März 12th, 2017 § § permalink
Interessant an der Berichterstattung der letzten Stunden ist weniger, was in Essen bei der Schließung des Einkaufszentrums “Limbecker Platz” wirklich stattgefunden hat. Interessant ist die Berichterstattung selbst — und die Frage, was denn eigentlich berichtet und herausgefunden werden kann, solange der Polizei entweder noch nicht bekannt oder zumindest von der Polizei noch nicht zweifelsfrei verlautbart ist, was die Situation ist. Was also die “Sache” ist, was die Fakten sind, die berichtet und interpretiert werden können.
Es gab eine konkrete Anschlagsplanung?
SpiegelOnline ist im Rennen um die schnellste Exklusivmeldung immer mit am Start — und weiß deswegen mitzuteilen:
Überschrift: Deutscher Dschihadist soll Terrorgruppe mit Anschlag beauftragt haben
Heißt: SpON setzt in der Überschrift als gesicherte Tatsache voraus,
- dass ein konkreter Anschlag bevorstand,
- dass dieser terroristische Motivation hatte
- und von einer Gruppe von Tätern ausgeführt werden sollte.
Als nicht gesicherte, aber doch so wahrscheinlich zutreffende Tatsache, dass sich darüber berichten lässt, wird vermeldet,
- dass es einen Auftrag für den Anschlag gegeben hat,
- der von einem Islamisten/Dschihadisten gegeben wurde,
- der zudem deutscher Staatsbürger ist.
Eine einzige Headline — viele Faktenbehauptungen. Oder sollte das “soll” ein Hinweis darauf sein, dass sämtliche aufgelisteten Faktenbehauptungen ungesichert sind? Eine Kurzform der Formulierung: Falls es in Essen einen Anschlagplan gegeben hat, der von einer Terrorgruppe ausgeführt werden sollte, dann wurde dieser von einem deutschen Dschihadisten beauftragt? Formallogisch wäre diese Aussage schwer zu falsifizieren. Allerdings wäre sie blödsinnig. Eine Meldung, in der sowohl die Existenz des Anschlagsplans wie auch die Beauftragung oder gar die Existenz eines bestimmten auftragsbefähigten Dschihadisten spekulativ und nicht gesichert ist, wäre keine Meldung sondern Humbug. Entweder steht als gesichertes Faktum ein Dschihadist, für den die Beauftragung eines Anschlags Spekulation ist (Hat er…?) oder der Auftragsplan ist das Faktum und der Dschihadist spekulativ (Wer hat…?) Aber einen spekulativen Dschihadisten einen spekulativen Anschlag planen zu lassen ist … in dieser Form so lange Fake-News wie nicht zumindest eine der beiden Faktenbehauptungen tatsächlich zuverlässig belegbar ist.
Das hindert SpOn nicht an der Vertiefung und Kolorierung der “Meldung”:
- “Kam der Auftrag zu einem Anschlag auf das Essener Einkaufszentrum aus Syrien?”
- “Die Ermittler könnten einen verheerenden Anschlag im Einkaufszentrum “Limbecker Platz” verhindert haben”
- “Laut dpa sollte ein Teil der Gruppe aus dem Ausland anreisen.”
- “Den Berichten zufolge stammt der mögliche Auftraggeber aus Oberhausen und ist Mitglied der salafistischen Szene.”
- “Laut “Bild” habe er das Kommando zum Anschlag offenbar im Auftrag der IS-Führung gegeben.”
Und so weiter. Aber was wenn es diesen Anschlagsplan gar nicht gab? Nicht von einem Dschihadisten beauftragt? Nicht aus Syrien? Nicht von einer Gruppe? Nicht verheerend? Nicht von der IS-Führung?
Es gab keine konkrete Anschlagsplanung?
