Juni 13th, 2010 § Kommentare deaktiviert für Die Krise ist keine Wirtschaftskrise, sondern eine Gesellschaftskrise § permalink
Vor einigen Wochen hatte ich mich (hier und hier) dazu erhoben zu behaupten, das Wirtschaftssystem sei längst schon kein Subsystem der Gesellschaft mehr, sondern umgekehrt die Gesellschaft ein Subsystem der Wirtschaft. Echte Luhmann-Kenner und Systemtheoretiker wie Kusanowskys differentia und Strobl/Lübberdings weissgarnix würden mir dafür vermutlich den Allerwertesten versohlen, weil ich Luhmann dermaßen fehlinterpretiere und fehlverwende. Was mich nur dazu bringt, im Stehen weiterzuschreiben und mein Missverständnis so lange voranzutreiben, wie es fruchtbar scheint (wobei ich für Korrekturen selbstverständlich neugierig dankbar bin).
In der taz/Le Monde diplomatique ist an diesem Wochenende ein langer Artikel von Serge Halimi (mehr) zu finden mit dem Titel „Macht und Geld und Politik“ (hier). Darin argumentiert er an einer Reihe von Beispielen zur folgenden » Read the rest of this entry «
Juni 11th, 2010 § Kommentare deaktiviert für Sich Gesellschaft leisten in Trier mit Kritiken § permalink
So, zurück aus Trier. Tolle Tage, tolle Leute getroffen und enorm viel Inspirierendes mitgenommen. Neben Marx’s Geburtshaus auch das Theater, Intendant Weber, Chefdramaturg Petrer Oppermann, die Kollegin Sibylle Dudek, eine muntere Podiumsdiskussion mit u.a. Peter Spuhler, Markus Dietze, Prof. Dr. Franziska Schößler, Barbara Wendland, Tilman Gersch. Und natürlich eine wunderbare Uraufführung mit klasse SchauspielerINNen! Geschafft bin ich auch.
Und nun – was schreibt die Kritik?
Der Trierische Volksfreund fands “bärenstark”. In der rasant und sehr positiv geschriebenen Kritk (hier) heißt es unter anderem: » Read the rest of this entry «
Juni 11th, 2010 § Kommentare deaktiviert für Sich Gesellschaft leisten — Nachtrag § permalink
Leider hat WordPress das Video von hunderttausend.de (hier) zerschossen inklusive aller Links zu den Vorankündigungen. Deswegen (auch um interessierten potentiellen Besuchern einen schönen Vorgucker zubieten), hier nochmal das Video:
Und ich werde in den nächsten Tagen noch eine kleine Nachbetrachtung zur letzten Woche (evtl mit einigen Bildern) bieten.
Juni 3rd, 2010 § Kommentare deaktiviert für Theater nach Zahlen § permalink
Nur ein Gedanke beim Aufwachen: Ist ein Theater, das die ewigselbenvorlagen von tschechowhorvathibsenstrindbergundsoweiter immer wieder nur neu bebildert, coloriert und ausführt — etwas anderes als das beliebte Zeichenspiel “Malen nach Zahlen” für die Bühne? Ich habs mal grün ausgemalt. Oh, brav. Und ich ganz schwarz. Ohje, das geht aber nicht. Und ich habs schraffiert. Intéressànt! Übermalt, ich habs alles wild übermmal. Oh, du bist aber nicht brav. Ich hab ein Stück aus dem Malbuch gerissen. Du Teufel. Schau mal, Tante: Ich hab ihm einen Bart angemalt. Och, du Racker.
Hm. Vielleicht befindet sich Theater tatsächlich in einer Rohstoffkrise. Weil die Texte fehlen, die dringend benötigt würden, um die Produktion an demokratieverteidigender Flakmunition aufrecht zu erhalten. Das würde nach herrschenden Marktgesetzen heißen: Dass die Preise für hochwetige Rohstoffe (vulgo: Stücke) demnächst explodieren müssten. Toll.
Nachtrag: Ökologisch korrekt könnte man dieses Dauerrecycling natürlich begrüßen — aber ist eine solche Form des Rohstoffsparens im geistigen Bereich wirklich sinnvoll? Das Hirn ist kein Wiederkäuerorgan.
