Das Postdrama

Januar 22nd, 2016 § Kommentare deaktiviert für Das Postdrama § permalink

Immer wie­der ver­wun­dern sich Gesprächs­part­ner über den Namen die­ser Sei­te. Fra­gen, ob das denn auf das „post­dra­ma­ti­sche Thea­ter“ anspie­le und das doch selt­sam sei, weil post­dra­ma­ti­sches Thea­ter doch epo­chal nach (also zeit­lich dahin­ter) iso­liert geschrie­be­nen und kom­plett und geschlos­sen auf­ge­führ­ten Dra­men situ­iert sei. Es also doch selt­sam sei, dass jemand, der sol­che iso­liert geschrie­be­nen zusam­men­hän­gen­den Tex­te (man­chen nen­nen die­se Tex­te gar „Dra­men“) pro­du­zie­re, sich an die­se gegen­wär­ti­ge Thea­ter­kon­zep­ti­on anschlie­ße. Da das ja doch gera­de das Gegen­teil sei und sich im Übri­gen post­dra­ma­ti­sche Thea­ter­ma­cher für alles mög­lich inter­es­sie­ren – aber sicher nicht für iso­liert geschrie­be­ne zusam­men­hän­gen­de „geschlos­se­ne“ Tex­te, die ja doch „Wer­ke“ von „Autoren“ und damit eben das Gegen­teil von usw. Und ob ich denn wohl „Wer­ke“ … und „Autor“ … wo ich doch geschrie­ben habe, dass …

Das ist ver­ständ­lich. Der Name die­ser Web­sei­te aber nimmt nicht Bezug auf post­dra­ma­ti­sches Thea­ter son­dern auf das Post­dra­ma. Anfangs war die Über­le­gung, den Begriff „post­thea­tra­les Dra­ma“ ein­zu­set­zen. Das war zu lang. Und blöd. Und so wur­de es das Post­dra­ma. Das ist kür­zer. An die­ser Stel­le mögen wort­witz­ge­neig­te Leser sämt­li­che Spä­ße mit dem „Post“-Begriff durch­ki­chern. Das Post­dra­ma ist der Text, der nach dem Dra­ma kommt, das es zugleich noch ist und nicht mehr ist. „Die alte Form des Dra­mas ermög­licht es nicht, die Welt so dar­zu­stel­len, wie wir sie heu­te sehen.“ (Brecht) Das ist ein Schritt.

Man könn­te ver­lan­gen, das für das Post­dra­ma ein Mani­fest geschrie­ben wer­de. Ich mag kei­ne Mani­fes­te. Des­we­gen hier also » Read the rest of this entry «

Dercon, Renner, Peymann, Castorf – Der Sturm im Berliner Wasserglas

April 9th, 2015 § 2 comments § permalink

DAMIT ETWAS KOMMT MUSS ETWAS GEHEN
DIE ERSTE GESTALT DER HOFFNUNG IST DIE FURCHT
DIE ERSTE ERSCHEINUNG DES NEUEN DER SCHRECKEN
(Hei­ner Mül­ler, ehe­ma­li­ger Lei­ter des BE)

 

Viel ist es nicht, was zur Zeit bekannt ist über die Zukunfts­pla­nung der Ber­li­ner Volks­büh­ne – des­we­gen lässt sich treff­lich spe­ku­lie­ren, dis­ku­tie­ren, pole­mi­sie­ren, agitieren.

Berich­tet wird am 26.03. im Tages­spie­gel, es gäbe das Gerücht, die Ber­li­ner Kul­tur­ver­wal­tung, per­so­ni­fi­ziert durch den Kul­tur­staats­se­kre­tär Tim Ren­ner, pla­ne die Lei­tung der Volks­büh­ne ab 2017 an Chris Der­con zu geben. Der­con sol­le als Kura­tor fun­gie­ren, Erfah­rung sei ihm nicht abzu­spre­chen, aller­dings eher im Rah­men der bil­den­den Kunst in einem sehr wei­ten Sin­ne. Unter Beweis gestellt hat er sie als Lei­ter des Hau­ses der Kunst in Mün­chen und als Lei­ter der Tate Modern in Lon­don. Ob das tat­säch­lich eine kon­kre­te Pla­nung ist, ob es sich um Ideen und Gesprä­che han­delt oder um über­wie­gend sub­stanz­lo­se Spe­ku­la­ti­on ist gegen­wär­tig nicht wirk­lich klar. Hin­dert aber auch nicht an tosen­den Stel­lung­nah­men. Im Gegenteil.

