April 14th, 2013 § Kommentare deaktiviert für Heilserzählung und Beweis der eigenen Wahrheit: Krimiserien #MediaDivina § permalink
Auf den ersten Blick, etwa in Programmzeitschriften oder beim verhuschten Zappen über die Kanäle könnte man auf die Idee kommen, der Fernseher sei ein „wunderbarer Raritätenkasten“ (Goethe über Shakespeare), der immer wieder und im Wesentlichen Neues zu bieten habe, das sich schwer kategorisieren lasse, entfernt man sich von den konstanten Inseln wie der Nachrichten und dem Wetterbericht, um die es zuletzt ging.
Beschäftigt man sich allerdings mit Formaten, insbesondere solchen Formaten, die klassischerweise als fiktional gelten, fällt eines sehr schnell auf: Das Fernsehen hat erstens andere Gernres zu bieten als etwa die Filmgenres (und auch als das Theater). Zweitens ballen sich die Formate in auffälliger Weise an einem » Read the rest of this entry «
Februar 23rd, 2013 § § permalink
Folgt man der hier im Blog bereits vorgestellten Hypothese, dass Fernsehen im Gebiet der Kunst operiert, speziell in dem Bereich den Kant als „Schematismus“ (hier bzw. hier)beschrieb, jenem Bereich also, in dem sinnliche Anschauungen und Verstandesbegriffe miteinander verbunden und möglichst zur Deckung gebracht werden, so lässt sich ein anderer Blick aufs Fernsehen werfen. Dieser Blick ist ein durchaus Kant-kompatibler und ermöglicht einen erneuten Blick auf das Phänomen der Ereignis- und Katastrophenfixierung von Fernsehnachrichten einerseits, der Mischung von „Nachrichten“ und fiktionalen Formaten andererseits.
In den Blick rückt ein seltsames Verhältnis von Wiederholung und Neuigkeit. Von Vertrautheit und Unvertrautheit, das insbesondere Nachrichten auszeichnet, die ein zeitlich fest definiertes Format (den Begriff von Stanley Cavell aufnehmend) definieren, in dem möglichst Unerwartetes gezeigt wird, ein Format also, in dem Unerwartetes erwartet oder gar gefordert ist. Man setzt sich vor den Fernseher in der Erwartung, das Unerwartete, die Krise, die Katastrophe, das Ereignis geliefert zu bekommen. Und da, wo die Nachrichten selbst nicht „von sich aus“ den Eindruck erwecken, katastrophisch zu sein, da setzt der Bericht alles daran, das Herausragende dessen, was berichtet wir, zu stärken und möglichst zur Katastrophe » Read the rest of this entry «
Februar 23rd, 2013 § Kommentare deaktiviert für Vor dem Fernseher, nach dem Individuum. Ein Schleef-Zitat #MediaDivina § permalink
Über Andreas Wilinks nachtkritik-Besprechung der Bonner Inszenierung von Hauptmanns Ratten durch Lukas Langhof bin ich über eine Passage eines Einar Schleef-Interviews gestolpert, der dort etwas sagt, das bedenkenswert ist. Noch nicht durchdacht hier, aber bedenkenswert in seiner geradzu buddhistischen Schlichtheit und Prägnanz:
Im traditionellen Sprechtheater hat der Schauspieler den Traum vom Individuum zu erfüllen — aber wo gibt’’s denn heute ein Individuum? Das ist eine antiquierte Vorstellung. Wir leben im Massenzeitalter, und das » Read the rest of this entry «
Februar 22nd, 2013 § Kommentare deaktiviert für Fernsehen als umgekehrtes Missionarstum #MediaDivina § permalink
Das Verhältnis von Nähe und Ferne, von Nipkows Ort A und Ort B und die Übertragung der Botschaft ist historisch nicht neu. Abgesehen davon, dass es vermutlich bereits so lange, wie Menschen und/oder Stämme wanderten, wie Fernhandel betrieben wurde, wie Regenten miteinander kommunizierten, den Austausch von Nachrichten gab, gab es auch die organisierte Nachrichtenverbreitung lange schon. Diejenige durch kirchliche Missionare. Interessant ist nun im Vergleich Fernsehen versus christliche Mission zweierlei:
Einerseits zunächst natürlich die Senderichtung. Während christliche Missionare in die Welt ausschwärmten, um die gute Nachricht mit mehr oder minder starkem Nachdruck zu verbreiten, die Empfänger der Botschaft also in der Ferne lagen, in die die Missionare reisten und an die sie sich annäherten, ist es im Fernsehen genau anders herum. Die „gute Nachricht“, die nicht immer – das wird der zweite Unterschied sein – „gut“ ist, wird aus der Ferne verkündet für die Nahen. Das umgekehrte Missionarstum des Fernsehens macht aus der Ferne selbst die » Read the rest of this entry «
Januar 11th, 2013 § § permalink
Was macht denn Theater aus? Was kann es denn anderes, mehr, besser als Film, Fernsehen, Internet, Videospiele? Wo liegt die Quelle einer einzigartigen Kraft des Theatrons? Natürlich in der livehaftigen Kopräsenz von Darstellern und Zuschauern. Aber was heißt das schon, wenn das Darstellungspersonal in seiner Darstellung die Livehaftigkeit auf die Simulation eines nicht vorhandenen Screens einschränkt, vor dem die Zuschauer sitzen? In dem Kopräsenz lediglich zur Störungsquelle des Darstellungspersonals durch unbotmäßiges Hüsteln, Flüstern, falsches Gnickern wird, um nicht zu reden von Chips- und Popkorntütenrascheln oder den Geräuschen eines Kaltgetränkegenusses und ganz zu schweigen von der Benutzung digitaler Kommunikationsmedien. Was bleibt von der Kopräsenz, wenn das Publikum nichts anderes ist als potenzieller Störenfried?
