September 29th, 2010 § Kommentare deaktiviert für Die Wiedergeburt des Theaters aus dem Geist der Dramaturgie. Eine Art Programm. § permalink
Es gab Zeiten, da neben den Erzählern, neben Kirchenmalern und Predigern oder auch neben Romanciers die Theaterautoren die Aufgabe hatten Geschichte(n) zu erzählen. Sie machten den Menschen ein bewegtes Bild vom Verhältnis zwischen Menschen, Menschen und Göttern in der Antike, zwischen Menschen, Menschen und Gott, zwischen Regierten, Regierten und Regierenden, zwischen Armen, Armen und Reichen, zwischen Männern und Frauen, Bürgern und Adligen, Arbeitern und Arbeitgebern, Linken und Rechten. Tatsächlich ist dabei das Medium selbst die Hauptbotschaft gewesen. Nicht nur das Medium der Guckkastenbühne allein, des Theatrons, der Volksbühne. Sondern vor allem die Dramaturgie. Die Geschichte als „Sinngebung des Sinnlosen“, wie es im Titel eines hübschen Buches von Theodor Lessing heißt. Die perpetuierte Dramaturgie, die das Gesamtgeflecht in herrschende Konflikte sortierte, in eine Abfolge aristotelischer Provenienz klemmte, Wendungen mit motivierten oder erklärten Veränderungen (aus dem Charakter der Handelnden, aus den eingreifenden Göttern, aus der revolutionären Willensbildung) hinterlegten. Der Mensch, der aus einer unübersichtlichen antiken, mittelalterlichen, barocken, aufklärerischen, modernen Welt ins Theater ging, kam heraus und wusste: es gibt einen sinnnhaften, verstehbaren Zusammenhang. Er war aufgefordert, in seiner Welt diesen Zusammenhang herzustellen. Der kategorische Imperativ an den Theaterzuschauer lautete: Wurschtele nicht einfach rum um glaube nicht, die anderen wurschtelten nur. Vielmehr mach Geschichte, habe Motive, habe Ziele. Verstehe das Drama, in dem du dich befindest. Wurschtele nicht – handele! Und lerne bei uns im, Theater, was „handeln“ ist.
Das ent-eignete Theater
Diese Zeiten sind vorbei. Längst haben Fernsehen und politische Presse diese Erzählformen ursurpiert (hier im Blog wurde gelegentlich schon auf den Hang zum Shakespeare’schen in den aktuellen Medienlandschaft hingewiesen). Längst entkommt niemand mehr der Dauerbeschallung mit Dramaturgie. Auf dieses Vorverständnis sich stützend können Staaten und Regierzungen dramaturgisch eingreifen und genau die regulatorischen Eingriffe punktgenau ansetzen, die ihren Steuerungsabsichten entspricht. Weil die Dramaturgie längst in allen Köpfen und Lebensverhältnissen angelangt ist. Theater befindet sich in etwa in der Situation der Malerei im Angesicht der Fotografie. Überflüssig. Ortlos.
Der undramat(urg)ische Überdruss malt nach Zahlen
Daraus haben sich zwei Grundtendenzen ergeben: Aus einem kaum artikulierten Grundgefühl des Überdrusses, dem Büchnerschen Leonce sehr vergleichbar, haben Theater und Regien sich damit abgefunden, einfach das Alte zu perpetuieren. Warum neue Geschichten spielen, wenn sie doch sich im Wesentlichen nicht von den Alten nicht unterscheiden? Und das Wesentliche ist eben die Dramaturgie. Man nehme also die Vorzeichnung von Rembrandts Nachwache und zeige Kreativität in der Ausgestaltung. Der eine stellt die Nachtwachächter nackt dar. Der eine als geschlagene Truppe. Der nächste als Gruppe Transsexueller, von Frauen, von Arabern, Afrikanern, Eskimos. Oder von allen zusammen. Der nächste als Gruppe von Roter Armee und Wehrmacht. Wozu » Read the rest of this entry «
September 27th, 2010 § Kommentare deaktiviert für Das Netz als Ende der Lebensgeschichte (erster Entwurf von Unterwegs). § permalink
War bisher die biographie eher einer strasse vergleichbar, die im wesentlichen auch daaus bestand, wege nicht einzuschlagen, freunde un bekannte andere wege ziehen zu lassen, menschen aus den augen zu verlieren, kurz: eine geschichte zu haben aus realisierten und nicht realisierten optionen, aus erinnerung und vergessen — so verwandelt das netz die ehemalige lebensgescichte in ein werk, in dem jeder kontakt eine neue veraestelung hinzufuegt, jede option bestehen bleiben kann, jeder seitenweg noch gegangen werden koennte. Aus dem linearen weg wir ein synchrones, sich immer mehr verzweigendes netz. Der begriff der lebensgeschichte ist damit an ihr ende gelangt.
