Gerade eben gab es ein Posting von Thomas Strobl auf weissgarnix (hier (Update 2015: Weissgarnix-Blog inzwischen offline),) in dem er auf einen Artikel von Harald Staun in der FAZ (hier) zum Kachelmann-Prozess bezugnehmend fragt, ob sich (im Kachelmannprozess oder grundsätzlich) die Rechtsprechung als Theater verstehen lässt. Darauf habe ich ihm ausführlich in einem Kommentar geantwortet, den ich hier wiedergeben möchte.
Die metaphorische Anwendung der Struktur “Theater” auf die Struktur “Gerichtsprozess” ist legitim, sofern sie Erkenntnisgewinn bringt und nicht behauptet, das eine sei das andere. Insofern ist die Frage nach der Richtigkeit “Stimmt das?” nicht wirklich relevant. Eher die Frage “Bringts was?”. Denn dass ein Prozess kein Theater “ist”, weiß spätestens, wer den Delinquenten auf dem Richtplatz oder im Gefängnis sieht, den Schauspieler aber in der Kantine.
Trotzdem gibt es durch die Strukturüberlagerung feststellbare Ähnlichkeiten. Nämlich: » Read the rest of this entry «
Recht als Theater? Zu einer Frage von @weissgarnix.
Mai 30th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Recht als Theater? Zu einer Frage von @weissgarnix. § permalink
Martin Oetting über den massenmedialen Paradigmenwechsel der Gegenwart
Mai 26th, 2011 § 4 comments § permalink
Sehr spannender Vortrag von Martin Oetting (Blog) in der Werbeagentur Scholz+Friends über den gegenwärtigen Medienwandel. Der anfangs etwas umständlich wirkende Einstieg über Kuhns Begriff des Paradigmenwechsel macht hochgradig Sinn, wenn er zum Wandel der Kommunikationslandschaft kommt. Insbesondere seine Ausführungen zur teuren Infrastruktur traditioneller Medienhäuser und dem werblichen Finanzierungsbeitrag, der dafür sorgt, dass das Medienhaus die redaktionelle “Filterung” umgehbar macht und Werbung aufnimmt, ist ein inspirierender Gedanke. “Rein in den Rattenkäfig” scheint mir eine hinreichend bedrohliche (und unterhaltsam aufbereitete) Fortsetzung dieser dargelegten Entwicklung. Ansehen lohnt sich!
Kriminalstatstik beweist: Deutsche immer dümmer und fauler
Mai 21st, 2011 § Kommentare deaktiviert für Kriminalstatstik beweist: Deutsche immer dümmer und fauler § permalink
Wohin soll es mit Deutschland weitergehen. Die Kriminalstatistik 2010 belegt, dass es seit Einführung der konsolidierten Kriminalstatistik West/Ost im Jahre 1993 noch niemals so wenige Straftaten gegeben hat, wie 2010. Zudem liegt die Aufklärungsquote mit über 56% so hoch wie noch nie. Einziger Ausreißer: Die Internetkriminalität stiegt geradezu explosionsarig, ja atomexplosionsartig, ja wasserstoffbombenexplosionsartig um 12% an. Was heißt das?
Die Deutschen sind sogar zu faul, um Verbrechen zu begehen. Die Aktivitätsrate » Read the rest of this entry «
Theater und Kritik: Zwei Siechen beim Sterben zusehen?
Mai 20th, 2011 § 2 comments § permalink
In den letzten Postings hatte ich zu zeigen versucht, in welch bedrohlicher Lage sich meines Erachtens die Stadttheater befinden – und zwar nicht aus dem unerklärlichen Sparwahn von Kämmerern, sondern durch eine selbstverschuldete Zeitkrankheit. Als Nachtrag möchte ich nun hinzufügen, wie meiner Meinung nach die Situation von Theater und Theaterkritik dazu führen, gemeinsam in einen nicht reißenden, sondern eher müden und ermüdenden Abwärtsstrudel geraten, der beide an ein absehbares Ende bringt. Vor einigen Wochen schrieb Jürgen Berger auf der Seite des Goethe-Instituts einen Artikel mit dem Titel „Eine Frage der Zeit – Print oder Online und wie das Internet die Theaterkritik verändert“, der folgendermaßen beginnt:
Dass sich Teile der Theaterkritik ins Internet verlagern, ist unaufhaltsam. Alleine der allmähliche Abbau der Theaterkritik vor allem in regionalen Printmedien hat zur Folge, dass eine Leerstelle entsteht. Das spüren vor allem die Theater jenseits der Metropolen, die immer weniger im Feuilleton auftauchen. Es hat aber auch zur Folge, dass immer weniger junge Nachwuchsjournalisten sich schreibend als Theaterkritiker erproben können. Die einzige Ausweichmöglichkeit: Das Internet. (Quelle)
In der Folge verbreitet er sich über Kultiversum und Nachtkritik und fleddert ein wenig an der journalistischen Qualität der Kritiker und ihrer Texte herum. Vieles von dem, was er schreibt, ist nicht falsch. Einiges richtig. Es bleibt allerdings an oberflächlichen Phänomenen und Geschmackskritiken an den geschmäcklerischen Kritiken hängen. Es ist einfach nicht zu erwarten, dass Schreiber, die mit einem Stundensatz von Gebäudereinigungspersonal (Honorar für eine Kritik 60 € laut Esther Slevogt hier) abgespeist werden (und darauf läuft es in etwa hinaus, betrachtet man den gesamten Zeitaufwand für eine Kritik), eine reflexive Qualität abliefern, die hauptberuflichen oder nach Zeitungssätzen bezahlten Freien eignet. Nachtkritiken zu schreiben kann nur Hobby sein oder die Möglichkeit, kostenlos ins Theater zu kommen. Aber das ist geschenkt und sei dahin gestellt.
