamkeit in der Kulturdebatte gerade durch das von mir zuletzt hier und auf nachtkritik verissene “Kulturinfarkt”-Buch geprägt. Dagegen möchte ich eine Lesempfehlung aussprechen, die zeigt, dass der Themenkomplex nicht nur polemisch zugespitzt angegangen werden, sondern intelligent und vielschichtig reflektiert werden kann — und tatsächlich in “der Kultur” reflektiert wird. Ich meine das Jahrbuch 2011 des Instituts für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft: Digitalisierung und Internet, das den Kongress “netz. macht. kultur.” dokumentiert und sogar im Vortrag von Bernd Neumann die Reichweite der gedanklichen, praktischen und institutionellen Herausforderung aufreißt:
Das Internet hat die Art und Weise revolutioniert, wie wir an Informationen gelangen, Informationen verarbeiten und mitinander kommunizieren. Es ermöglicht neue Geschäftsmodelle, ist eine faszinierende Quelle gesellschaftlicher Teilhabe an Kunst und Kultur und auch ein großer Arbeitsmarkt. Wir befinden uns mitten in der größten technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwälzung seit der Entwicklung des Buchdrucks, deren Auswirkungen sich heute noch gar nicht richtig überblicken lassen. (102)
Die zahlreichen Beiträge dieses Bandes machen das aktuelle, zukunftsweisende Spannungsfeld von Kulturpolitik in der Netzgesellschaft auf, erforschen und reflektieren es, ohne sich bloß polemisch abzuarbeiten. Hier geht es um Partizipation und Offenheit, neue Formen von Kulturvermittlung, Institutionen, Förderung und Kunstschaffen — auch wenn der permanente Disput ums Urheberrecht etwas nervtötend ist, weil er nicht wirklich zu einer gangbaren Vision gelangt. Die Beiträge stellen sich der Gegenwart und der Zukunft. Und sie befragen Bestehendes und denken über Neuerungen im Bestehenden nach. Wer also interessiert daran ist, wie sich Kunst und Kultur in Bewegung bringen lassen, wo die Probleme und Herausforderungen, wo aber auch die spannenden Tendenzen zu finden sind, der sollte lieber das lesen.
Zum Beispiel Thomas Krüger von der Bundeszentrale für politische Bildung, der seine Behörde revolutionieren will:
Es reicht nicht, die aufgeworfenen Fragen auf kultur- und » Read the rest of this entry «
Macht und Digitaldemokratie – ein erster Versuch: Demokratie ist das Problem für eine Lösung
März 8th, 2012 § 6 comments § permalink
Nur den Begriff „Partizipation“ in den Raum zu rülpsen und sich danach um eine technologische Lösung wie Adhocracy zu bemühen, ist dem Problem der Demokratie unangemessen. „Problem“ ist hier insofern bewusst als Begriff gewählt, als Demokratie noch nie eine Lösung, sondern das Problem für eine Lösung war, die dem Problem vorausging. Das heißt: Demokratie als Problem entsteht erst, wenn die Lösung nicht mehr hinnehmbar ist, die dem Problem vorausging. Demokratie macht aus einer Lösung ein Problem. Und stellt die Problematik auf Dauer. Demokratie ist das Problem das bleibt, um die Lösung zu vermeiden, die dem Problem vorausging.
Die Lösung heißt: Machtausübung und Herrschaft – zu dieser Lösung verhält sich Demokratie deswegen als Problem, als sie die einfache Lösung wie es die » Read the rest of this entry «
Interview mit Sony Music Chef zeigt: Musikindustrie hat Gesetzgeber vor den Karren gespannt — und findet Internet jetzt dufte.
März 5th, 2012 § Kommentare deaktiviert für Interview mit Sony Music Chef zeigt: Musikindustrie hat Gesetzgeber vor den Karren gespannt — und findet Internet jetzt dufte. § permalink
Vor einigen Tagen war in der Welt Online hier ein Interview mit dem Sony Music International Chef Edgar Berger zu lesen, das sowohl in den Äußerungen spannend, wie auch in den Implikationen verblüffend ist. Zeigt es doch mehr als deutlich, dass die Musikindustrie in den letzten anderthalb Jahrzehnten die Gesetzgebung vor den eigenen Karren gespannt oder gezerrt hat, um eine mangelhafte Anpassung des eigenen, überholten Geschäftsmodells zu vermeiden. Anderthalb Jahrzehnte wurden Musikfans abgemahnt, kriminalisiert oder gar vom Netz abgeschnitten — weil die Musikindustrie es geschafft hat, durch massive Lobbyarbeit Parlamentariern den nahenden Untergang der Kultur zu prophezeien. Neben einem weidlichen Entsetzen meinerseits, führt es doch auch zu der ganz klaren Konsequenz, dass andere Industrien wie Filmfirmen oder Verlage keine Chance haben dürfen, den selben Rechtsmissbrauch zu wiederholen.
