Citizen Empowerment in Afrika: Tunisia People and Cyber Revolution (Video)

Januar 25th, 2011 § 4 comments § permalink

Ein Video ver­sucht dar­zu­stel­len, dass die Geschwin­dig­keit der Ver­än­de­rung (oder Revo­lu­ti­on) In Tune­si­en ins­be­son­de­re den neu­en elek­tro­ni­schen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­me­di­en zu ver­dan­ken ist.

Intui­tiv wür­de ich dem fol­gen — lei­der gibt das Video aber kei­ne Hin­wei­se, wie tat­säch­lich die­se Medi­en genutzt wur­den. Mich wür­de schon inter­es­sie­ren, ob die (zeit­wei­se gesperr­ten Social Net­works) tat­säch­lich wesent­li­che Platt­for­men waren, die für die rasan­te Ver­brei­tung des Auf­stands gesorgt haben? Die fran­zö­si­sche » Read the rest of this entry «

Von der dramatischen Differenzgesellschaft zur Netzgesellschaft und Netzpolitik

Januar 22nd, 2011 § Kommentare deaktiviert für Von der dramatischen Differenzgesellschaft zur Netzgesellschaft und Netzpolitik § permalink

Oder: die Über­füh­rung von Poli­fe­renz in Dif­fe­renz und zurück

Die gele­gent­lich vor­ge­tra­ge­ne Behaup­tung, das Poli­ti­sche sei die Sphä­re des fun­da­men­ta­len Gegen­sat­zes gehört auf den Prüf­stand, ist so ein­fach nicht ste­hen zu las­sen. Letz­tens hat­te ich in Sachen Schmitt und Laclau/Mouffe ja schon dazu gepos­tet. Was mich noch nicht wirk­lich befrie­digt. Denn einer­seits ist die Dia­gno­se des grund­sätz­lich vor­han­de­nen gesell­schaft­li­chen Kon­flikts tri­vi­al im Hin­blick auf Bewe­gun­gen wie Klas­sen­kämp­fe, poli­ti­sche Wahl­kämp­fe, Apart­heid, Geschlech­ter­dis­kri­mi­nie­run­gen usw. Ande­rer­seits hal­ten die­se gene­ra­li­sier­ten Dif­fe­ren­zen einer genaue­ren Beob­ach­tung nur dann stand, wenn der Beob­ach­ter die Augen so weit zusam­men­kneift, bis er nur noch Schwarz-Weiß Unter­schie­de sieht.

Das Drit­te und die disper­sen Parteien

Nicht nur scheint regel­mä­ßig dort, wo eine Dif­fe­rent zu fin­den ist, ein aus­ge­schlos­se­nes, von der Dif­fe­renz nicht erfass­tes ter­ti­um zu geben. Sei es der Arbeits­lo­se, Beam­te oder Frei­be­ruf­ler bei Marx, der Par­ti­san im Krieg, der Nicht­wäh­ler oder die Kir­che in der Demo­kra­tie, der Homo­se­xu­el­le in der machis­ti­schen Gesell­schaft, der „Bas­tard“ in der Apart­heid und Aris­to­kra­tie usw. Son­dern viel­mehr erbringt schon das genaue­re Hin­schau­en, dass unter­halb die­ser Dif­fe­ren­zen wie­der­um eine Viel­zahl von Strö­mun­gen und Abschat­tun­gen vor­lie­gen, die inner­halb einer jeden Par­tei wie­der­um für unter­schied­li­che Strö­mun­gen (also Unter­tei­lun­gen) sor­gen, die mit­un­ter inner­par­tei­lich weni­ger Zusam­men­halt haben, als mit benach­bar­ten Strö­mun­gen der „Geg­ner“. Was aller­dings sich wie­der­um in selbst­ähn­li­chen Sub­dif­fe­ren­zie­run­gen in die Tie­fe hin­ab führt bis hin zu klei­nen Freun­des- oder Inter­es­sen­krei­sen. Und zeigt, dass die bei­den Sei­ten der Dif­fe­renz alles ande­re als homo­ge­ne Ein­hei­ten sind – es sei denn, sie wür­den mit Gewalt homo­ge­ni­siert (und gar uniformisiert).