Interessant nun an dieser gegen 16 Uhr erschienen Meldung (hier der verlinkte Artikel) ist, dass es — laut Bonner Generalanzeiger — “keine konkreten Vorbereitungen auf einen Anschlag” gab. Was wiederum vom zuständigen NRW-Innenminister verlautbart wurde. Das kann nun zu Fragen an die Polizei führen, die hier aber weniger interessant sind — weil diejenigen, die diese Fragen zu stellen hätten, Journalisten wären. Und diese Journalisten mit der Aufklärung eines Sachverhalts zu beauftragen. an deren Verdunkelung sie erheblich beteiligt waren, ist relativ kurios. Weswegen hier also die Frage an die die Pressemitarbeiter selbst zu gehen haben. Die da lautet:
Wie kann es sein, dass über einen konkreten Anschlagsplan inklusive Hintergrund-Details als gesicherte Tatsache berichtet wird, den es offenbar nicht gab? Der Vorwurf lautet dabei nicht, dass über die Essener Situation (Sperrungs Einkaufszentrum) berichtet wurde. Der Vorwurf lautet dahingehend, dass als Faktum berichtet wurde, was offenbar (noch) nicht faktisch war: dass es einen Anschlagsplan gab. Berichtbare Fakten waren offenbar: Das Einkaufszentrum wurde von der Polizei gesperrt. Die Polizei gibt als Grund Hinweise auf einen bestehenden Anschlag an.
SpOn ist es offenbar zu langweilig, die “Entwarnungs”-Meldung auch nur ansatzweise in vergleichbarer Prominenz zu bringen. Für den eiligen SpOn-Leser bleibt im Raume und Gedächtnis stehen: Es gab den Plan für einen verheerenden Anschlag in Essen, der von einem deutschen Dschihadisten beauftragt und von der mutigen und gut informierten Polizei verhindert wurde. Womit sich anschließend Sicherheitspolitik machen lässt.
Es gab keine und eine konkrete Anschlagsplanung?
Der General-Anzeiger wiederum entscheidet sich in dieser Situation für Schizophrenie: Nachdem verkündet wird, dass es keinen Anschlagsplan gab, fährt derselbe Artikel fort, als habe es diesen Anschlagplan doch gegeben:
Laut NRW-Innenminister Ralf Jäger stand in Essen kein unmittelbarer Anschlag bevor.… Mutmaßlicher Drahtzieher soll nach dpa-Informationen aus Sicherheitskreisen ein deutscher Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sein. Er soll von Syrien aus per Internet-Messenger mehrere Personen direkt kontaktiert und versucht haben, sie für einen Angriff auf das Einkaufszentrum zu motivieren. Ein Teil der mutmaßlichen Tätergruppe soll sich in Deutschland befunden haben, ein anderer Teil sollte aus dem Ausland anreisen.
…
Der Einsatz wurde inzwischen beendet, doch die Ermittlungen zu den aufgeflogenen Anschlagsplänen gehen weiter. Die Polizei bleibe wachsam, betonte ein Sprecher.(Quelle; Fettungen von mir)
Der nicht existente Plan hatte also einen Drahtzieher, der zum IS gehört und in Syrien sitzt, für den eben als nicht existent gemeldeten Plan steht eine Tätergruppe. Und diese nicht-existenten Anschlagspläne sind aufgeflogen. Verehrte GA-Journalisten: Gibt es jetzt einen Plan, der aufgeflogen ist (und der Beginn des Artikels ist falsch) oder gibt es keinen Plan und die Ausführungen über den Plan sind falsch? Und was genau ist der Unterschied zwischen Falschmeldung aus journalistischer Schlampigkeit und Fake-News?
