April 16th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Wegweiser im Deutschen Historischen Museum Berlin § permalink
Darf aus der Zusammenstellung logisch abgeleitet werden, dass das Deutsche Historische Museum
A. Eine Verwandtschaft zwischen files und Faekalien sieht?
B. das Internet als menschliches Bedürfnis toleriert und entsprechend dringenden Bedürfnissen Erleichterung ermöglicht?
C. das Internet eh fuern Arsch findet?
D. Nett ist?
Jenseits dummer Witze war die Ausstellung zur Polizei im Dritten Reich leider enttäuschend oberflächlich aus dem Geist der Akteneinsicht mehr gespeist als aus Selbstreflektion der Institution.
April 11th, 2011 § § permalink
Im Zeitalter des Netzes wird die Frage nach dem Subjekt neu gestellt. Sie muss neu gestellt werden, da die traditionellen Bestimmungen von Subjektivität nicht mehr hinreichend zu sein scheinen, um den polymorph perversen Surfer oder User zu fassen. Gemessen am Begriff des Subjekts ist der Surfer eine vielgestaltig gallertartige Masse an Kommunikation, die sich bald hierhin, bald dorthin verbreitet, kleben bleibt und selbst zu einem Netz im Gesamtnetz gerinnt, bestehend aus den hinterlassenen Spuren. Ob dahinter eine Identität, Konstanz, Autonomie liegt? Ob überhaupt ein einheitlicher Fluchtpunkt hinter diesen proteischen Vielgestalten liegt? Ob sich von einer Vielheit im Sinne einer multiplizierten und multiplen Einheit sprechen lässt – oder von einer Unbestimmtheit in sich, einem zeitlichen, räumlichen, kontextuellen Fluidum, das sich in Sekundenschnelle verändert. Das alles ist keine postmoderne Feier eines postsubjektiven Zeitalters – denn der historische Rückgang (mit durchaus bewusster Verknappung) kommt an einem Punkt an, der zeigt, wie wichtig ein Begriff des Subjekts ist (auch wenn es vielleicht zukünftig einen anderen Namen führen muss).
Das Subjekt – Natural Born Fiction
Das Subjekt war immer schon eine Fiktion. Was kein Einwand ist. Es macht lediglich Sinn, das nicht zu vergessen, wenn dagegen angerannt wird. Es ist schier unmöglich, gegen Fiktionen zu kämpfen. Gespenster lassen sich nicht dekonstruieren. Zunächst weil sie von Anfang an konstruiert sind und jede Dekonstruktion nur feststellen kann, dass hier eine Konstruktion vorliegt. Was von wenig Erkenntnisgewinn ist. Zudem weil jeder erneute Kampf gegen das Gespenst ihm nur neue Kraft verleiht. So ist der Entzug der Metaphysik, den die Dekonstruktion bewerkstelligen wollte, gründlich daran gescheitert, dass » Read the rest of this entry «
April 11th, 2011 § § permalink
Die Schauspielstudentin Nora Decker hat mir eine Frage gemailt, die nur auf den ersten Blick oft gehört und wie ein misotheatraler Stoßseufzer erscheint:
warum werden soviele bühnenklassiker inszeniert (shakespeare, goethe, ibsen, usw.)?
gab es nicht eine zeit, in der stücke geschrieben u auf die bühne gebracht wurden und gebrauchte stücke im schrank blieben?
und wenn ja, warum ist das nicht mehr so, warum sieht die hitliste der spielpläne so aus? :
1 Faust (Goethe)
2 Der Gott des Gemetzels (Reza)
3 Romeo und Julia (Shakespeare)
4 Ein Sommernachtstraum (Shakespeare)
5 Kabale und Liebe (Schiller)
6 Klamms Krieg (Hensel)
7 Werther (Goethe)
8 Szenen (Loriot)
9 Die Räuber (Schiller)
10 Maria Stuart (Schiller)
11 Nathan der Weise (Lessing)
12 Der zerbrochne Krug (Kleist)
13 An der Arche um acht (Hub)
14 Hamlet (Shakespeare)
15 Die Grönholm-Methode (Galceran)
16 Der Menschenfeind (Molière)
17 Ladies Night (Sinclair/McCarten)
18 Buddenbrooks (Mann/Düffel)
19 Wer hat Angst vor Virginia Woolf? (Albee)
20 Michael Kohlhaas (Kleist)
Ich finde die Frage relevant. Und möchte sie deswegen nicht per Mail sonder mit einem Posting beantworten.