Die Spe­ku­la­ti­ons­bla­se

In der Welt schreit es direkt nach „Ret­tung“ vor dem Kura­tor Der­con. Auf nacht­kri­tik wird die ers­te Mel­dung wenig kom­men­tiert, erst nach­dem Claus Pey­mann am 1. April einen offe­nen Brief (PDF) an den Kul­tur­se­na­tor und Regie­ren­den Bür­ger­meis­ter Micha­el Mül­ler ver­schickt, kommt die Debat­te in Gang (hier): Unter­gang der Volks­büh­ne im Beson­de­ren, der (Ber­li­ner) Kul­tur im All­ge­mei­nen hie – Auf­bruch und Inter­es­se da. Und die neu­es­te Mel­dung über ein Pey­mann-Inter­view auf nacht­kri­tik setzt gera­de an, das argu­men­ta­ti­ve Flo­rett durch die Keu­le zu ersetzen.

Pey­mann beschwert sich, kei­nen Ter­min bei Ren­ner bekom­men zu haben, schmäht Ren­ner als ‚uner­fah­re­nen und über­schät­zen Mann’ und als „größ­te Fehl­be­set­zung des Jahr­zehnts“ – unter ande­rem mit Hin­weis auf sei­ne Initia­ti­ve zum Live-Strea­ming von Thea­ter­auf­füh­run­gen. Ren­ner schlägt zurück und weist dar­auf hin, dass Pey­mann nicht mehr der Jüngs­te sei (hier Bericht der Ber­li­ner Zei­tung) – ein alter Mann, des­sen Thea­ter ihn nicht beson­ders inter­es­sie­re. Was wie­der­um Pey­mann pro­vo­ziert, über Ren­ner her­zu­zie­hen. Auf nacht­kri­tik wird wiedergegeben:

“Jung, frisch, ein bis­serl dumm, immer nett lächelnd und auf Rhyth­mus aus”. Er habe sich ein paar­mal mit ihm getrof­fen, “der weiß vom Thea­ter nix”. (…) Pey­manns Fazit: “Der Ren­ner muss weg. Und der Bür­ger­meis­ter muss die Kul­tur­agen­da abge­ben, er kann es nicht!” Auch sein eige­ner Nach­fol­ger, Oli­ver Ree­se, “unter­schei­de sich äußer­lich nur unwe­sent­lich von Ren­ner”, bei­de ver­kör­pern den­sel­ben Phänotyp.

Har­te Num­mer. Pey­mann mit Cas­torf (der in der ZEIT vor eini­gen Wochen „Visi­ons­lo­sig­keit“ der Ber­li­ner Kul­tur­po­li­tik dia­gnos­ti­zier­te) ver­sus Ren­ner und Mül­ler. Dazwi­schen Der­con und letzt­lich auf Ree­se. Eine Macho-Schlamm­schlacht im Kul­tur-Vati­kan. Kuri­en­kar­di­nal Pey­mann als » Read the rest of this entry «

“Theater der digitalen Gesellschaft” — Vortrag auf dem Branchentreff der freien darstellenden Künste am 24.10.2014

November 18th, 2014 § Kommentare deaktiviert für “Theater der digitalen Gesellschaft” — Vortrag auf dem Branchentreff der freien darstellenden Künste am 24.10.2014 § permalink

Ich habe ver­ges­sen, den Text online zu stel­len. Das gilt es, jetzt nach­zu­ho­len für alle, die nach­le­sen möch­ten. Der ers­te Teil des Tex­tes ist eine kür­ze­re, leicht über­ar­bei­te­te Ver­si­on des Mann­hei­mer und Dort­mun­der Vor­tra­ges. Im letz­ten Teil dann mehr zum Frei­en und Stadttheater.
Hier ist der Vor­trag als PDF.

