In einer Artikel von Konrad Lischka auf Spon (hier) findet sich eine Bemerkung, die es m.E. erlaubt, eine Vision für die zukünftige Entlohnung von Urhebern zu erarbeiten. Zwar krankt m.E. Lischkas Artikel grundsätzlich in seinem Tenor an der Unschärfe von Urheber- und Verwertungsrecht, im Verlauf findet sich aber die folgende, m.E. weiterführende Bemerkung:
…Apple, Facebook, Google, Megaupload, Spotify und all die anderen Makler verwerten in der einen oder anderen Form die Werke von Urhebern. Viele alte Verwerter aus der Unterhaltungsbranche bezahlen die meisten Urheber schlecht und wenige sehr gut. Dieses Verhalten gilt bei Kritikern der “Contentmafia” als Ausbeutung. Allerdings bezahlen viele neue Verwerter im Web — etwa Megaupload — Urhebern gar nichts. Bei ihnen sehen die Kritiker der “Contentmafia” dann aber über die Ausbeutung hinweg und loben die Innovationen, die nur leider mit dem überholten Urheberrecht kollidieren.
Das ist für mich überzeugend: Die benannten Digitalunternehmen stehen an der Stelle traditioneller Verwerter wie Verlage, Musikunternehmen, Filmunternehmen. Sie profitieren in gewaltigem Umfang von den Inhalten, die sie bereitstellen. Lassen wir die traditionellen Verwerter einmal gedanklich außen vor und stellen sie auf die letztens angemahnte Abraumhalde der Geschichte – so stellt sich die Frage nach Urheber- und Verwertungsrecht anders. Sie lautet: Wie können die geistigen Urheber, die Kreativen und Journalisten, für ihre Arbeit von diesen Verwertern „angemessen vergütet“ werden – wie es das Urheberrechtsgesetz vorsieht?
Das ist gar so schwierig nicht. YouTube lebt von den Filmen, die von Usern eingestellt werden. Megaupload wäre nichts ohne die Dateien, die von Usern hochgeladen werden. Und auch Facebook wäre nur eine blauweiße Wüste, würden nicht die Mitglieder wie wild Inhalte mit ihren Freunden teilen. Ich hatte hier schon vor einiger Zeit ausgeführt, dass ich das aktuelle, kundendatenbasierte Geschäftsmodell von Facebook eher für ein Übergangsphänomen halte und davon ausgehe, dass Facebook zukünftig über die – noch relativ wenig bekannten und genutzten – Facebook Credits seine größte Chance hat, zu einem digitalen Bezahlsystem zu werden. Ohne diese Debatte in aller Tiefe zu führen, lässt sich doch spekulativ ein Geschäftsmodell entwickeln, an dem sowohl Facebook wie auch Urheber in breiter Masse partizipieren können. Diese kleine Spinnerei möchte ich hier wiedergeben, um der Urheberrechtsdebatte vielleicht eine zukunftsweisende Dimension zu geben, anstatt immer nur Abwehrschlachten gegen die Durchsetzung überholter rechts- und Geschäftsmodelle im Netz zu führen.
Facebook als Verwerter
Facebook lebt davon, dass Mitglieder attraktive Inhalte mit ihren Freunden teilen, attraktive Inhalte erstellen und Inhalte anderer weiterverbreiten, liken und kommentieren. Hochwertiger Content liegt also im Interesse von Facebook. Zugleich sind es diese Inhalte, die Facebook für Urheber (die ihre Ideen mit Freunden und Fans teilen können) wie für „Konsumenten“ attraktiv. Begreifen wir also versuchshalber Facebook als Verwerter und überlegen, wie damit eine „angemessene Vergütung“ bewerkstelligt werden kann.
Facebook Kreativbudget
Um eine angemessene Vergütung bereitstellen zu können, braucht Facebook hinreichende Einnahmen. Das kann m.E. relativ simpel erreicht werden durch kostenpflichtige Mitgliedschaften. Es bleibt bei einer kostenlosen Basismitgliedschaft mit eingeschränkten Funktionalitäten. Dazu kommt eine Premiummitgliedschaft, die sich vielleicht einfach durch Werbefreiheit auszeichnet. Oder durch andere differenzierende Funktionen. Wäre zu klären. Sicher wird die große Masse bei Free Accounts bleiben – aber vielleicht 10% der 800 Millionen Mitglieder werden auf Premium umstellen. Bei einem durchschnittlichen Betrag von 5 Euro pro Monat kommen damit 4,8 Milliarden Euro pro Jahr zusammen. Davon gehen 20% in die Kasse von Facebook, die restlichen ca. 4 Milliarden werden ausgeschüttet.
Zusätzlich werden Unternehmensseiten kostenpflichtig. Google tut das bei YouTube bereits: Brand Channel Seiten kosten die Unternehmen – ich habe leider keine genauen Zahlen, für Hinweise wäre ich dankbar – fünfstellige Jahresbeträge. Ich fand Zahlen zwischen 25.000 Euro und 100.000 Euro, die von Google in Promotionmaßnahmen für diesen Channel umgerechent werden. Heißt: Unternehmen legen ordentlich Geld auf den Tisch, um eine eigene YouTube Präsenz aufzubauen und zu promoten. Eine solche Finanzierungsquelle könnte auch Facebook erschließen, zumal gerade weltweit unzählige Unternehmen auf Facebook drängen. Das ließe sich – um Kleinunternehmen oder Künstler nicht zu belasten – auch mit einer Fanzahl verbinden: Ab 25.000 Fans kostet die Page Geld. Mit wachsender Fanzahl wachsen die Kosten. Das dürfte locker noch einmal über 4 Milliarden Euro (ich phantasiere frei) in die Kasse spülen. Blieben also vielleicht 8 Milliarden als ausschüttbares „Kreativbudget“.
