Die Antiquiertheit des szenischen Schreibprozesses II

November 22nd, 2012 § 4 comments § permalink

Thea­ter ist ganz selbst­ver­ständ­lich ein kol­la­bo­ra­ti­ver Pro­zess, aus dem, über­ra­schen­der­wei­se, nur eine Funk­ti­on nahe­zu kom­plett aus­ge­schlos­sen ist: die Schrei­ber. Das sorgt dafür, dass „eigen­stän­di­ge“ Tex­te ent­ste­hen, mit denen Thea­ter meis­tens in die­ser Form, mit die­ser Beset­zung, in die­ser Tona­li­tät nichts anfan­gen kön­nen. Und es sorgt auch, auf­grund der damit ver­bun­de­nen Unge­wiss­heit hin­sicht­lich der Finan­zie­rung der eige­nen Arbeit, dafür, dass Schrei­ber nach eini­gen Tex­ten auf­ge­ben. Wer wäre so dumm, seri­en­wei­se Tex­te zu pro­du­zie­ren, die kei­ne Abneh­mer fin­den? Die nur ein paar­mal auf einer Neben­stät­te gespielt wer­den? Die, selbst wenn sie Ein­nah­men erbrin­gen, die­se Ein­nah­men – auf­grund der lang­wie­ri­gen Vor­lauf­zei­ten – so spät kom­men, dass inzwi­schen irgend­ein Brot­job ange­nom­men wer­den muss? Der übli­cher­wei­se durch­aus für eine Aus­las­tung in einem Maße sorgt, dass kon­zen­trier­tes Schrei­ben dann nicht mehr mög­lich ist. Dass die ers­ten Arbei­ten direkt eine Per­fek­ti­on haben, dass meh­re­re Häu­ser sie spie­len, ist zumeist nur dem jähr­li­chen Hype-Autor gegönnt. Der zwei oder drei Tex­te spä­ter dann wie­der in der Ver­sen­kung ver­schwin­det. Oder einer Hand­voll Groß­au­to­ren von der Kate­go­rie Hand­ke, Strauß, Jeli­nek, die „es geschafft“ haben.

Hin­ter die­sem Umgang mit Schrei­bern und Tex­ten schlum­mert noch immer der Mythos vom Ori­gi­nal­ge­nie, vom aus sich selbst und ein­sam schaf­fen­den Schrift­stel­ler, der in sei­nem Stüb­chen den Kampf mit sich und der Welt auf­nimmt und als Sieg die­ses Kamp­fes einen Text vor­legt. Die­sen Mythos gilt es zu zer­trüm­mern. Weil er der Arbeits­wei­se der Gegen­wart nicht » Read the rest of this entry «

Die Antiquiertheit des szenischen Schreibprozesses I

November 22nd, 2012 § Kommentare deaktiviert für Die Antiquiertheit des szenischen Schreibprozesses I § permalink

Die Funk­ti­on des Autors im Stadt­thea­ter der Gegen­wart ist nichts weni­ger als eine Para­do­xe. Einer­seits als Publi­kums­ma­gnet auf Spiel­plä­ne und Pla­ka­ten ein­ge­setzt, ist „der Autor“ und sei­ne Aukt­ori­a­li­tät, sei­ne Herr­schaft über Sinn und Gestalt der Auf­füh­rung (in einem nai­ven Ver­ständ­nis die­ser Begrif­fe, die jeweils ein­zeln und in ihren Zusam­men­spiel aller­dings zu befra­gen wären) doch in keins­ter Wei­se mehr garan­tiert. Regie ver­steht sich nicht mehr als blo­ße Inter­pre­ta­ti­on, schon gar nicht als einer Treue gegen­über dem Text­werk ver­pflich­tet. Das Selbst­ver­ständ­nis moder­ner und post­dra­ma­ti­scher Regie umfasst expli­zit den Anspruch eines frei­en Umgangs mit vor­lie­gen­den sprach­li­chen Arte­fak­ten, inklu­si­ve der Strei­chung oder Umstel­lung, des text­li­chen Mesh-ups, der Ein­be­zie­hung nicht ori­gi­när für die Büh­ne geschrie­be­ner Tex­te wie Roma­ne, Dreh­bü­cher oder Doku­men­te und Text­sor­ten unter­schied­lichs­ter Pro­ve­ni­enz. Das sorgt für den Reich­tum des aktu­el­len Thea­ters, auch wenn gele­gent­lich noch immer Häup­ter sich recken, die dem Autor und sei­ner Inten­ti­on das Pri­mat zurück ertei­len wol­len (wie zuletzt und wie­der ein­mal Kehl­mann). Die­se Schlach­ten kön­nen als geschla­gen, » Read the rest of this entry «