Theater als Gesellschaftslabor (mit Bruno Latour): die “kostbare kleine Institution”

Juli 29th, 2014 § 1 comment § permalink

Im Vor­trag zum agi­len Thea­ter hat­te ich als vor­läu­fi­ge Arbeits­de­fi­ni­ti­on von Thea­ter ange­ge­ben, es sei “ein Ort der Gesell­schaft in der Gesell­schaft, an dem sich in Gesell­schaft über Gesell­schaft ästhe­tisch reflek­tie­ren lässt.” Zudem gab es den Ver­weis auf Dirk Bae­ckers sehr schö­ne For­mu­lie­rung vom Thea­ter als “Labor der prak­ti­schen Ver­nunft” (in: Wozu Thea­ter?). Bei der Lek­tü­re von Bru­no Latours Eine neue Sozio­lo­gie für eine neue Gesell­schaft ist mir nun eine Pas­sa­ge unter­ge­kom­men, die sich zur Prä­zi­sie­rung die­ser For­mu­lie­run­gen eig­net, wie­wohl das Ori­gi­nal­zi­tat dafür eine klei­nen Ver­dre­hung hin zu Thea­ter bedarf.

Latour beschreibt hier als 5. Unbe­stimmt­heit des ANT-Sozio­lo­gen die Pra­xis des Ver­fer­ti­gens sozio­lo­gi­scher Berich­te und argu­men­tiert — ver­kürzt gesagt — für eine gedul­di­ge, klein­tei­li­ge, ent­fakt­ten­de, nicht vor­schnell ins Erklä­ren abdrif­ten­de Form der nahen, fast  schrift­stel­le­ri­schen Ver­fer­ti­gung von “guten” Tex­ten. Und was er gele­gent­lich von sol­chen ANT-sozio­lo­gi­schen Tex­ten schreibt, lässt sich nahe­zu 1:1 auch auf Thea­ter (oder viel­leicht zunächst Thea­ter­tex­te) über­tra­gen. Er schreibt über den text­lich Berichtenden:

Er bie­tet eine künst­li­che Stät­te an (den text­li­chen Bericht) {oder die Büh­ne; U.S.}, der für ein bestimm­tes Publi­kum etwa die Fra­ge lösen könn­te, zu wel­cher gemein­sa­men Welt man gehört. Ver­sam­melt um das ‘Labo­ra­to­ri­um’ des Tex­tes {Büh­ne; U.S.} fan­gen Autoren wie auch Leser viel­leicht damit an, die bei­den Mecha­nis­men sicht­bar zu machen, die zum einen für die Plu­ra­li­tät der zu berück­sich­ti­gen­den Asso­zia­tio­nen ver­ant­wor­lich sind, zum ande­ren für die Sta­bi­li­sie­rung oder Ver­ein­heit­li­chung der Welt, in der sie leben möch­ten. Einer­seits ist es nur ein Text aus Papier­bö­gen, von einem Tin­ten- oder Laser­strahl geschwärzt. Ande­rer­seits eine kost­ba­re klei­ne Insti­tu­ti­on, um das Sozia­le für alle sei­ne Betei­lig­ten zu reprä­sen­tie­ren, oder genau­er, zu re-prä­sen­tie­ren, das heißt, um es ihnen von neu­em zu prä­sen­tie­ren, ihm eine Per­for­manz, eine Form zu geben. Das ist nicht viel, aber mehr zu ver­lan­gen heißt of, weni­ger zu bekom­men. Vie­le ‘macht­vol­le Erklä­run­gen’ mögen sich als weni­ger über­zeu­gend her­aus­stel­len als schwä­che­re. {S. 241f.; Anmer­kun­gen in geschweif­ten Klam­mern von mir; U.S.}

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“Theater der digitalen Gesellschaft” — Vortrag beim NRW Theatertreffen 2014

Juni 13th, 2014 § 1 comment § permalink

Im Fol­gen­den ist der Vor­trag als PDF zu fin­den und her­un­ter­zu­la­den, den ich bei der Eröff­nungs­ver­an­stal­tung des NRW Thea­ter­tref­fens 2014 in Dort­mund die Ehre und das Ver­gnü­gen hat­te zu hal­ten. Zusätz­lich stel­le ich hier noch ein­mal den län­ge­ren Vor­trag “Auf dem Weg zum agi­len Thea­ter” (gehal­ten auf der Jah­res­ta­gung der Dra­ma­tur­gi­schen Gesell­schaft 2014 in Mann­heim) zur Ver­fü­gung. Außer­dem die von mir aus den Sta­tis­ti­ken des Deut­schen Büh­nen­ver­eins für die Thea­ter in Nord­rhein-West­fa­len zusam­men­ge­stell­ten Zah­len in einer Excel-Datei zum Download.

