Ich habe mich ein wenig mit dem BGE auseinander gesetzt und finde grundsätzlich diesen Gedanken verlockend, dass ein reiches Land seinen Bürgern ein Grundeinkommen bedingungslos garantiert. Ich bin aber ebenso davon überzeugt, dass das Konzept in näherer Zukunft null Chance auf Realisierung haben wird. Und zwar deswegen, weil allzu viele Einwände mit optimistischen Annahmen widerlegt werden müssen. Dass Menschen schon von sich aus arbeiten werden. Dass schon keine sprunghafte Inflation die Lebensgrundlage des Basiseinkommens auffressen werde. Dass schon keine Neiddebatte von der Bildzeitung losgetreten wird, die darauf aufsetzt, dass diejenigen, die vom BGE profitieren, nicht diejenigen sind, die mit kleinen Löhnen knapp jenseits des BGE leben. Dass beim Wegbrechen des ökonomischen Arbeitsdrucks und dem Ende der Diffamierung von Arbeitslosen schon weiter ein so hohes BIP erarbeitet werden wird, wie vorher. Und so weiter.
Schwächen des Bedingungslosen Grundeinkommens
Das BGE ist eine schlagartige Reform, die – wenn sie denn schief geht – innerhalb kürzester Zeit eine Volkswirtschaft zerstören kann. Und das wird sich niemand trauen. Die zwei größten Vorwürfe, die den Verfechtern des BGE zu machen sind, lauten imho: Es wurden – so weit ich sehe und weiß – keine Szenarien durchgerechnet, die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in Rechnung ziehen. Zweitens wurden keine sinnvollen Übergangsszenarien erarbeitet. Zudem – vielleicht ein dritter Vorwurf – löst das BGE nicht das Problem, dass die industrielle Wertschöpfung einbricht und weiter sinken wird, während zugleich Arbeitsformen entstehen, deren größten Problem es ist, das kein finanziell realisierbarer Wert damit geschaffen wird. Das Schicksal von Musikindustrie, Zeitungsjournalismus, Werbeindustrie, Post, Banken usw. werden immer mehr Industrien teilen.
Digitalökonomie gestalten
Wie in diesem Blog bereits gelegentlich bemerkt (und mit der Gründung des ersten virtuellen Instituts für Digitalökonomie symbolisiert), glaube ich, dass wir eine Zeitenwende erleben und mitgestalten können. Wir befinden uns in einer Situation der Renaissance gleich, in der Mensch feststellte, dass er selbst gottgleich eine Welt erschaffen kann. Damals entstand die Welt des (menschen)vernünftigen Denkens, der schöpferischen Kunst und der Technologie – vereint in der Gestalt Leonardos. Heute können wir eine digitale Welt schaffen, die noch einen Schritt weiter geht. Es wird eine komplett in der „Phantasie“ des Virtuellen existierende Welt sein, gottfrei vom Menschen geschaffen. Und so weiter – bevor mir die Pferde gänzlich durchgehen: Der Übergang muss gestaltet werden von der alten in eine neue Welt. Am Ende werden wir vielleicht beim BGE landen. Vielleicht aber auch woanders.
Die Frage ist also: wie wird eine Reise eingeleitet, die die Herausforderungen, die das BGE anpackt, so aufnimmt, dass es kein alles-oder-nichts-Spiel wird. Das glaube ich mit dem ABC-Konzept vorstellen zu können. Es ist eine Übergangsregulierung, die enorm flexibel an plötzliche Ereignisse (inkl. Finanzkrisen), wie auch an systemeigene Fehlentwicklungen angepasst werden können.Vielleicht war das im letzten Posting noch nicht hinreichend klar, deswegen jetzt noch mal anders hergeleitet.
Die Ausgangssituation
Wir haben gegenwärtig um die 40 Millionen Beschäftigungsverhältnisse und – je nach Berechnung – zwischen 3 und 5 Millionen Menschen, die keinen Arbeitsplatz haben und von staatlichen Leistungen abhängig sind. Zudem sind bei den Arbeitnehmern ebenfalls einige Millionen Menschen darauf angewiesen, ihr karges Einkommen durch HartzIV aufzustocken. Staat und Sozialkassen sogen dafür, dass kleine Einkommen noch kleiner werden. Trotzdem ist der 40-Stunden Vertrag die Regel – obwohl jeder weiß, dass Automatisierung, Digitalisierung, schwindende Industrie, verändertes Kundenverhalten (Internet/Self-Service) dazu führen, dass immer weniger Menschen tatsächlich in diesen Verträgen voll arbeiten können und müssen.
Das Modell
Die Grundüberlegung des ABC-Modells ist keine flächendeckende Arbeiszeitverkürzung. Auch keine unbegrenzte Übernahme der Kurzarbeitsregelung. Es funktioniert anders.