Stadttheater – Zerquetscht wie eine Nussschale?

Oktober 24th, 2012 § Kommentare deaktiviert für Stadttheater – Zerquetscht wie eine Nussschale? § permalink

Man muss schon in beson­de­rer Wei­se lei­dens­fä­hig sein, um in Zei­ten wie die­sen an einem Stadt­thea­ter zu arbei­ten und es zu ver­tei­di­gen. In einem Umfeld mit zuneh­men­dem Ver­än­de­rungs­druck und immer aggres­si­ve­ren Reform­for­de­run­gen die eige­ne tra­di­ti­ons­för­mi­ge Arbeit wei­ter zu betrei­ben, nötigt durch­aus Respekt ab. Einer­seits. Ande­rer­seits droht es zu dem Ende zu füh­ren, das Mar­tin Sem­mel­rog­ge als Wach­of­fi­zier schon in Das Boot ankün­dig­te, als es lang­sam zu Grun­de ging: Wenn der Außen­druck zu groß wird, wird es zer­quetscht wie eine Nuss­scha­le. Nach­dem die­se Debat­te sich auf den unter­schied­lichs­ten Platt­for­men und Medi­en abspiel­te, star­tet nun die Uni­ver­si­tät Hil­des­heim mit einer Ring­vor­le­sung noch eine aka­de­mi­sche Breitseite.

Woher kommt der Druck? Fas­sen wir eini­ge Kom­po­nen­ten (Ergän­zun­gen ger­ne per Kom­men­tar) zusammen:

Zuschau­er­zah­len: Wahr­schein­lich guckt wie­der kein Schwein

Aus­las­tungs­zah­len sind nichts Neu­es, sie erfül­len in etwa die Funk­ti­on der Ein­schalt­quo­ten und Auf­la­gen. Sie mes­sen eigent­lich nichts, aber man­gels einer bes­se­ren Quan­ti­fi­zie­rung zieht man sie her­an, um die Arbeit ins­be­son­de­re einer Thea­ter­lei­tung zu bewer­ten. Ergänzt noch um die Ein­nah­men, die damit erzielt wer­den. Dass das zu einer unge­sun­den Pro­duk­ti­ons­be­schleu­ni­gung führt, um in Zei­ten schwin­den­der Thea­ter­in­ter­es­sier­ter die weni­ger ver­blei­ben­den Besu­cher öfter ins Thea­ter zu holen, habe ich schon vor eini­ger Zeit hier aus­ge­führt. Es ist eine Spi­ra­le, die dafür sorgt, dass in immer kür­ze­ren Pro­ben­zei­ten „Pro­duk­tio­nen“ erzeugt wer­den müs­sen, die dann immer weni­ger Vor­stel­lun­gen haben. Und deren Qua­li­tät sich sicher­lich nicht durch Pro­duk­ti­ons­be­schleu­ni­gung stei­gert. Oder in Faust-Spek­ta­kel wie in Frank­furt enden, die das Unzu­läng­li­che zum Ereig­nis machen tun.

