In seinem vielgenutzen Buch „Das Drama“ scheint Manfred Pfister dazu auszugehen, dass es etwas gibt, dass es Artefakte gibt, die als Drama bezeichnet werden können. Und die unterscheidbar sind von anderen Artefakten (sei es sprachlich-schriftlicher Natur oder welcher sonst auch immer), die kein Drama sind. Ohne diese beiden Kriterien wäre die Rede von und das Buch über Drama sinnlos bzw. überflüssig. Es gibt also zumindest ein Drama, ein Artefakt, das als Drama bezeichnet und abgegrenzt werden kann. Wenn ich Pfister richtig verstehe, geht er sogar davon aus, dass es mehrere Artefakte gibt, die Drama sind, die sich zwar stark voneinander unterscheiden, dabei aber doch etwas Gemeinsames haben, das sie als Drama qualifiziert im Unterschied zu vielen anderen Dingen, die nicht als Drama qualifizierbar sind. Und er scheint zudem vorauszusetzen, dass die Beschreibung bestimmter Artefakte als Drama von einem Leser geteilt und als geteilte von ihm vorausgesetzt werden können. Es ist kein Vorschlag, Artefakte als Drama zu betrachten oder zu beschreiben, sondern es ist der Versuch, einer ‚allgemeinen und systematischen Theoriebildung’ (Einleitung, Bezüge durchgehend zur 7. Auflage). Dabei behauptet er, es ginge ihm nicht um eine ‚pauschale Definition von Drama’, sondern um eine ‚differenzierte und detaillierte Beschreibung seiner Strukturen und Vertextungsverfahren’.
Pfister gibt seinem Buch den etwas großmäuligen Titel „Das Drama“ – was denn das aber sei, dieses „Drama“ genannte, das verschiedene Artefakte unter sich begreift, vermag er nicht nur nicht anzugeben, sondern er wiedersetzt sich einer solchen Angabe:
In einer „Blütenlese“ (31) stellt r drei Definitionsversuche vor, die er jeweils als zu eng zu normativ oder zu tautologisch beschreibt. Der folgende Abschnitt über „Differenzkriterien dramatischer texte“ sagt nichts anderes, als dass es nichts zu sagen gibt. Was das ist, das als „Das Drama“ zu verstehen wäre, wird nicht angegeben – aber dann auf mehreren hundert Seiten „analysiert“. Es soll also „Das Drama“ geben, man kann nicht angeben, was es ist, aber man kann es analysieren, kategorisieren, (literatur-)wissenschaftlich aufarbeiten. Mir scheint, das Buch lässt die einzig interessante Frage aus. Es bezieht sich auf Artefakte, die offenbar vorab von irgend jemandem als „Drama“ qualifiziert wurden, ohne zu fragen, wer dieser Jemand war, warum dieser Jemand den Anspruch erheben kann, verbindlich zu entscheiden, was „Drama“ ist (und was nicht?) und es zusammenzustellen. Ist also diese ‚allgemeine und systematische Theoriebildung’ bezogen auf ein vorliegendes Ensemble von Artefakten, die zum Allgemeinbegriff „Drama“ gehören? So wie sich eine Betrachtung beispielsweise von Krokodilen anstellen lässt? Oder ist es eine Theoriebildung davon, was als Drama bezeichnet wird? Die Leistung des Buches von Pfister ist es, meine Verwirrung ins Unermessliche zu steigern. Herr Pfister, was ist es denn, dieses “Drama”? Was meinen Sie damit?
To be continued. Maybe.