Es ist an der Zeit, dass sich an der Urheberrechtsdebatte, die gegenwärtig dazu missbraucht wird, technisch-juristische Maßnahmen durchzusetzen, die das Einkommen der Verwertungsindustrie sicherstellen sollen, die Urheber selbst beteiligen. Zumal die Millionen Urheber, die das größte kollaborative Kunstwerk schufen und täglich vergrößern, das die Menschheit in ihrer Geschichte hervorgebracht hat: das Internet. Dazu folgt hier ein 7‑Punkte-Statement, das als Diskussionsbeginn verstanden – und gerne kopiert, zitiert und weitergeleitet werden kann. Kostenlos.
Kurz vorweg: Heute erschien in der österreichischen Zeitung derstandard.at ein hervorragender Artikel von Tina Leisch mit dem Titel “Kunst und Käse — Wovon sollen KünstlerInnen leben?”, der in ähnlicher Stoßrichtung wie mein Artikel Warum das aktuelle Urheberrecht den Urhebern nichts nützt – und wer sie wirklich ausplündert (wenn nicht die Netznutzer) formuliert:
Die Frage, wovon KünstlerInnen denn leben sollen, wenn sie ihre Werke frei im Netz zirkulieren lassen, ohne daran maßgeblich zu verdienen, sollte ausführlich diskutiert werden. Die Antworten werden aber einfallsreicher, zukunftsweisender und origineller sein müssen als ein Pochen auf das Urheberrecht, das im Internet, wenn überhaupt, nur um den Preis von Hyperüberwachung zu haben ist und die egalitären Ansätze geteilten Wissens ebenso bedroht wie den gesamten Sektor der Remix- und Samplekultur.
Laut einer Studie des BMUKK beträgt unser Durchschnittsverdienst als österreichische Kunstschaffende 4.500 Euro im Jahr, mehr als die Hälfte verdienen weniger als 1.000 Euro im Monat.
{…}
Vielleicht sollten wir also aufhören, uns mit Winzerinnen und Butterstampfern zu vergleichen, und uns eher an PolitikerInnen oder LehrerInnen orientieren. Die müssen für ihre Dienstleistungen auch nicht bei jedem jeweils Profitierenden kassieren, sondern werden für ihren Dienst an der Allgemeinheit mit Steuergeldern bezahlt. Diese Steuern oder Abgaben könnten ja sehr spezifisch dort eingehoben werden, wo unsere Arbeit zum Tragen kommt. Weit über die Festplattenabgabe hinaus könnten wir verlangen, aus Abgaben auf Werbung im Internet, Datenmengen, Netzgebühren o. Ä. bezahlt zu werden. Oder wir diskutieren die Einführung einer modernen Variante der guten, alten Vergnügungssteuer, mit der seinerzeit die Gemeindebauten bezahlt wurden.
Daran (ob Steuer oder nicht lässt sich diskutieren) schließe ich mich an, in der Hoffnung, dass diese Diskussion einsetzt und vor allem: kreative Lösungen jenseits der Überwachungsmethoden entstehen. Und so sieht mein Statemnt dazu aus:
Urheber gegen den sogenannten kommerziellen Urheberrechtsschutz
- Als Kreative verurteilen wir es aufs Schärfste, dass unsere Kreationen in Wort, Bild, Klang, Code durch die Verwertungsindustrie als Vorwand genutzt werden, um den freien Informations- und Meinungsaustausch im Internet durch technische oder polizeiliche Maßnahmen einzuschränken, unsere Rezipienten durch Abmahnungen zu drangsalieren und durch Strafverfolgung zu kriminalisieren.
- Der Bundesregierung ist es im Zuge des Supergaus von Fukushima gelungen, die Atomindustrie zum Ende zu bringen, zugleich durch das Erneuerbare Energien Gesetz zukunftsweisende Formen der Energieproduktion voranzutreiben und finanziell zu fördern. Wir fordern, dass der drohende Supergau von SOPA/ACTA/PIPA und 3‑Strikes-Regelungen dazu genutzt wird, die Verwertungsindustrie ihrem unausweichlichen Ende entgegen zu führen und die distribuierte Arbeit von (Klein)Kreativen (durch ein „Erneuerbare Ideen Gesetz“?) zu fördern und zu unterstützen.
- Wir fordern Ausstiegs- und Übergangsmaßnahmen für die gegenwärtig von dieser Industrie abhängig Beschäftigten, um ihnen einen biografisch gangbaren Weg in die verwertungsindustriefreie Zukunft zu bahnen.
- Bei der Konzentration auf die sogenannte Kreativindustrie fordern wir eine Konzentration auf die Kreativen und nicht auf die Industrien. Auch wenn es das vorwiegende und erste Ziel von Kreativen ist, Aufmerksamkeit und Publikumsinteresse für die eigenen Kreationen zu erlangen, so ist es gesellschaftlich zugleich von hohem Interesse, einen Lebensunterhalt für die Kreativen zu sichern. Die Regierungen sind aufgefordert, kreative Konzepte für den Unterhalt der Kreativen zu erarbeiten, anstatt nur das Überkommene zu konservieren. Soziale Absicherung durch die Künstlersozialkasse war ein erster wichtiger Schritt – aber die Reise muss weiter gehen.
- Das Internet als das größte kollaborative Kunstwerk der Menschheitsgeschichte wurde von Kreativen geschaffen – das schließt nicht nur die Schöpfer von „Inhalten“ ein, die in diesem Netz verfügbar gemacht werden, sondern ausdrücklich auch Techniker, Programmierer, Hacker. Der Begriff der Kreativität beschränkt sich deswegen nicht nur auf die Künste im traditionellen Sinne. Sie umschließt zugleich alle kreativ an digitalen, technischen oder gesellschaftlichen Werken Arbeitenden. Die Gesellschaft benötigt mehr Sharing kreativer Ansätze und Inhalte in jedem Sinne des Wortes – nicht weniger.
- Wir Kreativen fordern ein Internet, das der gesellschaftlichen, grenz- und kulturübergreifenden Emanzipation und Solidarität sowie dem Fortschritt dient. Das verlangt sowohl die ungehinderte Möglichkeit zur Kreation und zum Meinungsaustausch, wie die Möglichkeit Waren und Dienstleistungen auszutauschen, anzubieten, zu bewerben. Das freie Internet ist nicht ökonomiefeindlich – es darf aber den Strukturen und Mechanismen einer Ökonomie, die lange vor dem Internet bestand, nicht unterworfen und gewaltsam angepasst werden. Und es verlangt insbesondere, Menschen, die sich den Internetzugang nicht leisten können, kostenlosen Breitbandzugang zur Verfügung zu stellen.
- Ein Recht der Verwertungsindustrie auf Bezahlung digitaler Inhalte anzuerkennen, hieße auch der Post das Recht zuzugestehen, Porto für Emails zu verlangen. Es ist eine Absurdität von historischen Ausmaßen.
P.S. Diese Debatte haben die Kreativen/Urheber unter sich zu führen – nicht die Vertreter der Verwertungsindustrien und ihrer PR-mächtigen Lobbyverbände.