»Der Dort­mun­der Vor­trag kann hier her­un­ter­ge­la­den wer­den.Die Prä­sen­ta­ti­ons-Bil­der sind eben­falls in die­sem PDF zu finden.

»Die Excel-Datei mit den Büh­nen­ver­eins-Zah­len für Nord­rhein-West­fa­len kann hier her­un­ter­ge­la­den wer­den. Ich hof­fe, die Beschrif­tun­gen sind eini­ger­ma­ßen ver­ständ­lich. Soll­ten in die­ser Datei trotz aller Sorg­falt Über­tra­gungs­feh­ler vor­kom­men, bit­te ich dafür um Ent­schud­li­gung und um Hin­weis, damit ich kor­ri­gie­ren kann.

»Wer den län­ge­ren Vor­trag aus Mann­heim mit den Aus­füh­run­gen über die agi­le Orga­ni­sa­ti­on her­un­ter­la­den möch­te, wird hier fündig.

»Und dies sind die Mann­hei­mer Präsentations-Slides:

 

»Außer­dem ist der Mann­hei­mer Vor­trag auch in einer leicht geän­der­ten Form auf nachtkritik.de zu fin­den: Auf dem Weg zum agi­len Theater.

Die Baumol’sche “Kostenkrankheit” der Theater und der Ökonomismus

Juni 17th, 2013 § 2 comments § permalink

In Istan­bul und Stutt­gart wer­den Park-Natur­oa­sen tap­fer ver­tei­digt – wäh­rend die Abhol­zung von thea­tra­len Kul­tur­oa­sen in Trier, Des­sau und anders­wo ver­gleichs­wei­se still über die Büh­ne gehen. Wäh­rend wir vor dem Fern­se­her hockend täg­lich Bil­der sehen, wie in Istan­bul Park­an­la­gen gegen den Zugriff des Staa­tes ver­tei­digt wer­den und die Zen­tral­macht in die Kri­se gerät, scheint in Deutsch­land die Fäl­lung der deut­schen Thea­ter­land­schaft weit­ge­hend unspek­ta­ku­lär abzu­lau­fen. Wird eine, auch nur als inner­städ­ti­sche Par­kin­sze­nie­rung vor­han­de­ne, Um- oder Lebens­welt ange­grif­fen, sind Bevöl­ke­run­gen – wie schon in Stutt­gart vor eini­gen Jah­ren – bereit auf die Bar­ri­ka­den zu gehen und die Macht dazu zu zwin­gen, sich zur Sicht­bar­keit zu ent­stel­len, Schlag­stö­cke, Trä­nen­gas, Was­ser­wer­fer ein­zu­set­zen. Hin­ge­gen sind Angrif­fe auf die gesell­schaft­li­che Mit­welt und ihre Insti­tu­tio­nen weit­ge­hend wider­stands- und pro­test­frei. Das Leben oder die Lebens­grund­la­ge von Men­schen ein­zu­schrän­ken mag hin­ge­hen – aber wehe, es geht Parks und Bäu­men an die Bor­ke. Wäre gele­akt wor­den, dass die USA ein welt­wei­tes Ent­lau­bungs­pro­jekt unter dem Namen Prism gestar­tet hät­te: Mil­lio­nen wären auf den Stra­ßen. Die Aus­spä­hung der welt­wei­ten Kom­mu­ni­ka­ti­on – zieht nur eine iro­nisch-lar­moy­an­te Melan­cho­lie nach sich. Oder fin­det gar Befür­wor­ter in bedeu­ten­dem Umfang (die sicher­lich anders reagier­ten, wäre bekannt gewor­den, dass deut­sche Finanz­äm­ter sämt­li­che Geld­strö­me und Kon­ten aus­spio­nier­ten … aber das ist ein ande­res Thema.