Finan­zie­rung: Spa­ren wir uns das Theater

Je weni­ger Rück­halt Thea­ter in der städ­ti­schen Öffent­lich­keit haben, des­to leich­ter fällt es in Zei­ten ange­spann­ter öffent­li­cher Haus­hal­te deren Bud­gets zu kür­zen, Spar­ten zu strei­chen, Häu­ser zusam­men zu legen. Oder Thea­ter ein­fach dicht zu machen. Das Kri­so­me­ter auf nacht­kri­tik lis­tet – lei­der wohl nicht mehr aktu­ell gepflegt, da etwa die aktu­el­len Wup­per­ta­ler Ent­wick­lun­gen dort nicht zu fin­den sind – in einem Kata­log der Schre­cken die an vie­len Orten anzu­tref­fen­de Mani­pu­al­ti­on des Geld­hahns auf.

Die Kul­tur­in­farkt-Fuz­zis: Immer fes­te druff

Sekun­diert wer­den die­se finanz­po­li­ti­schen Ein­schnit­te von den Autoren des berüch­tig­ten „Kul­tur­in­farks“ (mei­ne Rezen­si­on hier). In kru­der Ver­mi­schung einer­seits durch­aus beden­kens­wer­ter Ein­wän­de und Beob­ach­tun­gen mit einem Gene­ral­an­griff auf die deut­sche Thea­ter­land­schaft lie­fern die Ver­fas­ser die argu­men­ta­ti­ve Unter­füt­tern für Kür­zungs­be­stre­bun­gen – täte es doch ihrer Mei­nung nach nicht nur die Hälf­te des Bud­gets für die Stadt­thea­ter, son­dern die Hälf­te täte der Thea­ter­land­schaft auch noch gut.

Stadt­thea­ter­de­bat­te: Geld den frei­en Hüt­ten, Sturm auf die Paläste

In der auf nacht­kri­tik geführ­ten und von Mat­thi­as von Hartz mit einem Bei­trag dort begon­ne­nen Debat­te wer­den Stadt­thea­ter und freie Grup­pen gegen­ein­an­der geführt – mit der Behaup­tung, Inno­va­tio­nen (Ein ziem­lich unglück­li­cher Begriff in die­sem Zusam­men­hang) kämen in der letz­ten Zeit vor­nehm­lich von den Frei­en. Und ent­spre­chend sol­le ihnen eine bes­se­re Finan­zie­rung auch auf Kos­ten der Stadt­thea­ter zukom­men. Die Tei­le der Debatte:

Mat­thi­as von Hartz: Dem Stadt­thea­ter ist noch zu helfen
Ulf Schmidt: Die Funk­ti­on des Stadt­thea­ters – zum Thea­ter in der Netzgesellschaft
Ute Nys­sen: Die Geburt des Autors aus dem Nach­spie­len
– zu Neu­er Dra­ma­tik im Repertoirebetrieb
Tors­ten Jost und Georg Kasch:
Kraft­zen­tren im Dickicht der Städ­te – Stadt­thea­ter als kom­mu­na­ler Diskursmotor
Niko­laus Merck: Ten­den­zi­el­ler Fall der Legi­ti­mi­täts­ra­te
– Ein Brief zum Arbeits­buch “Heart of the City. Recher­chen zum Stadt­thea­ter der Zukunft”
Dirk Pilz und Chris­ti­an Rakow  im Inter­view mit Ulrich Khuon:
In den Städ­ten fin­den Kämp­fe statt -
Eine Rei­he wei­te­rer inter­es­san­ter Tex­te auf nacht­kri­tik hier.

Zudem ist das Thea­ter der Zeit Arbeits­buch „Stadt­thea­ter der Zukunft“ zwar auf Inspi­rie­ren­des für die besag­te Zukunft aus­ge­rich­tet, muss aber natür­lich dabei auch als Kri­tik am Bestehen­den ver­stan­den wer­den, wie es in der Beschrei­bung des Ban­des auch zu lesen ist:

Die als not­wen­dig ange­nom­me­ne Neu­be­stim­mung der Insti­tu­ti­on Stadt­thea­ter vor­aus­ge­setzt, woll­ten wir mit den Recher­chen der hier ver­sam­mel­ten Autorin­nen und Autoren Mate­ria­li­en für unse­re tas­ten­den Ver­su­che auf schwan­ken­dem Boden zusam­men­tra­gen. (Quel­le)

