Abbau der Sozialbürokratie – der blinde Fleck der Diskussion ums bedingungslose Grundeinkommen?

Januar 28th, 2016 § Kommentare deaktiviert für Abbau der Sozialbürokratie – der blinde Fleck der Diskussion ums bedingungslose Grundeinkommen? § permalink

Das Kon­zept des Bedin­gungs­lo­sen Grund­ein­kom­mens scheint an der Zeit zu sein und ver­spricht, in nähe­rer Zukunft nicht nur zuneh­mend öffent­lich dis­ku­tiert zu wer­den, son­dern auch stei­gen­de Wahr­schein­lich­keit auf Rea­li­sie­rung zu bekom­men: es heißt gele­gent­lich, die kürz­lich bekannt gewor­de­ne geplan­te Initia­ti­ve der Fin­ni­schen Regie­rung sei ein Schritt zum Grund­ein­kom­men. In der Schweiz wird dem­nächst ein Volks­ent­scheid mit dem (angeb­li­chen) Ziel eines Grund­ein­kom­mens abge­hal­ten wer­den. In Deutsch­land gibt es nicht nur wach­sen­de Initia­ti­ven und Bewe­gun­gen, die auch in den vor­han­de­nen poli­ti­schen Insti­tu­tio­nen Gehör und Befür­wor­ter fin­den. Son­dern es mel­den sich auch ein­fluss­rei­che Wirt­schafts­ver­tre­ter zu Wort, (Tele­kom, Davos), die dem Kon­zept etwas abge­win­nen kön­nen. Es soll hier außer acht blei­ben, dass „Bedin­gungs­lo­ses Grund­ein­kom­men“ ein gan­zen Bün­del von Kon­zep­ten (hier ein recht fun­dier­ter Über­blick über eini­ge Kon­zep­te von Ronald Blasch­ke aus dem Jahr 2008) umfasst, die in ihrem Umfang, ihren Aus­wir­kun­gen und Zie­len extrem unter­schied­lich sind: zwi­schen neo­li­be­ra­lem Sozi­al­kahl­schlag und eman­zi­pa­to­ri­scher Sozi­al­uto­pie. Ins­ge­samt und auf­grund der kon­zep­tio­nel­len Viel­falt bleibt das BGE des­we­gen umstrit­ten. Ein Ele­ment, das aber gera­de­zu bedin­gungs­los von allen Model­len posi­tiv ange­führt wür­de, ist der damit (angeb­lich) mög­li­che (weit­ge­hen­de) Abbau der soge­nann­ten Sozi­al­bü­ro­kra­tie. Also jener Ver­wal­tung, die heu­te für die Bewil­li­gung und Beschei­dung der Anträ­ge zustän­dig ist. Die­ser Bestand­teil der Uto­pie soll hier in den Blick genom­men wer­den – weil die aus­blei­ben­de Dis­kus­si­on, ob das wün­schens­wert ist, ein blin­der Fleck ist, der weit weni­ger selbst­ver­ständ­lich auf Zustim­mung hof­fen kann, befasst man sich damit.

(Capt­a­tio Bene­vo­len­tiae: Nicht alle Begrif­fe im fol­gen­den Text sind scharf defi­niert, noch wer­den sie in einem stren­gen Sin­ne oder in Anleh­nung an bestimm­ten wis­sen­schaft­li­chen Sprach­ge­brauch ver­wen­det. Das ist ein Man­ko. Aber ein hof­fent­lich akzeptables.)

