Der Machtverlust der Regierungen — Jasminrevolutionen und Rettungsschirme

Juli 12th, 2011 Kommentare deaktiviert für Der Machtverlust der Regierungen — Jasminrevolutionen und Rettungsschirme

Scheint es nur mir so — oder geht es nicht gera­de den Regie­run­gen der west­li­chen “kapi­ta­lis­ti­schen” Indus­trie­na­tio­nen in ähn­li­cher Wei­se an den Macht­kra­gen, wie den Regie­run­gen Nord­afri­kas? Erle­ben wir gera­de eine unum­kehr­ba­re Macht­ero­si­on, die nicht nur bestehen­de Macht­struk­tu­ren aus­he­belt, son­dern zugleich unab­seh­bar macht, wel­che Regie­rungs- oder Macht­form danach kommt?

Auf der einen Sei­te des Mit­tel­mee­res erle­ben Regie­run­gen eher des­po­ti­scher Natur, wie sich die selbst­be­wuß­ter wer­den­de Bevöl­ke­rung nicht nur mit Unmut zu Pro­tes­ten ein­fin­det, son­dern sich in einer Wei­se unter­ein­an­der und mit klas­si­schen Mas­sen­me­di­en wie Al Jaze­era ver­netzt, dass weni­ge Wochen aus­rei­chen, um sta­bi­le Dik­ta­tu­ren zu zer­trüm­mern, die Herr­scher außer Lan­des oder auf die Ankla­ge­bän­ke zu bekom­men — und den Auf­stand wei­ter zu ver­brei­ten jen­seits der Landesgrenzen.

Auf der ande­ren Sei­te wer­den eini­ger­ma­ßen demo­kra­tisch gewähl­te Regie­run­gen wie die­je­ni­ge Grie­chen­lands, Por­tu­gals und neu­er­dings Ita­li­ens von Rating­agen­tu­ren und “den Märk­ten”, also den kapi­ta­lis­ti­schen Akteu­ren, dazu gezwun­gen, ihre gesam­te Poli­tik umzu­krem­peln und einem Dik­tat aus Spar­vor­ga­ben, Ver­kauf von Staats­ei­gen­tum und soge­nann­ten Finanz­re­for­men zu fol­gen, deren Nicht­be­fol­gung den Staats­bank­rott zum Ende hät­te. Und damit — auf ande­re und zugleich doch ähn­li­che Wei­se wie im Maghreb — die Unre­gier­bar­keit des Lan­des für die jet­zi­gen Macht­ha­ber. Dort der Auf­stand der bür­ger­li­chen Akteu­re, hier ein Auf­stand der Staatsaktionäre?

Dabei sind bei­de Bewe­gun­gen man könn­te sagen: rein psy­cho­lo­gi­scher Natur. Das heißt: Weder für die Maghreb-Auf­stän­de noch für die Rating­agen­tu­ren gab es wirk­lich  ein­schnei­den­de Sach­ver­hal­te, die von einem Tag auf den ande­ren eine Neu­be­wer­tung der Situa­ti­on und ent­spre­chend radi­ka­le Hand­lung begrün­den wür­den. Weder waren die Des­po­ten Ende letz­ten Jah­res des­po­ti­scher als in den Jah­ren zuvor — noch sind die Schul­den­stän­de der jetzt unter Beschuss gera­te­nen Län­der gegen­über den Schul­den­stän­den ande­rer, nicht bedroh­ter Län­der oder gegen­über dem eige­nen Schul­den­stand ein oder zwei Jah­re zuvor bedeu­tend anders. Man redet in der letz­ten Zeit oft von Schwarm-“Intelligenz”. Ist das hier ein unvor­her­seh­ba­res Schwarm­ver­hal­ten, dem die Regie­run­gen nichts mehr ent­ge­gen zu set­zen haben? Das viel­leicht nicht ein­mal in einer ratio­na­len Wei­se “intel­li­gent” (noch auch unin­tel­li­gent) wäre — son­dern ein­fach nur macht­voll in der über­ra­schen­den, unan­ge­führ­ten Bewe­gung (haben die Rating­agen­tu­ren wirk­lich eine der­ar­ti­ge Füh­rungs­rol­le? Oder sind sie letzt­lich nur die ers­ten Vögel des Schwarms, die die Rich­tung ändern?)

Nur ein Gedanke.

 

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