Durchsacken — der Digitaltsunami

November 10th, 2009 Kommentare deaktiviert für Durchsacken — der Digitaltsunami

Was pas­siert in der soge­nann­ten Finanz­kri­se? Die Ban­ken haben … Nee, falsch. Eini­ge wild­ge­wor­de­ne Ban­ken­ma­na­ger haben, weil sie so sehr um ihr Boni besorgt waren, Spe­ku­la­tio­nen betrie­ben, die zuerst ihre eige­nen, dann die sys­tem­re­le­van­ten, dann alle Ban­ken ins Wan­ken brach­ten (soll­te man die Ban­ken also umbe­nen­nen in Wan­ken? Oder nur Bad Banks als Wan­ken über­set­zen? Ban­ken und Wan­ken?), schließ­lich die gesam­ten Staats­fi­nan­zen und Haus­hal­te an den Ran­de des Abgrun­des (wo und wie tief ist der eigent­lich) scho­ben – nur um irgend­was durch Bürg­schaf­ten zu ret­ten. Uff. Blödsinn.

Seit Mit­te der Acht­zi­ger hal­ten Com­pu­ter Ein­zug in die Arbeits­welt, seit Ende der 90er das Inter­net. Die Pro­duk­ti­vi­tät explo­diert, Ver­triebs­we­ge wer­den weg­ge­wischt, die gesam­te Wirt­schaft wird von einer digi­ta­len Mör­der­wel­le erfasst. 25 Jah­re sind die ers­ten Beben her. Damals stritt man um die berühm­te „Ratio­na­li­sie­rung“ und ob sie Arbeits­plät­ze kos­ten wür­de. Man war sich öffent­lich  sicher: nein, denn durch Ratio­na­li­sie­rung wer­den mehr Pro­duk­te güns­ti­ger ver­kauft.  Das war Unfug. Ist Unfug. Die Wirt­schaft kam nur nicht schnell genug hin­ter­her, die Struk­tu­ren anzu­pas­sen. Es wer­den ein­fach weni­ger Mit­ar­bei­ter gebraucht. Viel weni­ger. Und gan­ze Indus­trien fal­len weg. Rif­kins Ende der Arbeit” schil­der­te vie­ler­lei davon schon in sei­nem neu­en Vor­wort. Eini­ges, was mir auf die Schnel­le dazu einfällt:

  1. Email ersetzt Post – die Post­fi­lia­len schlie­ßen bis 2011 komplett
  2. Breit­band und Inter­net-Tele­fo­nie rei­ßen die Tele­kom in den Abgrund.
  3. iTu­nes ersetzt CD ersetzt Musi­Cas­set­te, ersetzt Schall­plat­ten­lä­den und Versender
  4. Video on Demand ersetzt DVD, VHS, Video­the­ken UND Fernsehen
  5. Inter­net­news erset­zen Zeitungen
  6. Online Ban­king ersetzt Bankfilialen
  7. Kauf- und Ver­sand­häu­ser (Wool­worth, Her­tie, Kar­stadt, Quel­le) wer­den ver­schlun­gen wäh­rend Ama­zon Rekord­zah­len meldet
  8. Dru­cke­rei­en und Druck­ma­schi­nen­her­stel­ler bre­chen zusammen
  9. Zei­tun­gen fusio­nie­ren, wer­den aus­ge­hölt, Redak­tio­nen aus­ge­dünnt – Online-Por­ta­le wachsen

Nur wächst die Nach­fra­ge nicht gleich­mä­ßig mit. Nicht ein­mal annä­hernd. Und die tra­di­tio­nel­le Reak­ti­on, durch neue Pro­duk­te mehr Kauf­rausch zu wecken, funk­tio­niert auch nicht mehr in einer Zeit, in der über allem und jedem die Paro­le „Spa­re!“ steht. Spa­re Ben­zin, Spar­te Kalo­rien, Spa­re für die Ren­te, Spa­re CO2, Spa­re Strom, Spa­re Heiz­kos­ten, Spa­re Mit­ar­bei­ter­kos­ten, Spa­re Gesund­heits­kos­ten, Spa­re an den öffent­li­chen Haus­hal­ten. Spa­re! Wer soll da sei­nen Kon­sum aus­wei­ten? Eine Abwärts­spi­ra­le, die zu mehr Arbeits­lo­sig­keit führt, was einer­seits die Zahl der kauf­kräf­ti­gen Kun­den redu­ziert, zugleich die Staats- und Sozi­al­aus­ga­ben (und damit Steu­ern und Abga­ben) stei­gen lässt – was wie­der­um die Spi­ra­le beschleu­nigt. Denn in einem Ver­drän­gungs­wett­be­werb wer­den die Prei­se wei­ter sin­ken. Was Mit­ar­bei­ter oder Lohn kos­tet (über 6 Mil­lio­nen arbei­ten bereits im Nied­rig­lohn­sek­tor in Deutsch­land!). Und so wei­ter und so weiter.

Dabei ist das Netz eigent­lich ein Segen – den mit einem Bruch­teil mei­nes Gel­des kann ich jetzt erste­hen, was frü­her mehr­fa­che Prei­se kos­te­te. Nur – auch ich kos­te dem­nächst nur noch einen Bruch­teil. Und muss davon noch … genau: Spa­ren. Durch­sa­cken heißt – die Lebens­st­and­rads sacken gera­de nach unten. Ver­ges­sen wir die ver­nach­läs­sig­ba­ren Super­rei­chen. Der Rest sackt weg. Die Mit­tel­schicht sackt nach unten. Die Ober­schicht wird im nächs­ten Schritt sogar stürzen.

Wir sind in einer Form von Defla­ti­on und Rezes­si­on, die ver­mut­lich kein Wis­sen­schaft­ler noch durch­drun­gen hat. Eine Defla­ti­on, die durch den digi­ta­len Tsu­na­mi aus­ge­löst wur­de und wird. Und wohl nicht zu stop­pen ist. Jeden­falls nicht, ohne wirt­schaft­li­che Grund­fra­gen zu stellen.

P.S.: Von Nico­las Carr ein ganz beden­kens­wer­ter Arti­kel in der Zeit. Trotz­dem: kein Grund zur Panik.

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