In Theater Heute 10/2016 ist zudem ein Interview mit den Beteiligten des Essener Writers Room Volker Lösch, Vera Ring, Oliver Schmaering und mir zu lesen. Der Artikel ist hier (kostenpflichtig) online zu finden. Oder in der Oktober-Printausgabe.
Juni 22nd, 2013 § Kommentare deaktiviert für Die Trierer proben den Aufstand – eine Laien(theater)kritik § permalink
Dass es einen FC Bayern München gibt, ist kein Einwand gegen Feierabend- und Amateurfußball in zahllosen örtlichen Vereinen. Und dass letztere nicht auf dem Niveau des Ersteren spielen, eine Selbstverständlichkeit. Denn die zahllosen lokalen Vereine haben eine andere lokal-gesellschaftliche Funktion, als die Champions League Sportler.
Mit Laientheater ist es eine ähnliche Sache. Gewöhnt an die Hochämter der Bühnenkunst in professionellen Häusern, kann man recht schnell zu einer enttäuschten Einschätzung solcher Theateraktivitäten kommen und sich gelangweilt oder frustriert abwenden. Man kann sich aber auch den Eigengesetzen dieser vielleicht nicht einmal im emphatischen Sinne „künstlerischen“, sondern lokal gemeinschaftlichen Form widmen.
Die Trierer Produktion „Stadt in Aufruhr“, produziert für und gezeigt im Rahmen des Festivals „Maximierung Mensch 4:Mensch Marx“ der Universität und des Theaters Trier, ist ein solcher Anlass, die Bewertungskriterien professionellen Bühnentheaters zurückzustellen, um sich dem widmen zu können, was da tatsächlich an Spannendem geschah. Das soll hier versucht werden, weshalb es sich hier eigentlich nicht um eine Kritik handelt, sondern um eine Laienkritik.
Es fanden sich mehr als 60 Trierer (meine Zählung – Veranstalterangaben über 100) unter Anleitung der GRUPPE INTERNATIONAL zusammen, um „Stadt in Aufruhr“ zu geben. Nicht auf einer Bühne, sondern indem die Stadt selbst zur Bühne verwandelt, das Publikum zum Spaziergänger in einer Stadtführung wurde. Erschien der Beginn noch auf üblichem Laien-Niveau, wandelte sich die Aktion später plötzlich in Anderes.
Die ersten Akte: Von damals
Erste Spielstätte war die Kunstbaustelle „Tuftapolis“, ein etwas heruntergekommener Abenteuerspielplatz, auf dem Kinder in Kostümen des Michael aus Lönneberga, Batman, Robin und Pippi Langstrumpf Kleingruppen eine Führung gaben und den Besuchern gesprächig erzählten, was das damals alles war. „Damals“ (so verstand ich) ist das Trier der Gegenwart, denn die Inszenierung siedelte sich in der Zukunft des Jahres 2025 (in Anknüpfung an ein gerade veröffentlichtes Strategiepapier „Trier Zukunft 2025“ der Stadt) an – einer durchaus dystopischen, durchökonomisierten und in einer verelendeten und zutiefst in Reich und Arm gespaltenen Stadt.
Durch Seitengassen, an denen sich Bauankündigungen für Entertainment Center fanden, ging es zum zweiten Akt, einen Garagenhof. Dort wurde das Publikum (geschätzt über 100 Zuschauer) aufgeteilt auf verschiedene Garagen, in denen verkleidete Einzeldarsteller verarmte Trierer gaben, die von einer gemeinschaftlichen Aldi-Plünderung erzählten. Weiter dann auf einen Parkplatz, auf dem vier Darsteller sich als Opfer staatlicher Gewalt der jüngeren Gegenwart (Athen, Tunesien) und der entfernteren Trierer Vergangenheit (ein 1848 von der Polizei in Trier getötete Revolutionär) gaben und ihre Geschichte erzählten.