Von Verschwinden der Zeitungskritik
Interessanter finde ich seine Assertion, dass das schwinden der Kritiken aus Zeitungen eine unumkehrbare Bewegung sei – und sie ist fatal. Aus zweierlei Gründen. Zum einen zeigt sich an dem fehlenden Aufschrei der Leserschaft, dass Theaterkritiken schon längst nicht mehr als wesentlicher Bestandteil der Zeitungslektüre bei Otto und Ottilie Normalleser gelten. Theaterkritik ist kein Kernbestand von Zeitungen – höchstens eine Art Kollateralinformation, die » Read the rest of this entry «
Kriminaliätsstatistik 2010 — oder: Wie Medien Angst und Meinung machen
Mai 20th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Kriminaliätsstatistik 2010 — oder: Wie Medien Angst und Meinung machen § permalink
Mit guten Nachrichten lassen sich weder Printausgaben verkaufen noch Klicks harvesten. Nein — abends zu skandalisieren: “Düstere Aussichten: Sonnenuntergang steht kurz bevor” ist noch immer eine bessere Meldung als “Auch heute wieder: Sonnenaufgang”. Den Beweis tritt heute unser allseits beliebtes “Polit”-Magazin Spiegel mit seiner Online-Stieftocher Spon (hier) an. Die Überschrift zur Kriminalstatistik 2010:
Das klingt nach Kracher-Story. Kriminalität. Rekordwert. Internet. Der flüchtig drüber huschende Leser nimmt mit, dass Deutschland immer krimineller wird. Und dass das Netz ganz besonders schlimm ist. Nun kann selbst Spon nicht vermeiden, hinter eine Headline auch einen Artikel zu schreiben. Und der kommt wiederum nicht umhin, ein bisserl mehr Inhalt zu liefern. Natürlich erst, nachdem der Sonnenuntergang weiter in schwärzesten Farben gemalt wird:
Der Computer wird immer häufiger zum Tatwerkzeug von Kriminellen: Die Computerkriminalität ist im vergangenen Jahr in Deutschland um mehr als zwölf Prozent auf rund 84.400 Fälle gestiegen — die bislang höchste registrierte Zahl. Der starke Anstieg ist vor allem darauf zurückzuführen, das deutlich häufiger als 2009 Daten ausgespäht und abgefangen wurden.
Schlottern wir? Wir schlottern! Dunkelheit. Lange Schatte. Düstere Gestalten. Meine Daten, meine Daten! Oh Herr, der Sonnenuntergang ist nahe! Doch dann, » Read the rest of this entry «
Warum es für die Theater um Leben und Tod geht — Teil 3
Mai 19th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Warum es für die Theater um Leben und Tod geht — Teil 3 § permalink
In den letzten beiden Postings versuchte ich zu zeigen, wie Stadttheater einerseits seine Funktion in der Abendunterhaltung eingebüßt hat, andererseits seine Funktion für die Konstitution einer städtischen Bürgerlichkeit verlor. Im dritten Teil möchte ich nun darauf eingehen, inwiefern Theater auch das Theaterhafte, das Spektakuläre eingebüßt hat.
Der Verlust des Spektakulären
Dem Theater eignete in seinen Hochzeiten das Spektakuläre, das sich noch in Spuren in der Oper der Gegenwart wiederfindet. Zu seinen Hochzeiten war Theater eine multimediale technische Meisterleistung. Nicht nur der Darbietenden, sondern auch der Bühnen- und Beleuchtungstechnik. Rasche Verwandlungen, Drehbühnen, Schiebebühnen, bewegliche Plafonds und Heerscharen von Bühnenarbeitern schufen in Minutenschnelle szenische Zauberkunststücke. Ein gleißend erhellter Zuschauerraum konnte mit Gas- oder Elektrobeleuchtung ins Dunkel gehüllt, die Bühne mit Licht‑, Feuer- » Read the rest of this entry «
Warum es für die Theater um Leben und Tod geht — Fortsetzung
Mai 18th, 2011 § 2 comments § permalink
Im vorherigen Posting habe ich darzulegen versucht, in welcher Weise Theater seinen Stellenwert als nahezu monoploistischer Anbieter von Abendunterhaltung einbüßte. Jetzt will ich versuchen zu zeigen, wie das Theater auch seine Funktion als Konstituent einer städtischen Bürgergesellschaft einbüßte.