Hil­des­hei­mer Ring­vor­le­sung: Geball­te pro­fes­so­ra­le Macht

Seit heu­te fin­det an der Uni­ver­si­tät Hil­des­heim eine (auf nacht­kri­tik durch The­sen­zu­sam­men­fas­sun­gen doku­men­tier­te) Ring­vor­le­sung (Fly­er­down­load) statt, mit dem Titel „Thea­ter. Ent­wi­ckeln. Pla­nen.“ Als Auf­takt ist Prof. Dr. Wolf­gang Schnei­der, Direk­tor des Insti­tuts für Kul­tur­po­li­tik der Uni­ver­si­tät Hil­des­heim an den Start und das Pult getre­ten. Die The­sen sind auf nacht­kri­tik hier zu fin­den. Ein kur­zes Zitat aus den (lesens­wer­ten) Thesen:

Die Situa­ti­on, in der wir uns im Moment befin­den, ist nicht nur eine Fol­ge des Ver­sa­gens der Kul­tur­po­li­tik, son­dern auch der Thea­ter. Wenn sie sich selbst für neue For­men geöff­net haben, dann nur in eini­gen weni­gen Pro­jek­ten. Wenn sich etwas geän­dert hat, dann eigent­lich nur » Read the rest of this entry «

Veranstaltungshinweis: Theatercamp Hamburg im November

Oktober 9th, 2012 § Kommentare deaktiviert für Veranstaltungshinweis: Theatercamp Hamburg im November § permalink

Trotz der Erfah­run­gen mit der miss­ra­te­nen Spiel­plan­wahl Anfang des Jah­res bleibt das Ham­bur­ger Tha­lia Thea­ter in Sachen Aus­ein­an­der­set­zung mit dem, was man land­läu­fig Social Media nennt, am Ball: Am 11. Novem­ber (also zu Beginn der Kar­ne­vals­sai­son …) wird dort eine als Bar­Camp beschrie­be­ne Ver­an­stal­tung statt­fin­den, das Thea­ter­camp 2012 (hier der Hin­weis vom Tha­lia, hier die Ver­an­stal­tungs­sei­te). Lei­der gibt man der Ver­an­stal­tung nur etwa acht Stun­den Zeit und Raum — immer­hin mehr als nichts. Wenn auch mehr mehr gewe­sen wäre. Sein wür­de. Hät­te können.

Die Fra­gen, die man sich in der Ver­an­stal­tungs­be­schrei­bung stellt, sind die­je­ni­gen, die sich auch so ziem­lich jedes Unter­neh­men stellt, das sich mit Social Media aus­ein­an­der­setzt: Wer­den wir damit nicht zu trans­pa­rent? Kön­nen wir hier Tickets ver­kau­fen? Las­sen sich Social Media für die Ver­än­de­rung unse­res Ange­bots nut­zen? Oder haben wir lan­ge genug gewar­tet, um jetzt den gan­zen Social Media Kram als abeb­ben­den Hype kate­go­ri­sie­ren und damit igno­rie­ren zu kön­nen? Ziem­lich vie­le und ziem­lich fun­da­men­ta­le Fra­gen für acht Stun­den. Aber ein span­nen­der Beginn viel­leicht von etwas.

Auf der Ver­an­stal­tungs­web­sei­te (hier) las­sen sich noch Ses­si­on-Vor­schlä­ge unter­brei­ten. Bis­her gibt es Bei­träg zu Dra­ma­tur­gien 3.0 – Rezep­ti­ons­ver­hal­ten und Erzähl­for­men von Jochen Strauch, Ein Tweet­up für die Kul­tur. Neue Ver­an­stal­tungs­for­ma­te von Ulri­ke Schmid und Bir­git Schmidt-Hur­ti­en­ne, sowie Das Thea­ter Heil­bronn im Social Web von Kat­rin Schröder.