April 7th, 2010 § Kommentare deaktiviert für Banken-Tribunal in der Volksbühne, Wuppertaltribunal auf Nachtkritik § permalink
Eigentlich wollte ich schon seit Tagen Überlegungen zu der Frage posten, ob das Wuppertaler und anderortige Theatersterben auf Mord oder Selbstmord zurückzuführen ist. Eine Debatte, die auf Nachtkritik gewohnt kontrovers und leidenschaftlich geführt wird, meines Erachtens nur die eigentliche “Leidenden” dieser Schließungen nicht hinreichend in Betracht zieht. Denn wem gehört und zu welchem Zweck gibt es Theater in Wuppertal — wenn nicht zugunsten der Bürger Wuppertals. Und eigentlich wäre zu fragen, warum zwar über 50 Theater anreisen, um Solidarität mit ihren von Arbeitsplatz- und Kunstausübungsverlust bedrohten Kollegen zu demonstrieren — aber die Wuppertaler nicht lauter werden, weil man ihnen ihr Theater wegnehmen will. Es wäre an den Wuppertalern. Vielleicht aber ist den Wuppertalern der Erhalt von Schwimmbädern wichtiger als ihr Theater? Ich hab keine Ahnung, war nie in Wuppertal. Deswegen biege ich hier ab, um zum eigentlichen Thema des Postings zu kommen. Und weil ich leider noch nicht wieder fit genug bin, um solch eine Debatte wirklich zu führen.
Überleben werden meines Erachtens nur Theater, die es schaffen, in ihrer Stadt eine solche stadtgesellschaftliche Relevanz zu entfalten, dass Politik (die sich bekanntlich gerne an den Schwächsten vergreift), sich nicht traut, sie anzugreifen. Ich glaube nicht, dass das über Neuinterpretationen von Texten des klassischen Kanons machbar ist. Nicht mal mit einem noch so innovativ dargestellten Horvath. Die Zeiten sind anders als je zuvor. Und dem nachzugehen würde Theater relevant machen. Und damit zum Thema des Postings: Ich finde es enorm spannend, dass die Volksbühne zusammen mit Attac ein Bankentribunal (Flyer, Anklageschrift via nachdenkseiten) in der Tradition Russels veranstalten will. Ist das noch Theater — postdramatisch hin oder her? Springt das nicht noch sogar über Rimini hinaus? Ist das überhaupt Kunst? Egal! Denn was hier angestoßen wird, ist ein offenes Nachdenken. Ein Zugehen auf das Gegenwärtige, wie es Theatern bestens ansteht. Wenn es keine Stücke gibt, die es leisten, die » Read the rest of this entry «
März 20th, 2010 § Kommentare deaktiviert für Ökonomische Aufklärung — Beben der Medialität II § permalink
Letztens hatte ich vielleicht zum Ende desPostings hin leider ein wenig das Ziel aus dem Focus verloren. Deswegen jetzt der Versuch eines klärenden Nachtrages, der zudem verschiedene in diesem Blog bereits angeschnittene Themen wieder aufnimmt. These ist, dass eine ökonomische Aufklärung notwendig ist, wie sie als religiöse Aufklärung nach dem Erdbeben von Lissabon einsetzte. Die Theodizee-Frage hat erneut auf der Tagesordnung Platz — nur dass die Götter andere sind als der damalige Gott. Nicht etwa die sogenannten “gierigen” Banker. Nicht einmal dieser oder jener oder auch ein ganz anderer ökonomische Lehrer. Sondern der pantheistisch sich in alles hinein fräsende oder bereits enthaltene Gott der Ökonomie: pantha plerê oikonomikôn? Er ist ungreifbarer, dieser Gott. Wobei nicht nur die Frage nach seiner Gerechtfertigtheit zu stellen ist, sondern eigentlich die mittelalterliche Existenzfrage Gottes. Gesetzt den Fall, es glaubte niemand mehr an Gesetze der Ökonomie — würde es sie dann noch geben?
