April 14th, 2016 § Kommentare deaktiviert für Hubschraubergeld – oder das Paradox des zweibeinigen Kapitalismus § permalink
Der Begriff geistert ein wenig durch die Wirtschaftsnachrichten seit einiger Zeit: Hubschraubergeld. Marcel Fratzscher findet das Konzept erwägenswert. Mario Draghi bezeichnete es als „sehr interessant“. Die Idee ist Jahrzehnte alt und stammt vom Alt-Neoliberalen Milton Friedman (gelegentlich auch von US-Notenbankern wie Bernanke ins Spiel gebracht): Wenns in einer neoliberalen Wirtschaft mal nicht brummt soll einfach von der Notenbank (oder dem Staat) Bargeld unter den Bürgern verteilt werden, damit diese kaufen gehen, Umsätze und Gewinne, sowie volkswirtschaftliche Wachstumsraten und Inflation steigern. Neoliberale, die etwas zu verschenken haben – und dann auch noch gleich Geld. Parbleu.
Kapitalismus – das zweibeinige Monster
Dem Sozialismus drohen die Unternehmer auszugehen – dem Kapitalismus die Kunden. Sozialismus tendiert zur Selbstzerstörung – Kapitalismus auch. Ob Kapitalismus das beste, sinnvollste, humanste, ökologischste Wirtschaftssystem ist, ist eine Frage, die sich trefflich diskutieren lässt. In den letzten Jahrzehnten war die politische Antwort: eher ja. Und man versuchte es mit einer immer weniger sozialen Form von Marktwirtschaft, die immer deutlicher (sei Thatcher, Reagan, Kohl/Schröder/, Blair usw.) zur Reinform jenes Neoliberalismus wurde, den Hayek, der wirtschaftsreligiöse Gegenspieler von Keynes, seit den 20er Jahr predigte. Die neuerdings recht lautstark auftretende „Alternative für Deutschland“, die Vereinigung rechtsblinkender Geisterfahrer, die neben einem mit Rassisten, Chauvinisten, Neonationalisten und Neofaschisten flirtenden Deutschtum vor allem der politische Arm der stramm national-neoliberalen Hayek-Gesellschaft darstellt, bietet nunmehr mit ihrem Programmentwurf eine Art Extremform des Ultra-Neoliberalismus. Und wird, gewinnt sie Einfluss, damit zum Totengräber eben jenes neoliberalen Turbokapitalismus, den sie doch eigentlich zur Realexistenz führen will.
Der Kapitalismus in der Form, die im 19. Jahrhundert entstanden ist, mag ein Monster sein – es ist aber ein zweibeiniges Monster. Das rechte Bein war eine (wie auch immer geartete) liberale Wirtschaftspolitik, der als linkes Bein die Sozialpolitik dient. Auch für den Kapitalismus gilt: auf einem Bein kann man nicht stehen. Eine Wirtschaft, die nur aus profitorientierten Unternehmern besteht kann ohne konsumfähige Kunden nicht bestehen. Diese wurden von der Sozialdemokratie und den Gewerkschaften geliefert. Der vordergründige Kampf um Löhne und soziale Absicherung ist zugleich ein Kundenbeschaffungsprogramm für kapitalistische Volkswirtschaften. Die Rentenversicherung sorgt dafür, dass auch im höheren Alter Menschen noch Kunden sind. Die Krankenversicherung sorgt dafür, dass Kranke nicht aus dem Konsum fallen. Die Arbeitslosenversicherung stellt sicher, dass auch Menschen, die kein Einkommen haben, noch immer im Supermarkt für Umsatz sorgen. Streicht man, wie es das Programm der AfD andeutet, diese Leistungen zusammen, fallen Konsumenten weg. Fällt Kaufkraft weg.
Das kapitalistische Problem mit der Ungleichheits-Schere
Steigen die Löhne – wie in den letzten beiden Jahrzehnten – real nicht, ist es kaum zu erwarten, dass die Kaufkraft steigt bzw. bei vorhandener Inflation ist gar zu erwarten, dass die Kaufkraft real insofern sinkt, als die Menschen/Kunden für ihr Geld weniger oder niederpreisigere Güter konsumieren. Woher soll das Wachstum kommen, wenn ein Großteil der Bevölkerung nicht mehr kaufen kann, sondern eher weniger? Die Einkommens- und Vermögenszunahme am oberen Rand hilft nicht: Die Automobilwirtschaft in einem neoliberalen Kapitalismus, in dem nur noch Bentleys, Bugattis, Rolls Royce, S‑Klassen und 7er gekauft werden, funktioniert nicht. Irgendwann hat jeder einen (und zwar eben wenige), kauft sich bei wachsendem Vermögen vielleicht einen oder zwei weitere. Wenn aber das gesamte Käufersegment der Kleinwagen sich reduziert, die für die Umsatzmasse sorgen – hilft das alles nichts. Kein Kapitalismus kann damit funktioneiren, dass sich ein paar Handvoll Superreicher gegenseitig Luxusjachten verkaufen.