Fazit
Hat es einen Plan gegeben? Wer weiß es? Wer weiß, was die Polizei weiß? Wer weiß, was die Polizei vermutet? Wer vermutet, was sie Polizei weiß? Wer vermutet, was die Polizei vermutet? Wer vermutet, was die Polizei über einen vermutlichen Anschlag vermutet? Wer weiß schon, was Fakten sind? Wozu auf Fakten warten,w wenn es zu berichten gilt? Oder wie es im “Prinzip Jago” heißt:
Sei schnell. Warte nicht. Zögere nicht. Denk nicht. Berichte! Was reinkommt geht raus — bevor andere es senden. Lieber einmal mehr Konjunktiv , als zweimal zu spät. Soll Allahu Akbar gesagt haben, könnte bedeuten, dass der IS dahinter steckt laut unbestätigten Angaben ein illegaler Migrant, aus gut informierten Kreisen ist zu hören, dass die Polizei ihn im Visier hatte, Experten sagen, dass das Muster zum IS passt — das reicht völlig, um uns gegen den Vorwurf der Falschmeldung zu verteidigen, machen alle so, müssen wir also auch. Kapiert? (Hier der Volltext als PDF)
Oktober 9th, 2016 § Kommentare deaktiviert für Die Tagesschau vom 8.10.2016 und Das Prinzip Jago [Updated] § permalink
In der Mitte des vierten Aktes trägt in “Das Prinzip Jago” der neu ernannte Nachrichten-Redakteur Ben “Bleiben Sie auf dem rechten Weg” Sützl seine Leitlinien für die Nachrichten der Zukunft vor. Und eine Woche nach der Essener Uraufführung geriert sich die Tagesschau anlässlich eines Vorfalles in Chemnitz, als wolle sie direkt mit der Umsetzung beginnen.
Hier ein Auszug aus » Read the rest of this entry «
Oktober 9th, 2016 § § permalink
Wer sich für das Arbeitsergebnis des Essener Writers Rooms, den Stücktext von “Das Prinzip Jago” interessiert, kann ihn hier direkt und in voller Länge als PDF herunterladen: Download-Link via Webseite des Schauspiel Essen.
Einen kleinen Eindruck von der Inszenierung vermittelt der Trailer des Schauspiel Essen:
Einige Kritiken:
In Theater Heute 10/2016 ist zudem ein Interview mit den Beteiligten des Essener Writers Room Volker Lösch, Vera Ring, Oliver Schmaering und mir zu lesen. Der Artikel ist hier (kostenpflichtig) online zu finden. Oder in der Oktober-Printausgabe.
Mai 12th, 2016 § § permalink
Bereits seit Ende Februar 2016, also seit drei Monaten, ist am Schauspiel Essen ein Writers Room Projekt am Start, an dem ich beteiligt bin: zusammen mit dem Regisseur Volker Lösch, der Essener Chefdramaturgin Vera Ring und dem Theater- und Drehbuchautoren Oliver Schmaering entsteht eine Arbeit mit dem Titel „Das Prinzip Jago“ nach Motiven aus „Othello“ von Shakespeare. Keine Stückbearbeitung, keine Übersetzung, keine Modernisierung, sondern ein von vorne bis hinten neu geschriebener Text mit eigener Handlungs- und Szenenstruktur. In einem Writers Room, der Schreiber, Regie, Dramaturgie, zeitweise auch Bühnenbild (Carola Reuther) und demnächst eventuell noch weitere Kompetenzen versammelt, um gemeinsam an einem Gemeinsamen zu arbeiten. Die Uraufführung wird am 1.10.2016 am Schauspiel Essen sein.
Worum es bei “Das Prinzip Jago” gehen soll und wird, ist auf der Webseite des Theaters seit heute zu lesen. Unter diesem Link.
Mein Plädoyer für Writers Rooms an Theatern ist auf nachtkritik zu finden, hier.
Wer sich für diese Arbeitsweise interessiert und sie ausprobieren möchte, kann sich für einen soeben ausgeschriebenen Writers Room an den Wiener Wortstätten bewerben. Die Ausschreibung ist hier zu finden.