Das Internet ist für die Musikindustrie ein großer Glücksfall, oder besser gesagt: Das Internet ist für uns ein Segen.
Das sagte Edgar Berger wörtlich. Bedrohung? Untergang? Segen! Ach was? Und warum ist das so?
Wir haben im Netz inzwischen weltweit mehr als 500 Musikhändler wie iTunes oder Amazon, die kaum noch etwas mit den früheren Musikläden zu tun haben. Diese Dienste sind von überall erreichbar, jeden Tag für 24 Stunden. Und sie haben keine Platzprobleme, weil sie keine Regale brauchen. Außerdem schaffen soziale Netzwerke ganz neue Verbindungen zwischen Musikstars, Fans und Produzenten. Wir können auf diesen Weg viel zielgenauer werben.
Dolles Ding, dieses Internetz. Noch doller, dass die Musikindustrie 15 Jahre braucht, um das zu verstehen. Die Musikindustrie macht jährlich Umsätze von 5 Milliarden Euro im Internet. Etwa ein Drittel des Gesamtgeschäftes, so Berger, ist heute digital. Und jetzt kommts:
Die Welt: Warum hat sich die Industrie denn mehr als zehn Jahre Zeit für diese Anpassung gelassen?
Edgar Berger: Es dauerte, bis neue Geschäftsmodelle entwickelt waren und die kritische Masse erreicht war.
Mir hauts vor Verblüffung fast die Finger von der Tastatur. Berger sagt hier nichts anderes, als: Hey Leute, schade, dass wir euch über 10 Jahre strafrechtlich verfolgen mussten — aber hey, wir mussten halt mal bisschen nachdenken. Und damit in der Zwischenzeit keine Fakten geschaffen werden, musstet ihr mal kleine » Read the rest of this entry «
Sokrates und die Datei – die UnWesen der Philosophie
Februar 13th, 2012 § Kommentare deaktiviert für Sokrates und die Datei – die UnWesen der Philosophie § permalink
Heidegger diagnostizierte als Problem der abendländischen Metaphysik, dass sie das Sein als Anwesen verstanden habe. Dem war schon in meiner Dissertation entgegen gehalten worden, dass in der Figur des Sokrates in den Schriften Platons die Figur gewordene Idee, die Sokrates ist, sich eben nicht durch Anwesenheit, sondern durch A‑Präsenz auszeichnet. Der „tote“ Sokrates ist da und nicht da. Er west weder an noch ab – er west un. Sokrates ist damit das Unwesen der Philosophie, derjenige, der nicht wesen kann und Nichtwesen ist. Er ist res cogitata der res cogitans, die den Namen Platon trägt und (un)zweifelhaft der geistige Urheber der Dialoge, in denen Sokrates auftritt. Er ist res inextensa, insofern er nicht materiell ist, denn als Spur in den Schriften Platons. Darin, als res cogitata inextensa, gleicht Sokrates der digitalen Datei.
Klar soweit?
Unware, Ungeld, Digitalökonomie (Teil 2): Könnte Griechenland sich durch Filesharing retten?
Februar 12th, 2012 § 1 comment § permalink
Selbstverständlich musste ein Wirtschaftssystem, zu dessen Grundfaktoren der Besitz von Produktionsmitteln gehört, verhindern dass ein anderer Anbieter auf dem Markt erscheint, der dasselbe Produkt billiger verkauft. Das ist die Quelle des Patent- und Urheberrechts. Dieses Wirtschaftssystem kommt in dem Moment an den Stellen in die Krise, wo Produktionsmittel zu billig oder gar kostenlos werden. Wenn dann zudem die für den Handel dieser Wirtschaftsform notwendigen Vertriebswege sich so sehr verbilligen oder gar ebenfalls umsonst werden, spitzt sich die Krise noch weiter zu.