In Trier, Sach­sen-Anhalt und anders­wo sind die Thea­ter­in­sti­tu­tio­nen in ihrer Exis­tenz bedroht. Dage­gen steht man ein biss­chen auf: Zeich­net Online-Peti­tio­nen (immer­hin ein erkleck­li­cher Teil der Trie­rer Bevöl­ke­rung „unter­schreibt“ gegen die dis­ku­tier­te Ver­stüm­me­lung oder Hin­rich­tung des dor­ti­gen Drei­spar­ten­hau­ses) oder ver­an­stal­tet Pro­test­ak­tio­nen (etwa in Des­sau und Eis­le­ben). Von bedeu­ten­den Pro­tes­ten, wie wei­land noch zur Schlie­ßung des Schil­ler­thea­ters, ist kaum zu reden. Umwelt­ver­tei­di­gung ruft die Men­schen auf die Stra­ße – Mit­welt­ver­tei­di­gung kaum.

Um es vor­weg zu sagen: ich bin mit den kon­kre­ten Ver­hält­nis­sen in Trier und Des­sau eben­so wenig ver­traut, wie mit denen in Istan­bul. Es sind für mich ledig­lich medi­al ver­mit­tel­te Vor­gän­ge. Aber das, was in den Medi­en zu fin­den ist und wie sich Medi­en dazu posi­tio­nie­ren, kann als Anhalts­punkt die­nen, um die fol­gen­de, ins All­ge­mei­ne gehen­de Stel­lung­nah­me zu ermöglichen.

An der Situa­ti­on, dem eher mau­en Wider­stand gegen Thea­ter­schlie­ßun­gen im Ver­gleich zu Park­ab­hol­zun­gen, sind die Thea­ter­leu­te selbst nicht unschul­dig. Dass an Thea­tern Pro­test­for­men genau in dem Augen­blick gefun­den wer­den, da es ans eige­ne Leder geht, wäh­rend alle ande­ren zer­stö­re­ri­schen Akte die schö­nen Spiel­plä­ne nicht wirk­lich aus der Bahn wer­fen, lässt den Ver­dacht eines jäm­mer­li­chen Ego­is­mus auf­kei­men. War­um soll­ten Hartz 4‑Empfänger sich dafür ein­set­zen, dass Thea­ter am Leben gehal­ten wer­den – wo waren die Thea­ter, als den Hartz 4 Emp­fän­gern das Leben beschnit­ten wur­de? Wo waren damals die krea­ti­ven Wider­stands­for­men, mit denen jetzt der eige­ne Fort­be­stand gesi­chert wer­den soll? Wo ist der krea­ti­ve Wider­stand gegen Prism?

Dass die Bäu­me dage­gen sind, abge­holzt zu wer­den, ist kei­ne Über­ra­schung. Die Kunst besteht dar­in, die Men­schen gegen die Abhol­zung der Bäu­me und der Thea­ter auf den Plan zu rufen. Und zwar indem Thea­ter sei­ne eige­ne Funk­ti­on in der Gesell­schaft wie­der­ent­deckt – bevor es ihm selbst an die Bud­gets geht. Ein Thea­ter, das die „Ästhe­tik des Auf­stands“ (Leh­mann) erst ent­deckt, wenn es dar­um geht, die Macher zu ver­tei­di­gen, wird kei­ne Alli­an­zen und Ver­tei­di­ger von außer­halb fin­den, die mehr als ein müdes „Och, nö. Wär scha­de.“ als Pro­test artikulieren.

Aber das ist eigent­lich nicht das The­ma die­ses Pos­tings – und dann am Ende wie­der doch. Von den Bäu­men zu Bau­mol. Damit zu dem The­ma, war­um die Aus­ein­an­der­set­zung mit Öko­no­mie und Öko­no­mis­mus nicht halt machen kann beim Kampf um die eige­nen Thea­ter­etats. Und war­um ein akti­ver und krea­ti­ver Wider­stand gegen die Öko­no­mi­sie­rung der Lebens­ver­hält­nis­se zu spät kommt, wenn es erst um die Ver­tei­di­gung der eige­nen Bud­gets geht.

