Digitale Agenda 25 Jahre zu spät. Was nun?

August 31st, 2014 Kommentare deaktiviert für Digitale Agenda 25 Jahre zu spät. Was nun?

Lans­gam scheint sich — bei­spiels­wei­se im Buch­markt — Panik breit zu machen, ange­sichts der schein­bar über­mäch­ti­gen Kon­kur­renz. Wie es dazu kam, war­um die­se Über­macht schein­bar so über­mäch­tig ist, und welch alten euro­pi­schen Stär­ken in die­ser Situa­ti­on hilf­reich sein kön­nen, davon han­delt die­ses sehr lan­ge Posting.

Digi­ta­le Agenden

Vor knapp zwei Wochen hat die Regie­rung der Bun­des­re­pu­blik Neu­land also eine soge­nann­te “Digi­ta­le Agen­da” beschlos­sen. Dass das ein jäm­mer­li­ches Gebil­de ist, wur­de an vie­ler­lei Stel­le bere­reits bemerkt. Wie jäm­mer­lich es tat­säch­lich ist, wie jäm­mer­lich ver­spä­tet, erschließt sich beim Blick auf eine ande­re “Digi­ta­le Agen­da”, die fast ein vier­tel Jahr­hun­dert alt ist: den High-Per­for­mance Com­pu­ting Act of 1991, wesent­lich vor­an­ge­trie­ben von Al Gore (des­we­gen auch bekannt als “Gore Bill”), den es sich durch­aus im Gan­zen zu lesen lohnt. Hier die ein­lei­ten­den Pas­sa­gen die­ses Acts:

SECTION 1. SHORT TITLE.

This Act may be cited as the ‘High-Per­for­mance Com­pu­ting Act of 1991’.

SEC. 2. FINDINGS.

The Con­gress finds the following:

(1) Advan­ces in com­pu­ter sci­ence and tech­no­lo­gy are vital to the Nation’s pro­spe­ri­ty, natio­nal and eco­no­mic secu­ri­ty, indus­tri­al pro­duc­tion, engi­nee­ring, and sci­en­ti­fic advancement.

(2) The United Sta­tes curr­ent­ly leads the world in the deve­lo­p­ment and use of high-per­for­mance com­pu­ting for natio­nal secu­ri­ty, indus­tri­al pro­duc­ti­vi­ty, sci­ence, and engi­nee­ring, but that lead is being chal­len­ged by for­eign competitors.

(3) Fur­ther rese­arch and deve­lo­p­ment, expan­ded edu­ca­tio­nal pro­grams, impro­ved com­pu­ter rese­arch net­works, and more effec­ti­ve tech­no­lo­gy trans­fer from govern­ment to indus­try are neces­sa­ry for the United Sta­tes to reap ful­ly the bene­fits of high-per­for­mance computing.

(4) A high-capa­ci­ty and high-speed natio­nal rese­arch and edu­ca­ti­on com­pu­ter net­work would pro­vi­de rese­ar­chers and edu­ca­tors with access to com­pu­ter and infor­ma­ti­on resour­ces and act as a test bed for fur­ther rese­arch and deve­lo­p­ment of high-capa­ci­ty and high-speed com­pu­ter networks.

(5) Seve­ral Fede­ral agen­ci­es have ongo­ing high-per­for­mance com­pu­ting pro­grams, but impro­ved long-term inter­agen­cy coor­di­na­ti­on, coope­ra­ti­on, and plan­ning would enhan­ce the effec­ti­ve­ness of the­se programs.

(6) A 1991 report entit­led ‘Grand Chal­lenges: High-Per­for­mance Com­pu­ting and Com­mu­ni­ca­ti­ons’ by the Office of Sci­ence and Tech­no­lo­gy Poli­cy, out­lining a rese­arch and deve­lo­p­ment stra­tegy for high-per­for­mance com­pu­ting, pro­vi­des a frame­work for a mul­tia­gen­cy high-per­for­mance com­pu­ting pro­gram. Such a pro­gram would pro­vi­de Ame­ri­can rese­ar­chers and edu­ca­tors with the com­pu­ter and infor­ma­ti­on resour­ces they need, and demons­tra­te how advan­ced com­pu­ters, high-capa­ci­ty and high-speed net­works, and elec­tro­nic data bases can impro­ve the natio­nal infor­ma­ti­on infra­struc­tu­re for use by all Americans.