In jedem Fal­le gilt auch hier, was vom Thea­ter grund­sätz­lich zu sagen ist: Wer nicht da ist, kann nicht mit­re­den und sich kein eige­nes Bild machen. Also: hin­fah­ren! Wenn nichts dazwi­schen kommt, wer­de ich da sein.

Der Marienthaler Dachs – vom Verlag angenommen

Oktober 8th, 2012 § Kommentare deaktiviert für Der Marienthaler Dachs – vom Verlag angenommen § permalink

Zu mei­ner nicht gerin­gen Freu­de hat der Ver­lag der Autoren sich letz­te Woche ent­schie­den, den Mari­en­tha­ler Dachs ins Ver­lags­pro­gramm auf­zu­neh­men. Damit ist zwar zunächst nicht sehr viel, aber doch eini­ges gewon­nen. Solan­ge Thea­ter sich nicht dazu durch­rin­gen, sich durch das Gebir­ge zu bewe­gen, das die­ser Text ist, solan­ge sie nicht ver­ste­hen, war­um es ein sol­ches Gebir­ge ist und war­um es Lau­ne und Lust machen könn­te, Gebir­ge im Thea­ter zu durch­wan­dern, solan­ge sie den Vor­be­rei­tungs­auf­wand und das Risi­ko scheu­en, so lan­ge bleibt die­ser Text nur ein papier­nes Gebirge.

Immer­hin fast vier Jah­re – seit Novem­ber 2008 – hat die Arbeit an die­sem Text gedau­ert. Um über­haupt dar­an arbei­ten zu kön­nen, war ein neu­er Rech­ner mit zwei Bild­schir­men nötig. Zudem zeig­te sich die sehr unschö­ne Begren­zung » Read the rest of this entry «

Die künstlerische Ignoranz der Theater.

Juli 28th, 2012 § 2 comments § permalink

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Man möch­te es kaum glau­ben: in Kas­sel trifft sich die Kunst­welt, die Stadt wird zum Thea­ter. Und das Kass­ler Thea­ter? Macht Feri­en. Wisst ihr was, Kass­ler Thea­ter­ma­cher? Ver­laen­gert eure Feri­en ruhig. So bis in 30 oder 40 Jah­ren. Viel­leicht nützt euch die­se Bedenk­zeit ja…obwohl…vermutlich nicht. Wie dumm.

Beobachtete Beobachter #d13

Juli 28th, 2012 § Kommentare deaktiviert für Beobachtete Beobachter #d13 § permalink

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Men­schen beob­ach­ten durch eine Glas­schei­be Men­schen, die Objek­te hin­ter Glas betrach­ten (sag­te @slaemmer)

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Das Rätsel der dokumenta13 #d13 — gelöst

Juli 28th, 2012 § Kommentare deaktiviert für Das Rätsel der dokumenta13 #d13 — gelöst § permalink

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Wo ist denn hier das Kunst­werk — fra­gen sich die Besu­cher. Und bemer­ken nicht, dass sie es sel­ber sind.
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Der Bühnenverein auf der re:publica — ein Kasperltheater #rp12

Mai 3rd, 2012 § 1 comment § permalink

Wie letz­tens gepos­tet, haben die Inten­dan­ten im Deut­schen Büh­nen­ver­ein ein Expe­ri­ment unter­nom­men, um einen Fuß ins kal­te Netz zu stre­cken. Zusam­men mit Jovo­to wur­de ein “Crea­ti­ve Crowd­sour­cing” Pro­jekt gestar­tet, bei dem die Platt­form-Mit­glie­der kei­ne gerin­ge­re Fra­ge beant­wor­ten soll­ten, als  “Was ist das Thea­ter der Zukunft?”. Das hat natür­lich eini­ger Vor­dis­kus­sio­nen bedurft im Kreis der Inten­dan­ten. Eine Klau­sur­ta­gung mit ein­ge­la­de­nen Exper­ten. Und Abstim­mungs­run­den, was man denn sinn­voll fin­det und was nicht. Sol­che Din­ge wol­len reif­lich über­legt sein.