Start
Es gibt noch immer die herkömmlichen sozialversicherungspflichtigen, zu versteuernden Arbeitsverträge. Alles wie bisher. Aber: Neue Arbeitsverträge werden mit einer neuen Regelung geschlossen. Statt des bisherigen Klasse I oder III oder sonst was 40-Stundenvertrages erhält in Mitarbeiter zwei Verträge: den A‑Vertrag und einen B20-Vertrag. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ändert sich dadurch zunächst (fast) nichts. Die Steuerlast auf beiden Verträgen zusammen ist in etwa so hoch, wie bisher. Es entfallen nur die Sozialabgaben: Krankenkasse und Arbeitslosenversicherung müssen nicht abgeführt werden. Dadurch hat dieser Arbeitnehmer eine implizite Lohnerhöhung von etwa 10%. Zugleich profitiert der Arbeitgeber davon, dass keine Sozialabgaben zu zahlen sind. Beide haben mehr in der Tasche. Für Arbeitnehmer, die dieses System annehmen, wird die Krankenversicherung nicht vom Lohn abgezogen, sondern staatlich finanziert.
Entwicklung
Schaut der Arbeitnehmer auf seine Lohnabrechung, stellt er fest, dass ungefähr ein Drittel seiner Steuern auf den A‑Vertrag entfallen, zwei Drittel (oder mehr – je nach Steuergruppe) auf den B‑Vertrag. Heißt: Die ersten 20 Stunden sind für ihn erheblich effizienter verdient, als die nächsten 20 Stunden. Mit der Arbeitnehmervertretung wird er nun dafür sorgen, dass der Arbeitgeber sich an der höheren Steuerlast des B‑Vertrages beteiligt, indem er die Stundensätze erhöht. Also wird der B‑Vertrag für Arbeitnehmer und Arbeitgeber teurer als der A‑Vertrag.
Logischerweise wird der Arbeitgeber dort, wo es machbar ist, nun aus Kostengründen versuchen, die Lohnkosten zu drücken, indem er B‑Verträge durch A‑Verträge ersetzt. Ein Run auf Arbeitslose wird stattfinden – denn die haben noch A‑Verträge zu vergeben. Dadurch wird die Arbeitslosenversicherung abschaffbar. Menschen mit einem verfügbaren A‑Vertrag sind für die Wirtschaft hochinteressant. Zugleich ist für die Menschen ein A‑Vertrag mit seiner minimalen Steuerlast selbst dann finanziell interessant, wenn nur der Mindestlohn gezahlt wird.
Und weiter
Die „stille Reserve“ wird aktiviert. Menschen, die sich bereits aus dem Erwerbsleben frustriert verabschiedet haben (Alleinerziehende, beschäftigungslose Ehegattinnen/gatten) werden nun für die Wirtschaft aufgrund der Tatsache interessant, dass hier noch A‑Verträge zu holen sind. Für die Menschen ist es interessant, dass in einer Ehe jeder der beiden Partner einen A‑Vertrag hat – heißt: Wenn jeder 20 Stunden arbeitet, ist das Einkommen höher, als wenn einer von beiden 40 Stunden schaffen geht.
Ziel der Übung
Jeder arbeitsfähige Mensch arbeitet in jeden Fall 20 Stunden und kann damit seinen Lebensunterhalt bestreiten. Auf mittlere Sicht werden viele Menschen über die 20 Stunden hinaus mit B‑Verträgen arbeiten. Sie arbeiten volle 40 Stunden – haben aber die Möglichkeit, jederzeit den B‑Vertrag zu beenden, einem zweiten Arbeitgeber anzubieten, damit freiberuflich zu arbeiten oder sich als Kleinunternehmer selbständig zu machen.
Arbeitgeber haben die Möglichkeit, mit vielen A‑Verträgen die Lohnbelastung gering zu halten, mit zusätzlichen B‑Verträgen Lasten abzufedern, bzw. durch Kündigung von B‑Verträgen (was niemand in Arbeitslosigkeit stürzt) Einbrüche abzfangen – dem Kurzarbeitergeld gleich.
Das Konzept hat den Vorteil, flexibel anpassbar zu sein. Sei es durch Umgewichtung der Steuerlasten zwischen A- und B‑Verträgen, sei es durch die Zahl der Stunden bei A- und B‑Vertrag (man kann sie höher oder niedriger ansetzen). Irgendwann werden nur noch 20–25 Stunden Arbeit notwendig sein. Das ist abbildbar. Irgendwann werden weitaus mehr Menschen als heute selbständig in der Digitalwirtschaft sein – kein Problem. Das Ziel ist, dass alle Arbeit und ein Auskommen haben (letzteres dem BGE ähnlich) – ohne dabei an den bescheuerten 40 Stunden festzuhalten. „Teilzeit“ ist eine Diffamierung, die zudem steuerlich nicht attraktiv genug ist. Ein A‑Vertrag ist attraktiv – und eine Vollarbeitsstelle.