Die Girofalle — Spiegel Online streift das Problem (re-post von schuldundschein.de)

März 26th, 2013 Kommentare deaktiviert für Die Girofalle — Spiegel Online streift das Problem (re-post von schuldundschein.de)

In eine heu­te auf Spie­gel Online im Nach­gang der Zypern­kri­se erschie­nen Arti­kel wird das fun­da­men­ta­le Pro­blem gestreift, vor dem sich die Zyprio­ten jetzt und in den nächs­ten Tagen sehen, und das in Zukunft noch zu hef­ti­gen Ver­wer­fun­gen füh­ren wird. Es heißt dort im Arti­kel von Ste­fan Kaiser:

Unser Erspar­tes ist eine ziem­lich flüch­ti­ge Sache. Das geht schon damit los, dass man es nor­ma­ler­wei­se nicht in der Hand hal­ten kann. Allein in den 17 Län­dern der Euro-Zone sind gut zehn Bil­lio­nen Euro im Umlauf — aber nur rund ein Zehn­tel davon in Schei­nen und Mün­zen. Der Rest ist digi­ta­les Geld, das aus­schließ­lich auf Com­pu­ter­bild­schir­men exis­tiert. Es liegt in der Regel auf Kon­ten bei Ban­ken. Und wenn man es bar abhe­ben möch­te, kann es im schlimms­ten Fall pas­sie­ren, dass man es nicht bekommt. (Quel­le)

Er fährt eher kur­so­risch mit der Beob­ach­tung fort, dass die Abhe­bung mit dem Ziel, phy­si­sche Bank­no­ten in die Hand zu bekom­men, natür­lich auch der Weis­heit letz­ter Schluss nicht ist, da das phy­si­sche “Bar­geld” — also Mün­zen und Schei­ne — eben­so flüch­tig ist, da es nach der Auf­he­bung des Gold­stan­dards kei­ne ande­re Deckung mehr hat als das Ver­trau­en derer, die es ver­wen­den. Wie aller­dings auch das Gold — wenn es denn den Gold­stan­dard noch oder wie­der gäbe — nicht viel wei­ter führ­te, da auch die­ses zu einem Kurs akzep­tiert wer­den müss­te und, wie Kasi­er schreibt, nicht geges­sen wer­den kann.

Man könn­te nun sagen: jaja, alt­be­kannt. Denn einen wesent­li­chen Punkt beschreibt (oder sieht) Kai­ser nicht: Wenn in den letz­ten Tagen die Rede von den “Spa­rern” war, die durch die Ret­tungs­be­schlüs­se mehr oder weni­ger stark ent­eig­net wer­den sol­len, so ist die­se Beschrei­bung unscharf. Auf den Ban­ken liegt nicht nur das, was klas­si­scher­wei­se als Spar­geld bezeich­net wer­den kann, also Geld, das “über­schüs­sig” ist und des­we­gen zum Zwe­cke der Auf­be­wah­rung oder der Wert­stei­ge­rung durch Zin­sen dem Zah­lungs­ver­kehr ent­nom­men und gela­gert wird. Seit die Ban­ken mehr und mehr zu Platt­for­men für den Zah­lungs­ver­kehr gewor­den sind, seit der Gene­ra­li­sie­rung des Giro­kon­tos und des bar­geld­lo­sen Zah­lungs­ver­kehrs, lie­gen bei ihnen auch die Geld­mit­tel, die den Zah­lungs­ver­kehr bil­den: das ist die Giro­fal­le. Und auch die­ses Geld wird bei einem “Hair Cut” redu­ziert, was fak­tisch ein Griff in die tat­säch­li­che Geld­bör­se ist, nicht nur Zugriff auf Sparkonten.

Nun hat in einer haar­schar­fen Wen­dung das Ent­schei­duzngs­gre­mi­um fest­ge­legt, dass Beträ­ge unter 100.000 Euro nicht ange­tas­tet wer­den — ohne aber dabei für die Zukunft gleich­ar­ti­ge Garan­tien geben zu kön­nen. Und das heißt: Es wird auf das gesam­te Digi­tal­geld zuge­grif­fen wer­den kön­nen. Nicht nur auf die “Spar­ein­la­gen”, son­dern auch auf die­je­ni­gen Mit­tel, die bei der Bank als Zah­lungs­mit­tel lie­gen. Mie­ten, Gehäl­ter, Kre­dit­sum­men usw. Es sind also Men­schen davon betrof­fen, die eigent­lich eki­en “Geschäfts­be­zie­hung” zu Ban­ken unter­hal­ten inso­fern, als sie der Bank (im Wege des Spar­gut­ha­bens) Geld lei­hen oder sich (im Wege des Kre­dits) von der Bank gelie­hen haben. Son­dern es sind auch die Men­schen betrof­fen, die zwangs­läu­fig sich des digi­ta­len Zah­lungs­ver­kehrs bedie­nen müs­sen, der über die Ban­ken abge­wi­ckelt wird.

Die Men­schen haben so gut wie kei­ne Chan­ce, ihre Zah­lungs­mit­tel zu ret­ten. Dafür ist zu wenig phy­si­sches Geld vor­han­den. Und des­sen Aus­zah­lung kann — auch das zeig­ten die letz­ten Tage durch rela­tiv simp­le IT-Ein­grif­fe redu­ziert oder kom­plett ver­hin­dert wer­den. Fatal: Damit legt der staat­li­che Ein­griff zugleich das Zah­lungs­sys­tem flach.

Es ist also die For­de­rung zu erneu­ern, dass sich die Neu­or­ga­ni­sa­ti­on des Ban­ken- und Finanz­we­sens nicht dar­auf beschrän­ken kann, Com­mer­cial- und Invest­ment­ban­king zu tren­nen. Viel­mehr ist — wie hier beschrie­ben — die Tren­nung von Zah­lungs­ver­kehr­sys­tem und Pri­vat­bank­sys­tem vor­an­zu­trei­ben. Ales ande­re ist zwecklos.

Dass “Schuld und Schein” die­se Zusam­men­hän­ge beschreibt, mer­ke ich hier der Voll­stän­dig­keit hal­ber mal an.

Nach­trag: gera­de sehe ich hier einen Arti­kel von Sascha Lobo auf SpON, in dem er Zypern als Ver­net­zungs­kri­se beschreibt — das ist im Ansatz zutref­fend, dringt aber nicht ganz vor bis zu dem digi­ta­l­öko­no­mi­schen Ver­wer­fun­gen und zur Girofalle.

Comments are closed.

What's this?

You are currently reading Die Girofalle — Spiegel Online streift das Problem (re-post von schuldundschein.de) at Postdramatiker.

meta