Herr Koch, seines Zeichens gewählter Ministerpräsident in Hessen und angeblicher Nutznießer eines jüdischen Vermächtnisses, das sich leider später als illegale Parteispende erwies, fordert in einem Interview der WiWo mit dem hübschen Titel “Politik muss notwendige Härte haben” eine Arbeitspflicht für Hartz IV-Empfänger. Zitat aus dem Interview:
Wir müssen jedem Hartz-IV-Empfänger abverlangen, dass er als Gegenleistung für die staatliche Unterstützung einer Beschäftigung nachgeht, auch niederwertige Arbeit, im Zweifel in einer öffentlichen Beschäftigung. Dass er eben nicht bloß zu Hause sitzt.
So blubbern die Altlasten aus dem Schacht Roland. Gegenforderung meinerseits: Denkpflicht für Politiker. Nennen wir also Herrn Koch den Bundesarbeitsdienstminister. Wie wollen wirs machen, Herr Koch? Autobahnen bauen, die kein Mensch braucht? Denn diejenigen, die benötigt werden, werden von Menschen gebaut, die dafür in Lohnverhältnissen stehen (ohne allerdings davon garantiert ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Mindestlohnfrage — Sie wissen, schon …?). Bauen wir eine notwendige Autobahn mit Kocharbeitsdienstlern, werden die Lohnempfänger nichts mehr zu bauen haben und sich hinten in der Hartz IV Schlange anstellen. Natürlich könnten Hartz IV-Empfänger auch — ganz modern — Datenautobahnen bauen. Auch schön. Oder Straßen fegen — aber was machen dann die Straßenfeger? Die alte Idee: schickt die Hart IV Empfänger doch als “niederwertige Arbeit” in Altenheime, um Alte und Pflegebedürftige zu betreuen. Vielleicht Sie, Herr Koch, wenns denn so weit ist? Möchten sie in dieser Form “niederwertiger Arbeit” niederwertig gepflegt werden? Ist es eine niederwertige Arbeit, alte Menschen zu pflegen und zu betreuen? Straßen zu fegen? Kinder zu betreuen? Was ist denn “niederwertige Arbeit”? Oder ist es normale Arbeit, die einfach niederwertig ausgeführt wird? Straße mit einem Arm fegen? Oder in Unterwäsche bei jedem Wetter? Windelwechsel mit dem Mund? Was ist “niederwertige Arbeit”, Herr Koch? Oder meinen Sie Börsenanalysten, Investmentbanker, Kreditspezialisten? Oder ums dann doch zu fragen (und ich mache Sie dafür verwantwortlich, dass die Argumentation dermaßen niederwertig wird): Ministerpräsident? CDU-Vorsitzender? Ist das “niederwertig”? Muss ein Hartz IV-Empfänger so was zur Strafe machen? Welche Berufsgruppe wollen Sie gerade als “niederwertig” verunglimpfen?
WAS IST NIEDERWERTIGE ARBEIT, HERR KOCH?
Auf die Interview-Frage “Geld nur gegen Arbeit, sei es eine gemeinnützige Tätigkeit oder ein Ein-Euro-Job?” antwortet der Fünf-Sterne-Koch: “Auf Dauer wird es anders nicht gehen.” Und scheint sich der Absurdität seiner Thesen nicht im mindesten bewußt zu sein. Hartz IV-Empfänger ohne Arbeit gibt es in großer Zahl — weil es scheinbar nicht genug Arbeit gibt (auch in diesem Blog war gelegentlich die Rede davon, etwa hier und hier und hier). Wie Sie vielleicht wissen. Andere Hartz IV-Aufstocker wiederum schuften sich krumm und können ihren Lebensunterhalt (wir hattens oben schon davon) dennoch nicht von ihrer Arbeit bestreiten. Sollen die dann nebenbei auch noch kochen gehen? Wird für die Schufte, denen ein Job nicht genug ist, die Freizeit abgeschafft? Tagsüber Haare schneiden, nachts sozialkochen?