Über diese simplen und im Netz an vielen Stellen zu lesenden Beobachtungen hinaus lohnt sich ein genauerer Blick in sich verändernden wirtschaftlichen Zusammenhänge, da in der Tat fundamentale Zusammenhänge sich auf eine Weise zu verschieben beginnen, die nicht nur zu der rätselhaften Finanzkrise mit der Unzahl an erklärenden Erzählungsversuchen führen, sondern auch an der aktuellen Urheberrechtsdebatte, ihrem Schwanken zwischen „Sicherheit des warenökonomischen Handels“ und „freiem geistigen Meinungsaustausch“ zu erkennen sind.
Finanzindustrie und die Verwertungsindustrie „geistiger“ Produkte wie Musik, Film, Texte sind Vorboten einer breiteren Bewegung, die die bestehende Wirtschaft zusammen mit ihren wirtschaftswissenschaftlichen Verstehern und politischen Regulatoren in eine Situation bringt, die vermutlich wieder als Krise beschrieben werden wird. Deswegen lohnt sich der genauere Blick auf diese Vorreiterindustrien und die einflussreichen Faktoren des grundsätzlichen Wandels beim Entstehen einer Digitalökonomie.
Faktor 1: Produktionsmittel und Distributionswege » Read the rest of this entry «
Der Aufstand der Wissenschaftler gegen die Wissenschaftsverlage beginnt
Februar 11th, 2012 § Kommentare deaktiviert für Der Aufstand der Wissenschaftler gegen die Wissenschaftsverlage beginnt § permalink
Von Martin Oetting (Twitter, Blog) bekam ich einen Hinweis auf einen aktuellen Artikel von Ulrich Herb im Freitag, der berichtet, dass sich Wissenschaftler gegen die Ausbeutung durch Wissenschaftsverlage, in diesem Fall den Elsevier-Verlag, zu wehren beginnen. Ich erlaube mir, zu zitieren und empfehle, den Artikel unbedingt zu lesen:
Am 23. Januar 2012 startete der Mathematiker Tyler Neylon einen Boykottaufruf im Internet: Der Titel des Unterfangens hieß „The Cost of Knowledge“ und wer sich auf der Website thecostofknowledge.com seither zu Neylons Aufruf bekennt, verspricht in Zukunft keine Artikel in den Journalen des Wissenschaftsverlags Elsevier mehr zu publizieren. Die Unterzeichner verpflichten sich zudem, keine eingereichten Artikel mehr zu begutachten oder als Herausgeber für den Verlag tätig zu sein. Als Grund für seine harsche Kampagne nennt Neylon Elseviers rücksichtslose Preis- und Verkaufspolitik – und das Verhältnis des Verlags zu offenem Wissen. Und viele Wissenschaftler teilen diese Kritik: Bereits mehr als 4.500 Forscher haben die Erklärung unterzeichnet.
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Wissenschaftsverlage allerdings enteignen nicht nur die Urheber der Informationen durch den Übertrag der exklusiven Verwertungsrechte, sie » Read the rest of this entry «
Pay (with) attention — Ein gangbares Urhebervergütungsmodell für die Digitalökonomie?
Februar 11th, 2012 § Kommentare deaktiviert für Pay (with) attention — Ein gangbares Urhebervergütungsmodell für die Digitalökonomie? § permalink
In einer Artikel von Konrad Lischka auf Spon (hier) findet sich eine Bemerkung, die es m.E. erlaubt, eine Vision für die zukünftige Entlohnung von Urhebern zu erarbeiten. Zwar krankt m.E. Lischkas Artikel grundsätzlich in seinem Tenor an der Unschärfe von Urheber- und Verwertungsrecht, im Verlauf findet sich aber die folgende, m.E. weiterführende Bemerkung:
…Apple, Facebook, Google, Megaupload, Spotify und all die anderen Makler verwerten in der einen oder anderen Form die Werke von Urhebern. Viele alte Verwerter aus der Unterhaltungsbranche bezahlen die meisten Urheber schlecht und wenige sehr gut. Dieses Verhalten gilt bei Kritikern der “Contentmafia” als Ausbeutung. Allerdings bezahlen viele neue Verwerter im Web — etwa Megaupload — Urhebern gar nichts. Bei ihnen sehen die Kritiker der “Contentmafia” dann aber über die Ausbeutung hinweg und loben die Innovationen, die nur leider mit dem überholten Urheberrecht kollidieren.
