Januar 28th, 2016 § Kommentare deaktiviert für Abbau der Sozialbürokratie – der blinde Fleck der Diskussion ums bedingungslose Grundeinkommen? § permalink
Das Konzept des Bedingungslosen Grundeinkommens scheint an der Zeit zu sein und verspricht, in näherer Zukunft nicht nur zunehmend öffentlich diskutiert zu werden, sondern auch steigende Wahrscheinlichkeit auf Realisierung zu bekommen: es heißt gelegentlich, die kürzlich bekannt gewordene geplante Initiative der Finnischen Regierung sei ein Schritt zum Grundeinkommen. In der Schweiz wird demnächst ein Volksentscheid mit dem (angeblichen) Ziel eines Grundeinkommens abgehalten werden. In Deutschland gibt es nicht nur wachsende Initiativen und Bewegungen, die auch in den vorhandenen politischen Institutionen Gehör und Befürworter finden. Sondern es melden sich auch einflussreiche Wirtschaftsvertreter zu Wort, (Telekom, Davos), die dem Konzept etwas abgewinnen können. Es soll hier außer acht bleiben, dass „Bedingungsloses Grundeinkommen“ ein ganzen Bündel von Konzepten (hier ein recht fundierter Überblick über einige Konzepte von Ronald Blaschke aus dem Jahr 2008) umfasst, die in ihrem Umfang, ihren Auswirkungen und Zielen extrem unterschiedlich sind: zwischen neoliberalem Sozialkahlschlag und emanzipatorischer Sozialutopie. Insgesamt und aufgrund der konzeptionellen Vielfalt bleibt das BGE deswegen umstritten. Ein Element, das aber geradezu bedingungslos von allen Modellen positiv angeführt würde, ist der damit (angeblich) mögliche (weitgehende) Abbau der sogenannten Sozialbürokratie. Also jener Verwaltung, die heute für die Bewilligung und Bescheidung der Anträge zuständig ist. Dieser Bestandteil der Utopie soll hier in den Blick genommen werden – weil die ausbleibende Diskussion, ob das wünschenswert ist, ein blinder Fleck ist, der weit weniger selbstverständlich auf Zustimmung hoffen kann, befasst man sich damit.
(Captatio Benevolentiae: Nicht alle Begriffe im folgenden Text sind scharf definiert, noch werden sie in einem strengen Sinne oder in Anlehnung an bestimmten wissenschaftlichen Sprachgebrauch verwendet. Das ist ein Manko. Aber ein hoffentlich akzeptables.)
Diese Sozialbürokratie ist zweifellos nicht nur ein Ärgernis für die Hilfebedürftigen. Sie ist durch die Maßnahmen der letzten Jahre zunehmend zu einer Kontroll- und Überwachungsinstitution umgebaut worden, die die Antragsteller und Leistungsberechtigten nicht unterstützt, sondern eher kujoniert bis an der Rand der Entwürdigung durch absurde „Mitwirkungspflichten“. Das mag nicht jeder glauben, insbesondere » Read the rest of this entry «
Januar 22nd, 2016 § Kommentare deaktiviert für Das Postdrama § permalink
Immer wieder verwundern sich Gesprächspartner über den Namen dieser Seite. Fragen, ob das denn auf das „postdramatische Theater“ anspiele und das doch seltsam sei, weil postdramatisches Theater doch epochal nach (also zeitlich dahinter) isoliert geschriebenen und komplett und geschlossen aufgeführten Dramen situiert sei. Es also doch seltsam sei, dass jemand, der solche isoliert geschriebenen zusammenhängenden Texte (manchen nennen diese Texte gar „Dramen“) produziere, sich an diese gegenwärtige Theaterkonzeption anschließe. Da das ja doch gerade das Gegenteil sei und sich im Übrigen postdramatische Theatermacher für alles möglich interessieren – aber sicher nicht für isoliert geschriebene zusammenhängende „geschlossene“ Texte, die ja doch „Werke“ von „Autoren“ und damit eben das Gegenteil von usw. Und ob ich denn wohl „Werke“ … und „Autor“ … wo ich doch geschrieben habe, dass …
Das ist verständlich. Der Name dieser Webseite aber nimmt nicht Bezug auf postdramatisches Theater sondern auf das Postdrama. Anfangs war die Überlegung, den Begriff „posttheatrales Drama“ einzusetzen. Das war zu lang. Und blöd. Und so wurde es das Postdrama. Das ist kürzer. An dieser Stelle mögen wortwitzgeneigte Leser sämtliche Späße mit dem „Post“-Begriff durchkichern. Das Postdrama ist der Text, der nach dem Drama kommt, das es zugleich noch ist und nicht mehr ist. „Die alte Form des Dramas ermöglicht es nicht, die Welt so darzustellen, wie wir sie heute sehen.“ (Brecht) Das ist ein Schritt.