Die­se Sozi­al­bü­ro­kra­tie ist zwei­fel­los nicht nur ein Ärger­nis für die Hil­fe­be­dürf­ti­gen. Sie ist durch die Maß­nah­men der letz­ten Jah­re zuneh­mend zu einer Kon­troll- und Über­wa­chungs­in­sti­tu­ti­on umge­baut wor­den, die die Antrag­stel­ler und Leis­tungs­be­rech­tig­ten nicht unter­stützt, son­dern eher kujo­niert bis an der Rand der Ent­wür­di­gung durch absur­de „Mit­wir­kungs­pflich­ten“. Das mag nicht jeder glau­ben, ins­be­son­de­re » Read the rest of this entry «

Das Postdrama

Januar 22nd, 2016 § Kommentare deaktiviert für Das Postdrama § permalink

Immer wie­der ver­wun­dern sich Gesprächs­part­ner über den Namen die­ser Sei­te. Fra­gen, ob das denn auf das „post­dra­ma­ti­sche Thea­ter“ anspie­le und das doch selt­sam sei, weil post­dra­ma­ti­sches Thea­ter doch epo­chal nach (also zeit­lich dahin­ter) iso­liert geschrie­be­nen und kom­plett und geschlos­sen auf­ge­führ­ten Dra­men situ­iert sei. Es also doch selt­sam sei, dass jemand, der sol­che iso­liert geschrie­be­nen zusam­men­hän­gen­den Tex­te (man­chen nen­nen die­se Tex­te gar „Dra­men“) pro­du­zie­re, sich an die­se gegen­wär­ti­ge Thea­ter­kon­zep­ti­on anschlie­ße. Da das ja doch gera­de das Gegen­teil sei und sich im Übri­gen post­dra­ma­ti­sche Thea­ter­ma­cher für alles mög­lich inter­es­sie­ren – aber sicher nicht für iso­liert geschrie­be­ne zusam­men­hän­gen­de „geschlos­se­ne“ Tex­te, die ja doch „Wer­ke“ von „Autoren“ und damit eben das Gegen­teil von usw. Und ob ich denn wohl „Wer­ke“ … und „Autor“ … wo ich doch geschrie­ben habe, dass …

Das ist ver­ständ­lich. Der Name die­ser Web­sei­te aber nimmt nicht Bezug auf post­dra­ma­ti­sches Thea­ter son­dern auf das Post­dra­ma. Anfangs war die Über­le­gung, den Begriff „post­thea­tra­les Dra­ma“ ein­zu­set­zen. Das war zu lang. Und blöd. Und so wur­de es das Post­dra­ma. Das ist kür­zer. An die­ser Stel­le mögen wort­witz­ge­neig­te Leser sämt­li­che Spä­ße mit dem „Post“-Begriff durch­ki­chern. Das Post­dra­ma ist der Text, der nach dem Dra­ma kommt, das es zugleich noch ist und nicht mehr ist. „Die alte Form des Dra­mas ermög­licht es nicht, die Welt so dar­zu­stel­len, wie wir sie heu­te sehen.“ (Brecht) Das ist ein Schritt.

Man könn­te ver­lan­gen, das für das Post­dra­ma ein Mani­fest geschrie­ben wer­de. Ich mag kei­ne Mani­fes­te. Des­we­gen hier also » Read the rest of this entry «

Was die Urherberrechtsdebatte vom Fall Guttenberg lernen kann

Januar 21st, 2012 § 5 comments § permalink

Dies als Nach­trag zu mei­nem Rant zum Urhe­ber­recht: Über­ra­chen­der­wei­se ist es gera­de der Fall Gut­ten­berg, der die Debat­te um das Urhe­ber- und Ver­wer­tungs­recht vor­an brin­gen kann. Aus zwei Gründen:

  1. Lässt sich dar­an ermes­sen dass „die Netz­ge­mein­de“ nicht aus einer wild gewor­de­nen Hor­de von Ideen­die­ben besteht. Viel­mehr zeig­te sich eine erheb­lich grö­ße­re Sen­si­bi­li­tät für den miss­bräuch­li­chen Umgang mit geis­ti­gem Eigen­tum, als etwa an deut­schen Hoch­schu­len oder bei der blei­er­nen Kanz­le­rin. Schließ­lich tat sich „die Netz­ge­mein­de“ zusam­men, um Gut­ten­berg das nicht-ver­link­te (sprich: mit Quel­len­an­ga­be in Fuß­no­te ver­se­he­ne) Sam­pling frem­der Inhal­te nach­zu­wei­sen. Die Off­line-Gemein­de wird es viel­leicht über­ra­schen: Aber der Ideen­klau ist im Netz nicht akzeptiert.
  2. Ist es zunächst über­ra­schend, dass Gut­ten­berg von der Ver­wer­tungs­in­dus­trie, d.h. den Inha­bern der Ver­wer­tungs­rech­te der von ihm gesam­pel­ten Wer­ke, nicht abge­mahnt, auf Scha­dens­er­satz oder Ver­nich­tung sei­nes Sam­plers (vul­go: Dis­ser­ta­ti­on) ver­klagt und ver­ur­teilt wur­de, wie es die Ver­wer­tungs­in­dus­trie bei jedem ande­ren geis­ti­gen Werk – ins­be­son­de­re bei musi­ka­li­schen und fil­mi­schen » Read the rest of this entry «

Warum das aktuelle Urheberrecht den Urhebern nichts nützt — und wer sie wirklich ausplündert (wenn nicht die Netznutzer) {Updated}

Januar 21st, 2012 § 13 comments § permalink

Ein vor­ges­tern auf dem D64-Blog erschie­ne­ner Arti­kel zum Urhe­ber­recht ver­dient es, nicht nur ver­linkt, son­dern (in durch­aus pole­mi­scher Absicht) ergänzt und fort­ge­führt zu wer­den. Die Autoren for­cie­ren die auch hier im Blog bereits hin­läng­lich aus­ge­führ­te Unter­schei­dung zwi­schen Urhe­bern und Ver­wer­tungs­in­dus­trie, um die Debat­te über das Urhe­ber­recht in die kor­rek­ten Kate­go­rien ein­zu­ord­nen. Dass die Ver­tei­di­ger des gegen­wär­ti­gen soge­nann­ten Urhe­ber­rechts still­schwei­gend vor­aus­set­zen, dass mit dem Urhe­ber- auch das Ver­wer­tungs­recht erhal­ten blei­ben muss, die Ver­tei­di­gung der Künst­ler und „Krea­ti­ven“ auf ihre Fah­ne schrei­ben, wäh­rend sie eigent­lich die wirt­schaft­li­che Pfrün­de ihrer eigen Unter­neh­men zu sichern suchen, ist der eigent­li­che Skan­dal der Dis­kus­si­on, der es so schwie­rig macht, auf einen gemein­sa­men Nen­ner zu kom­men. Er ver­an­lasst nicht weni­ge soge­nann­te Krea­ti­ve oder Künst­ler, sich auf Sei­ten derer zu schla­gen, die von ihrem Schweiß und ihren Ideen leben – der Ver­wer­tungs­in­dus­trie. Denn die Krea­ti­ven glau­ben, die­se Indus­trie ernäh­re sie. In Wahr­heit ist es anders her­um: Die Ver­wer­tungs­in­dus­trie ist die Zecke im Nacken der Kreativen.

Hört man die öffent­lich eher jam­mer­vol­len, in kon­kre­ter Aus­ein­an­der­set­zung durch­aus bra­chia­len Vor­trä­ge der Ver­wer­tungs­in­dus­trie, könn­te es schei­nen, als wür­den die Bau­ern die Erhö­hung der Milch­prei­se for­dern, um den Kühen ein bes­se­res Leben zu besche­ren. Oder die Kürsch­ner, um ihren Pelz­spen­dern das Leben zu ermög­li­chen – wo sie doch davon leben, eben die­sen Tier­chen das Fell über die Ohren zu zie­hen. Dar­in den Kunst­ver­wer­tern nicht unähn­lich. Es mag » Read the rest of this entry «

In eigener Sache: Ende des Doppellebens

April 10th, 2011 § Kommentare deaktiviert für In eigener Sache: Ende des Doppellebens § permalink