Mau­rice Gau­chet: Tei­lung und Totalitarismus

Zufäl­li­ger­wei­se bin ich beim Her­um­le­sen in Lefort-Tex­ten in einem Rea­der-Bei­trag gelan­det, von dem ich annahm (Lese­feh­ler­halb­er) er sei von Lefort, zudem er sich weit­ge­hend auch so „anfühlt“. Je wei­ter ich damit kam, des­to mehr hat der Text elek­tri­siert. Es han­delt sich um Mau­rice Gau­chets  Die Tota­li­tä­re Erfah­rung und das Den­ken des Poli­ti­schen (hier ent­hal­ten). Ich habe noch nie von Gau­chet, einem Schü­ler von Lefort und Cas­to­ria­dis gehört. Aber nach dem Arti­kel scheint das ein Feh­ler zu sein. Zunächst beginnt er damit zu zei­gen, wie der Traum von der Homo­ge­ni­sie­rung der Tei­lung in den Tota­li­ta­ris­mus führt, der selbst wie­der­um eine Tei­lung (wider Wil­len) hervorbringt.

Gau­chet pos­tu­liert die „Not­wen­dig­keit, die Gesell­schaft von ihrer Tei­lung aus zu den­ken“ (209) und attes­tiert Marx einen blin­den Fleck in dem „Pos­tu­lat des sekun­dä­ren und auf­lös­ba­ren Cha­rak­ters der gesell­schaft­li­chen Tei­lung“ (210). Er hält dage­gen, dass ein sol­cher Staat ohne gesell­schaft­li­che Tei­lung ein tota­li­tä­rer Staat sein muss, der gewalt­tä­tig für die Homo­ge­ni­sie­rung sorgt (und man kann hin­zu­fü­gen: der die Tei­lung ledig­lich stra­ti­fi­ziert, indem er Herr­schen­de und Beherrsch­te teilt wie in der DDR). Das leuch­tet ein:

[Der Tota­li­ta­ris­mus] trägt das Schei­tern als Bedin­gung sei­ner Durch­set­zung in sich, inso­fern er sich nur durch das hin­durch her­stellt, was ihm » Read the rest of this entry «

Berlin 21.–23.1. Gorki-Theater und Der Freitag: “Der Teilhabekapitalismus und sein Ende”

Januar 17th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Berlin 21.–23.1. Gorki-Theater und Der Freitag: “Der Teilhabekapitalismus und sein Ende” § permalink

Ich wollt, ich wär ein Ber­li­ner: dann wäre ich am 21. bis 23. Janu­ar im Maxim Gor­ki Thea­ter zu fin­den, das zusam­men mit dem Frei­tag dann ein Spe­cial “mass­nah­men gesell­schaft­li­cher teil­ha­be” ver­an­stal­tet. Unter ande­rem mit Oskar Negt (The­ma: Zei­ten des Zorns. Der neue Pro­test und die deut­sche Demo­kra­tie”) und Vor­trä­gen und Dis­kus­sio­nen zu dem The­ma “Der Teil­ha­be­ka­pi­ta­lis­mus und sein Ende”. Zudem ein Kon­zert “The John­ny Cash Song­book” und die Insze­nie­rung von Stein­becks “Früch­ten des Zorns”. Wär ich ein Ber­li­ner — ich wär da. Bin ich aber lei­der nicht. Schade.

Sehr Lesenswert: O.Garofalos Masterarbeit über „Sich Gesellschaft leisten“ (Download)

Januar 5th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Sehr Lesenswert: O.Garofalos Masterarbeit über „Sich Gesellschaft leisten“ (Download) § permalink

Eine sehr span­nen­de Erfah­rung, eine wis­sen­schaft­li­che Arbeit über sich selbst bzw. über einen eige­nen Text zu lesen. Ins­be­son­de­re eine so schlaue und reflek­tier­te wie die Mas­ter­ar­beit von Oli­vi­er Garo­fa­lo „Der regu­lier­te Mensch in Ulf Schmidts Thea­ter­text sich Gesell­schaft leis­ten“. Die Arbeit ist als Mas­ter­ar­beit am ger­ma­nis­ti­schen Lehr­stuhl von Fran­zis­ka Schüß­ler an der Uni Trier ent­stan­den. Dort war ja im Rah­men des Fes­ti­vals Maxi­mie­rung Mensch Sich Gesell­schaft leis­ten (teil)uraufgeführt und zum Gegen­stand der wis­sen­schaft­li­chen Dis­kus­si­on bei der Tagung geworden.