Man kann dann zweierlei tun: Die Preise im unteren Segment reduzieren (faktisch also eine deflationäre Bewegung!). Dafür müssen Kosten gespart werden – am besten Lohnkosten. Was zum Ergebnis hat, dass zwar Preise und Löhne gesunken sind – aber der Absatz nicht daraufhin anspringt.
Oder man setzt – was Deutschland tut – auf den Export. Knapp 8% Außenhandelsüberschuss zeigen in diese Richtung (und gelten laut Europäischer Kommission als „stabilitätsgefährdend“). Heißt: Man verkauft die hier zu allzu geringen Löhnen hergestellten Produkte in andere Länder, in denen entweder höhere Löhne gezahlt werden und die nicht in dieser Abwärtsspirale begriffen sind. Oder man verlagert die Produktion ins Ausland, wo sich noch billigere Arbeiter finden lassen, sodass sich schlecht bezahlte Arbeiter hierzulande die zu noch schlechteren Löhnen produzierten Fahrzeuge leisten können. Oder Kleidungsstücke. Nur – diese Unterschiede sind offenbar nicht von Dauer. Die rechtlosen Lohnsklaven in Bangladesch oder Afrika haben zunehmend weniger Lust, mit ihrem Leben für den Konsum in Deutschland zu bezahlen. Und die Möglichkeiten, Absatzmärkte im Ausland zu finden, insbesondere solche, die kein Problem damit haben, sich wegen des deutschen Exportüberschusses zu verschulden – neigt sich auch dem Ende entgegen. Funktioniert eine Zeitlang – aber nicht ewig.
Das heißt: eine sich immer weiter spreizende Ungleichheitsschere innerhalb einer Volkswirtschaft sorgt für Absatzprobleme der Wirtschaft, die eine Zeitlang durch eine internationale Ungleichheit zu reparieren versucht werden kann. In dem Maße, wie sich diese anderen Länder aber entweder selbst ungleicher entwickeln(= auch hier Käuferrückgang) ODER die Ungleichheit zu reduzieren versuchen (=höhere Produktionskosten im Ausland), funktioniert das nicht mehr. Der Kapitalismus schneidet sich mit der Ungleichheitsschere selbst den Hals ab.
Hubschraubergeld?
Hubschraubergeld nun ist der Gedanke, nach den untauglichen Versuchen, durch Aufpumpen des Privatbankensystems mit ca. 80 Milliarden Euro monatlich (durch Draghis Quantitative Easing-Programme), die sich als nicht tauglich erwiesen haben, das Wachstum und die Inflation zu erhöhen, an der anderen Seite anzusetzen. Draghi wollte bisher die Verschuldung von Unternehmen und Privathaushalten erhöhen, indem er den Banken frisches Kapital in nahezu unbegrenztem Maße zur Verfügung stellte und sie gleichzeitig davon abbringen wollte (durch Negativzinsen), dieses Kapital zu horten. Haut nicht hin. Banken vergeben entweder nicht ausreichend Kredite – oder es werden (ein anderes Thema – Stichwort Dienstleistungs- und Digitalökonomie) nicht hinreichende Kredite nachgefragt. Unternehmen und Konsumenten haben wenig Lust, sich zu verschulden, nachdem ihnen jahrzehntelang gepredigt wurde, Schulden seien schlecht. Macht Sinn.
