In dem Posting “Gogle Streetview — Zur Unterscheidung von Dokumentation und Simulation des Raumes 8” (hier) listet Klaus Kusanowsy vier Kriterien der Dokumentform auf. Diese sind:
- Linearität
- Kausalität
- Sequenzialität
- Identität
Spnannen daran ist für mich zweierlei. Zum Einen sind diese Kriterien — vermutlich in anderem Verständnis als bei Kusanowsky — sehr passend auf die klassische Dramaturgie anwendbar, die sich durch Linearität, Kausalität und Sequenzialität sehr gut charakterisieren lässt. Die “Identität” ist ein eher schillerndes Element. Denn die klassische Dramaturgie legt die figurale oder personale Identität zugrunde. Schon durch die Auflistung eines dramatis persona, das durch Namenszuschreibung personale Artefakte erschafft, die durch die Namen wiedererkennbar sind und sich durch die Handlungen und Äußerungen charakterisieren — wobei die Aufführung den Leseprozess umkehrt, die zunehmende Charakterisierung durch das Lesen (das den Charakter erst am Ende kennen kann) durch den Darsteller schon von der ersten Minute vorwegnehmen lässt und durch Ausstattung, Maske, Kostüm bereits von Anfang an charakterisiert.
Schillernder aber ist die “Identität” zudem im Zusammenhang mit der häufig von Beobachtern geforderten “Werktreue” der Aufführung, die das Ansinnen hat, das dokumentierte Werk bzw. das im Werk Dokumentierte treu auf der Bühne wiederzugeben. Eine Identität der Schrift und der Aufführungen, wobei unterstellt wird, dass es ein identisches Dokumentiertes im Werk gibt. Zumeist das was “der Autor gewollt” hat oder der “Geist” des Autors oder einfach der identische “Sinn”. Man unterstellt, es sei dem Werk ebenso äußerlich, dass er vom Buch auf die Bühne wechselt, wie es ihm äußerlich wäre von der Handschrift in die Druckschrift zu wechseln, in Antiqua, Futura, Arial gedruckt zu werden. Der physische Bestandteil des Dokumentes ist dem Dokument scheinbar äußerlich.Selbst die Sprache sei ihm äußerlich — kommt doch kaum ein Theater auf die Idee (und schon gar kein “Werktreue” fordernder Zuschauer), Shakespeare englisch, Sophokles griechisch, Goethe hessisch zu spielen.
Dabei ist die halbseidene Kunst des Theaters allerdings der allabendliche Beweis, das dem nicht so ist. Nicht so sein kann. Da die Vorstellungen differerieren. Die Vorstellungen, die sich die Beobachter vom Identischen machen. Und die Vorstellungen, die unterschiedliche Bühnen, Ensembles, Regisseure vorstellen. Konftontiert mit der Vorstellung eines Theaters vom Identischen eines Dokuments entscheidet der Zuschauer, dass es seiner Vorstellung nicht entsprach. Dass also das Theater daneben liegen und den “Geist” des Autors verpasst hat — der aber am Ende nie der Geist des Autors, sondern immer schon der Geist des Lesers war, der sich nur im Satzspiegel wiedersah in der Maske des Autors.
Vielleicht führt das gerade nirgendwo hin. Aber ich denk mal dran weiter.
[…] und Merkmale der Dokumentform 27. August 2010 von Kusanowsky Bei Postdramatiker findet man eine interessante Ergänzung zu meinem Artikel Gogle Street View – Zur Unterscheidung […]
“Die Vorstellungen, die sich die Beobachter vom Identischen machen. Und die Vorstellungen, die unterschiedliche Bühnen, Ensembles, Regisseure vorstellen. Konftontiert mit der Vorstellung eines Theaters vom Identischen eines Dokuments entscheidet der Zuschauer, dass es seiner Vorstellung nicht entsprach. Dass also das Theater daneben liegen und den “Geist” des Autors verpasst hat – der aber am Ende nie der Geist des Autors, sondern immer schon der Geist des Lesers war, der sich nur im Satzspiegel wiedersah in der Maske des Autors.” — Diesen Betrachtungen würde ich für zutreffend halten; und es würde mich nicht sehr wundern, wenn man in der Ausgestalung liturgischer Formen und in sogenannten “Volksbräuchen” Ähnliches wiederfindet.
[…] allgemein gilt: Linearität, Kausalität, Sequenzialität, Identität. (Siehe dazu auch: „Das Dokument, die Werktreue, die klassische Dramaturgie.“). Sobald aber die dokumentierte Welt selbst nur als Dokument verstehbar wird, muss sich […]