Und wer 8 Minuten Zeit hat, sich anzusehen, wie in einem Zeitraum von gut zwei Wochen (!) eine (!) Episode von Breaking Bad entstand, der kann hier schauen:
Mai 19th, 2015 § § permalink
Die Kathedrale von Saint Dénis bei Paris (Wikipedia). Zahllose Programme gleichzeitig, Standbilder zwar, dafür um so überwältigender. 360 Grad Fern-Sehen, Tele-Vision in die Transzendenz. » Read the rest of this entry «
Dezember 11th, 2014 § Kommentare deaktiviert für Ein paar Gedanken zum Livestreaming von Schauspieltheater #theaterstream § permalink
Gestern Abend wurde in der Boell-Stiftung über die Frage: “Schauspiel im Livestream — Fluch oder Segen” diskutiert. Dafür hatte ich mir im Vorfeld ein paar Gedanken gemacht, mit denen ich mein Podiums-Statement bestreiten wollte. Nach dem grandiosen Stream aus dem Schauspiel Dortmund mit Kay Voges’ Inszenierung von Sarah Kanes “4.4. Psychose” hab ich dann entschieden, nur relativ knapp einige wenige Überlegungen daraus anzubringen. Die ganze Sache deswegen jetzt hier:
Reaktionen auf die Frage: “Theater-Streaming- Ja oder Nein?” oder: “I can haz livestream?”
Die erste Reaktion: Ja klar, sofort. Die Technik ist da, es ist eine großartige Chance zur Öffnung von Theatern in den digitalen Raum, die Möglichkeit die Teilhabe zu erweitern, Menschen, die aus welchen Gründen auch immer, nicht im Theaterraum anwesend sein können oder wollen Zugang zu verschaffen – immerhin ist die Access-Thematik einer der wichtigsten Bestandteile der utopischen Erzählung vom Internet. Abwesende Zuschauer bekommen Zugang, können in unterschiedlichen Orten halb-anwesend sein, Theatermacher können sich von anderen Theatermachern inspirieren lassen. Klingt toll.
Die zweite Reaktion: Wenn ihr es macht, macht es vernünftig. Die nervigen “Kameraheinis” drei Tage vor der Premiere ein paar Minuten rein- und ihr Equipment aufbauen lassen, dann die Sache irgendwie ins Netz bringen, ist ein » Read the rest of this entry «
September 9th, 2014 § Kommentare deaktiviert für Drama und Ideologie 8: Die Krise der politischen Erzählungen § permalink
Auf dem Journalisten-Branchenportal Meedia findet sich heute ein interessanter Text von Stefan Winterbauer (Hier). Darin wird die Krise des Journalismus ausnahmsweise nicht als Auflagenkrise, sondern als Krise der Erzählung beschrieben: Anlässlich der gestrigen Sendung von Frank Plasbergs „Hart aber Fair“ wird geschildert, wie die Versuche, dort zu einer gemeinsamen Erzählung des Ukraine-Konflikts zu kommen, gleichzeitig in einer „Gegenöffentlichkeit“ in den digitalen, sozialen Medien konfrontiert ist, die parallel ihre eigenen Erzählungen entwarfen. Er schreibt:
Die Gegenöffentlichkeit artikuliert sich im Zuge der Ukraine-Krise erstmals in großem Stil. Dass das Phänomen wieder verschwindet, ist unwahrscheinlich. Für die klassischen Medien ist dies eine der größten Herausforderungen der Digitalisierung. Wie können Medien ihre Glaubwürdigkeit retten oder zurückgewinnen? Wie können sie dem Publikum deutlich machen, dass es sich lohnt ihnen zu vertrauen?
Nun ist es sicherlich etwas zu kurz gegriffen zu behaupten, hier artikuliere sich eine Gegenöffentlichkeit zum ersten Mal. Die Geschichte der Gegenöffentlichkeiten ist bereits im analogen Zeitalter relativ lang (Beispiel: „Kein Blut für Öl“ im ersten Golfkrieg), wird noch erheblich umfangreicher im Digitalzeitalter – von Online-Petitionen, über Plagiats-Jäger bis hin zu den Phänomenen des Arabischen Frühlings. Trotzdem bleibt die Beschreibung des Zusammenhangs von Ukraine-Krise und erzählenden Gegenöffentlichkeiten interessant zu beobachten, die Winterbauer hier anreißt.