Ausschüttung des Kreativbudgets
Die Mitgliedsbeiträge von Usern mit persönlichen Seiten werden in Facebook Credits umgerechnet. Die 5Euro entsprechen 5000 Credits, die monatlich zu bezahlen sind. Nun lassen sich aber (das ist die Idee) Credits auch auf andere Weise erwerben: Durch Likes und Comments auf meine Inhalte. Um wieder in Phantasiezahlen zu spielen: Ein „Like“ bringt mit 10 Credits, ein Comment 15, ein Share 50. Für Unternehmen gilt das natürlich nicht – lediglich für normale Mitglieder.
Ich kann nun also durch gewertschätzte Inhalte dafür sorgen, dass mein Mitgliedsbeitrag geringer wird – kann aber zudem mein Konto auch über den Mitgliedsbeitrag auffüllen, um damit in den möglichen Genuss einer Ausschüttung zu kommen. Zudem werden aus externen Quellen in Facebook hinein gesharte Inhalte (wie etwa durch das Liken hier auf dem Blog, das dann in Facebook gelangt) weitere und höhere Credits erwirtschaftet – sagen wir der Einfachheit 100.
Heißt: Wird ein Posting von mir 10mal zu Facebook geshared, bringt das 1000 Credits. Wird es auf Facebook dann 50mal geliked, bringt das weitere 500 Credits. 10 Comments noch 150. Und Facebook internes fünfmaliges Sharing weitere 250. In Summe: 1900 Credits. Nicht toll viel? Stimmt. Es ist allerdings lediglich ein einziger Inhalt, der im restlichen Monat mit weiteren Inhalten zusammengerechnet wird. Gelikede Originalpostings auf Facebook, gesharte Bilder usw. bringen weitere Credits, die sich jenseits der 5000 Beitragscredits zu einem positiven Revenue addieren können. Davon wird der Ottonormalkreative nicht leben können – aber er wird mehr erhalten, als in der traditionellen Verwertungsökonomie, die einen solchen Kleinkreativen gar nicht auf den Markt gelassen hätte. Und Content, der eben nicht 10mal zu Facebook geshared wird, sondern 100mal oder 1000mal wird in Addition durchaus denkbar als relevante Einnahmequelle. Details to be done.
Und Google?
Noch ist G+ nicht nachhaltig genug, um mit einem ähnlichen Modell an den Start zu gehen – wohl aber YouTube. Warum nicht hier ebenfalls eine Vergütung vorsehen für angesehene Inhalte? Eine gemeinsame Abrechnung mit Facebook sorgt dafür, dass aus YouTube auf Facebook gesharete Inhalte wiederum dem Urheber zugute kommen. Usw.
Die Unternehmensabrechnung
Wie ich ebenfalls bereits vor einiger Zeit schon hier geschrieben hatte, müsste das Abrechnungsmodell für Unternehmen etwas anders aussehen: Eine „Cost per Like“ Abrechnung. Das heißt: Unternehmensinhalte, die geliked, kommentiert, geshared werden, müssen von der Unternehmen nach Interaktion bezahlt werden. Ein „Like“ kostet dann eben 5 Credits. Und das hineinsharen eines Unternehmensinhaltes von der Unternehmensseite nach Facebook wird mit 50 Credits abgerechnet. Denn letztlich profitieren die Unternehmen davon, dass es auf Facebook Urheber gibt, die Inhalte mit ihren Freunden teilen – denn nur so können sie sich mit ihren Inhalten Aufmerksamkeit verschaffen.
Spinnerei?
Natürlich ist das ziemlich viel Phantasterei – zumal niemand Facebook zu einem solchen Schritt zwingen kann, da Facebook momentan auch so schon glücklich genug mit den Einnahmen ist. Wenn man aber ernsthaft über ein der Digitalökonomie angemessenes Vergütungsmodell nachdenkt, sind – wie Lischka schreibt – die neuen Verwerter durchaus relevanter als die alten Verlagshäuser. Diese Unternehmen in einen Wettbewerb um kreative Inhalte zu bringen, aufmerksamkeitsstarke Inhalte an sich zu binden, anstatt auf andere Plattformen gehen zu lassen, kann den Kreativen und Journalisten finanziell nur gut tun.
Digitalökonomische Implikation: Paying (with) attention
Mir scheint dieser Ansatz auch deswegen ganz verfolgenswert, weil er eine direkte Kopplung von Aufmerksamkeit und Ertrag bietet. Das heißt: Inhalte werden um so wertvoller, je mehr Aufmerksamkeit sie bekommen. Aufmerksamkeit wird mehr oder weniger direkt konvertibel in klingende Münze, anstatt wie in der Industrialökonomie werbliche Aufmerksamkeit zu erlangen, die dann durch einen Kaufakt realisiert wird. Der Gedanke des digitalen „Raubkopierens“ wird hinfällig, weil der Akt der Rezeption in sich selbst bereits mit einer Entlohnung verbunden ist. Ich kaufe nicht etwas, das ich dann ansehe (oder ich kaufe es eben nicht) – sondern ich bezahle durch das Ansehen und „Liken“.
„Liking is paying (with) attention“.
Blöd?
P.S. Falls jemand beim Lesen denkt „das kenn ich doch irgendwoher“ – richtig. Es ist nicht weit entfernt vom flattr-Modell. Allerdings halte ich es für praktikabler. Soll Facebook doch flattr kaufen. Geld Genug dafür dürfte demnächst vorhanden sein.