Man könnte verlangen, das für das Postdrama ein Manifest geschrieben werde. Ich mag keine Manifeste. Deswegen hier also » Read the rest of this entry «
Januar 21st, 2012 § § permalink
Dies als Nachtrag zu meinem Rant zum Urheberrecht: Überrachenderweise ist es gerade der Fall Guttenberg, der die Debatte um das Urheber- und Verwertungsrecht voran bringen kann. Aus zwei Gründen:
- Lässt sich daran ermessen dass „die Netzgemeinde“ nicht aus einer wild gewordenen Horde von Ideendieben besteht. Vielmehr zeigte sich eine erheblich größere Sensibilität für den missbräuchlichen Umgang mit geistigem Eigentum, als etwa an deutschen Hochschulen oder bei der bleiernen Kanzlerin. Schließlich tat sich „die Netzgemeinde“ zusammen, um Guttenberg das nicht-verlinkte (sprich: mit Quellenangabe in Fußnote versehene) Sampling fremder Inhalte nachzuweisen. Die Offline-Gemeinde wird es vielleicht überraschen: Aber der Ideenklau ist im Netz nicht akzeptiert.
- Ist es zunächst überraschend, dass Guttenberg von der Verwertungsindustrie, d.h. den Inhabern der Verwertungsrechte der von ihm gesampelten Werke, nicht abgemahnt, auf Schadensersatz oder Vernichtung seines Samplers (vulgo: Dissertation) verklagt und verurteilt wurde, wie es die Verwertungsindustrie bei jedem anderen geistigen Werk – insbesondere bei musikalischen und filmischen » Read the rest of this entry «
Januar 21st, 2012 § § permalink
Ein vorgestern auf dem D64-Blog erschienener Artikel zum Urheberrecht verdient es, nicht nur verlinkt, sondern (in durchaus polemischer Absicht) ergänzt und fortgeführt zu werden. Die Autoren forcieren die auch hier im Blog bereits hinlänglich ausgeführte Unterscheidung zwischen Urhebern und Verwertungsindustrie, um die Debatte über das Urheberrecht in die korrekten Kategorien einzuordnen. Dass die Verteidiger des gegenwärtigen sogenannten Urheberrechts stillschweigend voraussetzen, dass mit dem Urheber- auch das Verwertungsrecht erhalten bleiben muss, die Verteidigung der Künstler und „Kreativen“ auf ihre Fahne schreiben, während sie eigentlich die wirtschaftliche Pfründe ihrer eigen Unternehmen zu sichern suchen, ist der eigentliche Skandal der Diskussion, der es so schwierig macht, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Er veranlasst nicht wenige sogenannte Kreative oder Künstler, sich auf Seiten derer zu schlagen, die von ihrem Schweiß und ihren Ideen leben – der Verwertungsindustrie. Denn die Kreativen glauben, diese Industrie ernähre sie. In Wahrheit ist es anders herum: Die Verwertungsindustrie ist die Zecke im Nacken der Kreativen.
Hört man die öffentlich eher jammervollen, in konkreter Auseinandersetzung durchaus brachialen Vorträge der Verwertungsindustrie, könnte es scheinen, als würden die Bauern die Erhöhung der Milchpreise fordern, um den Kühen ein besseres Leben zu bescheren. Oder die Kürschner, um ihren Pelzspendern das Leben zu ermöglichen – wo sie doch davon leben, eben diesen Tierchen das Fell über die Ohren zu ziehen. Darin den Kunstverwertern nicht unähnlich. Es mag » Read the rest of this entry «
April 10th, 2011 § Kommentare deaktiviert für In eigener Sache: Ende des Doppellebens § permalink
Nach achtjähriger Tätigkeit in einer Digitalagentur ist jetzt Schluss mit dem Doppelleben als fest angestellter Werber und bloggender Schreiber. Ab Juli werde ich frei sein, heißt: selbständig und freischaffend als
- Postdramatiker
- Blogger auf postdramatiker.de
- Kommunikationsberater/Kreativer für Social Media bei Unternehmen und Agenturen (meinetwegen auch Theater)
Damit wird dieses Blog demnächst auch personalisierter, mit Angaben über den Verfasser. Und vielleicht sogar unter meinem Namen googlebar. Die Doppelexistenz lässt sich weder konstitutionell noch geistig aufrecht erhalten. Ob das funktioniert und sich finanziert? Keine Ahnung. Den Versuch ists wert. Und ich hoffe, dass dann dieses Blog auch wieder lebendiger wird.