Die Plasberg-Sendung
Ich habe die Sendung mit dem Titel „Wladimir Putin – der gefährlichste Mann Europas? gestern gesehen – und war von Beginn an überrascht. Es saßen in der dort vorwiegend journalistische „Erzähler“: die russische Journalistin Anna Rose, der ehemalige WDR-Intendant Fritz Pleitgen, der Moskauer Focus-Korrespondent Boris Reitschuster, der Journalist und Filmemacher Hubert Seipel. Zwischen ihnen der Kanzleramtschef Peter Altmeier, der nicht zuletzt Aufseher der politischen Erzähler ist: des Bundesnachrichtendienstes.
Zwischen diesen Erzählern entspann sich nun: der Kampf der Erzählungen, der auf eigenartige Weise an Akira Kurosawas Rashomon erinnerte, eines Filmes, der „den selben“ Vorfall viermal erzählen lässt, von vier unterschiedlichen Standpunkten aus und daraus vier unterschiedliche Erzählungen von etwas gewinnt, von dem es ein „dasselbe“ nicht mehr gibt.
Bei Plasberg traten sehr gezielt eingeladene journalistische Erzähler an, erzählten – und kamen zu sehr unterschiedlichen Erzählungen dessen, wovon es sicher am Ende, vermutlich aber von Anfang an kein „dasselbe“gibt. Waren hier und da Elemente auch strittig, so waren sich doch die Erzählungen im Wesentlichen darin ähnlich, dass sie viele gemeinsame Elemente verwendeten, sie aber unterschiedlich zusammenfügten, zu unterschiedlichen Erzählungen mit unterschiedlichen daraus folgenden Konsequenzen. Das im Einzelnen zu rekonstruieren, würde hier zu weit führen, zumal die einzelnen unterschiedlichen Erzählungen weitgehend schon vorher einigermaßen bekannt waren.
Interessanter ist die Beobachtung, dass eben Erzähler hier gegeneinander antreten, Journalisten, die in ihren unterschiedlichen Erzählungen (mehr oder weniger prägnant) deutlich werden lassen, dass ihre Erzählungen bestimmte Gefüge von Zusammenhängen sind, die miteinander inkompatibel sind. Es ist nicht nur ein Streit darüber, was jetzt passieren sollte. Es ist vor allem der Streit, was „Sache“ ist – und was daraus zu folgern ist. Die Konsequenz: Die Ukraine-Krise lässt in großer Deutlichkeit die Krise der Erzählungen sichtbar werden, die sich verstärkt durch die Parallelität alter und neuer Kommunikationsmittel ergibt. Es wird sichtbar, dass das alte Leit-Erzählmedium, die Media Divina Fernsehen ihre Erzählkraft verloren hat.
Denn es streiten nicht nur in der Media Divina die Erzähler, sondern – wie Stefan Winterbauer berichtet – in zahlreichen kleinen Debatten verheddern sich auch in der digitalen und sozialen Kommunikationswelt die Erzählungen ineinander, fallen in Glaubensgrüppchen auseinander und bauen sich ihre eigenen Erzählungen. Winterbauer attestiert eine „Glaubwürdigkeitskrise“ der Massenmedien, die er für relevanter hält als den Medienwandel und die Auflagenkrise der Zeitungen. Der zentrale Bestandteil dieser Diagnose allerdings ist „Glauben“ und „Glaubwürdigkeit“, weil er an etwas rührt, was Massenmedien als Erzähler immer voraussetzen, worauf sie aufbauen müssen, ohne es doch selbst herstellen zu können. Das macht diesen Sachverhalt in der hiesigen Blogposting-Reihe „Drama und Ideologie“ interessant, weil sich Anschlussfähigkeit an die Trivialitäten des Aristoteles, von denen in den letzten Postings dieser Reihe (hier, hier, hier und hier) die Rede, herstellen lässt.