Zum Ergeb­nis lässt sich so wahn­sin­nig viel nicht sagen. Eini­ge der auf der Ver­an­stal­tung vor­ge­stell­ten Ideen waren eini­ger­ma­ßen ori­gi­nell oder schräg. Rich­tig ange­kom­men sind sie bei den Thea­ter­leu­ten, die die Ideen vor­stell­ten, nicht. Letzt­lich, so hieß es, sei das Publi­kum so digi­tal ja noch nicht, son­dern infor­mie­re sich über Thea­ter eher aus der gedruck­ten Zei­tung. Wes­we­gen man die “neu­en Medi­en” mit Fin­ger­spit­zen­ge­fühl anpa­cken müs­se. Selbst wenn man aus Fair­ness­grün­den kei­ne wei­te­ren ver­ba­len Auf­fäl­lig­kei­ten wie­der­gibt, lässt sich schon hier ein ganz fun­da­men­ta­les Pro­blem fest­stel­len. Die Thea­ter­leu­te auf dem Podi­um haben die Rele­vanz der — mit ca. 20 Jah­ren sicher nicht mehr “neu­en” Medi­en — nicht erkannt. Sie geben sich mit dem Print­pu­bli­kum zufrie­den, ohne dar­über nach­zu­den­ken, das die­ses mit den Zei­tun­gen selbst ver­schwin­den könnte.

Der Ideen­wettb­werb hat­te für die panel­an­we­sen­den Thea­ter­leu­te in etwa die prak­ti­sche Rele­vanz wie der Mal­wett­be­werb eines Spar­kas­sen­ver­ban­des. Hüb­sche Din­ge — aber doch nichts fürs Tages­ge­schäft. Mar­ke­ting und Wer­bung kön­ne man sicher mit cle­ve­ren Ideen anrei­chern, um “jun­ge Leu­te” (eine grau­en­vol­le For­mu­lie­rung von älte­ren Herr­schaf­ten, die die Welt nicht mehr ver­ste­hen) bes­ser zu errei­chen. Aber der Auf­trag des Thea­ters sei ja nun doch, tra­dier­te Inhal­te in neue Gewän­der zu klei­den. Das tue man ja schon. Etwa indem Figu­ren nur als Pro­jek­tio­nen auf der Büh­ne prä­sent sein las­se. Und twit­tern und pos­ten auf Face­book — tue man ja auch schon. Aber da kön­ne man sicher noch etwas mehr tun. In Sachen Werbung.

Das wirk­li­che Desas­ter aber …

Auf der re:publica ver­sam­meln sich etwa 4.000 krea­ti­ve, gesell­schafts­in­ter­es­sier­te, poli­tisch inter­es­sier­te, in vie­ler­lei Sin­ne krea­ti­ve, vor­wärts den­ken­de und avant­gar­dis­ti­sche Köp­fe. Und von die­sem 4.000 haben es gera­de ein­mal gut 30 (Panel­teil­neh­mer und Orga­team abge­zo­gen) in die Ver­an­stal­tung geschafft. In Zah­len: Drei­ßig. Eine zeit­lich rela­tiv gut gele­ge­ne (War­ten auf die Lobo-Sau­se) Ver­an­stal­tung über das Thea­ter lockt gera­de ein­mal 30 Zuhö­rer an. Viel­leicht sind die Thea­ter­leu­te schon zu sehr gewohnt vor lee­ren Sälen zu spie­len — der Saal 4 auf der re:publica bot geschät­ze 300 Sitz­plät­ze — als dass es ihnen noch auf­fie­le: Die kata­stro­pha­le und gäh­nen­de Lee­re aber war ein über­deut­li­ches State­ment der “jun­gen Leu­te” dazu, was sie vom Thea­ter hal­ten. Und wenn Thea­ter­leu­te nicht begin­nen zu ver­ste­hen, dass Thea­ter in der ent­ste­hen­den Netz­ge­sell­schaft (das Wort fiel immer­hin ein­mal) nicht heißt, ande­re Wer­bung zu machen, die PR twit­tern zu las­sen und noch ein paar Pro­jek­to­ren mehr auf­zu­stel­len, son­dern dass es viel­mehr dar­um geht, als gesell­schaft­li­che und sich als gesellschafts“kritisch” ver­ste­hen­de Insti­tu­ti­on die künst­le­ri­sche und intel­lek­tu­el­le Aus­ein­an­der­set­zung zu suchen, die eige­nen künst­le­ri­schen Mit­tel und orga­ni­sa­to­ri­schen Pro­zes­se zu über­prü­fen, grund­sätz­lich und umfas­sen infra­ge zu stel­len und gege­be­nen­falls neu zu erfin­den, kurz: Thea­ter in der Netz­ge­sell­schaft zu wer­den — dann wer­den die Thea­ter über kurz oder lang so leer sein, wie heu­te Saal 4 auf der re:publica. Und das haben sie auch so verdient.

