Interessant an der Gefügemacherei, der μυθοποίησις des Dramas, ist die Verschachtelung unterschiedlicher Gefüge in Gefügen. Insbesondere das Fernsehen hat hier gewaltige Neuerungen herbeigeführt, indem nicht nur ein unsichtbarer Gefügemacher im Hintergrund das Gefüge gefügt haben kann, wie etwa im traditionellen Begriff des Dramas der vierten Wand, das als ein Gefüge abläuft, sondern indem etwa ein Gefügemacher als Voice-Over-Erzähler sich unsichtbar, aber hörbar über das Gefüge legt, diese Voice-Over-Stimme aber selbst wieder ein in das Gesamtgefüge (die filmische Montage) Gefügtes, Hinzugefügtes vielleicht, das nunmehr aus scheinbar zwei Gefügen besteht, die sich zu einem Gefüge zusammenfügen, etwa einer Reportage, einem Dokumentarfilm. Zudem wird durch die Einfügung von Gefügemachern – etwa in Interviews – eine partielle Einfügung von Gefügen geschaffen, die sowohl zu dem montierten Gesamtgefüge in Beziehung stehen, wie etwa zu dem Dazugefügten des Voice-Over. Eine scheinbare Rahmen-Schachtelung von Gefügen, die sich noch fortsetzen lässt, greift man über die angegebenen Grenzen eines Gefüges, etwa eine Beitrages in einem Fernsehmagazin hinaus auf das Gesamtgefüge der Magazinsendung, noch weiter auf das weitere Gefüge, das etwa ein Abend- oder Ganztagesprogramm darstellt, das ein Fernsehsender darstellt, oder noch weiter auf das Gesamtgefüge all dessen, was auf allen Programmen zu jeder Zeit im Fernsehen zu sehen ist. Es finden sich auf all diesen abstrahierten Ebenen Gefüge, die das Gesamtgefüge „Fernsehen“ ebenso zu einem aristotelischen μῦθοςmachen, wie das kurze eingefügte Interview-Gefüge, die allesamt aber, trotz der abstrahierenden Trennung, in einer Beziehung zueinander stehen, sofern etwa das eingefügte Interview ebenso versuchen kann eine „Welt“ zusammenzufügen, wie das Gesamtgefüge dessen, das als Fernsehen bezeichnet wird. Auf jeder Stufe der Ebenenabstraktion ist eine Gefügemacherei am Werke, eine Dramatopoiesis, die (scheinbar) Heterogenes und/oder (scheinbar) Homogenes zueinander fügt.
Dabei ist der Gefügemacher einer Ebene nicht unbedingt einfach in der Position der Kontrollinstanz, wie etwa in sogenannten Gesprächssendungen oder Talkshows spürbar wird, in der oftmals angeblich unterschiedliche „Positionen“ durch eingeladene Figuren dargestellt werden, die sich dem Leitfaden von Moderatorenfragen zu fügen haben, wobei aber nicht gänzlich kontrollierbar bleibt, was die einzelnen Figuren (extemporierend) beitragen und ob sich diese Beiträge, die zumeist eigene Versuche, Gefüge vorzustellen oder eigene Gefüge anzuspielen darstellen sollen, sich zu einem Gefüge fügen lassen wollen. Auf interessante Weise sichtbar werden diese Schwierigkeiten in sogenannten Missgeschicken oder Un-Fällen, in denen einzelne Figuren etwa überraschend aus dem Fügungsversuch ausbrechen und den Versuch der Fügung insofern sichtbar werden lassen, als sie den mit der Fügung beauftragten Moderator herausfordern oder dessen Unfähigkeit, ein Gefüge aus Extempores zusammenzufügen, schlagartig sichtbar werden lassen. Sei es, indem einzelne Figuren spontan die Teilnahme aufgeben, indem sie während der Sendung diese verlassen. Oder indem sie Beiträge liefern, die nicht einfach in das Gefüge fügbar sind.
Interessant sind solche Vorfälle aber vor allem deswegen, weil sie das Rätsel spürbar machen, dass bestimmte Fügungen als Gefüge akzeptabel sind, andere nicht. Das und nur das ist wohl das eigentlich interessante Phänomen: wie es sein kann, das diese oder jene Zusammenstellung ein Gefüge sein soll und kann, eine andere nicht.
To be continued. Maybe.
P.S. Interessant ist etwa die folgende Sichtbarmachung des televisionierten Gefüges durch kurzfristige Störung einer Talkshow bei Sandra Maischberger, die sich interessanterweise gerade um Gott drehen sollte:
P.S. 2: In welche Schwierigkeiten man in dem Augenblick gelangt, wo versucht wird, die Gefüge-Ebenen zu trennen, um sie dann wieder miteinander in Beziehung zu setzen, zeigt der interessante Aufsatz von Michael Niehaus: Voice over. Eine filmnarratologische Bestandsaufnahme