P.S. Hab das mobile geschrieben, wird in Kuerze ordentlich fehlerbereinigt und ausgefuehrt.
September 24th, 2010 § Kommentare deaktiviert für Schulmeister-Test für das ABC-Konzept § permalink
Keine noch so versponnen daherkommende Utopie sollte sich einem Realitätscheck entziehen. Da gerade Stephan Schulmeisters neuestes Buch Mitten in der Krise. Ein ‚New Deal’ für Europa auf meinem Tisch liegt, nehme ich ihn als Haltepunkt – zumal ich von seinen Ausführungen sowieso ziemlich begeistert bin.
Schulmeister behauptet, Fortschritt werde vor allem durch die Kombination technologischer und sozialer „Basisinnovationen“ voran getrieben. Das fordistische Fließband als technologische, der Keynesianismus als dazu gehörige soziale Basisinnovation beispielsweise. So hastig hingeworfen und deswegen angreifbar diese Behauptung daher kommt – so grundsätzlich richtig ist sie doch. Mus doch jede große technische Innovation gesellschaftlich aufgenommen und abgefedert werden. Ob sich diese „sozialen Basisinnovationen“ aber immer so einfach definieren und identifizieren lassen, wie die neuen Technologien, age ich zu bestreiten. Zumeist sind die sozialen Veränderungen feingliedriger und kleinteiliger.
Dennoch – das hier vorgestellte ABC würde schon beanspruchen, eine soziale Basisinnovation zu sein und den von Schulmeister angemahnten New Deal in die Realität bringen zu können. Also sollte das Konzept sich an den Aufgaben messen lassen, die Schulmeister an diese Basisinnovation stellt.
Anforderung Schulmeister
Die wichtigste soziale Innovation, durch die der technische Fortschritt ausgeschöpft und gleichzeitig die Beschäftigungslage und (damit) die Lebensqualitätverbessert werden kann, besteht in der Entwicklung neuer, flexibler Arbeitszeitmodelle. Diese würden einerseits die Lebensarbeitszeit senken und sie andererseits gleichmäßiger verteilen, und zwar sowohl zwischen Personen als auch zwischen unterschiedlichen Lebensabschnitten. Ziel dieser Arbeitszeitmodelle ist es, technischen Fortschritt und sozialen Zusammenhalt langfristig zu sichern. (109)
Lösung ABC-Konzept
Die Grundsicherung durch die A‑Verträge schafft gesellschaftliche Sicherheit und Subsistenzgarantie. Die Flexibilität der darauf aufbauenden B‑Verträge lässt sowohl für unterschiedliche Lebensphasen wie auch für unterschiedliche Unternehmensauslastungen hinreichende Flexibilität. Es gibt keine Rasenmäher-Arbeitszeitverkürzung, sondern an individuelle Wünsche, Situationen und Anforderungen angepasste.
