Auf die Idee, Alarm wegen einer selbst aus Übungsgründen zum Einsatz gebrachten Bombenattrappe (SpON) auszulösen, kam Monty Python leider nicht. Aber diese kleine Alarmübung hat auch was:
Nachtrag (Update): Was ich noch zu sagen vergaß und warum das Post den Titel trägt, den es trägt: Die Warnung IST der Terror. Die Furcht VOR dem Anschlag ist der Terror.
Oktober 22nd, 2010 § Kommentare deaktiviert für Von der Würde zum Tauschwert (Marx bei Strobl) § permalink
Grad angefangen, Thomas Strobls Buch “Ohne Schulden läuft nichts” zu lesen. Startet fulminant launig und gut lesbar. Und veranlasst mich, unmittelbar ein Marx-Zitat bei ihm abzuschreiben, das ideal als Motto vor Sich Gesellschaft leisten hätte stehen können:
Die Bourgeoisie, wo sie zur Herrschaft gekommen, hat alle feudalen, patriarchalischen, idyllischen Verhältnisse zerstört. Sie hat die buntscheckigen Feudalbande, die den Menschen an seinen natürlichen Vorgesetzten knüpften, unbarmherzig zerrissen und kein anderes Band zwischen Mensch und Mensch übrig gelassen als das nackte Interesse, als die gefühllose ‘bare’ Zahlung. Sie hat den heiligen Schauer der frommen Schwärmerei, der ritterlichen Begeisterung, der spießbürgerlichen Wehmut in dem eiskalten Wasser egoistischer Berechnung ertränkt. Sie hat die persönliche Würde in den Tauschwert aufgelöst und an die Stelle der zahllosen verbrieften und wohl erworbenen Freiheiten die eine gewissenlose Handelsfreiheit gesetzt. (Marx/Engels, Kommunistisches Manifest 44; bei Strobl 24f.)
Überrascht bin ich allerdings von der wehmütigen Reminiszenz auf den Feudalismus. Mal schaun, was Strobl sonst noch so bereithält.
September 29th, 2010 § Kommentare deaktiviert für Die Wiedergeburt des Theaters aus dem Geist der Dramaturgie. Eine Art Programm. § permalink
Es gab Zeiten, da neben den Erzählern, neben Kirchenmalern und Predigern oder auch neben Romanciers die Theaterautoren die Aufgabe hatten Geschichte(n) zu erzählen. Sie machten den Menschen ein bewegtes Bild vom Verhältnis zwischen Menschen, Menschen und Göttern in der Antike, zwischen Menschen, Menschen und Gott, zwischen Regierten, Regierten und Regierenden, zwischen Armen, Armen und Reichen, zwischen Männern und Frauen, Bürgern und Adligen, Arbeitern und Arbeitgebern, Linken und Rechten. Tatsächlich ist dabei das Medium selbst die Hauptbotschaft gewesen. Nicht nur das Medium der Guckkastenbühne allein, des Theatrons, der Volksbühne. Sondern vor allem die Dramaturgie. Die Geschichte als „Sinngebung des Sinnlosen“, wie es im Titel eines hübschen Buches von Theodor Lessing heißt. Die perpetuierte Dramaturgie, die das Gesamtgeflecht in herrschende Konflikte sortierte, in eine Abfolge aristotelischer Provenienz klemmte, Wendungen mit motivierten oder erklärten Veränderungen (aus dem Charakter der Handelnden, aus den eingreifenden Göttern, aus der revolutionären Willensbildung) hinterlegten. Der Mensch, der aus einer unübersichtlichen antiken, mittelalterlichen, barocken, aufklärerischen, modernen Welt ins Theater ging, kam heraus und wusste: es gibt einen sinnnhaften, verstehbaren Zusammenhang. Er war aufgefordert, in seiner Welt diesen Zusammenhang herzustellen. Der kategorische Imperativ an den Theaterzuschauer lautete: Wurschtele nicht einfach rum um glaube nicht, die anderen wurschtelten nur. Vielmehr mach Geschichte, habe Motive, habe Ziele. Verstehe das Drama, in dem du dich befindest. Wurschtele nicht – handele! Und lerne bei uns im, Theater, was „handeln“ ist.