Der dritte Akt: Der Aufstand beginnt
Spannend wurde es direkt im Anschluss. Die Darsteller mischten sich unter die Zuschauer-Spaziergänger, drückten Dutzenden von ihnen Demo-Plakate mit der » Read the rest of this entry «
Februar 23rd, 2013 § Kommentare deaktiviert für Vor dem Fernseher, nach dem Individuum. Ein Schleef-Zitat #MediaDivina § permalink
Über Andreas Wilinks nachtkritik-Besprechung der Bonner Inszenierung von Hauptmanns Ratten durch Lukas Langhof bin ich über eine Passage eines Einar Schleef-Interviews gestolpert, der dort etwas sagt, das bedenkenswert ist. Noch nicht durchdacht hier, aber bedenkenswert in seiner geradzu buddhistischen Schlichtheit und Prägnanz:
Im traditionellen Sprechtheater hat der Schauspieler den Traum vom Individuum zu erfüllen — aber wo gibt’’s denn heute ein Individuum? Das ist eine antiquierte Vorstellung. Wir leben im Massenzeitalter, und das » Read the rest of this entry «
Juni 20th, 2012 § Kommentare deaktiviert für Digitaljournalismus statt #lsr – Aufruf zur Rettung von nachtkritik.de § permalink
Zugegeben, die Headline dieses Postings ist so reißerisch, wie eine schlechte BILD (darf ich den Namen noch erwähnen, ohne verklagt zu werden?) Schlagzeile. Allerdings ist hier wie dort auch das Ziel ähnlich: es soll nicht nur informiert, sondern agitiert werden.
Zur Sache: nachtkritik.de ist DAS deutschsprachige Theater- und Theaterkritikportal im Netz. Es wurde vor über fünf Jahren von erfahrenen und printrenommierten Theaterkritikern gegründet und bringt jeden Morgen Kritiken zu den wichtigsten Theaterpremieren des vergangenen Abends. Zudem werden dort die heißesten Kommentardebatten über ästhetische, theater- und kulturpolitischen Themen geführt. Zusammen mit der Redaktion sorgen mehrere Dutzend freie Kritiker, verteilt über das ganze Land, dafür, dass nicht nur die „Zentren“ des Theatergeschehens, sondern auch die Provinz Beachtung und Aufmerksamkeit findet. Nachtkritik lebt im Wesentlichen von dem (positiv formuliert) Idealismus und der (kritisch gesagt) Selbstausbeutung aller Macher, um ein kostenloses, hoch professionelles und journalistisches Angebot zu schaffen.
Um die Mittel selbst für diesen recht spärlichen Honorare zu generieren, nutzt nachtkritik Werbebanner, bekommt Unterstützung etwa von der Bucerius-Stiftung – und ist auf Spenden angewiesen. Aktuell werden 25.000 Euro benötigt, um den Betrieb von nachtkritik auch in der nächsten Spielzeit zu ermöglichen. Davon sind nach vier Wochen nicht einmal 4.000 Euro zusammengekommen.
Für mich ist nachtkritik nicht nur als Kulturplattform spannend und faszinierend. Für mich steht vielmehr gerade in den aktuellen Umständen, der Debatten um Urheber- und Leistungsschutzrechte mehr auf dem Spiel bei der Farge, ob nachtkritik das Überleben gelingt.
Nachtkritik ist – neben einigen anderen Angeboten wie carta oder netzpolitik – ein Vision vom unabhängigen Digitaljournalismus der Zukunft Heißt: Wenn es nicht gelingt, eine solche Plattform jenseits traditioneller Erlösmodelle dauerhaft am Leben zu erhalten, schwindet mein grundsätzlicher Optimismus was die Zukunft von Qualitätsjournalismus im Netz jenseits industriegesellschaftlicher Produktions- und Distributionsmechanismen angeht. Nicht weil vom Theaterjournalismus etwa die Zukunft von irgendetwas abhinge (abgesehen von den Stadttheatern, die man finden mag, wie man will). Sondern weil nachtkritik symbolisch stehen kann für die entscheidende Frage:
Kann Journalismus mit hohem Anspruch, mit intensiver Debattenkultur, ohne Verlage und ihre lobbybearbeiteten Gesetzeswerke zukünftig ökonomisch leben oder nicht? Können Journalisten ohne Verlags- und Vertriebshintergründe zukünftig selbstorganisierte Angebote in einer Form betreiben, dass auch eine zumindest existenzsichernde Finanzierung dabei herauskommt – oder ist dieses ganze Netz letztlich nur ein Hobbyraum?
Um dafür einen zukunftsweisenden Beitrag zu leisten, braucht es mehr als Lippen- oder Twitterbekenntnisse. Es braucht in paar Euro (die sogar steuerlich abzugsfähig sind, da nachtkritik gemeinnützig ist). Man muss sich nicht für Theater interessieren, um ein Statement zur Zukunft des anspruchsvollen (Kultur-)Journalismus im Netz per Spende abzugeben. Man muss nachtkritik nicht jederzeit zustimmen, muss nicht einmal mit der Grundlinie oder der Inhaltsauswahl einverstanden sein, um zu verstehen und per Spende zu goutieren, dass eine Inhaltsdebatte nur dann sinnvoll geführt werden kann, wenn die Erstellung der Inhalte gesichert ist. Man muss nachtkritik nicht einmal lesen, um ein Statement für einen zukunftsweisenden Digitaljournalismus abzugeben, indem man ein paar Euro springern lässt.