Anforderung Schulmeister
Der zweite Typ von innovativem Arbeitszeitmodell zielt darauf ab, die Auswirkungen von Produktionseinbrüchen auf die Beschäftigungslage zu verringern, also die konjunkturelle Instabilität und den sozialen Zusammenhalt kurzfristig zu integrieren. Dabei geht es darum, die positiven Erfahrungen, die in » Read the rest of this entry «
September 23rd, 2010 § § permalink
Mir scheint, dass das in den letzten Tagen vorgestellte ABC-Konzept die Kraft hat, unterschiedlichen beteiligten Interessen jeweils positive Entwicklungen zu ermöglichen, die andere Ansätze in dieser Form nicht bieten können. Das sieht für mich dann so aus:
Arbeitnehmer
Um ein lebbares Grundeinkommen zu erhalten, muss jeder in Deutschland aufenthaltsberechtigte Mann und jede Frau 20 Stunden arbeiten. Damit wird eine Art „bedingtes Grundeinkommen“ erwirtschaftet – selbst mit dem gesetzlich definierten Mindestlohn. Das heißt: Montags bis Freitags täglich 4 Stunden. Oder von Montag Morgen bis Mittwoch Mittag arbeiten. Der Rest kann Freizeit sein. Für eine andere Tätigkeit genutzt werden. Für Freiberuf oder eigenes Unternehmen. Oder für eine Tätigkeit in der neuen Welt der Digitalökonomie. Der A‑Vertrag sorgt für maximale Sicherheit und verschafft ein vergleichsweise hohes Gehalt. Der zusätzliche B‑Vertrag verschafft ein Einkommen, das einem heutigen 40-Stunden Vertrag entspricht. Das heißt: Es ändert sich hier nicht viel für den vollzeit arbeitenden Arbeitnehmer.
Arbeitgeber/Unternehmen
Die Unternehmen sparen zunächst Lohnnebenkosten, die Arbeitskraft ist günstiger einzustellen. Durch die in 5er-Schritten auf- und abbaubaren B‑Verträge besteht eine hohe Flexibilität dort, wo Flexibilität gewünscht wird. Flexibilität heißt dann aber eben auch: Bereitschaft B‑Verträge abzuschließen. Und damit vermutlich höhere Stundenlöhne zu zahlen, da der hohe Steuersatz für B‑Arbeitsstunden sicherlich einer gewissen Kompensation bedarf. Die hohe Zahl an A‑Verträgen mit nur 20 Wochenstunden hat den Vorteil, dass » Read the rest of this entry «
September 22nd, 2010 § Kommentare deaktiviert für Das ABC der kommenden Wirtschaft, Folge 4: Sozialsystem § permalink
Da ein 20-Stunden-Arbeitsverhältnis jedem gesunden und grundsätzlich arbeitsfähigen Menschen zuzumuten ist, bedarf es der klassischen Arbeitslosenversicherung nicht mehr. Vielleicht muss ein steuerfinanziertes Überbrückungsgeld von 3–4 Monaten angeboten werden. In Zeiten online recherchierbarer Jobs aber sollte sich bei hinreichenden Anreizen jederzeit ein A‑Job finden lassen. Der würde auch bei unterqualifizierter Anforderung die Möglichkeit zur Suche nach einem passenden B‑Job ermöglichen. Subsistenz wäre gesichert, „Beschäftigungslosigkeit“ vermieden.
Krankenversicherung
Krankenversicherung ist eine solidarische Versicherung. War es, ist es – und sollte es immer sein. Dass sich die Finanzierung auf die Schultern der Arbeitnehmer geringeren Einkommens legt, höhere Einkommen sich aus der Solidarität verabschieden, Finanzeinkünfte gar nicht erst herangezogen werden – ist ein Anachronismus. Irgendwelche Abrechnungsmonster zu erzeugen, die alle » Read the rest of this entry «
September 21st, 2010 § Kommentare deaktiviert für Das ABC der kommenden Wirtschaft, Folge 3: Utopien für Arbeitnehmer und Unternehmen § permalink
Vorvielen Jahren habe ich einmal in einem Buch über die Wassertechnik der römischen Antike ein enorm eindrucksvolles Bild gesehen ich finde es leider nicht online), das das Prinzip der ABC-Verträge ganz gut widerspiegelt. Denn es handelt sich um „soziale Wasserverteiler“. Zisternen oder Wasserverteiler waren mit drei unterschiedlichen Röhrensystemen ausgestattet, die jeweils in unterschiedlicher Höhe an der Zisterne ansetzten. (Hier ein Word-Doc, das dieses Prinzip mit Vitruv als Quellenangabe wiedergibt).
