Von einem der vermutlich wirklich genialen Techniker der Gegenwart, Pranav Mistry vom M.I.T, vorgestellte Technologien namens Sixth Sense — mit gegenwärtig existierenden Mitteln realisiert. Technik-Kosten ca. 350 Dollar. Ein wenig Klebeband — und schon gibt es eine Kombination aus Handykamera, Projektor und Gestenerkennung, die in die umgebende Gegenwart ganz ohne AR-Brille Informationen projiziert, die sich wiederum mit den Fingern steuern und manipulieren lassen.
Wer jetzt noch atmen kann, möge hier weiter sehen:
[…] zwei Videoclips bei Postdramatiker sind atemberaubend interessant und spannend zu sehen. Was braucht es mehr um zu zeigen, wie […]
Kommentiert doch Siggi auf meinem Blog: “Da würde ich mir auch von ähem amtierenden Soziologen etwas mehr Informiertheit über die denkbaren Szenarien wünschen und nicht eine euphorische Besprechung von Technologien die mindestens 2 Jahre alt sind (six sense). Thats history…”
http://differentia.wordpress.com/2010/10/12/uberlegungen-zur-verschiebbarkeit-von-selektionsroutinen/#comment-553
„Heute leben wir im Imaginären des Bildschirms, des Interface und der Vervielfältigung, der Kommunikation und Vernetzung. Alle unsere Maschinen sind Bildschirme, wir selber sind Bildschirme geworden und das Verhältnis der Menschen zueinander ist das von Bildschirmen geworden.“
Jean Baudrillard
@kusanowksy — zumeist bejubele ich sogar noch ältere dinge. alter ist kein einwand. ich hoffe, mit “amtierendem soziologen” bin nicht etwa ich gemeint …
“denkbare szenarien” — welche?
Baudrillard halte ich für subkomplex, weil m.E. die Unterscheidung zwischen “wahrer” bzw. wahrnehmbar-physischer Welt und Simulakren, Simulationen usw. zumindest argumentationsstrategisch noch mitgeschleift wird. Greifen wir auf das letztens angeschnittene Thema der Sinnestäuschungen, die keine Sinnes- sondern Urteilsirrtümer zurück, beziehen die in der Wahrnehmung bereits inbegriffene Interpretation (die vielleicht trugschlüssig ist), mit ein und erweitern den Wahrnehmungsraum auf die Phantasmen und Träume, wird diese Scheidung recht schnell problematisch. “Die Wahrnehmung” oder die “wahrnehmbare Welt” war eben nie bloß Wahrnehmung. Die Scheidung eingeführt zu haben, war ein — zwar schon jahrtausendalter — kapitaler Bock, den die Philosophie geschossen hat.
Ich würde sagen, dass Wahrnehmungsgewohnheiten durch solchge Technologien umgeworfen bzw. mit neuen Möglichkeiten erweitert werden. Weder die Ubahnwand ist etwas Niedagewesenes, noch die Projektionstechnologie, noch die vorhandenen Informationen. Es wird lediglich in der Wahrnehmung der Ubahnwand eine Veränderung dadurch geschaffen, dass hier plötzlich Projektionen stattfinden, deren Operator “ich” sein kann. Von der Informationsseite betrachtet “nur” ein neues Ausgabemedium. Und eine neue Bedienung. Aber das Mobiltelefon ist auch “nur” ein Telefon, das ich in der Ubahn benutzen kann — und verändert die Gesellschaft und das gesellschaftliche Miteinander ungemein.
Ich bejubele es? Ja, aus einer Begeisterung für Neues heraus. Sehe ich die möglichen Szenarien? Nicht einmal ansatzweise. Vielleicht in zwei Jahren. Viielleicht fällt Siggi dazu schneller was ein.
“Aber das Mobiltelefon ist auch “nur” ein Telefon, das ich in der Ubahn benutzen kann – und verändert die Gesellschaft und das gesellschaftliche Miteinander ungemein.”
“Am Anfang muß es ja doch irgendeinen Telephoncoup gegeben haben. Vor der Tat oder der Rede, das Telephon. Im Anfang war das Telefon.” (Derrida, Ulysses Grammophon. Zwei Deut für Joyce, S.62f.)
@ Simulant — jaja, die Fernsprecher. Die ferne Stimme. Der unbekannte, unbesungene Held Telephos. Licht und Stimme, phôs und phônê. Das Stimmenhören. anggeloi am Telefon. Muss den Ulysses Grammophon mal lesen. Ist mir komplett entgangen.