Garo­fa­lo kon­zen­triert sich auf die regu­lie­ren­den Prin­zi­pi­en in Sich Gesell­schaft leis­ten und nutzt Fou­cault als Optik für die Betrach­tung des Tex­tes. Das funk­tio­niert imho ziem­lich gut. Die Arbeit legt die unter­schied­li­chen Dimen­sio­nen der Regu­lie­rung und der Ver­schnü­rung der Per­so­nen in Ver­trags­ge­flech­ten frei und spürt ihnen prä­zi­se nach.

Ich will gar nicht erst ver­su­chen, den Inhalt der Arbeit zusam­men­zu­fas­sen. Oli­vi­er Garo­fa­lo hat mir erlaubt, sei­ne Arbeit hier zu ver­lin­ken und zum Down­load frei anzu­bie­ten. Dafür herz­li­chen Dank. Und ich kann die Lek­tü­re nach­drück­lich emp­feh­len. Es sind vie­le Gedan­ken und Refe­ren­zen dar­in, derer ich mir gar nicht bewusst war bzw. auf die ich erst im Nach­hin­ein reflek­tie­ren kann. Hier kann der Text her­un­ter­ge­la­den wer­den.

Falls ein Thea­ter hier mit­liest, das einen cle­ve­ren und enga­gier­ten Dra­ma­tur­gen sucht: Garo­fa­lo ist jetzt mit dem Stu­di­um fer­tig ….! Ich stel­le ger­ne einen Kon­takt her!

Postfundamentalismus oder Neofundamentalismus? Die Debatte über „das Politische“

Dezember 28th, 2010 § Kommentare deaktiviert für Postfundamentalismus oder Neofundamentalismus? Die Debatte über „das Politische“ § permalink

In sei­nem lesens­wer­ten Buch über „Die poli­ti­sche Dif­fe­renz“ stellt sich Oli­ver Mar­chart auf den Stand­punkt, die aktu­el­le Debat­te über „das Poli­ti­sche“ (im Unter­schied zur kon­kre­ten Poli­tik) sei unter dem Epo­chen­be­griff des Post­fun­da­men­ta­lis­mus zu sub­sum­mie­ren. Der Grund: Die ver­schie­de­nen Den­ker sei­en sich in ihrem Ver­zicht auf meta­phy­si­sche Letzt­be­grün­dung (wenn auch nicht auf ver­schie­de­ne Begrün­dun­gen) einig, bzw. in der Aner­ken­nung einer kon­tin­gen­ten (wenn auch nicht abwe­sen­den) Basis, auf der jedes poli­ti­sche Sys­tem auf­ru­he, ohne doch dadurch siche­ren Bau­grund zu haben.

Auf den ers­ten Blick scheint das sinn­voll – auf den zwei­ten nicht mehr. Im Gegen­teil zeigt sich bei genaue­rer Betrach­tung der soge­nann­te Post­fun­da­lis­mus als ein Neo­fun­da­men­ta­lis, eine Bewe­gung also, die sich ins­be­son­de­re auf die Fun­da­men­te kon­zen­triert. Post­fun­da­men­ta­lis­mus wäre eine Form der all­tags­welt­li­chen Prag­ma­tik, einer viel­leicht Haber­ma­sia­ni­schen Reak­ti­on auf die Abwe­sen­heit der Fun­da­men­te, die den­noch ver­sucht, durch ver­nünf­ti­ge Dis­kur­se oder was auch immer, eine begründ­ba­re, aber nicht auf ein­heit­li­chem Grund ste­hen­de, Poli­tik zu den­ken und zu ermög­li­chen. Tat­säch­lich ist das Bemü­hen um „das Poli­ti­sche“ ein Fun­da­men­ta­lis­mus, der aller­dings – und das ist ver­mut­lich die begriff­li­che Unschär­fe, die Mar­chart unter­läuft – kein Dog­ma­tis­mus ist. Es wer­den kei­ne ein­heit­li­chen Dog­men auf­ge­stellt und im Sin­ne letz­ter und ein­zi­ger Wahr­hei­ten zu Grun­de gelegt. Viel­mehr ist die­se Form des Fun­da­men­ta­lis­mus an Fun­da­men­ten inter­es­siert, die es nicht müde wird, wei­ter zu dekon­stru­ie­ren, um sich im Anschluss dar­an abzu­ar­bei­ten, dass kein Fun­da­ment da ist – trotz­dem ein poli­ti­sches Gebäu­de ent­ste­hen soll.