Das Ende des Bürgertheaters
Theater war für das entstehende Besitzbürgertum des 19. Jahrhunderts zugleich der Ort, sich repräsentativ auszustellen und den eigenen Wohlstand unter Seinesgleichen zu zeigen. Wie zuvor der Adel sich bei Festivitäten in Gala warf und sich zeigte (ohne dass dabei unbedingt der Besitz zum ausschlaggebenden Repräsentationsfaktor wurde), so zeigt sich nunmehr das Bürgertum, der kleine und mittlere Finanzadel seinesgleichen und repräsentiert den eigenen Wohlstand in vergleichbaren Kreisen. Während sich zuvor lokale Gemeinschaften in Kirchgemeinden, auf Volksfesten, auf Märkten und anderen öffentlichen Versammlungsorten konstituierten, konstituierte sich nunmehr innerhalb der städtischen Gesellschaft eine Groß- und später auch Kleinbürger- und Arbeitergesellschaft im Theater.
Wiederbeschworen als verlorenes Ideal nach der 48er-Revolution, wird das Volksstück zum identifikatorischen Symbol einer entstehenden urbanen » Read the rest of this entry «
Warum es für die Theater um Leben und Tod geht
Mai 17th, 2011 § 1 comment § permalink
Die letzten Jahre haben verschiedene Wirtschaftszweige enorm durchgeschüttelt. Traditionsunternehmen mit veralteten Geschäftsmodellen sind an den Abgrund getaumelt oder abgestürzt. Wir befinden uns in einer Zeit rasanten Wandels. Dies vorweg zu bemerken soll nicht dahin führen, Theater als Wirtschaftsunternehmen zu bestimmen. Es soll lediglich die Umbruchsituation bestimmen, in der es Theater zu betrachten gilt.
Letztens hatte ich – etwas übellaunig – Theatern das Enden des inneren Siechtums durch finanzielle Austrocknung oder institutionelle Schließung an die Wand menetekelt. Längeres und intensiveres Nachdenken führen nun dazu, dieser düsteren Vision zunehmend mehr Eintrittswahrscheinlichkeit zu attestieren. Auch wenn der Routinebetrieb in den bestehenden Häusern dazu verleitet, das eigene Weiterexistieren als bequeme Selbstverständlichkeit anzusehen: es ist dem nicht so. Aus dem Bestand lässt sich der Fortbestand weder folgern noch fordern. Das hat mehrere Gründe, die offensichtlich den Theaterschaffenden nicht wirklich klar geworden sind. Sie werden erst vollends sichtbar, wenn das Bestehende vor der Folie seines Herkommens betrachtet und also in eine „historische“ Erzählung eingeordnet wird – ohne dass damit allerdings Anspruch auf „die“ Geschichte „des“ Theaters erhoben würde.
Tatsächlich ist die deutsche (Stadt-)Theaterlandschaft keine in historischen Dimensionen lang existierende. Jenseits der Le Roi s’amuse Hoftheater in italienischer Tradition entstanden die deutschen Stadttheater seit dem ausgehenden 18. Und besonders im 19. Jahrhundert als Institutionen einer erstarkenden und immer zahlungskräftiger werdenden Bürgerlichkeit, die sich Abendunterhaltung wünschte. Das heißt zweierlei: Theater ist mit einer Form von Bürgerlichkeit und mit dem Interesse an Abendunterhaltung verbunden. Die Theaterdämmerung der Gegenwart nun hat mit beidem zu tun. Und mit einem Dritten.
Das Ende des Unterhaltungstheaters
Als Theater als bürgerliche Abendunterhaltung seinen Siegeszug im 19. Jahrhundert antrat, erfüllt es einen bestimmten Zweck: Das Stadt-Bürgertum, zu Geld gekommen, wollte nach (sonntag)nachmittäglichem Lustwandeln sich auch abendlicher Kurzweil hingeben. Kaufleute, Beamte, Angestellte, Ärzte, Anwälte und Notare, Grundbesitzer, mittlere und große Unternehmer verlangten nach Möglichkeiten, das mehr oder minder hart erarbeitete Einkommen in Vergnügen umzumünzen. Schauspiel, Oper, Operette – nicht ganz frei vom Ruch des Unschicklichen und für unverheiratete Frauen nicht Geeigneten – lockten das Etablissement an wie Motten das Licht. Wenn man was erleben wollte, musste man ins Theatre gehen. Eine nahezu monopolistische Position in Sachen Abendangebot, für das es nun Geld, Zeit und Interesse gab.
Heute ist das Monopol gefallen. Der Kinofilm ist zum allgemein akzeptierten Kunstwerk geworden, ins Kino zu gehen ist eine kulturell akzeptierte Abendtätigkeit, die nicht nur finanziell günstiger zu haben ist, sondern die zudem einer Industriementalität näher kommt, die sich nicht auf die Überraschung des Produktkaufs auf dem Bauernmarkt einlässt, sondern industriell produzierte Massenware wegen ihrer Garantier des identischen Geschmacks kauft. Ein Film kann nicht schief gehen. Ein Film in München ist derselbe wie in Hamburg. Der Film, den der Kritiker vor drei Wochen sah derselbe wie heute. Und John » Read the rest of this entry «