Ein soziales Röhrensystem – bedingungslose Wasserversorgung in Rom
Ganz unten in der Zisterne oder Verteilstelle, dort also, wo außer in allerhärtesten Dürreperioden immer Wasser ist, setzte das Rohr an, das zu öffentlichen Verteilstellen führte und damit allen Einwohnern Wasser bot. Darüber setzte ein Roh an, das „private“ Verteilstellen – also Paläste, große Güter oder die Häuser von Wohlhabenden – versorgte. In Zeiten knappen Wassers wurden diese Verbraucher also abgeschnitten, konnten sich aber in den öffentlichen Verteilstellen weiterhin versorgen. Die dritte Röhre, sehr hoch ansetzend, führte nur in Überflusszeiten Wasser – und versorgte dann Brunnen, Wasserspiele und ähnliche „Luxusinstitutionen“. Beeindruckend daran ist der technische Automatismus, der dafür sorgt, dass ein allgemein geteiltes gesellschaftliches Ziel erreicht wird. Notweniges, Wünschenswertes und Luxus teilten sich nahezu von selbst auf. Es mag die eine oder andere Verhandlung gegeben haben, welche Entnahmestelle an welches Rohr darf oder muss. Aber die Grundstruktur als Abbildung gesellschaftlichen Willens funktioniert.
Ein soziales Verteilungssystem für Arbeit und Wohlstand
Ähnlich soll auch das ABC-System funktionieren. Jeder Einwohner soll einen A‑Vertrag haben und 20 Stunden pro Woche arbeiten, um sich und die Familie zu » Read the rest of this entry «
September 20th, 2010 § Kommentare deaktiviert für Das ABC der kommenden Wirtschaft, Folge 2: Nachtrag zum Grundkonzept § permalink
Ich habe mich ein wenig mit dem BGE auseinander gesetzt und finde grundsätzlich diesen Gedanken verlockend, dass ein reiches Land seinen Bürgern ein Grundeinkommen bedingungslos garantiert. Ich bin aber ebenso davon überzeugt, dass das Konzept in näherer Zukunft null Chance auf Realisierung haben wird. Und zwar deswegen, weil allzu viele Einwände mit optimistischen Annahmen widerlegt werden müssen. Dass Menschen schon von sich aus arbeiten werden. Dass schon keine sprunghafte Inflation die Lebensgrundlage des Basiseinkommens auffressen werde. Dass schon keine Neiddebatte von der Bildzeitung losgetreten wird, die darauf aufsetzt, dass diejenigen, die vom BGE profitieren, nicht diejenigen sind, die mit kleinen Löhnen knapp jenseits des BGE leben. Dass beim Wegbrechen des ökonomischen Arbeitsdrucks und dem Ende der Diffamierung von Arbeitslosen schon weiter ein so hohes BIP erarbeitet werden wird, wie vorher. Und so weiter.