Wer als Schauspieler darauf angewiesen ist, dass Menschen ein paar Euro Eintritt zahlen, sollte eine Spende in Höhe eines Eintrittsgeldes beisteuern, um zukünftig netzöffentliche Aufmerksamkeit für die eigene Arbeit zu bekommen. Wer als Intendant vom Fortbestehen der Stadttheaterkultur abhängig ist, sollte einen Wochenlohn (Brutto – Steuern gibt’s ja zurück; bei einem Frankfurter Intendantengehalt von 240.000+X — wie nachtkritik gerade berichtet — wären also ca. 5.000+X fällig!) dafür springen lassen. Wer als Journalist um die Zukunft des Journalismus besorgt ist, sollte sich eine Packung Zigaretten verkneifen und dafür einen fünfer springen lassen. Wer die Debatte um das Leistungsschutzrecht besorgt verfolgt, sollte seinen Beitrag für eine Plattform leisten, die sich über Erwähnungen, Verlinkungen, Zitierungen freut, statt sie juristisch zu verfolgen.
Und wer gar kein Geld, aber eine Twitter-Followerschaft hat, sollte wenigstens mit einem Retweet dafür sorgen, dass solventere Follower aufmerksam werden – und Geld rauslassen. Es geht um lächerliche 25.000 Euro. Das sind 5.000 Spenden zu 5 Euro.
Disclosure: Ich gehöre der Redaktion nicht an, bin aber mit Redakteuren persönlich bekannt und habe Beiträge für nachtkritik geschrieben. Das dafür bezogene Honorar geht selbstverständlich als Spende zurück an nachtkritik.
April 9th, 2012 § Kommentare deaktiviert für Postdramatiker-Interview im aktuellen Magazin des Deutschen Theaters Berlin § permalink
Im Anschluss an die Blackfacing-Debatte und meinen Artikel “Das Politische im Ästhetischen” auf nachtkritik bzw. hier im Blog, hat mich Sonja Anders, Chefdramaturgin am Deutschen Theater Berlin, per Email-Interview noch einmal zu der Debatte selbst und zur Veränderung des Theaters durch das Netz, den Übergang von der Massenmediengesellschaft zur Netzgesellschaft befragt. Hier gibts das Interview als PDF-Download
Oktober 5th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Spielzeitstart – Ein paar nicht einmal mehr wütende Gedanken dazu § permalink
Es ist ruhig geworden hier auf dem Blog. Das hat vordergründig damit zu tun, dass ich ziemlich beschäftigt bin mit Dingen, die wenig mit Theater, dafür mehr mit der Finanzierung des allgemeinen Lebensbedarfs zu tun haben. Eigentlich aber komme ich beim Nachdenken darüber, warum mir auch die Motivation fehlt, das eine oder andere, was halb geschrieben oder noch ganz im Kopf ist, zu verfertigen und zu posten zu einer (mich selbst)) ziemlich deprimierenden Folgerung.
Was es so um und über Theater zu lesen und zu hören gibt, interessiert mich nicht. Gar nicht. Es reicht nicht einmal hin, mich darüber aufzuregen, mich damit auseinander zu setzen, oder Anderes vorzustellen oder zu fordern.
Die Spielzeiteröffnungen und Vorblicke sind von einer solchen Belanglosigkeit und ermüdenden Arroganz, die Berichte darüber von solcher pflichterfüllenden Abarbeitung geprägt, dass ich nicht weiß, was überhaupt am Theater mir eine Vision geben könnte, die mich nicht nur in Aktuelles zöge, sondern mir eine Vorstellung davon gibt, warum ich mich längerfristig damit beschäftigen sollte. Woran liegt das?
Spielzeitvorschauen
In dem wider besseres Wissen und zur Unfreude zukünftiger Umzugshelfer erworbenen Jahrbuch Theater Heute findet sich zweierlei Ernüchterndes wenn nicht Abstoßendes:
Ein paar Leute wurden dazu aufgefordert, sich rund um den Begriff der Wut aufzupumpen. Hübsch ausgedacht. Ohne Erfolg. Es will nicht so recht Wut werden. Man merkt den Beiträgen die an den Haaren herbeigezogene Aufregung an, schlechte Schauschreiberei. Wut? Worüber? Dies oder jenes. Aber für mehr als ein paar Zeilen reicht die Wut nicht. „Sag mal was Wütendes – und dann leg dich wieder hin“.