Das ist für mich überzeugend: Die benannten Digitalunternehmen stehen an der Stelle traditioneller Verwerter wie Verlage, Musikunternehmen, Filmunternehmen. Sie profitieren in gewaltigem Umfang von den Inhalten, die sie bereitstellen. Lassen wir die traditionellen Verwerter einmal gedanklich außen vor und stellen sie auf die letztens angemahnte Abraumhalde der Geschichte – so stellt sich die Frage nach Urheber- und Verwertungsrecht anders. Sie lautet: Wie können die geistigen Urheber, die Kreativen und Journalisten, für ihre Arbeit von diesen Verwertern „angemessen vergütet“ werden – wie es das Urheberrechtsgesetz vorsieht?
Das ist gar so schwierig nicht. YouTube lebt von den Filmen, die von Usern eingestellt werden. Megaupload wäre nichts ohne die Dateien, die von Usern hochgeladen werden. Und auch Facebook wäre nur eine blauweiße Wüste, würden nicht die Mitglieder wie wild Inhalte mit ihren Freunden teilen. Ich hatte hier schon vor einiger Zeit ausgeführt, dass ich das aktuelle, kundendatenbasierte Geschäftsmodell von Facebook eher für ein Übergangsphänomen halte und davon ausgehe, dass Facebook zukünftig über die – noch relativ wenig bekannten und genutzten – Facebook Credits seine größte Chance hat, zu einem digitalen Bezahlsystem zu werden. Ohne diese Debatte in aller Tiefe zu führen, lässt sich doch spekulativ ein Geschäftsmodell entwickeln, an dem sowohl Facebook wie auch Urheber in breiter Masse partizipieren können. Diese kleine Spinnerei möchte ich hier wiedergeben, um der Urheberrechtsdebatte vielleicht eine zukunftsweisende Dimension zu geben, anstatt immer nur Abwehrschlachten » Read the rest of this entry «
Digitalökonomie: Die gemeinsame Quelle der Krisen von Finanzindustrie und Urheberrecht (Teil 1)
Februar 10th, 2012 § Kommentare deaktiviert für Digitalökonomie: Die gemeinsame Quelle der Krisen von Finanzindustrie und Urheberrecht (Teil 1) § permalink
In Sich Gesellschaft leisten hatte ich ein Gedankenexperiment zum Ausgangspunkt genommen, um eine relativ komplexe Versuchsanordnung durchzuspielen: Eine warenlose Dienstleistungsgesellschaft verhandelt darüber, wie alle möglichen und weniger möglichen Dienstleistungen miteinander verrechenbar gemacht werden: Vom Essenkochen über die Konversation bis hin zum Sex. Das führte letztlich relativ schnell dazu, dass ein komplexes Gewebe aus Schuldverschreibungen entstand, in dem jeder einzelne Akteur bei jedem anderen verschuldet ist, diese komplizierten Verschuldungsmechanismen den letztlichen Zusammenhalt stiften. Da bei einem völligen Verzicht auf Warenökonomie auch die Ernährung keine treibende Grundkraft für das Wirtschaften und den handelnden Austausch sein kann, blieb letztlich nichts anderes als das körperliche Begehren und die physische Reproduktion als unhintergehbares Movens für den hochgradig irrationalen und » Read the rest of this entry «
Urheber aufgepasst — ihr könnt für eure eigenen Werke abgemahnt werden
Februar 2nd, 2012 § Kommentare deaktiviert für Urheber aufgepasst — ihr könnt für eure eigenen Werke abgemahnt werden § permalink
Kulturzeit hat einen hübsch gemeinen kurzen und die Absurdität des Urheberrechts auf die Spitze treibenden Text unter dem Titel Abgemahnt und abgezockt — Internetabmahnungen bei Künstlern gebracht, in dem davon berichtet wird, dass Künstler von Zeitungen abgemahnt werden, weil sie Kritiken und Besprechungen ihrer eigenen Werke auf ihrer Webseite angeboten haben. Wenn Urheber jetzt nicht langsam anfangen, darüber nachzudenken, wer denn die eigentlichen “Feinde” sind — dann versteh ichs auch nicht mehr.