Als Konsequenz des vergangenen, viel zu langen Postings, das vermutlich nicht hinreichend viel Aufmerksamkeit hatte, um bis zu Ende gelesen zu werden, lässt sich kurz formulieren:
Urheber haben sich vier Fragen zu stellen:
- Wie erlange ich Aufmerksamkeit?
- Wie komme ich an einen monetären Ertrag?
- Wie kann ich das Interesse an Aufmerksamkeit, das andere haben, selbst nutzen, um einen Ertrag zu erwirtschaften?
- Wer sichert eine freie, unabhängige, kritische künstlerische und publizistische Urhebrschaft jenseits von Ertrags- und Verwertungszwängen?
Aufmerksamkeit erlangen
Die Sharing-Funktionalität ist eine Aufmerksamkeitsökonomie. Inhalte von mir, die andere weiterleiten und ihren Freunden verfügbar machen, sorgen dafür, dass meine Aufmerksamkeit wächst. Ein Text, Bild, Video, Musikstück von mir, das weitergeleitete, auf anderen Plattformen gepostet wird, sorgt dafür, dass meine Bekanntheit steigt. Jeder Link zu mir ebenso. Nach klassischem Urheberrecht wäre das eine Rechtsverletzung – was bekannt ist und durch Abmahnwellen verfolgt wird. Das ist dämlich. Denn die damit verbundene Forderung nach Unterlassung sorgt dafür, dass die Aufmerksamkeit sinkt. Ich habe mein Recht an meinem Inhalt – und kein Schwein kuckt. Bildende Künstler wissen, dass Aufmerksamkeit die Ertragschancen steigert. Darüber hatte ich im letzten Posting geschrieben. Von Aufmerksamkeit wird allerdings niemand satt.
Monetäre Erträge sichern
Die Frage, wie sich monetäre Erträge erzielen lassen, ist von der Aufmerksamkeit nicht gänzlich zu entkoppeln – steigert doch die Aufmerksamkeit die Chance auf monetäre Erträge, bringt sie aber nicht. Deswegen lautet die zweite Frage: Wie lässt sich die Aufmerksamkeit monetarisieren? Musiker wissen, dass die Besucherzahl ihrer Konzerte höher ist, wenn mehr über sie gesprochen wird oder mehr Menschen ihre Musik online gehört haben. Fotografen werden vielleicht nicht vom Sharen ihrer Bilder online leben – aber sie werden die Chance steigern, Poster oder Drucke ihrer Fotos zu verkaufen. Journalisten werden vielleicht nicht für jeden Artikel oder jedes Posting bezahlt – aber sie steigern die Chance, eventuell ein Buch verkaufen zu können oder eine Fachzeitschrift zu produzieren. Das ist aber noch nicht alles.
An der Aufmerksamkeitsökonomie partizipieren
Es gibt eine gewaltige Finanzquelle, die Geld dafür bezahlt, Aufmerksamkeit zu erhalten. Gemeint sind werbetreibende Unternehmen. Ganze Fernsehsender, Zeitschriften, Zeitungen leben davon, attraktive Inhalte, die Aufmerksamkeit erwecken, zu produzieren und sichern sich die Finanzierung durch Unternehmen, die in diesen Aufmerksamkeitsraum ihre Botschaften einschmuggeln. Urheber in jedem Sinne sind Menschen, die in der Lage sind, Aufmerksamkeit herzustellen – und können die Teilhabe an dieser Aufmerksamkeit monetarisieren. Ein Skandal? Das findet doch bereits statt? Wie viele Fotografen leben vom direkten Verkauf ihrer Fotografien – wie viele dagegen (zumindest teilweise) von Aufträgen der Werbeindustrie? Wie viele Filmemacher und Schauspieler? Wie viele Drehbuchschreiber? Wie viele Musiker? Es lohnt eine Auseinandersetzung mit diesem bestehenden Schattenreich der „Nebenjobs“.