Das Kos­ten­di­lem­ma der „per­forming arts“.

Als ich am Wochen­en­de die leicht irr­sin­ni­ge Prä­sen­ta­ti­on der Unter­neh­mens­be­ra­tung ICG zur Zukunft des Trie­rer Thea­ters auf Twit­ter geshared habe (hier die Prä­se), bekam ich von @Fritz dan­kens­wer­ter­wei­se den Hin­weis auf eine Publi­ka­ti­on aus dem Jahr 1966: Wil­liam J. Bau­mol & Wil­liam G. Bowen: Per­forming Arts-The Eco­no­mic Dilem­ma: A Stu­dy of Pro­blems Com­mon to Thea­ter, Ope­ra, Music and Dance. Das Buch kos­tet anti­qua­risch lei­der über 8000 Euro – des­we­gen bin ich auf ande­re Quel­len ange­wie­sen. Etwa den von @Fritz geschick­ten Link zu James Heils­bruns Arti­kel Baumol’s Cost Dise­a­se (hier als PDF) und den knap­pen Wiki­pe­dia-Ein­trag zur „Baumol’schen Kos­ten­krank­heit“ hier.

Bau­mols und Bowens Aus­füh­run­gen sind von enor­mer Bri­sanz, da sie zei­gen, dass kon­ti­nu­ier­li­che Kos­ten­stei­ge­run­gen an Thea­tern kein Pro­blem ist, dem man wirk­lich begeg­nen könn­te, son­dern (und ich benut­ze die­sen Begriff für öko­no­mi­sche Zusam­men­hän­ge nur sehr ungern, hal­te ihn hier aber » Read the rest of this entry «

Vom industriell geplanten zum agilen Theater?

Mai 14th, 2013 § 1 comment § permalink

Dass Stadt­thea­ter nach dem Mus­ter der Indus­trie­pro­duk­ti­on des 19. Jahr­hun­derts auch heu­te noch wei­test­ge­hend orga­ni­siert sind, hat­te ich gele­gent­lich etwa hier im Blog und auch mit Bezug auf den Stadt­thea­ter-Text von Mat­thi­as von Hartz auf nacht­kri­tik in mei­nem Bei­trag zur Stadt­thea­ter-Debat­te auf nacht­kri­tik vor­ge­tra­gen. Das ist aber nur so sinn­voll, wie man beginnt, sich mit mög­li­chen ande­ren Struk­tu­ren kon­kret zu befas­sen. Im Gespräch mit Nadi­ne Por­til­lo von der Schwank­hal­le kam ich dann dazu, mir kon­kret vor­zu­neh­men, mich mit moder­ner Orga­ni­sa­ti­ons­theo­rie zu beschäf­ti­gen, dem soge­nann­ten “agi­len” Pro­zess, der auch ger­ne mit dem Stich­wort Scrum in Ver­bin­dung steht.

Sinn der Aus­ein­an­der­set­zung ist natür­lich kein selbst­zweck­haf­ter Inno­va­tis­mus, son­dern die Befra­gung, ob und wie der Ein­fluss sol­cher Orga­ni­sa­ti­ons- und Pro­duk­ti­ons­me­tho­den sich im Stadt­thea­ter frucht­bar machen lie­ße. Als Gedankenspiel.

Mit fol­gen­den bei­den Büchern leg ich mal los und neh­me sie mit in den Urlaub. Mal schauen.

Nach­trag: Sehe gera­de erst, dass Chris­ti­an Hen­ner-Fehr dar­über schon vor zwei Jah­ren Inter­es­san­tes im Kul­tur­ma­nage­ment-Blog geschrie­ben hat: Hier.

Konferenz “Theater und Netz” startet jetzt — mit Livestream #theaterundnetz

Mai 8th, 2013 § Kommentare deaktiviert für Konferenz “Theater und Netz” startet jetzt — mit Livestream #theaterundnetz § permalink

Nach fast einem Drei­vier­tel­jahr der Vor­ar­beit mit  Esther Sle­vogt und Chris­ti­an Rakow von nachtkritik.de, Chris­ti­an Roe­mer und sei­nem Team von der Boell-Stif­tung und Mile­na Mus­hak von der Bun­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung ist es jetzt so weit: Die Kon­fe­renz Thea­ter und Netz star­tet. Und ist im Live-Stream auf nacht­kri­tik.de zu sehen.