SEC. 3. PURPOSE.

The pur­po­se of this Act is to help ensu­re the con­tin­ued lea­der­ship of the United Sta­tes in high-per­for­mance com­pu­ting and its appli­ca­ti­ons by–

(1) expan­ding Fede­ral sup­port for rese­arch, deve­lo­p­ment, and appli­ca­ti­on of high-per­for­mance com­pu­ting in order to–

(A) estab­lish a high-capa­ci­ty and high-speed Natio­nal Rese­arch and Edu­ca­ti­on Network;

(B) expand the num­ber of rese­ar­chers, edu­ca­tors, and stu­dents with trai­ning in high-per­for­mance com­pu­ting and access to high-per­for­mance com­pu­ting resources;

(C) pro­mo­te the fur­ther deve­lo­p­ment of an infor­ma­ti­on infra­struc­tu­re of data bases, ser­vices, access mecha­nisms, and rese­arch faci­li­ties available for use through the Network;

(D) sti­mu­la­te rese­arch on soft­ware technology;

(E) pro­mo­te the more rapid deve­lo­p­ment and wider dis­tri­bu­ti­on of com­pu­ting soft­ware tools and appli­ca­ti­ons software;

(F) acce­le­ra­te the deve­lo­p­ment of com­pu­ting sys­tems and subsystems;

(G) pro­vi­de for the appli­ca­ti­on of high-per­for­mance com­pu­ting to Grand Challenges;

(H) invest in basic rese­arch and edu­ca­ti­on, and pro­mo­te the inclu­si­on of high-per­for­mance com­pu­ting into edu­ca­tio­nal insti­tu­ti­ons at all levels; and

(I) pro­mo­te grea­ter col­la­bo­ra­ti­on among govern­ment, Fede­ral labo­ra­to­ries, indus­try, high-per­for­mance com­pu­ting cen­ters, and uni­ver­si­ties; and

(2) impro­ving the inter­agen­cy plan­ning and coor­di­na­ti­on of Fede­ral rese­arch and deve­lo­p­ment on high-per­for­mance com­pu­ting and maxi­mi­zing the effec­ti­ve­ness of the Fede­ral Government’s high-per­for­mance com­pu­ting efforts. (Quel­le)

Das ist eine Agen­da. Und es ist ist nicht nur eine Men­ge win­del­wei­chen Papie­res. Es wur­de kon­se­quent umgesetzt.

Die digi­ta­le Domi­nanz der USA

Zwei­ein­halb Jahr­zehn­te spä­ter sind die Kon­se­quen­zen nicht von der Hand zu wei­sen: nahe­zu alle glo­bal erfolg­rei­chen Unter­neh­men des Digi­tal­zeit­al­ters sind US-ame­ri­ka­ni­sche Unter­neh­men. Die Lis­te ist atem­be­rau­bend, selbst in ihrer rudi­men­tä­ren Unvollständigkeit:

  • Cis­co baut die Netz-Infrastruktur
  • IBM ent­wirft die digi­ta­len Großarchitekturen
  • Goog­le orga­ni­siert mit der Such­ma­schi­ne den Wis­sens­zu­gang und kana­li­siert den Kon­sum, schafft mit Maps und Earth eine neue Welt­erfah­rung, die mit Infor­ma­tio­nen ange­rei­chert ist, domi­niert die kom­mer­zi­el­le Wer­bung, expe­ri­men­tiert mit intel­li­gen­ten Infra­struk­tu­ren, Robo­tik, Per­so­nen­ver­kehr und was nicht noch alles
  • Han­dy-Betriebs­sys­te­me wie Android, iOS usw. kom­men aus den USA
  • Apple baut die coo­len und inno­va­ti­ven End­ge­rä­te und nimmt eine star­ke Stel­lung auf dem Musik- und Film­markt ein
  • Ama­zon schickt sich an, den gesam­ten (und nicht nur: Buch-) Han­del und die Logis­tik umzustürzen
  • Ebay domi­niert den Markt des Han­dels zwi­schen Privatpersonen
  • Micro­soft domi­niert noch immer den Soft­ware-Markt (ins­bes. Für Geschäftsanwendungen)
  • Drop­box ist der domi­nie­ren­de Cloud-Anbieter
  • Face­book ist das domi­nie­ren­de Sozia­le Netz­werk, der domi­nie­ren­de Foto-Dienst (Insta­gram), der domi­nie­ren­de 1:1‑Kommunikationsdienst (Whats­App, Messenger)
  • Twit­ter ist der domi­nie­ren­de Nachrichtendienst
  • Lin­ke­dIn domi­niert das Feld der Geschäfts-Kontaktpflege
  • airbnb revo­lu­tio­niert das Hotelgeswerbe
  • Uber schickt sich an, das Per­so­nen­trans­port­ge­wer­be zu revolutionieren
  • Die NSA ist die welt­weit agie­ren­de Aus­lands-Geheim­po­li­zei des 21. Jahrhunderts

Die Lis­te lässt sich fort­füh­ren. Die USA sind der digi­tal domi­nie­ren­de Stand­ort zumin­dest für das, was man ein­mal die west­li­che Welt, das Abend­land usw. genannt hat. Die­se Ent­wick­lung ist mit dem Gore Bill ange­kün­digt und wur­de in den letz­ten Jahr­zehn­ten oft genug dis­ku­tiert und pro­phe­tisch an die Wand gemalt. Wer sich damit beschäf­tigt hat, wuss­te klar und deut­lich, dass die Ent­wick­lung dort­hin geht. Dass nur Unter­neh­men, die in den USA ange­sie­delt sind, die Kon­se­quenz gezo­gen und sich in den letz­ten 1–3 Jahr­zehn­ten kon­ti­nu­ier­lich in die­se Rich­tung bewegt haben, wäh­rend gera­de erst in Deutsch­land bemerkt wird, dass sich die BRD zur BRN (sprich: Bun­des­re­pu­blik Neu­land) umge­formt hat – ist ein Rät­sel, dem sich in Zukunft His­to­ri­ker wer­den stel­len müs­sen. Es gemahnt an das 19. Jahr­hun­dert, da die indus­tri­el­le Revo­lu­ti­on zunächst an Deutsch­land vor­bei ging, um dann umso schnel­ler (und für die Gesell­schaft und die Men­schen umso bru­ta­ler) einzusetzen.

In Deutsch­land? Zuneh­men­de Panik

Die Panik­re­ak­tio­nen neh­men jetzt in Anbe­tracht der Aus­wir­kun­gen des digi­ta­len Wan­dels zu. Auf­set­zend auf den zurück­lie­gen­den Kämp­fen der Musik­in­dus­trie gegen Naps­ter und nach­fol­gen­de Sha­ring-Ange­bo­te kam erst Goog­le ins Visier der not­lei­den­den Zei­tungs­ver­la­ge (Stich­wort Leis­tungs­schutz­recht), neu­er­dings auch Ama­zon ins Visier der not­lei­den­den Lite­ra­tur­ver­la­ge und der Kul­tur­ver­tei­di­ger ins­ge­samt. Dabei sind chau­vi­nis­ti­sche „Kauft nicht beim kapi­ta­lis­ti­schen Amerikaner“-Untertöne nicht zu über­hö­re bzw. zu über­le­sen. Als müss­te mit aller Macht die „deut­sche“ Kul­tur und Wirt­schaft gegen „die Aus­län­der“ ver­tei­digt wer­den. „Ret­tung der deut­schen (alter­na­tiv: euro­päi­schen) Kul­tur“ (alter­na­tiv: der Steu­er­ein­nah­men) – was sich bei allen sicher­lich berech­tig­ten Fra­gen auch bei der Debat­te rund um das Frei­han­dels­ab­kom­men TTIP zeigt.