Schwächen des Bedingungslosen Grundeinkommens
Das BGE ist eine schlagartige Reform, die – wenn sie denn schief geht – innerhalb kürzester Zeit eine Volkswirtschaft zerstören kann. Und das wird sich niemand trauen. Die zwei größten Vorwürfe, die den Verfechtern des BGE zu machen sind, lauten imho: Es wurden – so weit ich sehe und weiß – keine Szenarien durchgerechnet, die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in Rechnung ziehen. Zweitens wurden keine sinnvollen Übergangsszenarien erarbeitet. Zudem – vielleicht ein dritter Vorwurf – löst das BGE nicht das Problem, dass die industrielle Wertschöpfung einbricht und weiter sinken wird, während zugleich Arbeitsformen entstehen, deren größten Problem es ist, das kein finanziell realisierbarer Wert damit geschaffen wird. Das Schicksal von Musikindustrie, Zeitungsjournalismus, Werbeindustrie, Post, Banken usw. werden immer mehr Industrien teilen.
Digitalökonomie gestalten
Wie in diesem Blog bereits gelegentlich bemerkt (und mit der Gründung des ersten virtuellen Instituts für Digitalökonomie symbolisiert), glaube ich, dass wir eine Zeitenwende erleben und mitgestalten können. Wir befinden uns in einer Situation der Renaissance gleich, in der Mensch feststellte, dass er selbst gottgleich eine Welt erschaffen kann. Damals entstand die Welt des (menschen)vernünftigen Denkens, der schöpferischen Kunst und der Technologie – vereint in der Gestalt Leonardos. Heute können wir eine digitale Welt schaffen, die noch einen Schritt weiter geht. Es wird eine komplett in der „Phantasie“ des » Read the rest of this entry «
September 17th, 2010 § § permalink
Statt einzelne Menschen als „arbeitslos“ freizusetzen, andere in gewohnter Auslastung weiter arbeiten zu lassen, statt aber auch „Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich“ zu fordern (was sich leider als utopisch herausstellt) und anstatt „Krisen“ durch „Kurzarbeit“ abzufedern, schlage ich das folgende Modell vor:
Die jetzige Vollzeit-Standardarbeitszeit von (grosso modo) 40 Stunden wird abgeschafft. Dafür werden (per Gesetz – natürlich mit Übergangsregelungen) drei Arbeitsvertragsstufen mit entsprechend drei Lohnsteuerkarten für jeden Arbeitnehmer eingeführt (nicht aufschreien – weiterlesen):
A‑Vertrag/Lohnsteuerkarte: Dieser Vertrag umfasst 20 Stunden. Nicht mehr, nicht weniger. Keine Überstunden. Es fällt lediglich eine Minimal-Lohnsteuer an (sagen wir 10%). Es fallen keine Arbeitslosigkeits- oder Krankenversicherung an. Ausgezahltes Brutto ist nahezu netto. Keine Lohnnebenkosten. Ziel ist, dass jeder erwerbsfähige Mensch mit einem solchen 20-Stundenvertrag sein Leben leben kann. Weit höher als jedes Basisgeld oder HartzIV – durch einen Mindestlohn von sagen wir 8€ und wegfallenden Nebenkosten bzw. geringen Steuersätzen.
B‑Vertrag/Lohnsteuerkarte: Dieser Vertrag umfasst bis zu 20 Stunden in 5er Schritten (B5, B10, B15, B20). In der Regel wird er auf den A‑Vertrag gesattelt. Zusammen ergeben A- und B20-Vertrag in etwa die Brutto-Netto-Ratio, die ein heutiger 40-Stunden-Vertrag aufweist. Heißt: Die Steuerbelastung des B‑Vertrags ist erheblich höher als bei einem heutigen Normalvertrag. Dennoch gibt es weder Arbeitslosen- noch Krankenversicherung zu zahlen (gleich mehr dazu).
C‑Vertrag/Lohnsteuerkarte: Was man früher „Überstunden“ nannte, wird » Read the rest of this entry «
September 16th, 2010 § § permalink
Soziologen haben die Gesellschaft nur beobachtet,
es kommt aber darauf an, sie zu gestalten.
