Finanzmarktregulierung — so vielleicht?

Mai 7th, 2010 Kommentare deaktiviert für Finanzmarktregulierung — so vielleicht?

Gehen wir von zwei Din­gen aus: auf­grund der erheb­lich bes­se­ren Gehäl­ter gehen die bes­ten Absol­ven­ten von Wirt­schafts-Mad­ras­sas eher in den Dienst von Ban­ken und Fonds denn in den Dienst von Auf­sichts­be­hör­den. Das schafft einen gewis­sen Vor­sprung. Zum zwei­ten sorgt die schie­re Mas­se an Pro­duk­ten und ein ver­mut­lich zugleich herr­schen­der Zeit­druck dafür, dass wohl kei­ne Behör­de zur umfas­sen­den Prü­fung und “TÜV”-Untersuchung die­ser Pro­duk­te in der Lage wäre. Auch wenn Ban­ken und Co. für einen Augen­blick kei­ne kri­mi­nel­le Ener­gie, kei­ne Schmier­geld­zah­lun­gen, kein inten­si­ver Lob­by­is­mus, kei­ne Mau­sche­lei­en in einem sol­chen Ver­fah­ren unter­stellt wür­den, wäre die Prü­fung die­ser Pro­duk­te wohl eher ein Wunsch­traum. Dabei geht es ein­fa­cher. Viel ein­fa­cher. Ich hat­te letz­tens hier vom For­mel 1‑Vergleich geschrie­ben. Mei­nes Erach­tens führt das wei­ter. Und zwar so:

Schritt 1: “For­mel 1” Ban­ken­ver­band für den Han­del von Deri­va­ten und Zer­ti­fi­ka­ten gründen

Jedes Insti­tut und jeder Fonds, der zukünf­tig sol­che Deri­va­te und Zer­ti­fi­ka­te usw. her­aus­ge­ben, han­deln oder kau­fen will, muss Mit­glied in die­sem Ver­band sein. Jeder Han­del außer­halb ist ille­gal. Das wäre sozu­sa­gen die FIA. Die Rol­le von Ber­nie Eccle­s­tone über­nimmt viel­leicht Herr Ackermann.

Schritt 2: Ver­bands­be­wer­tung von Pro­duk­ten und Verbandshaftung

Die­ser Ver­band hat vor allem einen Zweck: Ban­ker sol­len ande­re Ban­ken kon­trol­lie­ren, um Scha­den vom eige­nen Insti­tut fern zu hal­ten. Denn jedes Pro­dukt, das hier gehan­delt wer­den soll, muss vom Ver­band zuge­las­sen und bewer­tet wer­den. Bewer­tung heißt dabei zugleich zwei­er­lei: einer­seits erhält das Pro­dukt eine Risi­ko­ein­stu­fung in 5 oder 10 Kate­go­rien, die bis an poten­zi­el­le Käu­fer kom­mu­ni­ziert wird. Und die ris­kan­tes­ten Kate­go­rien dür­fen nicht an End­kun­den ver­kauft wer­den. Zugleich impli­ziert die Risi­ko­ka­te­go­rie die pro­zen­tua­le Haf­tung gegen­über Ver­lus­ten. Heißt: je risi­ko­är­mer der Ver­band ein Pro­dukt bewer­tet, des­to höher ist die Haf­tung, die (das ist der Witz dran) der Ver­band mit sei­nen gesam­ten Mit­glie­dern dafür über­nimmt. Heißt: der Ver­band sagt, dass ein Pro­dukt risi­ko­arm sei — dann haf­tet er in hohem Maße für Aus­fäl­le oder Total­ver­lus­te. Stuft der Ver­band ein Pro­dukt als risi­ko­reich ein (und ver­gibt damit ein Warn­si­gnal) — haf­tet er gerin­ger. Heißt: Crasht ein Pro­dukt der Com­merz­bank oder von Gold­man, Leh­man oder wem auch immer, haf­tet dafür nicht nur die­ses Insti­tut, son­dern auch Deut­sche Bank, Bank of Ame­ri­ca usw.

Schritt 3: Die Kontrolle

Der Ver­band steht nun­mehr zwi­schen zwei Inter­es­sen: Jedes Insti­tut möch­te die eige­nen Pro­duk­te mög­lichst breit ver­kau­fen. Dafür ist eine gute Risi­ko­be­wer­tung hilf­reich. Zugleich wol­len die Insti­tu­te aber nicht haf­ten für die über­zo­ge­nen Risi­ken ein­zel­ner Betei­lig­ter. Das führt zu einer ein­ge­hen­den Prü­fung der Pro­duk­te durch die hoch­be­zahl­ten Wirt­schafts-Mad­ras­sa­ab­sol­ven­ten. Und im Fal­le eines Crash wie in der Sub­prime-Kri­se wür­den in jedem Fal­le die Ver­bands­mit­glie­der zunächst in der Haf­tung ste­hen. Denn in Ban­ken war schon vor dem Zusam­men­bruch offen­bar weit­hin bekannt, dass ein sol­cher Crash bevor­steht. Man hat­te nur kei­ne Moti­va­ti­on, sich dage­gen zu stellen.

Schritt 4: Der Haftunsfall

Geschieht nun das “Undenk­ba­re” und Papie­re fal­len aus, ver­lie­ren ihren Wert in bestimm­tem Umfang oder gänz­lich, tritt der Ver­band in Haf­tung. Nicht nur der Emit­tent. Alle beglei­chen zusam­men die auf­ge­lau­fe­ne Rech­nung. Möcht ich ja mal sehen, was sich eine Bank anhö­ren muss, wenn ihr das zum zwei­ten Mal pas­siert. Wenn sie nicht gleich beim ers­ten Mal raus­fliegt. Wer dabi erwischt wird, dem Ver­band gegen­über die Risi­ken ver­schlei­ert zu haben — wird mit Sicher­heit in die Ver­trau­ens­kri­se gera­ten, die glo­bal nach der Sub­prime-Kata­stro­phe herrsch­te. Und wer es schafft, die Risi­ken jeder­zeit unter Kon­trol­le zu hal­ten (was ja nicht heißt, kei­ne Risi­ken mehr ein­zu­ge­hen, son­dern nur: sie rich­tig ein­zu­schät­zen), der wird pro­fi­tie­ren. Momen­tan sinds eher die bau­ern­schlau­en, die den Dum­men die Schrott­pa­pie­re andre­hen. In der For­mel 1 kle­ben die­se Bau­ern­schlau­en als ers­tes an der Wand. Oder ste­hen vor der Tür, weil der Ver­band sie aus den Rei­hen der Han­dels­be­rech­tig­ten ausschließt.

Lebens­ge­fähr­li­cher Boli­de oder soli­de Sonntagskutsche?

Heißt: die­se For­mel 1 haf­tet für alles, was sich auf ihren Renn­stre­cken tut und stuft die Autos als Renn­fahr­zeu­ge oder stra­ßen­ver­kehrs­taug­li­che Seri­en­fahr­zeu­ge ein. Wer am Ren­nen teil­neh­men will, weiß um die Gefahr und ver­zich­tet auf Haf­tungs­an­sprü­che. Alle ande­ren bekom­men Fahr­zeu­ge, deren Risi­ko im Rah­men des all­ge­mei­nen Lebens­ri­si­kos liegt. Ren­ten­fonds und öffent­li­che Ban­ken (Grü­ße an die WestLB) dür­fen nicht hoch­ris­kant. Und Hedge­fonds dür­fen fröh­lich in die Mau­ern kra­chen, ohne Umste­hen­de zu gefähr­den. Scheint mir Sinn zu machen. Oder nicht?

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