Die Frage des Doktor Faust darf wohl als beantwortet gelten. Es ist das Internet.
Was die Welt im Innersten zusammen hält?
Juli 2nd, 2010 § 4 comments
What's this?
You are currently reading Was die Welt im Innersten zusammen hält? at Postdramatiker.
meta
- Author: Postdramatiker
- Comments: 4 Comments
- Categories: Digitale Disruption, Netzbegriff, Programmatik
-
Difficile est saturam non scribere.
JuvenalRidere aude.
Letzte Kommentare
- Henning Bochert bei “Das Prinzip Jago” und Fakenews in Essen
- [Postdramatiker] Das Prinzip Jago – Text-Download, Trailer, Kritiken – #Theater bei Das Prinzip Jago — Text-Download, Trailer, Kritiken
- Ralf bei Die Deutsche Bank und wie sie die Zukunft der Arbeit sieht (spoiler: dystopisch)
- [Postdramatiker] Writers Room Projekt am Schauspiel Essen: „Das Prinzip Jago“ – #Theater bei Writers Room Projekt am Schauspiel Essen: “Das Prinzip Jago”
- Postdramatiker bei Der Marienthaler Dachs — NEU 2012
Texte zum Download
Veröffentlichungen
Blogroll
- Deutsche Bühne Blog
- Die Kunst des Kollektiven
- Differentia
- Dispositio
- Doppelpass-Blog
- Dramablog von Frank Kroll
- Freiburger Blog: Stadttheater der Zukunft
- Kultur und Politik
- Kulturmanager Blog
- Nachtkritik
- Neunetz
- Philippe Wampfler
- philology & irony
- Schlingenblog
- Stage and Screen
- Theater-Nachtgedanken
- Theaterblog von Thomas Schmidt
Lieblinks
- agora42
- Antifa “Fakten gegen Vorurteile”
- Carta
- Differentia
- Dramablog von Frank Kroll
- Dramaturgische Gesellschaft
- Frankfurter Autorentheater
- Gesine Schwan zum 17. Juni 2010
- Netzwerk Grundeinkommen
- O.Garofalos Masterarbeit über “Sich gesellschaft leisten”
- Otium Bremen
- Spielplan Deutschland
- SZ-Interview mit Rifkin
- Zum Thema Privacy/Privatsphäre im Netz
Archive
- März 2017
- Oktober 2016
- Mai 2016
- April 2016
- Januar 2016
- September 2015
- Juli 2015
- Juni 2015
- Mai 2015
- April 2015
- Dezember 2014
- November 2014
- Oktober 2014
- September 2014
- August 2014
- Juli 2014
- Juni 2014
- Mai 2014
- April 2014
- Februar 2014
- Januar 2014
- November 2013
- August 2013
- Juni 2013
- Mai 2013
- April 2013
- März 2013
- Februar 2013
- Januar 2013
- Dezember 2012
- November 2012
- Oktober 2012
- Juli 2012
- Juni 2012
- Mai 2012
- April 2012
- März 2012
- Februar 2012
- Januar 2012
- Dezember 2011
- November 2011
- Oktober 2011
- September 2011
- August 2011
- Juli 2011
- Juni 2011
- Mai 2011
- April 2011
- Februar 2011
- Januar 2011
- Dezember 2010
- November 2010
- Oktober 2010
- September 2010
- August 2010
- Juli 2010
- Juni 2010
- Mai 2010
- April 2010
- März 2010
- Februar 2010
- Januar 2010
- Dezember 2009
- November 2009
- Oktober 2009
- September 2009
Themen
- Allgemein (121)
- Arbeit (61)
- Brecht (15)
- Der Marienthaler Dachs (42)
- Digitaldemokratie (81)
- Digitale Disruption (166)
- Digitalökonomie (90)
- documenta 13 (2)
- Europa (14)
- Form und Formen (120)
- Handy und Gretel (1)
- Heimspiel (8)
- Inszenierungen und Kritiken (12)
- Interessante Zahlen (10)
- Krieg und Frieden (9)
- Kritik (22)
- Media Divina (23)
- Medien und Medientheorien (165)
- Metadramaturgie (93)
- Netzbegriff (87)
- Ökonomien und Theorien (157)
- politisches Theater (108)
- Postdramaturgie (113)
- Prinzip Jago (4)
- Programmatik (112)
- Schalke (1)
- Schreibweisen (7)
- Schuld und Schein (18)
- Sich Gesellschaft leisten (67)
- Stadttheater (75)
- Tagebuch (1)
- Thesen (6)
- Writers Room (2)
- Zeitstrukturen (19)
Die Antwort auf die Frage des Doktor Faustus ist er selbst. Er ist nicht nur der Wahrheitssucher, Weltversteher und Weltbezwinger, sondern auch sein Antagonist. Ich halte viel von den Schriften Oswald Spenglers.