Nach acht­jäh­ri­ger Tätig­keit in einer Digi­ta­l­agen­tur ist jetzt Schluss mit dem Dop­pel­le­ben als fest ange­stell­ter Wer­ber und blog­gen­der Schrei­ber. Ab Juli wer­de ich frei sein, heißt: selb­stän­dig und frei­schaf­fend als

  1. Post­dra­ma­ti­ker
  2. Blog­ger auf postdramatiker.de
  3. Kommunikationsberater/Kreativer für Social Media bei Unter­neh­men und Agen­tu­ren (mei­net­we­gen auch Theater)

Damit wird die­ses Blog dem­nächst auch per­so­na­li­sier­ter, mit Anga­ben über den Ver­fas­ser. Und viel­leicht sogar unter mei­nem Namen goo­g­le­bar. Die Dop­pel­exis­tenz lässt sich weder kon­sti­tu­tio­nell noch geis­tig auf­recht erhal­ten. Ob das funk­tio­niert und sich finan­ziert? Kei­ne Ahnung. Den Ver­such ists wert. Und ich hof­fe, dass dann die­ses Blog auch wie­der leben­di­ger wird.

Neues aus dem Maschinenraum: Großformatdrucker für neuen Text da!

Januar 4th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Neues aus dem Maschinenraum: Großformatdrucker für neuen Text da! § permalink

Nach­dem das Aus­dru­cken von Sich Gesell­schaft leis­ten schon ein grö­ße­res Pro­blem war und auf A3 auch nur zu mit­tel­mä­ßi­ger Les­bar­keit führ­te — brauchts für den Mari­en­tha­ler Dachs eine ver­nünf­ti­ge Lösung. Einen A1 Dru­cker aus dem Hau­se Hew­lett-Packard. Desi­gn­jet 488CA. Gebraucht gekauft. Mich traf ein mit­tel­schwe­rer Bllitz, als der Lie­fe­rant mit einer 1.80 lan­gen Kis­te in Form eines Kin­der­sargs dastand, die ich mit ihm zusam­men kaum die Trep­pe rauf­be­kom­men hab:

Jetzt aber ist die Maschi­ne aus­ge­packt, auf­ge­baut, ver­staut. Und wenn ich mor­gen schaf­fe, ein Parallel/USB Kabel zu besor­gen und es schaf­fe, den Trei­ber unter VISTA zu instal­lie­ren — kann end­lich die Über­nah­me der Zet­tel­wän­de in die Datei begin­nen mit nach­fol­gen­dem Wie­der­aus­druck zur Neuverzettelung.

Ver­zet­teln ist eh das beste.

Die Wahl als symbolisch notwendiger Akt

Dezember 24th, 2010 § Kommentare deaktiviert für Die Wahl als symbolisch notwendiger Akt § permalink

Als Inbe­griff der Demo­ka­tie wird ver­stan­den, die Wahl zu haben. Das tota­li­tä­re Sys­tem hin­ge­gen zeigt sich als ein Sys­tem ohne Wahl – leicht ver­scho­ben gesagt: Im tota­li­tä­ren Sys­tem heißt, eine Wahl durch­zu­füh­ren, sich also das Recht auf Wahl zu grei­fen, das Sys­tem als Gan­zes abzu­wäh­len, das die Tren­nung zwi­schen Staat und „Par­tei“ (selbst wenn es sol­che Par­tei­en nicht oder fak­tisch nicht geben mag) nicht voll­zo­gen hat. Im Tota­li­ta­ris­mus gibt es kei­ne wähl­ba­re Alter­na­ti­ve, als den tota­li­tä­ren Staat abzuwählen.