Nun lässt sich ganz genüss­lich zurück­fra­gen: War­um eigent­lich schlagt ihr euch die Fun­da­men­te weg, wenn ihr dann viel­hun­dert­sei­tig dar­über jam­mert, dass sie weg sind? Es ist ja nicht etwa so, dass das Ver­schwin­den der Dog­men eine ande­re oder bes­se­re Poli­tik ermög­lich­te. Im Gegen­teil: Die Theo­rie haut sich selbst die Bei­ne weg, mit denen sie der Tages­po­li­tik in den Arsch tre­ten soll­te. Die Dekon­struk­ti­on als Selbst­zweck und als per­p­etu­ier­tes Ter­mi­na­ti­ons-Pro­gramm » Read the rest of this entry «

“Wir” sind immer die anderen.

Dezember 26th, 2010 § 2 comments § permalink

Nur um das mal klar gesagt zu haben. Es gibt nur zwei Arten von “Wir”. Das “Wir”, das ich nicht bin, son­dern das mir als “die ande­ren, die ‘wir’ sind” gegen­über­steht. Und das “Wir”, das meint: Ich und die ande­ren. Das heißt: Ich gehö­re nie zur Gesell­schaft, ste­he der Gesell­schaft des “Wir” immer nur gegen­über. Die schein­bar exklu­si­ve Posi­ti­on sozio­lo­gi­scher Theo­roi und Beob­ach­ter ist tat­säch­lich die Nor­mal­po­si­ti­on. Weil die Gesell­schaft das Wir ist, das nur von außen betrach­tet wer­den kann. Und zwar von allen. Die Tat­sa­che, dass » Read the rest of this entry «

Kann es sein, dass Laclau/Mouffe Gesellschaft mit Fußball verwechseln?

Dezember 25th, 2010 § 2 comments § permalink

Dass über­haupt ein Groß­teil der Theo­re­ti­ker des Poli­ti­schen, die den Kon­flikt, den Kampf, den Anb­ta­go­nis­mus zur Grund­la­ge der Gesell­schafts­bil­dung machen, Gesell­schaft mit Fuß­ball­sta­di­en ver­wech­seln? Nicht, dass ich Laclau/Mouffe direkt gele­sen hät­te. Aber das hier klingt ver­dammt nach Fußball:

Der Drei­schritt aus der Bil­dung von Äqui­va­lenz­ket­ten, der Zwei­tei­lung des sozia­len Raums und der Reprä­sen­ta­ti­on ist inso­fern ein ver­ein­fach­tes Modell, als er von einer Are­na aus­geht, in der das hege­mo­nia­le Rin­gen zwi­schen zwei sich kon­fron­tie­ren­den Blö­cken besteht. (…) […Es] gibt in kom­ple­xen moder­nen Demo­kra­tien eine Unzahl von Are­nen, in denen sich hege­mo­nia­le Pro­jek­te und Kämp­fe kon­sti­tu­ie­ren kön­nen. […] In jeder die­ser mul­ti­plen Are­nen kön­nen sich domi­nan­te ant­ago­nis­ti­sche Grup­pen eta­blie­ren oder eine Viel­zahl kon­kur­rie­ren­der hege­mo­nia­ler Pro­jek­te, von denen jedes sei­ne eige­ne Gren­ze zu zie­hen sucht.(Martin Non­hoff über Laclau/Mouffe in Bröckling/Feustel (Hg): Das poli­ti­sche Den­ken, 44f)

Ich könnt mich gera­de schlapp­la­chen — aber das ist die kom­pli­zier­tes­te » Read the rest of this entry «

Die Wahl als symbolisch notwendiger Akt

Dezember 24th, 2010 § Kommentare deaktiviert für Die Wahl als symbolisch notwendiger Akt § permalink

Als Inbe­griff der Demo­ka­tie wird ver­stan­den, die Wahl zu haben. Das tota­li­tä­re Sys­tem hin­ge­gen zeigt sich als ein Sys­tem ohne Wahl – leicht ver­scho­ben gesagt: Im tota­li­tä­ren Sys­tem heißt, eine Wahl durch­zu­füh­ren, sich also das Recht auf Wahl zu grei­fen, das Sys­tem als Gan­zes abzu­wäh­len, das die Tren­nung zwi­schen Staat und „Par­tei“ (selbst wenn es sol­che Par­tei­en nicht oder fak­tisch nicht geben mag) nicht voll­zo­gen hat. Im Tota­li­ta­ris­mus gibt es kei­ne wähl­ba­re Alter­na­ti­ve, als den tota­li­tä­ren Staat abzuwählen.