Gewon­nen hat am Ende übri­gens — Ham­let. Kein Witz. Vor­ge­stellt wur­de eine “argu­men­ted (sic!) rea­li­ty” app fürs iPad, mit der User inter­ak­tiv … äh … irgend­wie ent­schei­den kön­nen, wor­an Ham­let stirbt. Oder so. Egal. Der Gewin­ner darf sich freu­en, das Preis­geld sei ihm gegönnt. Rea­li­siert wird das ver­mut­lich nicht. Und wenn doch: Geld bekommt er ver­mut­lich nicht dafür.  Außer dem Preisgeld.

Erfreu­li­cher­wei­se ergab sich nach die­sem Kas­per­let­ha­ter eine span­nen­de Unter­hal­tung mit Chris­ti­an Römer von der Boell-Stif­tung, bei der ich am 25. Mai an einer Podi­ums­ver­an­stal­tung zum Urhe­ber­recht teil­neh­men wer­de, und @twena Tina Lorenz, auf deren Vor­trag “Thea­ter und digi­ta­le Medi­en – ein Trau­er­spiel” mor­gen um 11.15 ich mich sehr freue. Die­ses Pos­ting ist als Fol­ge die­ses Gesprächs zu verstehen.

Theater als moralische Anstalt und unmoralisches Unternehmen – Teil 2

April 29th, 2012 § 1 comment § permalink

Nun also den bereits eigent­lich im letz­ten Pos­ting geplan­ten Rezen­si­ons­text zu „Unter­neh­mens­ethik für den Kul­tur­be­trieb – Per­spek­ti­ven am Bei­spiel öffent­lich recht­li­cher Thea­ter“ von Dani­el Ris, der nicht im enge­ren Sin­ne Rezen­si­on sein wird. Dazu hat die lite­ra­ri­sche Form der aka­de­mi­schen Mas­ter­ar­beit zu vie­le Eigen­ge­setz­lich­kei­ten, die zwar aka­de­misch begut­ach­tet wer­den, nicht aber rezen­siert wer­den kön­nen. Sie mögen ner­vig sein, gehö­ren aber zu die­ser Form. Dazu gehört die ein­lei­ten­de und für das eigent­li­che Ziel doch eher einen Umweg dar­stel­len­de Auf­ar­bei­tung unter­schied­li­cher Ethi­ken im All­ge­mei­nen und Ansät­zen für Unter­neh­mens­ethik im Beson­de­ren. Muss man so machen, macht er gründ­lich. So weit so gut.

Span­nend wird das Büch­lein an ande­rer Stel­le, in sei­nem empi­ri­schen Teil. Ris hat es geschafft, Inter­views mit einem Dut­zend Inten­dan­ten zu füh­ren und die­se zu ihren ethi­schen oder all­ge­mei­nen Grund­sät­zen der Mit­ar­bei­ter- und Unter­neh­mens­füh­rung zu befra­gen.  Es sind Klaus Zehelein (Prä­si­dent des Büh­nen­ver­eins), Ulrich Khuon (DT Ber­lin), Mar­tin Kusej (Staats­schau­spiel » Read the rest of this entry «

Where Am I?

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