Dann also ein Strategiewechsel: Statt die Bürger zu verführen, Schulden zu machen, um den Konsum anzukurbeln, gibt man ihnen » Read the rest of this entry «
April 4th, 2016 § Kommentare deaktiviert für Negative Zinsen, Bargeldabschaffung, Digitalgeld und die Blaupause des Bankgeschäfts § permalink
Vorneweg: Banken sind sinnvolle, wahrscheinlich sogar notwendige Institutionen in allen Volkswirtschaften. Es geht also nicht darum, „die Banken“ als solche infrage zu stellen. Ebenso wenig geht es darum, aus faktisch vorliegenden Fällen von Fehlverhalten von Bankmitarbeitern die Schwierigkeiten im Banken- und letztlich Geldsystem auf „Gier“ Einzelner oder Vieler zurückzuführen, die in Banken arbeiten. Es geht um etwas Anderes, das meines Erachtens wichtiger ist. Das sich aber nur dann in den Blick bekommen lässt, wenn man die Verschiebungen in den Blick bekommt, die das Bankensystem in den letzten Jahrzehnten erlebt hat und die zu einem paradoxen, zirkulären Prozess führen, bei dem am Ende das ursprüngliche Bankgeschäft auf dem Kopf steht. » Read the rest of this entry «
Juli 3rd, 2015 § Kommentare deaktiviert für Griechische Staatsschulden? — Peanuts! § permalink
Eine kleine aktuelle Meldung im Griechenland-Newsblog SpON mag dazu veranlassen, die Dimension der Staatsschulden Griechenlands etwas anders zu betrachten. Es heißt bei Spon (hier; 03.07.2015; 12.30 Uhr):
Die Eskalation der Griechenland-Krise hat laut einer Ernst&Young-Studie weltweit binnen weniger Tage rund 300 Milliarden Dollar an Börsenwert vernichtet. Der Gesamtwert der 100 teuersten Aktiengesellschaften der Welt sank nach Berechnungen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 19. bis 30. Juni von 16,6 Billionen auf 16,3 Billionen US-Dollar.
Dieser Betrag von 300 Milliarden liegt nahe an den ca. 320 Milliarden Euro Staatsschulden Greichenlands. Und sieht neben dem Gesamtwert von 100 Unternehmen — über 16 Billionen — vergleichsweise mickrig aus. Man könnte nun also folgern: Ein sofortiger Schuldenerlass für Greichenland ist im Vergleich zu diesen Beträgen, die auf den Finanzmärkten im Spiel sind, fast vernachlässigbar. Er entspricht dem Buchwertverlust weniger Tage an den Börsen (der in Gesamtbetrachtung aller Aktienwerte, also nicht nur der betrachteten 100, um ein vielfaches höher wäre) — und dem Buchwertgewinn nach Ende der sogenannten Krise. Statt das Geld an der Börse zu verjuxen — hätte man damit die Finanzklemme Griechenlands lösen können. Es handelt sich schließlich auch nur um Buchgeld, dessen Verschwinden nicht mehr Spuren hinterlässt, als ein Atemzug im Sommerwind. Peanuts.
Hätte. Wenn — ja wenn nicht im Verlauf der letzten Jahre jene Investoren, die jetzt diese Buchwertverluste hinnehmen, von den öffentlichen Institutionen freigekauft worden wären. Die sogenannten Finanzmärkte hätte der Verlust von 300 Milliarden nicht weiter geschmerzt (von der einen oder anderen bilanziellen Verwerfung vielleicht abgesehen …). Sie hätten ein paar Tage gewartet und den Verlust durch Buchgewinne ihrer Aktien wieder kompenisert. Aber der schwäbischen Hausfrau und der schwarzen Null an ihrer Seite ist das natürlich nicht zu vermitteln.
