Irgendwo auf den Mühlheim-Seiten von nachtkritik, in die ich mich (leider!) nur zufällig verirrt bzw. gefunden habe, fand ich (hier) einen sehr spannenden Diskussionsansatz zum Thema politische Reflektiertheit von Dramen, “phänomenologische” close description versus begrifflich-systematisch strukturiertem Denken von Zusammenhängen. Diskutanten immerhin Oliver Bukowski, Nis-Momme Stockmann und der Kritiker Christian Rakow, dessen (jedenfalls aktuell) letzten Satz ich in seiner Stoßrichtung nur voll unterstützen und bejahren kann.
In einem halte ich die aktuelle Entwicklung wirklich für problematisch: im (ökonomisch forcierten) Zwang, kleine Zeichen zu produzieren, die allenfalls raunend auf exemplarische Zusammenhänge verweisen. Das degradiert Kunst auf Dauer zum x‑beliebigem, ephemeren Gebrauchsgut, zu dem man “Ja, so isses” sagt und anschließend lieber überlegt, zu welchem Italiener man jetzt essen gehen möchte.
Und wenn ich dann bei der Abschlussdiskussion in Mülheim höre, dass man diese kleinteilige pop-up Machart für einen neuen Schub an Politisierung, für eine neue Form von “Gewicht” in der Gegenwartsdramatik nimmt, dann hört genau dort mein Relativismus auf. Nein, Politik heißt, Zusammenhänge denken zu wollen, und nicht allein Fragmente von Bedeutsamkeit anzureißen. Und das können im Übrigen auch realistische Werke, da gebe ich Oliver Bukowski Recht. Diskursfestigkeit ist nicht allein dem “Diskurstheater” vorbehalten. (ebd)
Solche Debatten bräuchte es ausführlicher, begriffsfester, konkreter und in durchaus schärferer Zuspitzung. Ebenso die Bereitschaft, zu einem fast schon pathetisch anmutenden, aber vollkommen und in jeder Hinsicht zu begrüßenden Satz wie dem hier fett hervorgehobenen. Chapeau, Herr Rakow! Dass ich mit der Formulierung “Beschreibungen von Wirklichkeit” enorme Schwierigkeiten habe, sei dennoch bemerkt.