Die abendländische Kultur ist nach Spengler im 10. Jahrhundert aus der faustischen Seele entstanden. Das Ursymbol dieser Seele ist der reine, unbeschränkte Raum, der zugleich ein Symbol des Menschen ist, der sucht und nach Erlösung strebt und in seiner Einsamkeit einen Willen zur Unendlichkeit hat. Dieses Symbol zeigt sich in der Idee der Unendlichkeit des Raumes, in der gotischen Architektur, die dynamisch zur Unendlichkeit strebt, in der Tradition der klassischen Musik, die den ganzen Raum erfüllt, in der Eindrücklichkeit der abendländischen Malerei, in welcher der Körper in einem sphärischen Raum erscheint, in den großen Dynastien der Barockzeit mit ihrer Kabinettsdiplomatie, die sich über ganz Europa erstreckt, in der katholischen und protestantischen Dogmatik mit ihrem nicht an einen Ort gebundenen universalistischen Anspruch, im biographischen Interesse und in der Faszination für die Geschichte des Menschen und des Universums.
Die Eigenart der faustischen Seele erstreckt sich über verschiedene Lebensgebiete, die auf diese Weise ihre eigene Einheit des Stils haben. Dies gilt auch für Religion und Moral. Die Moral ist also auch keine universelle, allgemein gültige Wissenschaft zeitloser Wahrheiten, sondern die geistige Selbstinterpretation des Menschen und deswegen an die Seele gebunden, aus der sie erwächst. Es ist für die Moral des abendländischen Menschen kennzeichnend, dass immer etwas “gefordert wird” — von ihm selbst und den anderen. Die Form, die die Moral angenommen hat, gehört zur Seele des Abendlandes. Sie ist ein geistlicher Ausdruck desjenigen, was in dem Takt des Daseins, der “Sitte” , schon unbewusst da ist. Ein derartiges Streben zur Macht, durch den die ganze Wirklichkeit umgewandelt wird, ist eigentliche Eigentum der faustischen Seele. Die Machtpolitik des mittelalterlichen Katholizismus, die großen Dynastien der Barockzeit, die Religionskriege, das puritanische Pflichtgefühl, der Streit der Ideologien im 19. Jahrhundert, dies alles sind Äußerungen eines intoleranten Strebens zur Macht. Dieses Streben zur Macht versteht Spengler als die innere Bewegtheit des faustischen Daseins. Es ist ein großer Irrtum, das Christentum für diesen Imperativ, unter den das Leben des Menschen gestellt wird, verantwortlich zu machen. Wir finden ihn nicht im frühen Christentum und schon gar nicht in Christus. Der faustische Mensch selbst hat das Christentum erst später in eine neue Religion und Moral umgewandelt. Darin wird das “Ich will” — das bereits im mittelalterlichen Sakrament der persönlichen Buße vorausgesetzt ist — eine richtungweisende und religiöse Lebenserfahrung, in der ein ungeheuerer Machtanspruch beschlossen liegt. Das europäische Christentum ist die Manifestation dieses Strebens zur Macht in einem affirmativen Sinne. Man muss dann aber zwischen dem Ideal des Christentums und seiner Verwirklichung — von den Kreuzzügen bis zu den Weltkriegen, von den spanischen Konquistadoren bis zu den preußischen Kurfürsten — differenzieren.
Spengler beschreibt die faustische Lebenserfahrung, die sich bereits im Mittelalter auf eine sehr starke Beziehung zu Geschichte und Zukunft einließ, als Herausbildung eines historischen Charakters. Diese “Historizität” äußert sich u. a. in einer Gerichtetheit auf die eigene Zukunft, die er auch als “Sorge” charakterisiert und die zum Beispiel in der planmäßigen Einrichtung des Klosterlebens im Mittelalter erscheint. Außerdem hat die faustische Seele die Neigung, die Geschichte als eine Entwicklung aufzufassen,die ihre Vollendung in einer Zukunft findet, die mit der eigenen Gegenwart angefangen hat.
Nur das Abendland kennt strenggenommen diesen historischen Sinn, dies ist eine Fähigkeit der “faustischen” Seele: darum können auch nur Abendländer die historische Wirklichkeit, ihre eigene und diejenige anderer, erkennen: “Wir Menschen der westeuropäischen Kultur sind mit unserem historischen Sinn eine Ausnahme und nicht die Regel, “Weltgeschichte” ist unser Weltbild, nicht das “der Menschheit”. Für den indischen und den antiken Menschen gab es kein Bild der werdenden Welt und vielleicht wird es, wenn die Zivilisation des Abendlandes einmal erloschen ist, nie wieder eine Kultur und also einen menschlichen Typus geben, für den “Weltgeschichte” eine so mächtige Form des Wachseins ist. (“Untergang des Abendlandes”, dtv, 3.Aufl. 1975,20f.)