Chau­vi­nis­mus und dar­über hinaus

Die Reak­ti­on lau­tet: Raus aus dem Ami-Netz. Kauft nicht bei Ama­zon. Goo­gelt nicht bei Goog­le. Baut ein euro­päi­sches (alter­na­tiv: deut­sches, baye­ri­sches usw.) geschlos­se­nes Inter­netz. Dreht das Rad der Geschich­te zurück. „Wer ein Mobil­te­le­fon besitzt, wer­fe es weg.“ (Enzens­ber­ger). Schreibt nichts ins Inter­netz. Ver­schlüs­selt eure Kom­mu­ni­ka­ti­on. Tragt Alu­hü­te gegen die Erd­strah­lung. Wer so etwas ernst­haft for­dert, ver­steht nicht, dass all die­se Unter­neh­men etwas zu bie­ten haben, was offen­sicht­lich einer über­wäl­ti­gen­den Zahl von Men­schen einen Nut­zen bie­tet, von dem sie begeis­tert sind. Die­se Unter­neh­men mögen Geschäfts­prak­ti­ken und Mono­po­lis­ten-Ver­hal­tens­wei­sen sowie Arbeit­ge­ber­ge­ba­ren an den Tag legen, das zu kri­ti­sie­ren bis absto­ßend ist – kei­nes von ihnen aber wäre in die Posi­ti­on gekom­men, die es jetzt hat, böte es nicht etwas, das eine gro­ße Zahl von Men­schen begeis­tert und von dem man sich zumin­dest bis zu den Snow­den-Ent­hül­lun­gen ein gro­ßes eman­zi­pa­to­ri­sches Poten­zi­al versprach.

Zudem haben die­se Unter­neh­men durch­ge­hal­ten. In den 90er-Jah­ren des 20. Jahr­hun­derts gab es auch in Tei­len Euro­pas und Deutsch­lands einen Geist des digi­ta­len Auf­bruchs mit Neue­run­gen und Unter­neh­mens­grün­dun­gen, der aller­dings mit dem Plat­zen der Dot­com-Bla­se weit­ge­hend in sich zusam­men­brach. Die jetzt über­mäch­ti­gen Unter­neh­men in den USA haben wei­ter­ge­macht (und nicht zuletzt: schwä­cheln­de oder viel­ver­spre­chend klein star­ten­de euro­päi­sche Kon­kur­ren­ten ein­fach auf­ge­kauft). Dort wo sie zusam­men­bra­chen, tra­ten ande­re an ihre Stel­le. Die weni­gen, die in (sagen wir der Ein­fach­heit hal­ber mal: ) Deutsch­land wei­ter­ge­macht haben (z.B. die Scout-Grup­pe, die Sam­wers) sind nicht ganz erfolg­los, im Ver­gleich zu den oben genann­ten Rie­sen aber doch eher Zwerg­lein geblie­ben. Ein sich rasant schnell trans­for­mie­ren­der Kon­zern wie Axel Sprin­ger mit sei­nem Digi­tal-Port­fo­lio wirkt eher wie ein Betei­li­gungs-Gemischt­wa­ren­la­den, denn wie ein Unter­neh­men der digi­ta­len Zukunft. Ange­bo­te wie die VZ-Grup­pe (als poten­zi­el­ler Kon­kur­rent zu Face­book) – weg. Xing – noch da, aber eher bemit­lei­dens­wert im Ver­gleich zu LinkedIn.

