Soziologen haben die Gesellschaft nur beobachtet,
es kommt aber darauf an, sie zu gestalten.
Nebender Umweltzerstörung steht als zweitgrößtes Problem zumindest in den sogenannten Industrieländern die Arbeitslosigkeit auf der Agenda. Abgesehen davon, dass Umweltzerstörung auch nur dann ernsthaft verhindert werden kann, wenn nicht dauern das „Arbeitsplatzvernichtung“-Argument kommt, ist das Grundproblem der Arbeitslosigkeit ein Luxusproblem, das zum Elend führt. Eigentlich sollte es als Fortschritt gelten, wenn immer weniger Arbeit notwenig ist, um Wohlstand zu erlangen. Eigentlich ist das „nicht genug zu tun haben“ ein klassischer Luxus. Wird aber das Aus- und Einkommen der Menschen danach bemessen, was und wie viel sie arbeiten – dreht sich der Luxus zum Fluch. Plötzlich jagt ein jeder der Arbeit hinterher, als handele es sich um ein knappes, begehrenswertes Gut. Was sie ja in der Regel nicht ist.
Seit einiger Zeit geistert deswegen das Konzept des „Bürgergeldes“, der „negativen Einkommensteuer“ oder eines „bedingungslosen Grundeinkommens“ durch die Blätter und Köpfe. Ein Gedanke, der jeweils im Grunde darauf basiert, dass in einem reichen Land kein Mensch unter eine bestimmte Existenzschwelle rutschen sollte. Hunger und Obdachlosigkeit haben in (post)industriellen Staaten etwas zutiefst Anachronistisches.
Das Problem ist dabei, dass all diese Konzepte eine gewisse Grundannahme voraussetzen: Dass Menschen auch dann arbeiten, wenn ihre Existenz gesichert ist. Dass sie also – sei es um sich selbst zu verwirklichen oder um sich Konsumträume zu erfüllen – auch dann arbeiteten, wenn die Existenzsicherung von der Arbeitsleistung entkoppelt wäre. Das ist – so sehr ich ansonsten mit diesen Ansätzen sympathisieren könnte – ein ungedeckter Scheck, der ein Experiment erforderte, das tatsächlich ganze Staaten final zerstören könnte. Das wird niemand versuchen.
Zugleich gibt es ein ganze Reihe – teilweise bereits bewährter, teilweise logisch zwingender – Ansätze, die größere Beachtung verdienten, tendierten sie nicht zu gewissen Ideologie. So die Frage der Arbeitszeit: Galt es lange als einigermaßen ausgemacht, dass Arbeitslosigkeit bekämpft werden könnte, indem die verbliebene Arbeit auf mehr Schultern verteilt wird (durch Arbeitszeitverkürzung), haben in den letzten Jahren wiederum die Stimmen Oberhand gewonnen, die eine Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich fordern. Und bekommen.
In der sogenannten Finanzkrise erwies sich die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes in Deutschland als geradezu geniale Lösung, um Massenarbeitslosigkeit und drohende Verelendung zu verhindern. Dieser geniale Gedanke – der doch so unglaublich einfach war – kann kaum genug gefeiert werden.
Während auf der einen Seite noch relativ kleinteilig um diese oder jene konzeptionelle Veränderung nachgedacht wird, ist ein technischer Fortschritt im Gange, der in wenigen Jahren da gesamte Wirtschaftssystem dahinraffen könnte. Gemeint ist natürlich ie Digitalisierung, elektronische Verarbeitung und internationale Vernetzung der Informationssysteme und Prozesse. Die Produktivitätsreserven (heißt: rausschmeissbare Mitarbeiter), die bereits jetzt in den meisten Unternehmen existieren, werden in nicht allzu ferner Zeit entweder rasant abgebaut – oder zum Zusammenbruch von Unternehmen größter Größe führen. Wer das nicht kapiert, sollte gar nicht weiter nachdenken. Den Gesellschaften geht die (industrielle) Arbeit aus – und Dienstleistungen können nicht an ihren Platz treten.
Die Herausforderung für die nächsten Jahre (länger kann kein Mensch vorhersehen) lautet deswegen: Wie kann der Produktivitätsfortschritt zu einem Segen für die Menschheit werden, anstatt sie in das Elend der Arbeitslosigkeit zu katapultieren. Wie kann die Arbeit, statt auf weniger Schultern gehäuft zu werden, auf alle Schultern besser verteilt werden? Wie kann Fluch und Segen von Arbeit für jeden akzeptabel verteilt werden? Wie verhindert der Staat die Pleite – zugleich die Unternehmen das Ersticken durch immer weiter steigende „Nebenkosten“? Wie kann man vom Kurzarbeitszeitmodell lernen, die Verantwortung weitgehend den einzelnen Arbeitnehmern und Unternehmen lassen – und dennoch zu einer hochflexiblen Regelung kommen, die das Ziel, der Abfederung des Rückgangs der Gesamtarbeitsmasse, so erfüllt, dass es allgemein als Glück empfunden wird, mehr vom Leben und weniger von ungeliebter Arbeit zu haben?
Ich denke, ich habe einen Ansatz dafür gefunden. An den Anforderungen von Stephan Schulmeister habe ich ihn abgeprüft und glaube, dass er diese Anforderungen wirklich erfüllen kann.
Werde noch den letzten Schliff machen – morgen sollte es ihn hier zu lesen geben.
Irgendwie schwingen unsere Gehirne gerade im Gleichklang. http://mspr0.de/?p=1623 Jedenfalls was die Themenauswahl angeht.
ad Grundeinkommen: Ich habe bis zu meinem 30 Lebensjahr ein bedingungsloses Grundeinkommen bezogen — von meinen Eltern — danach habe ich darauf verzichtet, weil ich selber genug verdient habe. In dieser Zeit habe ich ich eine 12 jährige Schulausbildung und ein Hochschulstudium erfolgreich absolviert. Dies sehe ich als ausreichenden Beweis, dass es Menschen gibt, die auch mit einem. Grundeinkommen arbeiten gehen würden. Natürlich wird es auch solche geben, die sich damit alleine zufrieden geben und nicht mehr arbeiten wolllen — die muss das System mittragen können.
Gruesse F.
Solange es noch dauert, bis unser Autor (auf Umwegen) wieder die Kurve zum bedingungslosen Grundeinkommen findet, können wir uns doch gegenseitig Schecks ausstellen … :-D
http://www.scheck-aktion.de/Scheck-Aktion_Der_Scheck.html
Nunja — der Autor hat gerade die Kurve weg vom Grundeinkommen bekommen.