Juni 14th, 2015 § § permalink
Im ersten Teil des Beitrags war geschildert worden, wie die bevorstehende Abschaffung des Bargelds die Bürger auf Gedeih und Verderb den Geschäftsbanken ausliefert. In diesem Teil soll nun gezeigt werden, dass die aktuell diskutierte Vorratsdatenspeicherung ein Witz gegen das ist, was mit der Bargeldabschaffung bevorsteht. Hellhörig dürfte dabei machen, dass „Experten“, die die Bargeldabschaffung fordern, insbesondere damit argumentieren, dass damit Kriminelle (insbes. Drogenhändler) und Steuerhinterzieher getroffen werden. (z.B. hier). » Read the rest of this entry «
Juni 13th, 2015 § Kommentare deaktiviert für Abschaffung des Bargelds I: Enteignung des Bürgers § permalink
Seit einigen Wochen mehren sich Stimmen, die die endgültige Abschaffung des Bargelds fordern (Peter Bofinger), ernsthaft erwägen oder mit unterschiedlichen Argumenten ablehnen (Roland Tichy, Heiner Flassbeck). Zugleich findet sich eine vergleichsweise breite politische Öffentlichkeit, die die sogenannte Vorratsdatenspeicherung kritisiert oder aktivistisch bekämpft – ohne offenbar zu ahnen, dass sich hinter der Bargeld-Debatte eine Art der Vorratsdatenspeicherung und Ermächtigung des Staates (und der Banken) verbirgt, als sie sich in ihren ärgsten Albträumen ausmalen könnten. Warum das so ist – das soll dieser zweiteilige Artikel ausführen. Im ersten Teil wird die Verschiebung beschrieben, die sich im Verhältnis zwischen Geschäftsbanken und Bürgern einstellt. Im zweiten, morgen folgenden Teil, die Veränderung, die sich im Verhältnis zwischen Regierung und Bürgern dadurch einstellt und die bei genauer Betrachtung nicht nur eine Umdefinition von “Freiheit” hin zu der Freiheit ist, freiweillig an einem Ermittlungsverfahren teilzuhaben, das nicht nicht stattfinden und dem sich zu entziehen unmöglich ist, sondern auch zu einer Bewegung weg von einem demokratischen Staatswesen führt. » Read the rest of this entry «
August 19th, 2013 § Kommentare deaktiviert für Uraufführungs-Kritiken zu “Schuld und Schein” § permalink
Am 4.7.2013 hatte “Schuld und Schein” am Metropoltheater München Premiere. Ich war da und hatte großes Vergnügen an der offensichtlichen Spiellust von Regie und Darstellern. Und fand den Umgang mit dem Text sehr sehr schön. Was die Presse dazu meinte:
In der “Süddeutschen Zeitung” (leider nicht online) schrieb Xaver von Cranach:
“… man lacht mindestens genauso viel wie man grübelt. Doch die Karikatur hat auch ein kritisches Potenzial. So wird ein Raum » Read the rest of this entry «
April 22nd, 2013 § § permalink
Wenn also Massenmedien die Welt und die Gesellschaft, in der wir leben, so konstruieren und darstellen, dass unser Wissen über diese Geselslchaft mehr oder minder aus den Massenmedien stammt (Luhmann) — was bleibt dann einer darstellenden Kunst noch zu konstruieren? Sich ein Bild von der Welt zu machen, kann es kaum sein. Denn gegen das massenmediale Bild von Fernsehen und Zeitungen kann es nicht ankommen, dafür ist Theater zu langsam, ihm fehlen die personellen und finanziellen Mittel. Und das Publikum ist viel zu klein. In diesem Zusammenhang bin ich über einen kleinen Brecht-Text von 1955 gestolpert, der sich dem Problem der Darstellbarkeit der Welt widmet und dazu Stellung bezieht. Was Brecht im Angesicht der atomaren Bedrohung schreibt, lässt sich eventuell auch über die Welt im Angesicht der monetären Bedrohung noch einmal sagen. Ich zitiere ihn in ganzer Länge unkommentiert. Die Fettungen sind allerdings von mir.
Brecht – Über die Darstellbarkeit der Welt auf dem Theater
Mit Interesse höre ich, daß Friedrich Dürrenmatt in einem Gespräch über das Theater die Frage gestellt hat, ob die heutige Welt durch Theater überhaupt noch wiedergegeben werden kann.
Diese Frage, scheint mir, muß zugelassen werden, sobald sie einmal gestellt ist. Die Zeit ist vorüber, wo die Wiedergabe der Welt durch das Theater lediglich erlebbar sein mußte. Um ein Erlebnis zu werden, muß sie stimmen.
Es gibt viele Leute, die konstatieren, daß das Erlebnis im Theater schwächer wird, aber es gibt nicht so viele, die eine Wiedergabe der heutigen Welt als zunehmend schwierig erkennen. Es war diese Erkenntnis, die einige von uns Stückeschreibern und Spielleitern veranlaßt hat, auf die Suche nach neuen Kunstmitteln zu gehen.
Ich selbst habe, wie Ihnen als Leuten vom Bau bekannt ist, nicht wenige Versuche unternommen, die heutige Welt, das heutige Zusammenleben der Menschen, in das Blickfeld des Theaters zu bekommen.