Die Domi­nanz der genann­ten US-ame­ri­ka­ni­schen Unter­neh­men besteht in ihrem  Ange­bot und in ihrem Durch­hal­te­ver­mö­gen. Ihre Grö­ße rührt daher, dass sie kei­ne ernst­zu­neh­men­de Kon­kur­renz haben. Und dass sie sich jetzt anschi­cken kön­nen, das gesam­te tra­di­tio­nel­le Wirt­schafts­sys­tem umzu­stür­zen, liegt eben in der Über­le­gen­heit ihres Ange­bots und dem Durch­hal­te­ver­mö­gen – zusam­men mit der Bereit­schaft zu gele­gent­lich unsau­be­ren oder absto­ßen­den Geschäfts­prak­ti­ken. Nur: Wo es kei­nen gleich­gu­ten Anbie­ter gibt, der auf die­se unsau­be­ren oder wider­wär­ti­gen Prak­ti­ken ver­zich­tet, da gibt es kei­ne Mög­lich­keit, sich ihnen zu ent­zie­hen. Gesetz­ge­be­ri­sches Han­deln ist an vie­len Stel­len nötig – aber das Gesetz pflegt zumeist zu spät zu kom­men. Wenn das Kind im Brun­nen ist, hel­fen neue Brun­nen­si­che­rungs­ver­ord­nun­gen nicht. Zumal dann nicht, wenn die Ver­tre­ter der Legis­la­ti­ve und der Exe­ku­ti­ve nicht die gerings­te Ahnung davon haben, was Brun­nen sind, wozu man sie benö­tigt und wie man sie even­tu­ell siche­rer machen könn­te. Ange­sichts des Affen­thea­ters rund um die NSA und die Snow­den-Ver­neh­mung, ergänzt um die quä­len­de Lang­sam­keit der Ent­wick­lun­gen und die über­wäl­ti­gen­de Men­ge an zu regeln­den Sach­ver­hal­ten ist die Hoff­nung auf den Gesetz­ge­ber ver­mut­lich noch lächer­li­cher als das Tra­gen von Aluhüten.

Ama­zon – eine sehr per­sön­li­che Betrachtung

Ich habe in den letz­ten (geschätzt) 15 Jah­ren kei­ne Buch­hand­lung mehr von innen gese­hen, um mir Bücher zu kau­fen. In die­sem Zeit­raum habe ich (geschätzt) gut 1000 Bücher bei Ama­zon bestellt. Vie­le davon (geschätzt > 50%) hät­te ich nicht erwor­ben, hät­te ich mich dafür zu einer Buch­hand­lung bege­ben müs­sen. Weil die 1‑Klick-Ver­füh­rung funk­tio­niert. Weil die Emp­feh­lun­gen funk­tio­nie­ren. Weil oft­mals die Neu­gier auf ein The­ma, einen Autor, einen Titel groß genug ist, um mich dar­auf zu freu­en, am nächs­ten Tag in das Buch zu schau­en, nicht aber groß genug, mei­ne aktu­el­le Tätig­keit für 1–3 Stun­den zu unter­bre­chen, um quer durch die Stadt zum Buch­händ­ler (und eben nicht: um die Ecke) zu fah­ren, das Buch zu bestel­len, um es am nächs­ten Tag, noch ein­mal durch die Stadt fah­rend, abzu­ho­len. Ich kau­fe mehr Bücher durch Ama­zon. Ich lese mehr Bücher durch Ama­zon. Ich ver­mu­te, dass es nicht nur mir so geht – ins­be­son­de­re Men­schen, die nicht in buch­han­dels­ver­sorg­ten Regio­nen woh­nen, kom­men gar nicht dar­um her­um, ihren Lese­stoff von Ama­zon zu beziehen.

