Das Handeln im Postdrama

Februar 21st, 2010 Kommentare deaktiviert für Das Handeln im Postdrama

Ange­sichts des ges­tern gepos­te­ten Bei­trags über das Grund­pro­blem der Wirt­schaft muss natür­lich die Fra­ge nach dem Han­deln und der Hand­lung pro­mi­nent in den Vor­der­grund rücken. Nicht aus der blo­ßen Mehr­deu­tig­keit des Begriss “Hand­lung” her­aus, die zwar im Deut­schen ganz ein­gän­gig aber in ande­ren Spra­chen kaum in die­ser Form zu repro­du­zie­ren ist (und damit eher auf sprach­li­cher denn auf gedank­li­cher Ebe­ne liegt). Viel­mehr kann ein ober­fläch­li­ches, vul­gär­psy­cho­lo­gi­sches oder ‑sozio­lo­gi­sches Hand­lungs­mo­dell nicht län­ger als Grund­la­ge die­nen, das sich noch in vie­len dra­ma­ti­schen Grund­kon­struk­tio­nen fin­det. Einer der wich­tigs­ten und für die Büh­nen drän­gends­te Grund­kon­flik­te der Gegen­wart ist genau der­je­ni­ge zwi­schen sozio­lo­gi­schen und öko­no­mi­schen Hand­lungs­mo­del­len. Diie Thea­ter selbst fal­len in den Abgrund zwi­schen bei­den Model­len, wie jeder fest­stellt, der sich mit den Stel­lung­nah­men der Thea­ter zu den dro­hen­den Etat­kür­zun­gen und Haus­schlie­ßun­gen beschäf­tigt. Kon­fron­tiert mit einem öko­no­mi­schen Zusam­men­hang macht es über­haupt kei­nen Sinn, ein Dra­ma um die gesell­schaft­li­chen Dimen­sio­nen von Sinn und Unsinn von Thea­ter­schlie­ßun­gen auf­zu­füh­ren, wie es der Büh­nen­er­ein unternimmt:

Nie­mand unter­schätzt die dra­ma­ti­sche wirt­schaft­li­che Lage der Stadt – wie auch der meis­ten ande­ren Städ­te in NRW – doch legt die vom Stadt­käm­me­rer vor­ge­schla­ge­ne Schlie­ßung des Schau­spiel­hau­ses einen Zustand offen, der das Gemein­we­sen der Bun­des­re­pu­blik gefähr­det: Die Finanz- und Steu­er­po­li­tik ins­be­son­de­re des Bun­des nimmt bil­li­gend in Kauf, dass unse­re Städ­te ver­wahr­lo­sen. Dabei wird über­se­hen, dass die Städ­te und Gemein­den der Garant für eine leben­di­ge Demo­kra­tie sind und dass die Unter­höh­lung der kom­mu­na­len Selbst­ver­wal­tung einem Anschlag auf die Demo­kra­tie in unse­rem Lan­de gleich­kommt. (Quel­le: Nacht­kri­tik)

Lie­ber Büh­nen­ver­ein — edel aber gänz­lich sinn­los. Wenn eine Fle­der­maus einen Ele­fan­ten anbrüllt — darf sie nicht erwar­ten, ver­stan­den zu wer­den. Nicht weil sie zu klein wäre oder die fal­sche Spra­che spricht. Sie sen­det auf der fal­schen Fre­quenz. Ande­rer­seits: Wenn die Fle­der­maus ver­such­te, ele­fan­tisch zu reden, wür­de sie selbst zum Ele­fan­ten. Heißt: Wenn der Büh­nen­ver­ein es unter­nimmt, öko­no­misch zu argu­men­tie­ren (der Ver­such fin­det statt durch Ver­weis auf die Mar­gi­na­li­tät des Ein­spar­ef­fek­tes) — ist sie eben des­halb kei­ne Fle­der­maus mehr . Der Büh­nen­ver­ein wür­de zum Bör­sen­ver­ein des Thea­ter­han­dels . Und müss­te dann lei­der gegen sich selbst argu­men­tie­ren und sich am Ende der geüb­te­ren Ele­fan­to­si­tät des Ele­fan­ten geschla­gen geben. Es zeigt sich fatal, dass die­se Refle­xi­on an den Thea­tern aus­ge­blie­ben ist. Die Fle­der­mäu­se hät­ten sich mehr mit Ele­fan­to­lo­gie beschäf­ti­gen sol­len, um her­aus­zu­fin­den, an wel­chen Stel­len Ele­fan­ten durch Fle­der­mä­sue ver­wund­bar sind.

Zurück zum The­ma: Wer wei­ter­hin das Dra­ma mit Reprä­sen­tan­ten des soziol­gi­schen Hand­lungs- und Akteurs­mo­dell spielt und zeigt, wird den Gefah­ren des öko­no­mi­schen Han­dels- und Akteurs­mo­dells nie­mals auf die Schli­che kom­men. Um dar­über hia­nus zu kom­men, ist der Begriff des “Post­dra­mas” geeig­net, sowohl die Zäsur als auch die noch immer not­wen­di­ge Aus­ein­an­der­set­zung mit der dra­ma­ti­schen Tra­di­ti­on anzu­zei­gen. Das alte Dra­ma gehört nicht weg­ge­wor­fen, es gehört ergänzt um die­je­ni­gen Hand­lungs­mo­del­le und Hand­lungs­ty­pen, die die Gegen­wart grund­le­gend bestimmen.

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