Erster Ansatz: Der Markt
Man könnte es sich einfach machen und angebotsökonomisch argumentieren: „Nunja, es gibt halt nicht genug Nachschub, der inszeniert werden könnte.“ Das ist kein Argument: Ökonomischen Regeln folgend, müsste eine Nachfrage sich ein Angebot erschaffen. Übrigens: Das tut es sogar.
Zweiter Ansatz: Der Wahrnehmungsfehler
Tatsächlich gab es in den letzten Spielzeiten so viele Uraufführungen wie vermutlich nie in der Theatergeschichte zuvor (Werkstatistik Bühnenverein 2008/09: 609 Ur- und Erstaufführungen!). Also: „Wahrnehmung öffnen und sehen, dass die Behauptung falsch ist.“
Sie ist allerdings nicht falsch. Die von den Battlegroup-Autoren vorgetragene Behauptung, es gäbe zwar einen unstillbaren Hunger nach Uraufführungen, die zumeist von Jungregisseuren auf Werkstattbühnen verheizt würden, trifft zu. Und sie ändert nichts an der Situation, dass unter dem Deckmäntelchen des „Wir spielen ja Neues“ tatsächlich eine basaltene Grundstruktur der Klassikerinszenierungen zu finden ist (2008/9 wurden insgesamt 3.710 Werke laut Bühnenverein aufgeführt – ein Sechstel also nur neue Texte, 3.100 nichtneue Werke bei insgesamt 7.090 Inszenierungen, von denen dann die „neuen“ Stücke, die zumeist nur einmal inszeniert werden, gerade einmal 8,6% sind), in die nur gelegentlich einige „embedded authors“, die als Dramaturgen oder ähnliches im Betrieb durchgenudelt werden, integriert sind.
Der großartige, hier (leider offenbar nicht mehr) bloggende Frank Kroll vom Henschel-Schauspielverlag hat sich vor einigen Jahren die Mühe gemacht, die Bühnenvereins-Statistik jenseits des ersten positiven Eindrucks nachzurechnen und kommt zu dem Ergebnis:
Zwar ist, absolut betrachtet, die Zahl der ur- und erstaufgeführten Werke seit Beginn der 90er Jahre um etwa ein Drittel angestiegen, im selben Zeitraum reduzierte sich die durchschnittliche Vorstellungszahl pro Werk jedoch um ein höheres Maß. Immer mehr Werke werden von den Theatern «entdeckt», erleben dann aber immer weniger Aufführungen. Die Auseinandersetzung mit neuer deutsch- und fremdsprachiger Dramatik stagniert weiterhin auf einem niedrigen Level. Den vielbeschworenen «Hype» mit Neuer Dramatik hat es nie gegeben. Zwischen der Selbstdarstellung der Theater und dem tatsächlichen Bühnengeschehen besteht eine deutliche Diskrepanz. (Quelle)
Nur weil Buchhändler auch lustige Grußpostkarten an der Kasse verkaufen werden sie noch lange nicht zu Grußpostkartengeschäften. Das „Kerngeschäft“ der Theater ist und bleibt die bis zu Erbrechen wiederholte Klassik. Warum?
Dritter Ansatz: psycho-ethisch
Tatsächlich begründet sich dieses Verhalten aus fünf künstlerischen Todsünden: Faulheit, Feigheit, Dummheit, Eitelkeit und Geiz. Und zwar so: » Read the rest of this entry «
April 11th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Theatersterben: Zur Kritik des reinen Vergnügens § permalink
Ein kurzer Mailwechsel mit Olivier Garofalo bringt mich dazu, nicht nur zum Hauptthema dieses Blogs – dem Theater – zurück zu kehren. Sondern direkt zu fundamentalen Fragen des Gegenwartstheaters zu kommen. In der Mail von Garofalo findet sich diese provokante Frage:
die wichtigste Frage ist wohl, ob der Inhalt
verschwindet, weil das Publikum in den heutigen Zeiten in ihrer Freizeit
nicht mit Fremdgedanken belastet werden wollen, oder ob besonders die
Schauspiel- und Regieschulen nur Ästhetik lehren (weil das freie Denken eh
nicht beibringbar ist). Wahrscheinlich beides und mittendrin die Kritik,
die ihre Massstäbe an der Kunst messen und eben nicht am Inhalt.