Nebender Umweltzerstörung steht als zweitgrößtes Problem zumindest in den sogenannten Industrieländern die Arbeitslosigkeit auf der Agenda. Abgesehen davon, dass Umweltzerstörung auch nur dann ernsthaft verhindert werden kann, wenn nicht dauern das „Arbeitsplatzvernichtung“-Argument kommt, ist das Grundproblem der Arbeitslosigkeit ein Luxusproblem, das zum Elend führt. Eigentlich sollte es als Fortschritt gelten, wenn immer weniger Arbeit notwenig ist, um Wohlstand zu erlangen. Eigentlich ist das „nicht genug zu tun haben“ ein klassischer Luxus. Wird aber das Aus- und Einkommen der Menschen danach bemessen, was und wie viel sie arbeiten – dreht sich der Luxus zum Fluch. Plötzlich jagt ein jeder der Arbeit hinterher, als handele es sich um ein knappes, begehrenswertes Gut. Was sie ja in der Regel nicht ist.
Seit einiger Zeit geistert deswegen das Konzept des „Bürgergeldes“, der „negativen Einkommensteuer“ oder eines „bedingungslosen Grundeinkommens“ durch die Blätter und Köpfe. Ein Gedanke, der jeweils im Grunde darauf basiert, dass in einem reichen Land kein Mensch unter eine bestimmte Existenzschwelle rutschen sollte. Hunger und Obdachlosigkeit haben in (post)industriellen Staaten etwas zutiefst Anachronistisches.
Das Problem ist dabei, dass all diese Konzepte eine gewisse Grundannahme voraussetzen: Dass Menschen auch dann arbeiten, wenn ihre Existenz gesichert ist. Dass sie also – sei es um sich selbst zu verwirklichen oder um sich Konsumträume zu erfüllen – auch dann arbeiteten, wenn die Existenzsicherung » Read the rest of this entry «
September 14th, 2010 § § permalink
Die Neubestimmung des Verhältnisses Privat/Öffentlich bleibt hartnäckig im Kopf. Gerade stolperte ich über einen Tweet des Kollegen Kusanowsky, der dieses bereits einige Tage alte Posting (das mir damals leider entgangen war) dankenswerterweise nochmals durch erneutes Tweeten auf die Agenda setzte (was wiederum eine spannende Reflexion auf Twitter urgieren könnte und die Möglichkeit, in Reserve liegende Inhalte dann zu twittern, wenn der March of Timeline gerade am betreffenden Gedachten vorbeizuziehen sich anschickt …). Darin geht Kusanowsky auf meinen Text zu Streetview (hier; ähnlich auch hier und hier) ein, problematisiert meine flapsig dahin geworfene Behauptung, die Debatte sei eine Pseudodebatte und bediene sich falscher Begriffe oder Kategorien. Darüber hatte ich mich mit ihm schon in Kommentaren auseinander gesetzt. Deswegen dazu nichts Weiteres. Aktuell interessiert mich allerdings der Fortgang seines Postings. Ich zitiere:
Privatheit war Schutz, der gewährleistet werden konnte, weil die Schutzverletzung enorme Hürden zu überwinden hatte, wie etwa die Notwendigkeit des Eindringens, Verfolgens, Denunzierens; Maßnahmen, die immer daran gebunden waren, dass ein Körper lokal gebundene Zugriffsmöglichkeiten auf Privatdaten entsprechender Dokumente haben musste. Man denke als Beispiel an die Arbeit eines Privatdetektivs.
Kusanowsky denkt das Private als einen Raum, den Privatraum, dessen Schutz gewährleistet sei. Solange es sich auf die klassische Privatheit bezieht, die Privatwohnung, ist diese Bestimmung durchaus überzeugend. Wie aber verhält es sich mit nicht-physischen Privatheiten? Also etwa um Privatinformationen? Schutz der Privatsphäre kann hier nicht einmal angeben, was geschützt wird. Denn die Privatinformation – das ist der Witz an der Sache – ist unbekannt. Über die Privatinformation lässt sich sagen, dass es niemand weiß, ob es hier etwas zu wissen gibt. Das Private ist hier mein Geheimnis – und meine Souveränität besteht » Read the rest of this entry «