Heu­te Abend suchen Claus Pey­mann und Mari­na Weis­band nach Gemein­sam­kei­ten und Berüh­rungs­punk­ten zwi­schen Thea­ter- und Netz­kul­tur. Und mor­gen wer­den in sechs Panels Gesprä­che über Netz­ge­sell­schaft, par­ti­zi­pa­ti­ve und inter­ak­ti­ve Thea­ter­for­men, über Thea­ter im Netz, Kri­tik im Netz und die Kri­ti­ker in der Crowd geführt. Ich freue mich dar­auf, die bei­den letzt­ge­nann­ten Panels zu mode­rie­ren. Zusätz­lich wer­den in Pra­xis-Work­shops (kom­plett aus­ge­bucht) Grund­la­gen-Tech­ni­ken und ‑Wis­sen über Social Media Plat­for­men und das Com­mu­ni­ty-Manage­ment ver­mit­telt. Das gesam­te Pro­gramm, eine Über­sicht über die Panel­teil­neh­mer und Mode­ra­to­ren gibts auf der Kon­fe­renz-Web­sei­te.

Und man soll­te es kaum glau­ben: Auch bei Kon­fe­ren­zen kann man Lam­pen­fie­ber haben.

Die Darstellung der Welt als eine Veränderbare — Brecht revisted

April 22nd, 2013 § 2 comments § permalink

Wenn also Mas­sen­me­di­en die Welt und die Gesell­schaft, in der wir leben, so kon­stru­ie­ren und dar­stel­len, dass unser Wis­sen über die­se Geselslchaft mehr oder min­der aus den Mas­sen­me­di­en stammt (Luh­mann) — was bleibt dann einer dar­stel­len­den Kunst noch zu kon­stru­ie­ren? Sich ein Bild von der Welt zu machen, kann es kaum sein. Denn gegen das mas­sen­me­dia­le Bild von Fern­se­hen und Zei­tun­gen kann es nicht ankom­men, dafür ist Thea­ter zu lang­sam, ihm feh­len die per­so­nel­len und finan­zi­el­len Mit­tel. Und das Publi­kum ist viel zu klein. In die­sem Zusam­men­hang bin ich über einen klei­nen Brecht-Text von 1955 gestol­pert, der sich dem Pro­blem der Dar­stell­bar­keit der Welt wid­met und dazu Stel­lung bezieht. Was Brecht im Ange­sicht der ato­ma­ren Bedro­hung schreibt, lässt sich even­tu­ell auch über die Welt im Ange­sicht der mone­tä­ren Bedro­hung noch ein­mal sagen. Ich zitie­re ihn in gan­zer Län­ge unkom­men­tiert. Die Fet­tun­gen sind aller­dings von mir.

Brecht – Über die Darstellbarkeit der Welt auf dem Theater

Mit Inter­es­se höre ich, daß Fried­rich Dür­ren­matt in einem Gespräch über das Thea­ter die Fra­ge gestellt hat, ob die heu­ti­ge Welt durch Thea­ter über­haupt noch wie­der­ge­ge­ben wer­den kann.

Die­se Fra­ge, scheint mir, muß zuge­las­sen wer­den, sobald sie ein­mal gestellt ist. Die Zeit ist vor­über, wo die Wie­der­ga­be der Welt durch das Thea­ter ledig­lich erleb­bar sein muß­te. Um ein Erleb­nis zu wer­den, muß sie stimmen.

Es gibt vie­le Leu­te, die kon­sta­tie­ren, daß das Erleb­nis im Thea­ter schwä­cher wird, aber es gibt nicht so vie­le, die eine Wie­der­ga­be der heu­ti­gen Welt als zuneh­mend schwie­rig erken­nen. Es war die­se Erkennt­nis, die eini­ge von uns Stü­cke­schrei­bern und Spiel­lei­tern ver­an­laßt hat, auf die Suche nach neu­en Kunst­mit­teln zu gehen.

