Die zwei Ausgänge aus dem Theater: theorêtikos und praktikos

Oktober 30th, 2010 Kommentare deaktiviert für Die zwei Ausgänge aus dem Theater: theorêtikos und praktikos

In Fort­füh­rung der letz­ten Über­le­gun­gen, die den Riss in der thea­tra­len Beob­ach­tung ansie­del­ten, die traszen­denz-imma­nenz oder das Per­fo­mat-Doku­ment als oszil­lie­ren­de Beschrei­bung des Beob­ach­ters (vor oder auf der Büh­ne), kann man sagen, dass es nach der Vor­stel­lung zwei Aus­gän­ge aus dem Thea­tron gibt:

Ers­ter Aus­gang: theo­ria

Der theo­ros im thea­tron mag die Tür wäh­len, über der “bios theo­re­ti­kos” steht und bei­spiels­wei­se eine gran­dio­se Kri­tik der rei­nen theo­re­ti­schen Ver­nunft schrei­ben, die zwar selbst vor­aus­setzt, theo­re­tisch ver­nünf­tig zu den­ken und sich selbst, das heißt: das eige­ne Den­ken, beim Den­ken theo­re­tisch erfas­sen zu kön­nen, aber dabei dar­an schei­tern, die pra­ti­kê in den Blick zu bekom­men und dah­her nur eine jämm­mer­li­che und schä­bi­ge “Kri­tik der prak­ti­schen Ver­nunft” vor­le­gen. Der kate­go­ri­sche Impoer­a­tiv der prak­ti­schen Ver­nunft hät­te umfor­mu­lier auch als Kri­tik der rei­nen theo­re­ti­schen Ver­nunft funk­tio­nie­ren kön­nen: Den­ke nur in den­je­ni­gen Kate­go­rien, durch die du zugleich wol­len kannst, dass sie all­ge­mei­ne Geset­ze wür­den. Blabla.

Zwei­ter Aus­gang: pra­xis

Natür­lich kann der theo­ros aber auch ent­schei­den, durch die Tür des bios prak­ti­kos zu gehen. Dann könn­te er etwa nach­ah­men, was er gese­hen hat, könn­te sich hin­ein­be­ge­ben, in die Geflech­te, deren eines er eben beschaut hat. Dann aber wird er die theo­ria auf­ge­ben müs­sen, weil er im Geflecht kein Beob­ach­ter mehr ist, son­dern Akteur. Er wird tun, was er tun — aber er wird nicht wis­sen, was er tut. Er kann natür­lich ein Buch lesen, das der theo­re­ti­kos geschrie­ben hat — wird aber, selbst mit die­sem Wis­sen, nicht vor der Büh­ne sit­zen kön­nen, auf der er selbst agiert (und die übri­gens auch kei­ne Büh­ne ist). Das bios prak­ti­kos kennt kein know that, son­dern nur ein know how (in Anleh­nung an Gil­bert Ryle’s “The Con­cept of Mind”). Eine ganz ande­re Form von Wis­sen, über die Wolf­gang Wie­land sein schö­nes Buch “Pla­ton und die For­men des Wis­sens” geschrie­ben hat. Es hilft nichts, ein Buch über Fuß­ball zu lesen, wenn man es spie­len will. Man wird es trai­nie­ren müs­sen. Und dabei ist ein emi­nent mime­ti­scher Pro­zess im Gan­ge. Vormachen-Nachmachen.

Aller­dings sind das nur Ent­schei­dun­gen, die NACH dem Aus­gang aus dem Thea­ter zu tref­fen sind. Im Thea­ter sind theo­ria und pra­xis unge­schie­den. Die pra­xis ist in der theo­ria, die theo­ria in der pra­xis.

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