Irgendwann will ich zum Thema der drei Gesetze oder Gesetzesarten (Naturgesetze, positive Gesetze, ökonomisch-moralische Gesetze) posten. An dieser Stelle nur soviel vorab: Ich glaube nicht, dass es ökonomische Naturgesetze gibt. Sprich: Die Gesetze der Ökonomie werden den Märkten, ihren Teilnehmern, dem Handel, der Produktion, den Betrieben, Staaten und was es sonst noch gibt, nicht “abgelauscht” oder abgerungen. Sie werden nicht erkannt. Gleichzeitig sind sie natürlich kein positives Recht — denn es gibt keinen Gesetzgeber. Es kann keinen Geber solcher Gesetze geben, weil niemand » Read the rest of this entry «
März 10th, 2010 § Kommentare deaktiviert für Kraft mit Arbeit § permalink
Nur der Putzigkeit halber und weils so schön zu den Moraldebatten passt und den spätrömischen Leistungsanreiztheoremen, die da behaupten, Arbeit sei letztlich so überflüssig und unangenehm, dass man Menschen, die keine haben, den Unterhalt weit genug herunterkürzen müsse, das der knurrende Magen sie zurück an die Stechuhr treibt: Die Einlassungen der Frau Kraft aus NRW zum Thema zeigen, wie wundervoll würdeschaffend doch Arbeit ist:
Sie will Langzeitarbeitslose für gemeinnützige Arbeit etwa in Altenheimen oder Sportvereinen einsetzen, um ihnen ein Gefühl der Würde wiederzugeben. {…}
“Wir müssen endlich ehrlich sein: Rund ein Viertel unserer Langzeitarbeitslosen wird nie mehr einen regulären Job finden”, begründete Kraft ihre Initiative. Diese Menschen bräuchten ein neues Angebot, das ihnen eine “würdevolle Perspektive” gebe. (spOn)
Hm. Würde also. Perspektive. Du bekommst keine Arbei mehr, aber wir eröffnen eine Art Arbeits-Disneyland, das dir die Simulation von Arbeit verschafft. Und » Read the rest of this entry «
März 10th, 2010 § Kommentare deaktiviert für Die Arbeitsmoral darf nicht sinken! § permalink
Spiegel Online erfreut uns mit einem Artikelchen, das die in letzter Zeit hier gelegentlich geäußerte Kritik an wirtschaftswissenschaftlichen Erwägungen wunderbar zusammenführt — in einem Negativbild. Die Autoren Andreia Tolciu und Michael Bräuninger, offensichtlich zutiefst geprägt vom wirtschaftswissenschaftlichen Dressurmeerschweinchendenken, zeigen sich verwundert, dass bei den lächerlichen Löhnen, die etwa in Ostdeutschland gezahlt werden, überhaupt noch jemand arbeiten geht:
Diese nichtmonetären Faktoren, die das Verhalten und die Mentalität vieler Arbeitnehmer prägen, könnten erklären, warum es im Osten immer noch Friseurinnen gibt — trotz Stundenlöhnen von gerade mal vier Euro. Oder warum sich Niedriglöhner mit Kindern für Arbeit entscheiden — obwohl sie am Monatsende kaum mehr in der Tasche haben als eine Hartz-IV-Familie.
“Könnten erklären” — “nichmonetäre Fakten”. Hm. Aha.Dieses Erklärungsmuster gibt sogar Anlass, extra für diese Berufsgruppe der Sich-dummarbeiter die ökonomische Theorie zu überarbeiten:
Die Einstellungen einer Gesellschaft zur Arbeit haben große Bedeutung für das Funktionieren einer Volkswirtschaft. Die ökonomische Theorie sozialer Interaktionen zeigt, dass die Sozialstaatsdebatte nicht mehr nur auf eine klassische monetäre Kosten-Nutzen Analyse reduziert werden » Read the rest of this entry «
März 3rd, 2010 § Kommentare deaktiviert für Eine Heuschrecke namens EU? § permalink
Gerade auf tagesschau.de gelesen: Die Europäische Kommission will zukünftig ihren Tochterges… verzeihung: Mitgliedsstaaten konkrete Zielvereinbarungen verzeihung: Wachstumsziele vorgeben. Denn wie wir alle wissen sind Oberbehörden naturgegeben schlauer und kompetenter als untere Abteilungen. Die Abteilungsle… Regierungschefs werden zukünftig eng an ihren Generaldir … CEO… Kommissionspräsidenten repor… Bericht erstatten, wie es denn so vorangeht. Ob eine Bonifizierung damit verbunden ist — wer weiß es? Ich erlaube mir, einen Abschnitt aus tagesschau.de zu zitieren:
Um mehr Wirtschaftswachstum zu erreichen, seien messbare und klare Ziele notwendig. Neben den bereits beschlossenen Klimazielen lauten diese: Auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung steigen; derzeit sind es nicht mal zwei Prozent. Der Anteil der Erwerbsfähigen, die einen Arbeitsplatz haben, soll ebenfalls steigen. Im Moment haben nur zwei Drittel der Europäer im Alter zwischen 20 und 64 einen Job. Dieser Anteil soll künftig 75 Prozent erreichen. Außerdem müsse die Zahl der Menschen sinken, die von Armut bedroht sind — und zwar um 20 Millionen. Vor der Wirtschaftskrise waren es 80 Millionen.
Dass es auch weniger Regentage und mehr Sonnenschein zu geben habe um den Tourismus zu fördern, mehr Kinder ohne Helm radfahren müssen, damit die Gesundheitsindustrie angekurbelt wird — davon ist hier nicht die Rede.
Spaß beiseite: Die Operation mit quantitativen Zielvorgaben ist einer wirtschaftswissenschaftlichen Denkweise geschuldet und verpflichtet, die leider die gesamte Krise ausgelöst hat. Nun könnte man ja auf die Idee kommen zu sagen: nutzen wir das wirtschaftliche Anzeizsystem um die auf dieses System getrimmten Meerschweinchen in genau die Richtung zu locken, in die wir sie » Read the rest of this entry «