Garofalo nimmt damit drei Beteiligte als potenzielle Akteure auf: Publikum, Theaterschulen und Kritik. Das ist insofern spannend, als die Diskussion nicht sofort Intendanten, Dramaturgen und Regisseure in den Blick und Angriff zu nehmen versucht. Sondern die Entstehungsbedingungen einer bestimmten Gesamtsituation auf scheinbare Randbedingungen zurückführt – was Sinn macht.
Das Publikum
Ist das Publikum bzw. sind die Zuschauer Akteure in einem Sinn, der sie mitverantwortlich für das Elend gegenwärtigen Theaters macht? Was will „das Publikum“? Ein großer, einflussreicher Teil des aktuellen Publikums fordert offenbar „werktreue“ Inszenierungen von Klassikern. Sie wollen Museum. Identische Reproduktion der eigenen Vorstellungen dessen, was „die alten Meister“ schrieben, wollten, vorstellten. Diese Debatte ist nicht tot zu bekommen. Und Theater tun diesem Publikum ja den Gefallen. Man spielt die Klassiker. Und wenns keine » Read the rest of this entry «
April 10th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Zum Begriff des Publikums — Gastbeitrag von Olivier Garofalo § permalink
Von Olivier Garofalo, dessen Master-Arbeit über Sich Gesellschaft leisten ich ja letztens verlinkt hatte, bekam ich den folgenden Gastbeitrag, den ich gerne veröffentliche.
Als Konsument des Theaters ist der Zuschauer in der ökonomisierten Gesellschaft das beste Indiz, Erfolg oder Misserfolg auszumachen. Gleichzeitig ist das Publikum auch jenseits des Verkaufsschalters notwendige Bedingung für die Existenz des Theaters. Anders als der Film kann das Theater nicht ohne Publikum existieren. Theater ohne Publikum ist kein Theater, höchstens eine Probe. Diese Erkenntnis, so offensichtlich sie auch ist, scheint vergessen zu sein. Das Theater basiert auf diesem Dualismus : einerseits die Künstler, welche ihr Geld damit verdienen, Theater zu realisieren und auf der anderen Seite der Zuschauer, der sein verdientes Geld im Theater wieder ausgibt. Damit sind die zwei Pole eindeutig erkennbar: einerseits der Arbeitende, andererseits der Freizeitler.
Genau diese Schwelle ist gegenwärtig ein wesentliches Problem des Theaters. In einer leitungsorientierten, ökonomisierten Gesellschaft wird die freie Zeit zum Moment des systemischen Ausbruchs. Kein Druck und keine Verantwortung soll die Freizeit stören, weshalb ihre Gestaltung wiederum kostengünstig sein soll, denn das Gegenteil würde eine finanzielle Legitimation bedeuten und also Druck und » Read the rest of this entry «
April 10th, 2011 § Kommentare deaktiviert für In eigener Sache: Ende des Doppellebens § permalink
Nach achtjähriger Tätigkeit in einer Digitalagentur ist jetzt Schluss mit dem Doppelleben als fest angestellter Werber und bloggender Schreiber. Ab Juli werde ich frei sein, heißt: selbständig und freischaffend als
- Postdramatiker
- Blogger auf postdramatiker.de
- Kommunikationsberater/Kreativer für Social Media bei Unternehmen und Agenturen (meinetwegen auch Theater)
Damit wird dieses Blog demnächst auch personalisierter, mit Angaben über den Verfasser. Und vielleicht sogar unter meinem Namen googlebar. Die Doppelexistenz lässt sich weder konstitutionell noch geistig aufrecht erhalten. Ob das funktioniert und sich finanziert? Keine Ahnung. Den Versuch ists wert. Und ich hoffe, dass dann dieses Blog auch wieder lebendiger wird.