In Fortführung der letzten Überlegungen, die den Riss in der theatralen Beobachtung ansiedelten, die traszendenz-immanenz oder das Perfomat-Dokument als oszillierende Beschreibung des Beobachters (vor oder auf der Bühne), kann man sagen, dass es nach der Vorstellung zwei Ausgänge aus dem Theatron gibt:
Erster Ausgang: theoria
Der theoros im theatron mag die Tür wählen, über der “bios theoretikos” steht und beispielsweise eine grandiose Kritik der reinen theoretischen Vernunft schreiben, die zwar selbst voraussetzt, theoretisch vernünftig zu denken und sich selbst, das heißt: das eigene Denken, beim Denken theoretisch erfassen zu können, aber dabei daran scheitern, die pratikê in den Blick zu bekommen und dahher nur eine jämmmerliche und schäbige “Kritik der praktischen Vernunft” vorlegen. Der kategorische Impoerativ der praktischen Vernunft hätte umformulier auch als Kritik der reinen theoretischen Vernunft funktionieren können: Denke nur in denjenigen Kategorien, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie allgemeine Gesetze würden. Blabla.
Zweiter Ausgang: praxis
Natürlich kann der theoros aber auch entscheiden, durch die Tür des bios praktikos zu gehen. Dann könnte er etwa nachahmen, was er gesehen hat, könnte sich hineinbegeben, in die Geflechte, deren eines er eben beschaut hat. Dann aber wird er die theoria aufgeben müssen, weil er im Geflecht kein Beobachter mehr ist, sondern Akteur. Er wird tun, was er tun — aber er wird nicht wissen, was er tut. Er kann natürlich ein Buch lesen, das der theoretikos geschrieben hat — wird aber, selbst mit diesem Wissen, nicht vor der Bühne sitzen können, auf der er selbst agiert (und die übrigens auch keine Bühne ist). Das bios praktikos kennt kein know that, sondern nur ein know how (in Anlehnung an Gilbert Ryle’s “The Concept of Mind”). Eine ganz andere Form von Wissen, über die Wolfgang Wieland sein schönes Buch “Platon und die Formen des Wissens” geschrieben hat. Es hilft nichts, ein Buch über Fußball zu lesen, wenn man es spielen will. Man wird es trainieren müssen. Und dabei ist ein eminent mimetischer Prozess im Gange. Vormachen-Nachmachen.
Allerdings sind das nur Entscheidungen, die NACH dem Ausgang aus dem Theater zu treffen sind. Im Theater sind theoria und praxis ungeschieden. Die praxis ist in der theoria, die theoria in der praxis.