Das ent-eignete Theater
Diese Zeiten sind vorbei. Längst haben Fernsehen und politische Presse diese Erzählformen ursurpiert (hier im Blog wurde gelegentlich schon auf den Hang zum Shakespeare’schen in den aktuellen Medienlandschaft hingewiesen). Längst entkommt niemand mehr der Dauerbeschallung mit Dramaturgie. Auf dieses Vorverständnis sich stützend können Staaten und Regierzungen dramaturgisch eingreifen und genau die regulatorischen Eingriffe punktgenau ansetzen, die ihren Steuerungsabsichten entspricht. Weil die Dramaturgie längst in allen Köpfen und Lebensverhältnissen angelangt ist. Theater befindet sich in etwa in der Situation der Malerei im Angesicht der Fotografie. Überflüssig. Ortlos.
Der undramat(urg)ische Überdruss malt nach Zahlen
Daraus haben sich zwei Grundtendenzen ergeben: Aus einem kaum artikulierten Grundgefühl des Überdrusses, dem Büchnerschen Leonce sehr vergleichbar, haben Theater und Regien sich damit abgefunden, einfach das Alte zu perpetuieren. Warum neue Geschichten spielen, wenn sie doch sich im Wesentlichen nicht von den Alten nicht unterscheiden? Und das Wesentliche ist eben die Dramaturgie. Man nehme also die Vorzeichnung von Rembrandts Nachwache und zeige Kreativität in der Ausgestaltung. Der eine stellt die Nachtwachächter nackt dar. Der eine als geschlagene Truppe. Der nächste als Gruppe Transsexueller, von Frauen, von Arabern, Afrikanern, Eskimos. Oder von allen zusammen. Der nächste als Gruppe von Roter Armee und Wehrmacht. Wozu » Read the rest of this entry «
August 19th, 2010 § Kommentare deaktiviert für Abschaffung der Privatsphäre: Das staatsunmittelbare Kind § permalink
Während die Öffentlichkeit um das Google Streetview Sommerloch kreist, als wäre es eine Weltsensation, testet die Bundespolitik in Gestalt der Zensursula von der Leyen aus, wie weit ein Staat sich heute schon ins Private vorwagen darf. Die Sache selbst ist ein typischer Sommerloch-Flatus Vocis: Kinder von Hartz IV-Empfängern erhalten mehr oder weniger Leistungen über eine Chipkarte. Mal inklusive Kindergeld, mal nur der Klavierunterricht, mal das Schwimmbad, mal die Lehrbücher. Was auch immer. Unerheblich. Die ganze Geschichte ist komplett absurd und unumsetzbar. Sie zeugt einen so immensen Entscheidungs- und Verwaltungs- sowie Abrechnungsaufwand, das der Einfall spätestens nach Ende der Sommerpause vergessen ist.
Es geht allerdings auch hier im Hintergrund um anderes: Der Staat macht sich anheischig, in die Familien hinein zu schneiden und zu regieren. Nachdem in den letzten Monaten und Jahren das Image der Hartz IV-Empfänger durch konservatives Dauerfeuer in Trümmer gelegt wurde, ist die Zeit nun reif für die » Read the rest of this entry «
August 5th, 2010 § Kommentare deaktiviert für Digitalökonomie und staatliche Macht § permalink
Digitalökonomieist eine Ökonomie, in der nichts knapp ist außer der Knappheit selbst. Unternehmen, einst angetreten um den Wunsch nach knappen Gütern zu (wecken und zu) befriedigen, stehen nun vor der einmaligen Situation, dass ihre Güter nicht mehr knapp sind. Sie konkurrieren (etwa in der schönen Parole “Zeitungen versus Blogger”) mit Produzenten, die gleiche Stückzahlen mit weniger bzw. gar keinem finanziellen Invest herstellen und vertreiben können. Die zudem unendlich viele “Kopien” eines einmal gekauften Produkts in den kostenlosen Verkehr bringen können. Das plötzlich so wichtige erwachende Interesse am Urheberrecht und daraus (unhaltbar) abgeleiteten Ansprüchen der Verwerter von Urhebungen erscheint als Heiland. Und ist doch nur ein verkleideter Student mit weißem Bart.