Januar 4th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Neues aus dem Maschinenraum: Großformatdrucker für neuen Text da! § permalink
Nachdem das Ausdrucken von Sich Gesellschaft leisten schon ein größeres Problem war und auf A3 auch nur zu mittelmäßiger Lesbarkeit führte — brauchts für den Marienthaler Dachs eine vernünftige Lösung. Einen A1 Drucker aus dem Hause Hewlett-Packard. Designjet 488CA. Gebraucht gekauft. Mich traf ein mittelschwerer Bllitz, als der Lieferant mit einer 1.80 langen Kiste in Form eines Kindersargs dastand, die ich mit ihm zusammen kaum die Treppe raufbekommen hab:
Jetzt aber ist die Maschine ausgepackt, aufgebaut, verstaut. Und wenn ich morgen schaffe, ein Parallel/USB Kabel zu besorgen und es schaffe, den Treiber unter VISTA zu installieren — kann endlich die Übernahme der Zettelwände in die Datei beginnen mit nachfolgendem Wiederausdruck zur Neuverzettelung.
Verzetteln ist eh das beste.
Dezember 24th, 2010 § Kommentare deaktiviert für Die Wahl als symbolisch notwendiger Akt § permalink
Als Inbegriff der Demokatie wird verstanden, die Wahl zu haben. Das totalitäre System hingegen zeigt sich als ein System ohne Wahl – leicht verschoben gesagt: Im totalitären System heißt, eine Wahl durchzuführen, sich also das Recht auf Wahl zu greifen, das System als Ganzes abzuwählen, das die Trennung zwischen Staat und „Partei“ (selbst wenn es solche Parteien nicht oder faktisch nicht geben mag) nicht vollzogen hat. Im Totalitarismus gibt es keine wählbare Alternative, als den totalitären Staat abzuwählen.
Hingegen offeriert die Demokratie immer die Wahl. Es wäre vorschnell zu unterstellen, es handele sich um eine echte Wahl zwischen verschiedenen Modi der Gestaltung von Staat, Gesellschaft, Zukunft, Finanzen und Gesetzen. Zunächst ist es einfach die Wahl zwischen x1 ‚x2, …xn. Darin aber liegt vor allem die Wahl zwischen „so wie jetzt“ und „irgendwie anders“.
In einem Artikel in Das politische Denken schreibt Oliver Marchart über Claude Leforts Theorie des Politischen:
Das mag trivial klingen, aber die demokratische Letztbedeutung des allgemeinen Wahlrechts besteht für Lefort nicht darin, Repräsentanten des Volks zu entsenden; die wäre gleichsam nur die eine Seite der Instituierung allgemeiner und freier Wahlen. Seine wirkliche Bedeutung » Read the rest of this entry «
Oktober 28th, 2010 § § permalink
Der Artikel, da sehr lang, hier als PDF.
Inspiriert von Thomas Strobls von mir mit Spaß und Interesse gelesenen Schulden-Buch, möchte ich meinen Gedanken, dass eventuell die traditionelle (nicht nur die klassische) ökonomische Lehre auf den Müllhaufen der Geschichte gehören könnte, weiter denken. Im Innersten von Strobls Ausführungen sitzt nicht nur – wie zuletzt bemerkt – der Gedanke der Produktionsindustrie, sondern auch der Gedanke des Eigentums an Sachen. Der Industrielle erwirbt Maschinen, Anlagen, Gebäude als illiquides Kapital, um damit höhere Gewinne zu erwirtschaften. Diese Gewinnaussicht rechtfertig den Einsatz liquider Geldmittel auch unter Eibeziehung von Schulden. Liegt der erwartete Gewinn bzw. das Umsatzplus höher als die Zinssumme, ist die Verschuldung gerechtfertigt. Es sei, so Strobl, eine Anleihe aus der Zukunft, mit der heute schon Umsatzgewinne erwirtschaftet werden können. Und nur durch solche Anleihen kann Wachstum entstehen.