Die Wege der zukünftigen Moneterisierung sind vielfältig – von GoogleAds im Blog über Sponsoring bis hin zu Auftragsproduktionen. Es ist eine Neuauflage der ökonomischen Situation der Renaissance-Künstler, deren Werke von der katholischen Kirche oder von Fürsten bezahlt wurden. Niemand ist gezwungen, sich dieser Form der Monetarisierung auszuliefern –aber es gibt sie. Und wer sich darauf einlässt, wird sich dafür nicht nur vor sich selbst, sondern in Zeiten des Internets auch zunehmend gegenüber seinen Fans und Freunden verantworten müssen. Das wiederum sorgt für einen zunehmenden Druck auf die finanzierenden Unternehmen. In der Vergangenheit war es möglich, sich eine Aufmerksamkeit einzukaufen, die eigentlich Spielfilme oder Serien sehen wollte und Kurzfilme dazwischen zu schneiden, die das Blaue vom Himmel über gesundheitsfördernde Lebensmittel oder umweltfreundliche Fahrzeuge erzählten. Das wird in Zukunft nicht mehr möglich sein. Auch die Unternehmen müssen sich nicht nur darum bemühen, Aufmerksamkeit durch ihre eigenen, von Urhebern erstellten Inhalte zu gewinnen, sondern sich dem möglichen Gegenwind im Netz stellen. Diese Macht sollte niemand unterschätzen – die meisten Unternehmen beginnen gerade erst das zu verstehen.
Wo bleibt die kritische Öffentlichkeit?
Wenn wir uns in der Gesellschaft einig sind, das wir eine unabhängige, kritische Berichterstattung brauchen, werden wir dafür 1.) bezahlen müssen und 2.) unseren eigenen, unbezahlten Beitrag leisten. Wir bezahlen für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und für unabhängige Theater. Diese Beiträge zur Förderung öffentlicher und unabhängiger Inhalte müssen nicht nur verteidigt, sondern vermutlich ausgebaut werden. Unabhängigen Publizisten und Künstlern muss ein Einkommen garantiert werden, das ihre Unabhängigkeit bewahrt – wie, das bleibt zu diskutieren. Ob es — wie Kusanowsky heute hier meint — auf dem Wege des Grundeinkommens möglich ist, würde ich mir wünschen, bezweifele es aber mangels praktischer Umsetzbarkeit. Zudem ist die Teilnahme aller im Internet erforderlich, die Erfahrungen und Wissen beisteuern können. Öffentlichkeit wird in Zukunft keine Exklusivaufgabe von wenigen Massenmedien sein. Die Masse selbst wird das Medium sein. Auch wenn nicht jeder Beitrag honoriert werden wird.
“Ein Text, Bild, Video, Musikstück von mir, das weitergeleitete, auf anderen Plattformen gepostet wird, sorgt dafür, dass meine Bekanntheit steigt. Jeder Link zu mir ebenso. Nach klassischem Urheberrecht wäre das eine Rechtsverletzung …”
Dies ist missverständlich und zeigt gerade deshalb ein Problem auf. Die behauptete Rechtsverletzung scheint sich aufs Verlinken zu beziehen. Dies ist aber gerade keine Rechtsverletzung, wenn die Quelle sauber ist. Gerade die Möglichkeit des Verlinkens geht in den Urheberrechtsdebatten total unter. Dabei ist doch der Link das Charakteristische am Web, nicht die Kopie der Kopie der Kopie. Allerdings ist es so, dass viele Nutzer das Besitzenwollen derart drin haben, dass Links überhaupt nicht zur Debatte stehen. Ein Beispiel: Würde sämtliche Werke Loriots auf einer Website der Lorioterben so platziert, dass sie driekt verlinkbar wären, hätte man eine Originalquelle ohne Risiko. Doch was würde passieren? Videos würden sofort ohne Quellenangabe bei Youtube in Dutzenden Accounts auftauchen. Und an diesem “Mechanismus” scheitern alle schönen Versprechungen der “Aufmerksamkeit”. Ich erlebe das immer wieder an meinen eigenen Texten. Sie werden kopiert, der Autorenname weggelassen und eine Quellenangabe sowieso nicht gesetzt. Aufmerksamkeit? Für den Kopierer ja. Wenn Nutzer also nicht bereit sind, wenigstens die Grundprinzipien von Geben und Nehmen zu beachten, dann würde nur die totale Freigabe aller Werke nicht zu Urheberrechtsverletzungen führen. Das Problem ist folglich kein gesetzliches, sondern eher eins von Bildung und Erziehung.