Neben dem Umgang der bestehenden ökonomischen Einheiten — nennen wir sie vorerst weiterhin Unternehmen und Firmen — mit den digitalökonomischen Gegenbenheiten stellt sich zugleich die Frage, wie staatliche Macht mit diesem ökonomischen Gebilde umgeht. Denn im staatlichen Handeln und Eingriff treffen zwei Dimensionen aufeinander, die es demokratischen Staaten nahezu unmöglich macht, eigene Machtansprüche aufrecht zu erhalten und durchzusetzen. In dem generalisierten (Aus-)Tauschsystem Digitaliens werden nicht nur Virtualien gehandelt, sondern vor allem Daten und Informationen. Und damit müssen staatliche Eingriffe in die physische Infrastruktur Digitaliens (Vulgo: des Netzes) sich jederzeit mit dem Vorwurf der Zensur auseinander setzen. Waren Handelshemmnisse, Handelsbeschränkungen, Zölle früher einfach Aktionen im » Read the rest of this entry «
Im Freitag gibt es heute einen geharnischten Artikel von Peter Nowak (hier) zu der Frage, ob es eine im Geheimen agierende Macht gibt, deren Wirken durch Whistleblower wie Wikileaks aufgedeckt wird — oder ob diese Annahme nur grenzparanoide Verschwörungstheorie ist, während “die Macht” vom Kapital bzw. nach Gesetzen des Kapitals ausgeübt wird. Nowak empfiehlt: Statt Wikileaks und andre (ehemals) investigative Quellen wie (früher) den Spiegel doch lieber Marx und das Kapital zu lesen.
Das gibt mir Anlass zu dreierlei:
Marx lesen schadet nie. Marx der Beschäftigung mit Gegenwärtigem vorzuziehen oder beides entgegen zu setzen macht aus Marx einen Märchenonkel, bei dessen Lektüre man noch von ausgebeuteten Proletariern und ausbeutenden Kapitalisten träumen kann. Die Welt hat sich verändert. Marx gehört in die Perspektive der Betrachtung des Gegenwärtigen, ausreichen wird er dafür nicht (mehr).
Die Vorstellung der Macht, die Peter Nowak referiert und zurückweist, nämlich “das die Welt von Mächten gelenkt werden, die im Geheimen » Read the rest of this entry «
In einem Posting von Thomas Knüwer (hier) bin ich über das enorm interessante Konzept von “Transmedia storytelling” gestolpert. Das ist und ist zugleich nichts Neues. Neu ist es insofern, als es bisherigen Medienverknüpfungen (Romafigur im Kinofilm, in Fernsehsehrie, in Comic, im Radio — denken wir an Superman besipielsweise) eine sehr sehr spannende Drehung gibt. Ich zitiere Knüwer:
Eine TV-Serie wird künftig nicht mehr nur eine TV-Serie sein. Sie ist gleichzeitig ein Comicheft, ein Videospiel, eine Flut von Internet-Seiten. Was möglich ist, zeigte “Heroes”: Die Serie um Menschen, die unverhofft zu Superkräften kommen, fand während ihrer US-Ausstrahlung multimedial statt. Da konnten Fans über mögliche neue Superkräfte bestimmen, die Comic-Hefte auf dem Bildschirm waren tatsächlich zu haben, wer eine beiläufig in der Handlung auftauchende Telefonnummer wählte, landete tatsächlich bei einem Anrufbeantworter jener Firma, die in der Handlung auftauchte. Und natürlich hatte die schon eine Homepage. Auch die BBC versucht sich schon in diesem Feld, ihr Science-Fiction-Dauerbrenner “Dr. Who” bekommt verstärkt Videospiel-Ableger.