Dies schreibend, sitze ich nur wenige hundert Meter von einem großen, mit guten Schauspielern und aller nötigen Maschinerie ausgestatteten Theater, an dem ich mit zahlreichen, meist jungen Mitarbeitern manches ausprobieren kann, auf den Tischen, um mich Modellbücher mit Tausenden von Fotos unserer Aufführungen und vielen mehr, oder minder genauen Beschreibungen der verschiedenartigsten Probleme und ihrer vorläufigen Lösungen. Ich habe also alle Möglichkeiten, aber ich kann nicht sagen. daß die Dramaturgien, die ich aus bestimmten Gründen nichtaristotelische nenne, und die dazugehörende epische Spielweise die Lösung darstellen. Jedoch ist eines klargeworden: Die heutige Welt ist den heutigen Menschen nur beschreibbar, wenn sie als eine » Read the rest of this entry «
April 17th, 2013 § Kommentare deaktiviert für Uraufführungspremiere “Schuld und Schein” am 4. Juli in München § permalink
Das Metropoltheater kündigt es auf der Webseite an: Am 4. Juli 2013 wird mein Text “Schuld und Schein. Ein Geldstück” in München Uraufführungspremiere haben. Weitere acht Vorstellungen sind im Juli geplant (hier der Spielplan). Ich freue mich wahnsinnig darauf. Die Uraufführungsankündigung (hier) macht mir Lust auf die Inszenierung. Ich hoffe, es werden sich viele Besucher einfinden und vor- oder hinterher das Stück selbst lesen (als PDF downloadbar hier ) und auf der Seite im Forum (das ich noch installieren muss) diskutieren.
Das Stück war im letzten Spätsommer/Herbst entstanden. In Absprache mit dem Verlag der Autoren habe ich es » Read the rest of this entry «
April 17th, 2013 § Kommentare deaktiviert für Finanzwissenschaft — Firlefanzwissenschaft. Rechnen Sie mit dem schlimmsten. Oder auch nicht. § permalink
In der Süddeutschen Zeitung findet sich heute hier ein knapper Artikel, bei dessen Lektüre mir der Unterkiefer auf den Boden gefallen wäre, hätte die Tischplatte ihn nicht unsanft gebremst. Seit einer Studie des Harvard-Ökonomen, Schach-Großmeisters und ehemaligen Chefökonomen des Internationalen Währungsfonds Kenneth Rogoff und der Harvard-Professorin Carmen Reinhart galt in der Volkswirtshaft der Grundsatz: Verschuldet sich ein Staat mit mehr als 90% seiner jährlichen Wirtschaftsleistung, geht es abwärts (hier ist die Studie downloadbar). Darauf geht der Glaubenssatz zurück, der gerade in den südeuropäischen Ländern wie Griechenland genau zu jener Sparpolitik führt, die diese Länder in eine Abwärtsspirale stürzt. Die sogenannten Märkte, im Vertrauen auf diese Studie, erhöhen die Zinsen für Länder mit dieser Schuldenquote (aus Glaubensgründen), steigende Zinsen belasten den Haushalt, zudem wird der Staat zu den bekannten Sparmaßnahmen getrieben, die eine ohnehin in der Krise befindliche Wirtschaft noch weiter in den Abgrund treiben. Die Folgen für die Bürger sind hinlänglich bekannt.
Jetzt erschien eine andere Studie (hier downloadbar), die nicht etwa einfach die 90%-Regel problematisierte, sondern gar behauptete, diese Regel sei aufgrund fehlerhafter Berechnungen, ja des mangelhaften Umgangs mit Excel zu verdanken. Es würden aus unerklärlichen Gründen bestimmte Daten ausgeblendet, unterschiedliche Betrachtungszeiträume miteinander verglichen. Das Ergebnis der neuen Studie: Über 90% Verschuldung sinkt das Wachstum nicht etwa um 0,1% pro Jahr (wie Rogoff/Reinhart statuierten), nein es steigt um 2,2%. Darauf haben Rogoff/Reinhart inzwischen hier in einem eigenen Tex » Read the rest of this entry «
April 15th, 2013 § Kommentare deaktiviert für Zusammengefasst: Der notwendige Paradigmenwechsel im Finanzsystem (repost schuldundschein.de) § permalink
Als eine Art Abschluss und Forderungsfazit aus den letzten Monaten und der Arbeit an “Schuld und Schein” hier nun eine (vorläufige?) Zusammenfassung dessen, was sich meines Erachtens als Folge der sogenannten Finanzkrise und der zunehmenden Digitalisierung des Geldverkehrs sagen lässt und ändern muss.
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