Hin­ge­gen offe­riert die Demo­kra­tie immer die Wahl. Es wäre vor­schnell zu unter­stel­len, es han­de­le sich um eine ech­te Wahl zwi­schen ver­schie­de­nen Modi der Gestal­tung von Staat, Gesell­schaft, Zukunft, Finan­zen und Geset­zen. Zunächst ist es ein­fach die Wahl zwi­schen x1 ‚x2, …xn. Dar­in aber liegt vor allem die Wahl zwi­schen „so wie jetzt“ und „irgend­wie anders“.

In einem Arti­kel in Das poli­ti­sche Den­ken schreibt Oli­ver Mar­chart über Clau­de Leforts Theo­rie des Politischen:

Das mag tri­vi­al klin­gen, aber die demo­kra­ti­sche Letzt­be­deu­tung des all­ge­mei­nen Wahl­rechts besteht für Lefort nicht dar­in, Reprä­sen­tan­ten des Volks zu ent­sen­den; die wäre gleich­sam nur die eine Sei­te der Insti­tu­ie­rung all­ge­mei­ner und frei­er Wah­len. Sei­ne wirk­li­che Bedeu­tung » Read the rest of this entry «

Von Produkt und Eigentum zu Service und Miete in der Postindustrie

Oktober 28th, 2010 § 2 comments § permalink

Der Arti­kel, da sehr lang, hier als PDF.

Inspi­riert von Tho­mas Stro­bls von mir mit Spaß und Inter­es­se gele­se­nen Schul­den-Buch, möch­te ich mei­nen Gedan­ken, dass even­tu­ell die tra­di­tio­nel­le (nicht nur die klas­si­sche) öko­no­mi­sche Leh­re auf den Müll­hau­fen der Geschich­te gehö­ren könn­te, wei­ter den­ken. Im Inners­ten von Stro­bls Aus­füh­run­gen sitzt nicht nur – wie zuletzt bemerkt – der Gedan­ke der Pro­duk­ti­ons­in­dus­trie, son­dern auch der Gedan­ke des Eigen­tums an Sachen. Der Indus­tri­el­le erwirbt Maschi­nen, Anla­gen, Gebäu­de als illi­qui­des Kapi­tal, um damit höhe­re Gewin­ne zu erwirt­schaf­ten. Die­se Gewinn­aus­sicht recht­fer­tig den Ein­satz liqui­der Geld­mit­tel auch unter Eibe­zie­hung von Schul­den. Liegt der erwar­te­te Gewinn bzw. das Umsatz­plus höher als die Zins­sum­me, ist die Ver­schul­dung gerecht­fer­tigt. Es sei, so Strobl, eine Anlei­he aus der Zukunft, mit der heu­te schon Umsatz­ge­win­ne erwirt­schaf­tet wer­den kön­nen. Und nur durch sol­che Anlei­hen kann Wachs­tum entstehen.

Vom Inge­nieur-Entre­pre­neur zum Manager

Bereits im letz­ten Pos­ting hat­te ich dem ent­ge­gen gesetzt, dass die inves­tie­ren­de Pro­duk­ti­ons­wirt­schaft zuneh­mend abge­löst wird durch eine  mie­ten­de oder lea­sen­de Ser­vice­wirt­schaft – ver­kör­pert in den Tätig­kei­ten der Nut­te und des Mana­gers in dem Film Pret­ty Woman. Das Pro­dukt des Mana­gers ist nicht das Pro­dukt, das die Fir­ma ver­treibt, die er lei­tet. Sei Ziel sind nicht bes­se­re Pro­duk­te. Das Pro­dukt des Mana­gers ist die Bilanz. Er wird an die­ser Vor­ga­be, an die­sen Zie­len und ihrer Errei­chung gemes­sen. Es sei die etwas plat­te typo­lo­gi­sche Abs­trak­ti­on erlaubt: Der Unter­neh­mer alter Pro­ve­ni­enz ist eher der Inge­nieur, der Edi­son, Benz, Krupp oder Fer­di­nand Por­sche. Sei­ne Geschäfts­idee ist ein bestimm­tes Pro­dukt, für des­sen Ver­bes­se­rung er sich stark macht. Der Mana­ger hin­ge­gen kon­zen­triert sich dar­auf, was die bes­te Bilanz bringt. Wenn er dafür das Pro­dukt ver­bes­sern muss – tut ers. Wenn er das Pro­dukt ver­schlech­tern muss – tut er auch das. Sein Leit­stern ist ein ande­rer als der des Inge­nieurs. Strobl for­mu­liert ähnlich:

Die Iden­ti­fi­ka­ti­on der Mana­ger mit ihren Unter­neh­men änder­te sich: Sie haf­te­ten jetzt nicht mehr als ‚ehr­ba­re Kauf­leu­te‘ mit eige­nem Namen und Ver­mö­gen, son­dern ver­dien­ten ihr Geld schlicht als ‚lei­ten­de Ange­stellt‘.  […] Das Ren­di­te­den­ken trat in den Vor­der­grund, ein­zel­ne Unter­neh­men und gan­ze Gesell­schaf­ten wur­den ihm unter­wor­fen. Ein­mal mehr erwies sich der Kapi­ta­lis­mus als äußerst inno­va­ti­ons­fä­hig: Schum­pe­ters legen­dä­re Entre­pre­neurs zogen den Blau­mann aus und ver­lie­ßen ihre Fabrik­hal­len, um in Nadel­strei­fen die holz­ge­tä­fel­ten Büros des Geld­adels zu erobern. (63f)

Zu Marx‘ Zei­ten war der Kapi­ta­list der­je­nig, der die Pro­duk­ti­ons­mit­tel besaß. Maschi­nen, Anla­gen, Struk­tu­ren, Roh­stof­fe usw. Heu­te ist der Kapi­ta­list der Bank­ma­na­ger. Er besitzt gar nichts. Er ist beauf­tragt, ihm zur Ver­fü­gung gestell­te Kapi­tal­wer­te so ein­zu­set­zen, dass am Ende die Bilanz bes­ser wird als im Vorjahr.

Das­sel­be gilt natür­lich für Mana­ger­vor­stän­de in pro­du­zie­ren­den oder dienst­leis­ten­den Unter­neh­men. Hier lau­tet der Auf­trag, den „Besit­zern“ (Aktio­nä­ren) per Bilanz höhe­re Akti­en­kur­se und Divi­den­den zu pro­du­zie­ren. Er besitzt die Pro­duk­ti­ons­mit­tel nicht. Er ver­wal­tet d.h. managt das Kapi­tal. Er ist gemie­tet wie das Haus, in dem die Bank sitzt.

Das Sys­tem der Mietarbeiter

Der Mana­ger war – Boltanski/Chiapello beschrei­ben die­sen Über­gang, der sich bereits seit den Nach­kriegs­jah­ren mit wach­sen­der Geschwin­dig­keit voll­zieht – aller­dings nur der ers­te Schritt. Die Ent­wick­lung vom Mit­ar­bei­ter zum Mie­t­ar­bei­ter ist die kon­se­quen­te Wei­ter­ent­wick­lung. War dem Inge­nieur die Stamm­be­leg­schaft ein wich­ti­ger Besitz (auch wenn er sie ver­mut­lich immer häu­fi­ger als lohn­gie­ri­gen Moloch erleb­te), betrach­tet der Mana­ger die Beleg­schaft als lau­fen­den Kos­ten­fak­tor. Im Rah­men der Bilanz ist die Lohn­quo­te ein­fach ein Pos­ten unter vie­len ande­ren. Und wie eine Groß­in­ves­ti­ti­on die Bilanz eines Jah­res hübsch ver­ha­geln kann (weil sie ja schul­den­fi­nan­ziert ein Loch in die liqui­den Mit­tel reißt) und ent­spre­chend die Mie­te oder Lea­sing für ihn sinn­vol­ler ist, dass hier lau­fen­de Lea­sing­kos­ten gegen lau­fen­de (Mehr)Einnahmen gerech­net wer­den kön­nen, ist auch die Stamm­be­leg­schaft als zumeist unfle­xi­bler Kos­ten­block eine Belas­tung, die durch soge­nann­te Fle­xi­bi­li­sie­rung, d.h. den Über­gang von der Stamm­be­leg­schaft zur Leih­ar­beit (jen­seits der unab­ding­ba­ren Kern­be­leg­schaft), in eine Kos­ten-Ertrags-Rech­nung über­führt wer­den kann. Die gesam­te Fle­xi­bi­li­sie­rungs- und Leih­ar­beits­de­bat­te, die der tat­säch­li­chen Leih­ar­bei­ter­quo­te vor­aus läuft, deu­tet klar in die­se Rich­tung- Egal ob es sich um den pro­du­zie­ren­den Sek­tor oder die Dienst­leis­tungs­bran­che han­delt: Der Mie­t­ar­bei­ter liegt im Trend. Und die eben­falls von Boltanski/Chiapello luzi­de beschrie­be Wand­lung hin zur pro­jekt­ba­sier­ten Netz­wer­k­öko­no­mie wird die­sen Trend in gewal­ti­ger Geschwin­dig­keit realisieren.