Nicht ganz neu ist ein solches Konzept, weil es in großen “Alternate Reality Games” (Wikipedia) bereits mit gigantischem Erfolg praktiziert wurde. Vor zwei oder drei Jahren hat mich selbst ein großartiges, über Webseiten und Handy gespieltes Game von Stella Artois gefesselt. Das Spannende daran ist die Phantasiewelt, die im Kopf entsteht. Das Netz an Realität, des sich über die Realität legt. Der Film “The Game” mit Michael Douglas gibt eine gute Vorstellung von einem solchen Spiel im Extrem. Und als “virale Marketingkampagne” bewarb Warner den Film “The Dark Knight” mit einem genialen transmedialen Alternate Reality “Game”:
Gestern morgen wurde das erste Institut für Digitalökonomie gegründet. Basierende auf der Gründungsakte werden dort Forschungen zu allen fragen der dritten Phase der Ökonomie — nach den Nationalökonomien und der Globalökonomie — zur Forschung und Diskussion gestellt. Bewerbungen um Lehrstühle werden ab sofort angenommen — bitte unter Angabe des gewünschten Lehrstuhls.
Es handelt sich bei dem Institut um die erste Forschungseinrichtung Digitaliens — daher eine rein virtuelle Forschungsgemeinschaft als Publikationsverbund. Ein Sciencemob.
Juli 30th, 2010 § Kommentare deaktiviert für Brunner, Kachelmann und Co.: Mediale Weltkonstruktion als shakespeare’sche Schurkendramaturgien. § permalink
Winnenden, Kachelmann, Brunner — und wenn es nur diese drei Fälle sind (und nicht einige mehr, die mir gerade nicht einfallen), zeigt sich in den letzten Monaten immer mehr, wie unglaublich unseriös auch die “seriösesten” journalistischen Medien inzwischen wurden. Das hat natürlich mit vorschneller Berichterstattung bei minimaler Faktenlage zu tun — vielleicht gar um dem Nachrichten-Takt des Online-Journalismus zu folgen, der als erster mit “Eilmeldungen” heraus kommen will, noch bevor dazu überhaupt ein Artikel geschrieben wurde. Titanic hat das mit dem Corinna Harfouch Martina Gedeck Spoof auf der Bundesteletubbiwahl (SpON) wunderbar zur Parodie genutzt (hier eine Bildstrecke).
Neben diesem “handwerklichen” Problem scheint mir aber ein Fundamentaleres viel wichtiger: Das dramaturgische Problem. Im Freitag ist heute einer der typischen “medienkritischen-wir-müssen-uns-auch-selbst-fagen-ob-wir-alles-richtg-gemacht-haben”-Artikel zu lesen (von denen demnächst garantiert auch » Read the rest of this entry «
Juli 21st, 2010 § Kommentare deaktiviert für Update zu “One Laptop per Hartz IV — Empfänger” {UPDATED} § permalink
In aller Kürze bei der Hitze ein Update zu meinem gestrigen Posting hier: SpON legt heute nach zum Thema Internet für Hartz IV-Empfänger. Etwas zaghaft — aber immerhin. Das Sommerloch war offenbar dem Thema gnädig — und in Foren und Mails war auf Spiegel dazu viel zu lesen. Hier gehts zum Artikel. Und hier ins Forum zum ursprünglichen, hier zum heutigen Artikel.
21.7.2010: Und nun noch das Update zum Update: Auf Hamburg.de (hier) findet sich Spendenkonto und Anschrift vom Verein “Computer Spende Hamburg”. Willkommen sind ausgediente Rechner und Ersatzteile — und Geld. Also: Hin mit allem, was (sich) noch rechnet — und was sonst so auf der hohen Kante rumliegt auch. http://www.hamburg.de/computerspende/