Drama und Ideologie 2

August 17th, 2014 Kommentare deaktiviert für Drama und Ideologie 2

In sei­nem viel­ge­nut­zen Buch „Das Dra­ma“ scheint Man­fred Pfis­ter dazu aus­zu­ge­hen, dass es etwas gibt, dass es Arte­fak­te gibt, die als Dra­ma bezeich­net wer­den kön­nen. Und die unter­scheid­bar sind von ande­ren Arte­fak­ten (sei es sprach­lich-schrift­li­cher Natur oder wel­cher sonst auch immer), die kein Dra­ma sind. Ohne die­se bei­den Kri­te­ri­en wäre die Rede von und das Buch über Dra­ma sinn­los bzw. über­flüs­sig. Es gibt also zumin­dest ein Dra­ma, ein Arte­fakt, das als Dra­ma bezeich­net und abge­grenzt wer­den kann. Wenn ich Pfis­ter rich­tig ver­ste­he, geht er sogar davon aus, dass es meh­re­re Arte­fak­te gibt, die Dra­ma sind, die sich zwar stark von­ein­an­der unter­schei­den, dabei aber doch etwas Gemein­sa­mes haben, das sie als Dra­ma qua­li­fi­ziert im Unter­schied zu vie­len ande­ren Din­gen, die nicht als Dra­ma qua­li­fi­zier­bar sind. Und er scheint zudem vor­aus­zu­set­zen, dass die Beschrei­bung bestimm­ter Arte­fak­te als Dra­ma von einem Leser geteilt und als geteil­te von ihm vor­aus­ge­setzt wer­den kön­nen. Es ist kein Vor­schlag, Arte­fak­te als Dra­ma zu betrach­ten oder zu beschrei­ben, son­dern es ist der Ver­such, einer ‚all­ge­mei­nen und sys­te­ma­ti­schen Theo­rie­bil­dung’ (Ein­lei­tung, Bezü­ge durch­ge­hend zur 7. Auf­la­ge). Dabei behaup­tet er, es gin­ge ihm nicht um eine ‚pau­scha­le Defi­ni­ti­on von Dra­ma’, son­dern um eine ‚dif­fe­ren­zier­te und detail­lier­te Beschrei­bung sei­ner Struk­tu­ren und Vertextungsverfahren’.

Pfis­ter gibt sei­nem Buch den etwas groß­mäu­li­gen Titel „Das Dra­ma“ – was denn das aber sei, die­ses „Dra­ma“ genann­te, das ver­schie­de­ne Arte­fak­te unter sich begreift, ver­mag er nicht nur nicht anzu­ge­ben, son­dern er wie­der­setzt sich einer sol­chen Angabe:

In einer „Blü­ten­le­se“ (31) stellt r drei Defi­ni­ti­ons­ver­su­che vor, die er jeweils als zu eng zu nor­ma­tiv oder zu tau­to­lo­gisch beschreibt. Der fol­gen­de Abschnitt über „Dif­fe­renz­kri­te­ri­en dra­ma­ti­scher tex­te“ sagt nichts ande­res, als dass es nichts zu sagen gibt. Was das ist, das als „Das Dra­ma“ zu ver­ste­hen wäre, wird nicht ange­ge­ben – aber dann auf meh­re­ren hun­dert Sei­ten „ana­ly­siert“. Es soll also „Das Dra­ma“ geben, man kann nicht ange­ben, was es ist, aber man kann es ana­ly­sie­ren, kate­go­ri­sie­ren, (literatur-)wissenschaftlich auf­ar­bei­ten. Mir scheint, das Buch lässt die ein­zig inter­es­san­te Fra­ge aus. Es bezieht sich auf Arte­fak­te, die offen­bar vor­ab von irgend jeman­dem als „Dra­ma“ qua­li­fi­ziert wur­den, ohne zu fra­gen, wer die­ser Jemand war, war­um die­ser Jemand den Anspruch erhe­ben kann, ver­bind­lich zu ent­schei­den, was „Dra­ma“ ist (und was nicht?) und es zusam­men­zu­stel­len. Ist also die­se ‚all­ge­mei­ne und sys­te­ma­ti­sche Theo­rie­bil­dung’ bezo­gen auf ein vor­lie­gen­des Ensem­ble von Arte­fak­ten, die zum All­ge­mein­be­griff „Dra­ma“ gehö­ren? So wie sich eine Betrach­tung bei­spiels­wei­se von Kro­ko­di­len anstel­len lässt? Oder ist es eine Theo­rie­bil­dung davon, was als Dra­ma bezeich­net wird? Die Leis­tung des Buches von Pfis­ter ist es, mei­ne Ver­wir­rung ins Uner­mess­li­che zu stei­gern. Herr Pfis­ter, was ist es denn, die­ses “Dra­ma”? Was mei­nen Sie damit?

To be con­tin­ued. Maybe.

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