Aristoteles und der politische Groschenroman
Die Erzählung ist, im Anschluss an die letzten Beiträge zu Aristoteles hier im Blog, eine Zusammenfügung von Praktiken (σύνθεσιν τῶν πραγμάτων), die Aristoteles mit dem missverständlichen Wort μῦθος bezeichnet, die von einem Gefügemacher (μυθοποιός) erstellt wird, indem Praktiken zu einem Zusammenhang gefügt werden. Dieses Gefüge hat sich dem Kriterium des Möglichen und Notwendigen (τὸ εἰκὸς ἢ τὸ ἀναγκαῖον) zu fügen. Elemente werden zu einem Zusammenhang zusammengesetzt, neue Elemente müssen, damit eine Erzählung weiter erzählt werden kann, sich in dieses Gefüge einfügen lassen.
2010 hatte Frank Schirrmacher in der FAZ (hier) einen schönen Artikel, der beschrieb „wie man ein verdammt guter Politiker wird“ – und dabei behauptete: „Politische Glaubwürdigkeit im neuen Medienzeitalter ist keine moralische, sondern eine literarische Kategorie.“
In kritischer Absicht, anlässlich » Read the rest of this entry «
August 30th, 2014 § Kommentare deaktiviert für Drama und Ideologie 7: Die Unterbrechung des Gefüges § permalink
Man könnte nach dem Bisherigen zu dem Schluss kommen, dass Gefüge erst dann wahrnehmbar werden, wenn sie unterbrochen werden. Wenn also Theater „Ort der Gesellschaft in der Gesellschaft ist, an dem sich in Gesellschaft über Gesellschaft ästhetisch reflektieren lässt“, dann wäre also Theater jene Unterbrechung des Gefüges „Gesellschaft“, das dieses Gefüge überhaupt erst – möglich? – macht? Indem es ein Gefüge vorführt, das als Gesellschaft vorgeführt ist und bereits dadurch dass es vorgeführt wird, ein Gefüge im Gefüge ist, das eben durch diese Einfügung das umgebende Gefüge verfügbar machte.
Vielleicht nur eine Variante von Foucaults » Read the rest of this entry «
August 30th, 2014 § Kommentare deaktiviert für Drama und Ideologie 6: Die Verschachtelung der Gefügemacher § permalink
Interessant an der Gefügemacherei, der μυθοποίησις des Dramas, ist die Verschachtelung unterschiedlicher Gefüge in Gefügen. Insbesondere das Fernsehen hat hier gewaltige Neuerungen herbeigeführt, indem nicht nur ein unsichtbarer Gefügemacher im Hintergrund das Gefüge gefügt haben kann, wie etwa im traditionellen Begriff des Dramas der vierten Wand, das als ein Gefüge abläuft, sondern indem etwa ein Gefügemacher als Voice-Over-Erzähler sich unsichtbar, aber hörbar über das Gefüge legt, diese Voice-Over-Stimme aber selbst wieder ein in das Gesamtgefüge (die filmische Montage) Gefügtes, Hinzugefügtes vielleicht, das nunmehr aus scheinbar zwei » Read the rest of this entry «
August 30th, 2014 § Kommentare deaktiviert für Drama und Ideologie 5 § permalink
Wenn „Drama“ ein Formbegriff ist, oder Drama Form ist – was ist dann ein Dramatiker? Jemand, der sich mit Gegenständen befasst, die zum Sachgebiet „Drama“ gehören oder (was auch immer das wäre, ist zu klären) als „dramatisch“ qualifiziert werden können? So wie ein Vogelkundler sich vor Allem mit Vögeln befasst? Also mit Gegenständen, die der Qualifikation „Drama“ gehorchen, wie dieser mit Gegenständen, die unter den Begriff „Vogel“ fallen? Was wäre dann dieser Gegenstand, der Drama » Read the rest of this entry «