Vom Ingenieur-Entrepreneur zum Manager
Bereits im letzten Posting hatte ich dem entgegen gesetzt, dass die investierende Produktionswirtschaft zunehmend abgelöst wird durch eine mietende oder leasende Servicewirtschaft – verkörpert in den Tätigkeiten der Nutte und des Managers in dem Film Pretty Woman. Das Produkt des Managers ist nicht das Produkt, das die Firma vertreibt, die er leitet. Sei Ziel sind nicht bessere Produkte. Das Produkt des Managers ist die Bilanz. Er wird an dieser Vorgabe, an diesen Zielen und ihrer Erreichung gemessen. Es sei die etwas platte typologische Abstraktion erlaubt: Der Unternehmer alter Provenienz ist eher der Ingenieur, der Edison, Benz, Krupp oder Ferdinand Porsche. Seine Geschäftsidee ist ein bestimmtes Produkt, für dessen Verbesserung er sich stark macht. Der Manager hingegen konzentriert sich darauf, was die beste Bilanz bringt. Wenn er dafür das Produkt verbessern muss – tut ers. Wenn er das Produkt verschlechtern muss – tut er auch das. Sein Leitstern ist ein anderer als der des Ingenieurs. Strobl formuliert ähnlich:
Die Identifikation der Manager mit ihren Unternehmen änderte sich: Sie hafteten jetzt nicht mehr als ‚ehrbare Kaufleute‘ mit eigenem Namen und Vermögen, sondern verdienten ihr Geld schlicht als ‚leitende Angestellt‘. […] Das Renditedenken trat in den Vordergrund, einzelne Unternehmen und ganze Gesellschaften wurden ihm unterworfen. Einmal mehr erwies sich der Kapitalismus als äußerst innovationsfähig: Schumpeters legendäre Entrepreneurs zogen den Blaumann aus und verließen ihre Fabrikhallen, um in Nadelstreifen die holzgetäfelten Büros des Geldadels zu erobern. (63f)
Zu Marx‘ Zeiten war der Kapitalist derjenig, der die Produktionsmittel besaß. Maschinen, Anlagen, Strukturen, Rohstoffe usw. Heute ist der Kapitalist der Bankmanager. Er besitzt gar nichts. Er ist beauftragt, ihm zur Verfügung gestellte Kapitalwerte so einzusetzen, dass am Ende die Bilanz besser wird als im Vorjahr.
Dasselbe gilt natürlich für Managervorstände in produzierenden oder dienstleistenden Unternehmen. Hier lautet der Auftrag, den „Besitzern“ (Aktionären) per Bilanz höhere Aktienkurse und Dividenden zu produzieren. Er besitzt die Produktionsmittel nicht. Er verwaltet d.h. managt das Kapital. Er ist gemietet wie das Haus, in dem die Bank sitzt.
Das System der Mietarbeiter
Der Manager war – Boltanski/Chiapello beschreiben diesen Übergang, der sich bereits seit den Nachkriegsjahren mit wachsender Geschwindigkeit vollzieht – allerdings nur der erste Schritt. Die Entwicklung vom Mitarbeiter zum Mietarbeiter ist die konsequente Weiterentwicklung. War dem Ingenieur die Stammbelegschaft ein wichtiger Besitz (auch wenn er sie vermutlich immer häufiger als lohngierigen Moloch erlebte), betrachtet der Manager die Belegschaft als laufenden Kostenfaktor. Im Rahmen der Bilanz ist die Lohnquote einfach ein Posten unter vielen anderen. Und wie eine Großinvestition die Bilanz eines Jahres hübsch verhageln kann (weil sie ja schuldenfinanziert ein Loch in die liquiden Mittel reißt) und entsprechend die Miete oder Leasing für ihn sinnvoller ist, dass hier laufende Leasingkosten gegen laufende (Mehr)Einnahmen gerechnet werden können, ist auch die Stammbelegschaft als zumeist unflexibler Kostenblock eine Belastung, die durch sogenannte Flexibilisierung, d.h. den Übergang von der Stammbelegschaft zur Leiharbeit (jenseits der unabdingbaren Kernbelegschaft), in eine Kosten-Ertrags-Rechnung überführt werden kann. Die gesamte Flexibilisierungs- und Leiharbeitsdebatte, die der tatsächlichen Leiharbeiterquote voraus läuft, deutet klar in diese Richtung- Egal ob es sich um den produzierenden Sektor oder die Dienstleistungsbranche handelt: Der Mietarbeiter liegt im Trend. Und die ebenfalls von Boltanski/Chiapello luzide beschriebe Wandlung hin zur projektbasierten Netzwerkökonomie wird diesen Trend in gewaltiger Geschwindigkeit realisieren.