Im Miet­ver­hält­nis tritt eine drit­te Kom­po­nen­te des Besit­zes in den Vor­der­grund: das voll­gül­ti­ge, aber befris­te­te Nut­zungs­recht. In einer ver­netz­ten Welt muss man die­ser und nur die­ser Kom­po­nen­te sei­ne gan­ze Auf­merk­sam­keit wid­men. Anstatt sich als Eigen­tü­mer von sei­nem Eigen­tum » Read the rest of this entry «

Nutten und Manager: Dienstleistungsökonomie jenseits von Schuld+Ware

Oktober 23rd, 2010 § 1 comment § permalink

Könn­te es sein, dass der Über­gang von der Indus­trie- zur Dienst­leis­tungs- und wei­ter zur Wis­sens­ge­sell­schaft die gesam­te Tra­di­ti­on der Öko­no­mie auf den Müll­hau­fen der Geis­tes­ge­schich­te kata­pul­tiert? Der Gedan­ke kam mir bei der Lek­tü­re der ers­ten Sei­ten des Buchs (Update 2015: Bog inzwi­schen off­line; Link zur Way­back­Ma­chi­ne))von Tho­mas Strobl. Nicht etwa, weil das Buch nicht über­zeu­gend argu­men­tie­ren wür­de, dass Schul­den kein Makel sind. Son­dern weil das Buch über­haupt die Schul­den­the­ma­tik (über­zeu­gend) mit der Wachs­tums­the­ma­tik intim ver­knüpft. Das Argu­ment, dass Schul­den im Sin­ne einer Anlei­he auf die Zukunft nicht nur höhe­ren Wohl­stand in der Gegen­wart son­dern auch Wachs­tum (um die Schul­den plus Pro­fit abzu­tra­gen) erzeugt, ist zutiefst indus­tri­ell gedacht. Es setzt vor­aus, dass die Ver­schul­dung in eine Inves­ti­ti­on mün­det, also gewis­se Anschaf­fun­gen, die nicht erst getä­tigt wer­den, wenn sie erwirt­schaf­tet wur­den, son­dern erwirt­schaf­tet wer­den, nach­dem sie ange­schafft sind. Und dabei einen höhe­ren Ertrag und Pro­fit abwer­fen, als Til­gung und Zins betra­gen. Das macht für eine auf Maschi­nen, Anla­gen, Werks­ge­bäu­de, Pro­duk­ti­ons­nie­der­las­sun­gen usw. hoch­gra­dig Sinn. Für alle Wirt­schafts­zwei­ge, deren Pro­duk­ti­on im Wesent­li­chen mit Inves­ti­ti­ons­gü­tern bewerk­stel­ligt wird. Strobl schreibt:

Wer Gewinn machen will, der muss zunächst inves­tie­ren. Ware und Pro­duk­ti­ons­an­la­gen müs­sen ange­schafft, Arbeits­löh­ne müs­sen vor­fi­nan­ziert wer­den. Das Unter­neh­men bedarf außer­dem eines Stand­orts, der gekauft oder gemie­tet wer­den muss – denn geschenkt wird einem in der Wirt­schaft bekannt­lich nichts. Für all das ist Kapi­tal erfor­der­lich. Und das muss von irgend­wo­her kom­men: In Form eige­ner Mit­tel, die man sich als Eigen­ka­pi­tal qua­si sel­ber vor­streckt oder von Gleich­ge­sinn­ten besorgt. Oder durch Auf­nah­me von Schul­den. (129f)

So pro­duk­ti­ons­ori­en­tiert, so waren­ori­en­tiert – so weit so rich­tig. Der lau­fen­de Rekurs in der vor­he­ri­gen Kapi­teln auf den Tausch von Eiern gegen Kar­tof­feln oder unter­schied­li­cher Fuß­ball­bild­chen bleibt in der­sel­ben Bilderwelt.

Öko­no­mie ohne Schulden

Aber wie sieht das in einer Dienst­leis­tungs­ge­sell­schaft aus? Wie sieht das also in einer Öko­no­mie aus, die im Wesent­li­chen nur den Mit­ar­bei­ter als Kos­ten­fak­tor zum Ein­satz bringt? Ver­gli­chen zur Indus­trie­ge­sell­schaft sind die „Inves­ti­tio­nen“ in der Dienst­leis­tungs­ge­sell­schaft rela­tiv gering. Sie kön­nen zudem durch Mie­te » Read the rest of this entry «

Von der Würde zum Tauschwert (Marx bei Strobl)

Oktober 22nd, 2010 § Kommentare deaktiviert für Von der Würde zum Tauschwert (Marx bei Strobl) § permalink

Grad ange­fan­gen, Tho­mas Stro­bls Buch “Ohne Schul­den läuft nichts” zu lesen. Star­tet ful­mi­nant lau­nig und gut les­bar. Und ver­an­lasst mich, unmit­tel­bar ein Marx-Zitat bei ihm abzu­schrei­ben, das ide­al als Mot­to vor Sich Gesell­schaft leis­ten hät­te ste­hen können:

Die Bour­geoi­sie, wo sie zur Herr­schaft gekom­men, hat alle feu­da­len, patri­ar­cha­li­schen, idyl­li­schen Ver­hält­nis­se zer­stört. Sie hat die bunt­sche­cki­gen Feu­dal­ban­de, die den Men­schen an sei­nen natür­li­chen Vor­ge­setz­ten knüpf­ten, unbarm­her­zig zer­ris­sen und kein ande­res Band zwi­schen Mensch und Mensch übrig gelas­sen als das nack­te Inter­es­se, als die gefühl­lo­se ‘bare’ Zah­lung. Sie hat den hei­li­gen Schau­er der from­men Schwär­me­rei, der rit­ter­li­chen Begeis­te­rung, der spieß­bür­ger­li­chen Weh­mut in dem eis­kal­ten Was­ser ego­is­ti­scher Berech­nung ertränkt. Sie hat die per­sön­li­che Wür­de in den Tausch­wert auf­ge­löst und an die Stel­le der zahl­lo­sen ver­brief­ten und wohl erwor­be­nen Frei­hei­ten die eine gewis­sen­lo­se Han­dels­frei­heit gesetzt. (Marx/Engels, Kom­mu­nis­ti­sches Mani­fest 44; bei Strobl 24f.)

Über­rascht bin ich aller­dings von der weh­mü­ti­gen Remi­nis­zenz auf den Feu­da­lis­mus. Mal schaun, was Strobl sonst noch so bereithält.

Where Am I?

You are currently browsing the Arbeit category at Postdramatiker.