Chips? Handys im Zuschauerraum? Wer will das denn? Will ich das? Ich weiß es nicht. Es geht darum auch gar nicht, sondern darum, dass Theater aus seiner Hier- und Jetzigkeit nichts zu machen versteht. Und wenn die Gegenfrage „Ja wie denn“ nicht nur polemisch-rhetorisch im Raum stehen bleibt, sondern vielleicht zum Ansatz eines künstlerischen Forschungsprogrammes wird, wenn zudem das allfällige gelangweilte „machen wir doch alles schon“ weg bleibt und akzeptiert wird, dass das Publikum das, was in dieser Form stattfindet, eben noch (!) nicht » Read the rest of this entry «
Januar 10th, 2013 § Kommentare deaktiviert für Theater als Ort der Reflexion über die Mitweltzerstörung — Antwort an Frank Kroll, Teil 4 § permalink
Theater ist ein Ort der Gesellschaft in der Gesellschaft, ein Ort, den sich Gesellschaft leistet und in dem sie sich Gesellschaft leistet. Ein Ort in der Gesellschaft außerhalb der Gesellschaft, vielleicht ein Heterotop, was ich vor einiger Zeit einmal hier im Blog vergleichsweise mit der Agrippa-Legende von Titus Livius verglichen hatte. Theater ist der Ort, in dem hinein man aus der Tagesgesellschaft abends hinaustritt, um in die Gesellschaft zurück zu schauen, Reflexion also nicht im einfach bewusstseinsphilosophischen, sondern im durchaus optischen Sinne, in dem sich etwas widerspiegelt, das es außerhalb der Spiegelung nicht gibt. Eine Mimesis, die nichts nach-ahmt, sondern einfach ahmt und durch den Effekt des scheinbaren „nach“ der Ahmung Erkenntnis und Vergnügen miteinander zu verbinden zu vermag. Es ist ein Spiegelbild ohne Vorbild. Aber machen wirs vielleicht auch nicht zu kompliziert. Also anders.
Seit 40 Jahren schaffen wir allmählich ein gesellschaftliches Bewusstsein über Umweltzerstörung und die ungewünschten Folgen der Manipualtion an der physischen Natur. Es ist an der Zeit, für das21. Jahrhundert neben der Umweltzerstörung auch die Mitweltzerstörung in den Blick zu bekommen, die in den letzten fünf Jahren in der sogenannten Finanzkrise ihr gesellschaftliches Fukushima » Read the rest of this entry «
Januar 9th, 2013 § Kommentare deaktiviert für Die Frage der Zahl der Produktionen — Antwort an Frank Kroll, Teil 3 § permalink
Natürlich stimme ich Frank Krolls Diagnose zu, dass die Anzahl der „Produktionen“ bereits zu hoch ist, um sowohl verträglich für die Mitarbeiter, als auch zuträglich für die Kunst zu sein. Höhere Schnelligkeit kann demnach nicht heißen, noch mehr in noch kürzerer Zeit zu produzieren. Würden Theaterleute nicht mit einer angeborenen Arroganz gegenüber den Erfahrungen nichtkünstlerischer Institutionen, wie es etwa Wirtschaftsbetriebe sind, herumlaufen, hätten sie die Fatalität dieses Prozesses schon längst absehen können: Wenn die Zahl der Kunden gleich bleibt oder sinkt, besteht die einzige Chance zum Wachstum (sprich: zu höheren oder zumindest gleich bleibenden Auslastungsquoten), den verbleibenden Kunden mehr (Inszenierungen) zu verlaufen, ihnen also zusätzliche Kaufanlässe zu bieten. Heißt: Erhöhung der Produktpalette. Geschieht dies bei gleichbleibenden oder sinkenden Budgets, tragen die Konsequenzen die Beschäftigten. Und die Produktqualität. Das ist so einfach, wie nur etwas. Und es ist kein infiniter Prozess, weil irgendwann die hingeschluderten Produkte auch immer weniger » Read the rest of this entry «
Januar 8th, 2013 § § permalink
Es ist an der Zeit, dass die deutsche Gesellschaft (wenn auch nicht unbedingt wieder die Deutsche Gesellschaft) wieder einmal fragte: „Was kann eine gute stehende Schaubühne eigentlich wirken?“.