Traditionell schalten die Häuser hier ihre 1/1 Anzeigen. Traditionell stehen da die Produktionen, die übers Jahr geplant sind. War ja schon immer so. Kann also weiter so gehen. Oder nicht? Reicht es in einer Zeit galoppierenden Relevanzverlusts der Theater noch aus, einfach runterzuschreiben, was gespielt wird und einen Junggrafiker an eine möglichst schräge Gestaltung zu hocken? Die die Unlesbarkeit möglichst auf ganz neue Ebenen hebt? Wofür stehen diese Theater? Warum soll das, was da aufgelistet wird, angesehen oder besucht werden? Sich am Klempnersortimentskatalog für Badarmaturen zu orientieren, die sich erschöpft in der Auflistung der verfügbaren Produkte, setzt voraus, dass » Read the rest of this entry «
Januar 5th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Sehr Lesenswert: O.Garofalos Masterarbeit über „Sich Gesellschaft leisten“ (Download) § permalink
Eine sehr spannende Erfahrung, eine wissenschaftliche Arbeit über sich selbst bzw. über einen eigenen Text zu lesen. Insbesondere eine so schlaue und reflektierte wie die Masterarbeit von Olivier Garofalo „Der regulierte Mensch in Ulf Schmidts Theatertext sich Gesellschaft leisten“. Die Arbeit ist als Masterarbeit am germanistischen Lehrstuhl von Franziska Schüßler an der Uni Trier entstanden. Dort war ja im Rahmen des Festivals Maximierung MenschSich Gesellschaft leisten (teil)uraufgeführt und zum Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion bei der Tagung geworden.
Garofalo konzentriert sich auf die regulierenden Prinzipien in Sich Gesellschaft leisten und nutzt Foucault als Optik für die Betrachtung des Textes. Das funktioniert imho ziemlich gut. Die Arbeit legt die unterschiedlichen Dimensionen der Regulierung und der Verschnürung der Personen in Vertragsgeflechten frei und spürt ihnen präzise nach.
Ich will gar nicht erst versuchen, den Inhalt der Arbeit zusammenzufassen. Olivier Garofalo hat mir erlaubt, seine Arbeit hier zu verlinken und zum Download frei anzubieten. Dafür herzlichen Dank. Und ich kann die Lektüre nachdrücklich empfehlen. Es sind viele Gedanken und Referenzen darin, derer ich mir gar nicht bewusst war bzw. auf die ich erst im Nachhinein reflektieren kann. Hier kann der Text heruntergeladen werden.
Falls ein Theater hier mitliest, das einen cleveren und engagierten Dramaturgen sucht: Garofalo ist jetzt mit dem Studium fertig ….! Ich stelle gerne einen Kontakt her!
Juni 11th, 2010 § Kommentare deaktiviert für Sich Gesellschaft leisten in Trier mit Kritiken § permalink
So, zurück aus Trier. Tolle Tage, tolle Leute getroffen und enorm viel Inspirierendes mitgenommen. Neben Marx’s Geburtshaus auch das Theater, Intendant Weber, Chefdramaturg Petrer Oppermann, die Kollegin Sibylle Dudek, eine muntere Podiumsdiskussion mit u.a. Peter Spuhler, Markus Dietze, Prof. Dr. Franziska Schößler, Barbara Wendland, Tilman Gersch. Und natürlich eine wunderbare Uraufführung mit klasse SchauspielerINNen! Geschafft bin ich auch.
Und nun – was schreibt die Kritik?
Der Trierische Volksfreund fands “bärenstark”. In der rasant und sehr positiv geschriebenen Kritk (hier) heißt es unter anderem: » Read the rest of this entry «
Juni 11th, 2010 § Kommentare deaktiviert für Sich Gesellschaft leisten — Nachtrag § permalink
Leider hat WordPress das Video von hunderttausend.de (hier) zerschossen inklusive aller Links zu den Vorankündigungen. Deswegen (auch um interessierten potentiellen Besuchern einen schönen Vorgucker zubieten), hier nochmal das Video:
Und ich werde in den nächsten Tagen noch eine kleine Nachbetrachtung zur letzten Woche (evtl mit einigen Bildern) bieten.