Wie Herr Koch, unterscheidet sich Ihr Wunsch nach einem Zwang zu einer “niederwertigen” (widerwärtigen?) Arbeit, die gezielt als unangenehm definiert ist und deren Nichtausübung doch wohl (aber wie denn eigentlich) negativ sanlktioniert werden soll, von der folgendermaßen definierten:
Als Zwangsarbeit wird eine Arbeit bezeichnet, zu der ein Mensch unter Androhung einer Strafe oder eines sonstigen empfindlichen Übels, gegen seinen Willen, gezwungen wird. Sie ist – mit verschwimmenden Übergängen – die schärfste Form der Arbeitspflicht. (Wikipedia)
Tatsächlich steht ja hinter dem Wunsch, Hartz IV Empfänger zur niederwertigen Arbeit zu zwingen, nicht die Absicht, mehr fleißige Mitarbeiter für den doch vermutlich demnächst unbändig ausbrechenden Wachstumsschub zu bekommen. Schließlich wird dieses Wachstum ja per Schwachsinnsbeschleunigungsgesetz befohlen. Die eigentliche Absicht verkocht der rasende Roland anders: “Deshalb müssen wir Instrumente einsetzen, damit niemand das Leben von Hartz IV als angenehme Variante ansieht.” Nur der bußfertige Mensch — hieß es im “Tempel des Todes” von Indiana Koch .… Jones. Büßen musst du, wenn du Hartz IV haben willst. Hartz gibts nur herzlos! Abschreckung vor der Arbeitslosigkeit. Angst machen. Und zwar indem jeder einzelne Hartz IV Empfänger zu wandelnden Litfasssäule der Kochtiraden wird. Wie waärs vielleicht noch mit einer Kennzeichnung auf der Kleidung? Schild um den Hals “VORSICHT! Niederwertiger Arbeiter — Ich liege allen Menschen auf der Tasche!” So was in der Art?
Wie absurd: Arbeitslose mit Arbeit bestrafen zu wollen.
Herr Koch? Sind das die Rezepte, mit denen Sie in die Zukunft gehen wollen? Und sind solche Kochs die Zukuft dieses Landes? Ein Kriegsminister, der Expeditionsarmeen und Kolonialtruppen zur Routine machen will. Ein Bundesarbeitsdienstminister, der den allgemeinen Arbeitsdienst als Voraussetzung für die Lebenssicherung ausruft? Als Entwicklungshilfeminister Reservehauptmann Niebel, Zugführer eines Aufklärungs- und Erkundungszuges bei den Fallschirmjägern der Luftlandebrigade 25 „Schwarzwald“ in Calw. Und Herr Koch — was machen Sie mit denen, die das nicht wollen, können oder tun werden? Abschieben nach Australien? Auf der Straße verhungern lassen? Oder ein Joint-Ventutre mit dem Kriegsminister? Arbeitslose in Uniformen stecken und ins Ausland entsenden? Herr Koch, von Ihren Rezepten krieg ich das Kotzen!
Nachtrag: In der taz vom 15.01.2010 wird über eine Unicef-Studie berichtet, deren Ergebnis ist, dass in Deutschland knapp 25% der Heranwachsenden fürchten und erwarten, dass sich “nach Beendigung der Schule und der Ausbildung nur Arbeiten mit niedriger Qualifikation ausüben” werden. Herr Koch — womit wollen Sie diese Jugendlichen schrecken? Hier wird bereits “niederwertige Arbeit” zur Lebenserwartung. Das Land, das von Ihnen und Ihren Kollegen regiert wird, ist schon voller Schrecken für junge Leute. Übrigens höher als in allen Ländern. Deutschland liegt unter 21 untersuchten auf dem letzten Platz, was Zukunftsoptimismus bei jungen Leuten angeht. Reaktion der zuständigen Ministerin Köhler: Sie will die Beantragung des gesetzlichen Kinderzusschlags unbürokratischer machen …? Werden wir von Narren regiert?