Hin­ge­gen offe­riert die Demo­kra­tie immer die Wahl. Es wäre vor­schnell zu unter­stel­len, es han­de­le sich um eine ech­te Wahl zwi­schen ver­schie­de­nen Modi der Gestal­tung von Staat, Gesell­schaft, Zukunft, Finan­zen und Geset­zen. Zunächst ist es ein­fach die Wahl zwi­schen x1 ‚x2, …xn. Dar­in aber liegt vor allem die Wahl zwi­schen „so wie jetzt“ und „irgend­wie anders“.

In einem Arti­kel in Das poli­ti­sche Den­ken schreibt Oli­ver Mar­chart über Clau­de Leforts Theo­rie des Politischen:

Das mag tri­vi­al klin­gen, aber die demo­kra­ti­sche Letzt­be­deu­tung des all­ge­mei­nen Wahl­rechts besteht für Lefort nicht dar­in, Reprä­sen­tan­ten des Volks zu ent­sen­den; die wäre gleich­sam nur die eine Sei­te der Insti­tu­ie­rung all­ge­mei­ner und frei­er Wah­len. Sei­ne wirk­li­che Bedeu­tung » Read the rest of this entry «

Zur Verteidigung des Politischen gegen Freund und Feind

Dezember 18th, 2010 § 2 comments § permalink

In einem klu­gen und sehr lesens­wer­ten Blog­post kon­sta­tiert Tho­mas Mai­er den „Tod des Poli­ti­schen“. Dem ist ent­schie­den ent­ge­gen zu tre­ten. Zunächst, weil das Poli­ti­sche durch sol­che Todes­er­klä­run­gen zu ster­ben droht. Die schein­ba­re Kon­sta­tie­rung des Todes ist tat­säch­lich die per­for­ma­ti­ve Ster­be­hil­fe. Zwei­tens weil sei­ne Dia­gno­se für einen län­ge­ren Zeit­raum der letz­ten Jah­re viel­leicht zutref­fen mag – mit der Ein­schrän­kung, das das Poli­ti­sche aller­dings nur hirn­tot war. Die poli­ti­schen Orga­ne hin­ge­gen – um in der alten Meta­pho­rik des cor­pus poli­ti­cum zu blei­ben – lau­fen der­weil mun­ter hirn­los Amok.

Zum Drit­ten ist der Dia­gno­se ent­ge­gen zu tre­ten, weil das Poli­ti­sche direkt von Carl Schmitt und sei­ner hin­läng­lich bekann­ten Bestim­mung des Begriffs de Poli­ti­schen als Dif­fe­renz von Freund/Feind her­lei­tet, die ergänzt wird einer­seits durch den dem Aus­nah­me­zu­stand gebie­ten­den Sou­ve­rän, ande­rer­seits (wie Agam­ben gezeigt hat) durch sein Gegen­stück, den Homo Sacer.

Jen­seits von Freund und Feind

Viel ist zu Schmitt geschrie­ben wor­den, wenig davon habe ich gele­sen – weil die Freund-Feind-Unter­schei­dung im Ansatz unzu­rei­chend ist. Viel­mehr ist die Freund-Feind-Unter­schei­dung der Ent­ste­hung des Poli­ti­schen nach­ge­ord­net. Die The­se: Nach­dem sich der Raum des Poli­ti­schen öff­ne­te, sorgt die Freund-Feind-Dif­fe­renz für die Mög­lich­keit, die­sen Raum zu begren­zen. Es wäre ein Raum des Poli­ti­schen denk­bar, der ohne Freund/Feind und ohne Gren­zen aus­kommt. Der aller­dings zugleich Gefahr lie­fe, Freund und Feind im Inne­ren zu haben. Wenn der Feind nicht der Frem­de ist, son­dern der Freund sich zum Feind ent­frem­det oder bes­ser: entfreundet.

Um Freund/Feind bestim­men zu kön­nen, muss bereits eine Bewusst­seins­bil­dung statt­ge­fun­den haben, die den Raum des Poli­ti­schen eröff­net. Es ist der Raum nach dem Riss und dem Zwie­spalt, den das Thea­ter » Read the rest of this entry «

Der Reichstag brennt. Wetten dass?