Im Mietverhältnis tritt eine dritte Komponente des Besitzes in den Vordergrund: das vollgültige, aber befristete Nutzungsrecht. In einer vernetzten Welt muss man dieser und nur dieser Komponente seine ganze Aufmerksamkeit widmen. Anstatt sich als Eigentümer von seinem Eigentum » Read the rest of this entry «
Oktober 23rd, 2010 § § permalink
Könnte es sein, dass der Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungs- und weiter zur Wissensgesellschaft die gesamte Tradition der Ökonomie auf den Müllhaufen der Geistesgeschichte katapultiert? Der Gedanke kam mir bei der Lektüre der ersten Seiten des Buchs (Update 2015: Bog inzwischen offline; Link zur WaybackMachine))von Thomas Strobl. Nicht etwa, weil das Buch nicht überzeugend argumentieren würde, dass Schulden kein Makel sind. Sondern weil das Buch überhaupt die Schuldenthematik (überzeugend) mit der Wachstumsthematik intim verknüpft. Das Argument, dass Schulden im Sinne einer Anleihe auf die Zukunft nicht nur höheren Wohlstand in der Gegenwart sondern auch Wachstum (um die Schulden plus Profit abzutragen) erzeugt, ist zutiefst industriell gedacht. Es setzt voraus, dass die Verschuldung in eine Investition mündet, also gewisse Anschaffungen, die nicht erst getätigt werden, wenn sie erwirtschaftet wurden, sondern erwirtschaftet werden, nachdem sie angeschafft sind. Und dabei einen höheren Ertrag und Profit abwerfen, als Tilgung und Zins betragen. Das macht für eine auf Maschinen, Anlagen, Werksgebäude, Produktionsniederlassungen usw. hochgradig Sinn. Für alle Wirtschaftszweige, deren Produktion im Wesentlichen mit Investitionsgütern bewerkstelligt wird. Strobl schreibt:
Wer Gewinn machen will, der muss zunächst investieren. Ware und Produktionsanlagen müssen angeschafft, Arbeitslöhne müssen vorfinanziert werden. Das Unternehmen bedarf außerdem eines Standorts, der gekauft oder gemietet werden muss – denn geschenkt wird einem in der Wirtschaft bekanntlich nichts. Für all das ist Kapital erforderlich. Und das muss von irgendwoher kommen: In Form eigener Mittel, die man sich als Eigenkapital quasi selber vorstreckt oder von Gleichgesinnten besorgt. Oder durch Aufnahme von Schulden. (129f)
So produktionsorientiert, so warenorientiert – so weit so richtig. Der laufende Rekurs in der vorherigen Kapiteln auf den Tausch von Eiern gegen Kartoffeln oder unterschiedlicher Fußballbildchen bleibt in derselben Bilderwelt.
Ökonomie ohne Schulden
Aber wie sieht das in einer Dienstleistungsgesellschaft aus? Wie sieht das also in einer Ökonomie aus, die im Wesentlichen nur den Mitarbeiter als Kostenfaktor zum Einsatz bringt? Verglichen zur Industriegesellschaft sind die „Investitionen“ in der Dienstleistungsgesellschaft relativ gering. Sie können zudem durch Miete » Read the rest of this entry «
Oktober 22nd, 2010 § Kommentare deaktiviert für Von der Würde zum Tauschwert (Marx bei Strobl) § permalink
Grad angefangen, Thomas Strobls Buch “Ohne Schulden läuft nichts” zu lesen. Startet fulminant launig und gut lesbar. Und veranlasst mich, unmittelbar ein Marx-Zitat bei ihm abzuschreiben, das ideal als Motto vor Sich Gesellschaft leisten hätte stehen können:
Die Bourgeoisie, wo sie zur Herrschaft gekommen, hat alle feudalen, patriarchalischen, idyllischen Verhältnisse zerstört. Sie hat die buntscheckigen Feudalbande, die den Menschen an seinen natürlichen Vorgesetzten knüpften, unbarmherzig zerrissen und kein anderes Band zwischen Mensch und Mensch übrig gelassen als das nackte Interesse, als die gefühllose ‘bare’ Zahlung. Sie hat den heiligen Schauer der frommen Schwärmerei, der ritterlichen Begeisterung, der spießbürgerlichen Wehmut in dem eiskalten Wasser egoistischer Berechnung ertränkt. Sie hat die persönliche Würde in den Tauschwert aufgelöst und an die Stelle der zahllosen verbrieften und wohl erworbenen Freiheiten die eine gewissenlose Handelsfreiheit gesetzt. (Marx/Engels, Kommunistisches Manifest 44; bei Strobl 24f.)
Überrascht bin ich allerdings von der wehmütigen Reminiszenz auf den Feudalismus. Mal schaun, was Strobl sonst noch so bereithält.