Auch das Fortschrittsdenken des 19. Jahrhunderts — das noch immer die Weise bestimmt, in der die sozialen und juridischen InstÏtutionen, die Wirtschaft, die Wissenschaft und die Technik aufgefasst werden — geht auf dieses faustische Lebensgefühl zuruck.
Interessant bei Spengler ist, dass es zwar den Zerfallsprozess der faustischen Seele erklärte, aber nicht sagen konnte, in welchen Formen sich dieser Zerfallsprozess vollzieht. Der Zerfallsprozess bei Spengler zeichnet sich aus durch den Übergang von Kultur in Zivilisation. Zivilisation ist bei Spengler ein bloßes, seelenloses Nebeneinander ehemaliger kultureller Formen, die sich nur neu kombinieren, zitieren, reproduzieren, kosmopolitisieren. Spengler hatte damit die Postmoderne und die multikulturelle Gesellschaft vorhergesagt.
Interesant ist auch, dass in dem Roman von Hesse “Das Glasperlenspiel” etwas vergleichbares erzählt wird. Genau wie Spengler rechnet auch Hesse mit einem Zerfallsprozess, der aber in seiner Enticklung ganz neue Formen entwickelt.
Dabei handelt es sich dann um den Cyberspace und Internet als “digitale Seele.”
Hm. Kusanowsky. Da haste mir einen hingeworfen. Spengler ist mir entgangen. Außer Gerüchten über kenne ich nichts von ihm. Und diese Gerüchte trieben mich nicht gerade an seine Schriften. Bei der einen oder andern deiner Kategorie räufelts mir kurzzeitig die Fußnägel — will heißen: Der Seelenbegriff mindestens. Ich muss deinen Kommentar mal in Ruhe bedenken.
Worauf ich eigentlich hinauswollte, ist vielleicht eher dem Systembegriff verwandt. Vielleicht etwas verplättend ausgelegt als ein sich halb materialisiert habendes System. Zunächst als metallene oder gläserne Leitungen oder Funksignale (das wäre der materielle Teil), zugleich als Kommunikationswege, die permanent offen stehen und doch geschlossen sind. Will heißen: Als würden die Kommunizierenden lediglich in Röhren sprechen und daraus hören können, neben den Röhren aber herrschte Stille (nun ja kind of). Diese geradezu weltbildenden und zum universalen Kommunikationsnetz sich ausbildenden Netzleitungen mit sämtlichen Unternetzen (Das System als Netz der Weltgesellschaft?) werden zu einer durch Kommunikation bewerkstelligten Weltverbindung, die eben nicht nur eine gemeinsame Welt zu schaffen im Begriff ist, sondern diese auch zusammen halten wird. Cisco unterscheidet zwischen Computernetzwerk und Human Network — ersteres verband Maschinen, letztes Menschen bzw. Kommunikatoren. Und da diese Kommunikatoren nur in der Kommunikation sind (im emphatischen Begriff von sein), zugleich aber demjenigen, mit dem kommuniziert wird, der Gesprächspartner immer nur in der und als Kommunikation “anwesend” ist, hält es eine Welt zusammen. Und zwar nicht eine Welt, die es auch ohne dieses Netz gäbe, sondern eine erst durch das Netz entstandene Welt. Das find ich am Internet als faustischen Gedanken spannend. Ob das den spenglerschen Raum als Cyber-Space mit einschließt — vermag ich nicht zu entscheiden.
So viel zunächst. Ich denke weiter drüber nach. Und entwirre mich.
Sehe jetzt erst den letzten Satz (so gehts …): …“Cyberspace und Internet als “digitale Seele.” Wenn die Seele diesen halbmateriellen Zwitterzustand des Internet besitzt — wäre das ein interessanter Seelenbegriff. Halb metallisches Geflecht, halb kommunikation. Als Cyberspace halb kommunikatives Rauschen, halb Imagination der Kommunizierenden an der anderen Seite der “Röhre”. Den Seelenbegriff, den das nicht zerreißt, müsste man wohl noch erfinden …
[…] innerhalb der Weltgeschichte, nämlich der Altersperiode der abendländischen Kultur, deren faustische Seele zur Zeit Karls des Großen zur Welt kam und welche sich im Laufe des 20. Jahrunderts von der Welt […]