November 21st, 2010 § Kommentare deaktiviert für Der Reichstag brennt. Wetten dass? § permalink

Der Reichs­tag brennt in allen Köp­fen.  Hier zum Bei­spiel oder da. Da und da. Es gibt noch kei­ne Bil­der, die den bren­nen­den Reichs­tag zei­gen wie einst das WTC. Aber der Bericht über die Gefahr eines zukünf­tig bren­nen­den Reichs­tags hat die­sel­be Wir­kung wie der Bericht über einen bren­nen­den Reichs­tag. Phan­ta­sien hier oder da, Ima­gi­na­tio­nen des­sen, was geschah und berich­tet wird oder was gesche­hen könn­te. Die Phan­ta­sie trennt nicht zwi­schen Ver­gan­ge­nem und Zukünf­ti­gem. Die War­nung vor dem Ter­ror­akt nimmt den Ter­ror­akt vor­weg. Und schnell her­bei­ge­zau­ber­te „Maß­nah­men“ (wie die VDS) gau­keln vor, eine Sicher­heit her­stel­len zu kön­nen, die natür­lich die Angst nicht ban­nen wird. Denn es geht um ande­res – aber wor­um? Es geht um die Bil­der des bren­nen­den Reichs­tags. Nur um Bil­der (die ein geüb­ter Pho­to­shop­per inner­halb eini­ger Minu­ten, Roland Emme­rich sicher sogar als Film pro­du­zie­ren könnte).

Die Wet­te

Ter­ro­ris­mus alter Prä­gung war mit For­de­run­gen ver­bun­den Erpres­sung zur Sys­tem­än­de­rung oder zur Frei­las­sung von Häft­lin­gen. Was ist hier die For­de­rung? Wor­um geht es? Um das Bild des bren­nen­den Reichs­tags. Auf der einen Sei­te die Wet­te, dass es die­ses Bild geben wird. Auf der andern Sei­te die Wet­te, dass nicht. Die Wett­part­ner Al Kai­da und Tho­mas de Meziè­re.  Wird Gott­schalk dau­er­mo­de­rie­ren? Ist Acker­mann, jener Spe­ku­lant auf die Zukunft, der Wett­pa­te? Oder Jörg Kachelm­ann? Denn die media­le Ver­fas­sung die­ses Ter­rors ähnelt der media­len Ver­fas­sung der Ban­ken­kri­se, unge­mein. Ein­sturz des WTC führ­te zu welt­wei­ter Angst, Ein­sturz von Leh­mann Brot­hers stürz­te die Welt­wirt­schaft auf­grund einer „Ver­trau­ens­kri­se“ zwi­schen den Ban­ken ins Ver­der­ben. Der Wet­ter­vor­her­sa­ger Kachelm­ann stürz­te ein, als eine Nach­richt über ihn in Umlauf kam. Spe­ku­la­tio­nen über „tat ers“ oder „tat ers nicht“, Bör­sen­spe­ku­la­ti­on, Nach­rich­ten­spe­ku­la­ti­on, Ereig­nis­spe­ku­la­ti­on. Die Spe­ku­la­ti­on ist der Kriegs­schau­platz der Gegen­wart. Wer ist der Gegen­stand die­ser medi­al aus­ge­tra­ge­nen spe­ku­la­ti­ven Wet­te? Wir. Sind der Wett­ein­satz. Rou­lette – aber nicht rus­si­sches, son­dern ara­bi­sches Roulette.

Die ver­kehr­te Welt: Wir­kung vor der Ursache

Die Wet­te trifft uns in unserm Inners­ten: In  unse­rer Aus­rich­tung auf die Zukunft. Erin­ne­rung und Ver­gan­gen­heit ist eine Welt der His­to­ri­ker und der mas­sen­me­dia­len Fern­seh­be­rich­te, die uns sagen, was geschah. Nur der Wet­ter­be­richt sagt, was ver­mut­lich mor­gen gesche­hen wird. Und natür­lich die Bör­sen­spe­ku­la­ti­on. Die Zukunft. Der gro­ße Glau­be der Gegen­wart. Die Schul­den, die unse­re Kin­der abzah­len müs­sen. Die Wirt­schafts­ent­wick­lung, die die 5 Wei­sen » Read the rest of this entry «

Where Am I?

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