Und bevor wir uns an die übergeordneten Fragen hinsichtlich des Menschseins begeben, ist also das „stehende“ zu befragen. Denn die zuletzt immer lauter werdende Debatte, die das sogenannte Freie gegen das sogenannte Stadttheater ausspielt, hat mehr oder minder deutlich die Frage nach diesem Stehenden gestellt, sofern das Stehende doch offenbar das alzu Beständige, das Starre, das Nicht-Bewegliche zu bezeichnen schien. Sollte eine Schaubühne also stehen oder nicht vielmehr gehen? Aber das nur als Exergue.
Wozu leisten sich Gesellschaften (ich verwende dieses Wort als leeren Begriff, der nichts meint als das, was er potenziell meinen könnte ohne doch bereits bestimmt zu sein) stehende Institutionen? Wozu dieser Bestand? Nicht wenige davon sollen widerstehen, sollen der Gang der Dinge verlangsamen und aufhalten, der ansonsten en passant zu Ergebnissen führt, die wären sie vorher bedacht worden, nicht eingetreten wären, da unerwünscht oder gefürchtet. Bauämter » Read the rest of this entry «
Januar 7th, 2013 § § permalink
Ich fürchte, die Zeit für „mal ausprobieren“, von der Frank Kroll schreibt, läuft ab. Es geht eher darum, neue Möglichkeiten entschlossen zu ergreifen, um Theater die Kraft (wieder) zu geben, die es hatte oder haben könnte. So menschlich verständlich es ist, dass das Führungspersonal nach jahrzehntelanger Belagerung durch Budgetsparer und Etatkürzer Ermüdungs- und Verschleißerscheinungen zeigt, so inakzeptabel ist es für die Institution und Kunst des Theaters. Es kann nur die Macht der Gewohnheit sein, die den Blick für den Dornröschenschlaf verschleiert, in dem Theater sich befinden. Und der, in dieser Form fortgesetzt, allmählich und unbemerkt in einen Big Sleep übergeht. Es ist eben nicht edler, die Pfeil und Schleudern des Geschicks zu dulden, sondern sich zu waffnen gegen diese See der Plagen und durch Widerstand sie zu beenden. Welchen Weg der Widerstand einschlagen soll – das mag jedes einzelne Theater für sich entscheiden. Nur Widerstand gegen Kameralisten zu leisten aber heißt, die Kräfte auf die falsche Flanke zu konzentrieren. Hier ist nichts zu gewinnen. Schon gar nicht durch späthoneckerhafte „Theater muss sein“ Aufkleber auf Autos.
Die Belagerungssituation entsteht ja nicht etwa aus übermächtigen Gegnern, sondern sie ist selbstgemachter Unbeweglichkeit geschuldet. Allerdings gemischt mit dem fehlenden Blick für mögliche Allianzen – und dazu zähle ich eben die Schreiber (formerly known as Autoren). Nicht in der Form einer Wiedereinsetzung » Read the rest of this entry «
Januar 7th, 2013 § Kommentare deaktiviert für Die Antiquiertheit des szenisches Schreibprozesses – Antwort an Frank Kroll § permalink
Frank Kroll, Leiter des Suhrkamp Theaterverlags, hat mir mit einem Kommentar auf den zweiten Teil zum Posting „Die Antiquiertheit des szenischen Schreibprozesses“ geantwortet. Ich habe Frank Kroll, der erfreulicherweise wieder hier zu bloggen begonnen hat, auf den Autorentheatertagen 2002 in Hamburg als ausgesprochen klugen und sehr angenehmen Menschen kennengelernt, wollte deswegen auch entsprechend sinnvoll auf seinen Kommentar antworten – was leider vom Umfang her einigermaßen aus dem Ruder lief. Deswegen habe ich mich entschieden, meine Antwort in mehrere Postings zu zerteilen und in den nächsten Tagen sukzessive hier zu veröffentlichen.
UPDATE: Der erste Beitrag ist jetzt hier online: Die (Neu)Entfaltung der szenischen Kraft – eine Antwort an Frank Kroll, Teil 1