Ich selbst habe, wie Ihnen als Leu­ten vom Bau bekannt ist, nicht weni­ge Ver­su­che unter­nom­men, die heu­ti­ge Welt, das heu­ti­ge Zusam­men­le­ben der Men­schen, in das Blick­feld des Thea­ters zu bekommen.

Dies schrei­bend, sit­ze ich nur weni­ge hun­dert Meter von einem gro­ßen, mit guten Schau­spie­lern und aller nöti­gen Maschi­ne­rie aus­ge­stat­te­ten Thea­ter, an dem ich mit zahl­rei­chen, meist jun­gen Mit­ar­bei­tern man­ches aus­pro­bie­ren kann, auf den Tischen, um mich Modell­bü­cher mit Tau­sen­den von Fotos unse­rer Auf­füh­run­gen und vie­len mehr, oder min­der genau­en Beschrei­bun­gen der ver­schie­den­ar­tigs­ten Pro­ble­me und ihrer vor­läu­fi­gen Lösun­gen. Ich habe also alle Mög­lich­kei­ten, aber ich kann nicht sagen. daß die Dra­ma­tur­gien, die ich aus bestimm­ten Grün­den nicht­aris­to­te­li­sche nen­ne, und die dazu­ge­hö­ren­de epi­sche Spiel­wei­se die Lösung dar­stel­len. Jedoch ist eines klar­ge­wor­den: Die heu­ti­ge Welt ist den heu­ti­gen Men­schen nur beschreib­bar, wenn sie als eine » Read the rest of this entry «

Zwischenbemerkung zur Geschäftsordnung: An orthodoxe Leser (und insbesondere Luhmannisten)

Februar 1st, 2013 § 3 comments § permalink

In die­sem Blog hier wird – neben eini­gen ande­ren – gele­gent­lich Niklas Luh­mann erwähnt oder zitiert. Das hat bei eini­gen Lesern offen­bar die Fol­ge, mich für einen der ihren zu hal­ten, einen aller­dings der Nach­hil­fe bedürf­ti­gen. Die­ser Kom­men­ta­tor hier etwa. Um es für die Zukunft klar zu sagen: Ich bin kein Luh­man­nia­ner, Luh­man­nist, Luh­man­no­lo­ge, Luma­ni­ker oder Luh­man­ne­ti­ker und will kei­nen Lehr­stuhl in einer die­ser Dis­zi­pli­nen. Ich bin auch kein Sys­tem­theo­re­ti­ker, ins­be­son­de­re kein fun­da­men­ta­lis­ti­scher, ortho­do­xer oder sonst­wie gläu­bi­ger Sys­tem­theo­re­ti­ker oder ‑ter­ro­rist. Das ist weder mei­ne Moti­va­ti­on noch die Moti­va­ti­on die­ses Blogs – und lässt sich in sel­ber Wei­se auf die meis­ten ande­ren hier erwähn­ten oder zitier­ten Schrei­ber und Buch­ma­cher anwen­den. Mich inter­es­siert nicht die Boh­ne, was Luh­mann „mein­te“, „woll­te“ oder „an ande­rer Stel­le schrieb“. Gar nicht. Jeden­falls selten.

Ich lese Luh­mann als einen Künst­ler, nicht als Wis­sen­schaft­ler. Als einen groß­ar­ti­gen, bär­bei­ßi­gen, manch­mal ärger­lich kon­ser­va­ti­ven, oft wit­zi­gen, sehr oft inspi­rie­ren­den Apho­ris­ti­ker wenn nicht gar Mora­lis­ten vom Schla­ge eines Pas­cal, Mon­tai­gne oder Vau­ven­ar­gues – der aller­dings den Feh­ler mach­te, rund um sei­ne Apho­ris­men eine Art Sys­tem zu bau­en, das viel­leicht den gro­ßen Vor­teil hat, ihn auf die­se Gedan­ken und Apho­ris­men geführt zu haben, das aber als Ord­nungs­sys­tem sei­ner Leh­re und als Ord­nungs­sys­tem sei­ner Bücher oder über­haupt einer » Read the rest of this entry «

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