Ich bin noch nicht hin­rei­chend durch ebooks sozia­li­siert, um mich an die elek­tro­ni­sche Lek­tü­re auf Kind­le und Co. zu ver­la­gern. Aber ich weiß, dass das dumm ist. Denn die sofor­ti­ge Ver­füg­bar­keit eines ebooks, egal wo ich bin, die Mög­lich­keit, mei­ne Biblio­thek dabei­zu­ha­ben, wo immer ich bin, im Urlaub, im Café, in der Bahn, ist groß­ar­tig. Eine Funk­ti­on wie Auto­Rip für Bücher, die mir sämt­li­che bei Ama­zon gekauf­te Musik-CD’s auch digi­tal ohne Zusatz­kos­ten ver­füg­bar macht, wäre mein Traum. Ich hän­ge an phy­si­schen Büchern noch. Und ich lie­be mei­ne Biblio­thek. Ich möch­te mich nicht ent­schei­den müs­sen zwi­schen phy­sisch und digi­tal. Wenn Ama­zon das bie­tet, bin ich glück­lich. Viel­leicht kommt es so.

Ama­zon ist aber (für mich, per­sön­lich) nicht nur ein Buch­händ­ler. Ama­zon ist ein Uni­ver­sal-Händ­ler. Schaue ich mir mei­ne Bestel­lun­gen der letz­ten Zeit an, fin­den sich in der Über­sicht zwar zahl­rei­che Bücher, aber auch ein Bügel­brett, eine Brat­pfan­ne, diver­se Elek­tro­ge­rä­te, Gewür­ze, Musik als CD und MP3_Downloads, Blue-Ray Discs, gestream­te Fil­me und Seri­en. Wel­cher Buch­händ­ler will da mit­hal­ten? Und ich kau­fe bei Ama­zon, weil dort die Kom­men­ta­re von Nut­zern mir hel­fen, in den Seg­men­ten, in denen ich mich nicht aus­ken­ne, die pas­sen­den Din­ge zu fin­den. Ich bin kein Rasen-Fach­mann. Aber die Aus­ein­an­der­set­zung mit den Kun­den-Kri­ti­ken hat mir gehol­fen, sowohl die rich­ti­ge Rasen­saat, wie den rich­ti­gen Dün­ger zu fin­den – und zugleich noch auf Tech­ni­ken auf­merk­sam zu wer­den, mit denen ich zusätz­lich für das Gedei­hen des Grüns sor­gen kann. Als ich Bio­gra­phien Luther, Karls V., Bis­marcks und Ade­nau­ers gesucht habe, waren die Leser­kri­ti­ken hilf­reich, wei­te­re Infor­ma­ti­ons­quel­len (zu Wiki­pe­dia, zu Uni­ver­si­tä­ten, Biblio­gra­phien usw.) nur einen Maus­schlag entfernt.

Um es ganz klar zu sagen: Ich habe kei­ne Ama­zon-Akti­en. Mir ist Ama­zon herz­lich egal. Ich wür­de lie­ber bei einem Anbie­ter ein­kau­fen, der sich glaub­wür­di­ger zur Fair­ness gegen­über allen Betei­lig­ten bekennt – sofern des­sen Ange­bot min­des­tens so gut ist, wie das von Ama­zon. Und damit mei­ne ich nicht nur den Preis, son­dern all das, was ich oben als Moti­va­tio­nen beschrie­ben habe, Din­ge bei Ama­zon einzukaufen.

Die­sen Anbie­ter aber gibt es nicht. Als ich Mit­te der 90er Jah­re die ers­ten Bestel­lun­gen über das Inter­net gemacht habe, waren das Bücher. Der Anbie­ter hieß „Telebuch.de“. Eine deut­sche Fir­ma , die 1998 an Ama­zon ver­kauft wur­de. In Frank­reich bei ala­pa­ge. Die­se Anbie­ter gibt es nicht mehr, ihr Ange­bot kann sich jeden­falls nicht mit Ama­zon mes­sen. Nicht im Ent­fern­tes­ten. Ich kau­fe anti­qua­ri­sche Bücher. Bei ZVAB. Der ist von Ama­zon gekauft wor­den. Ich habe sogar eine Zeit­lang ver­sucht, über libri.de die Ver­bin­dung von Online-Bestel­lung und loka­lem Buch­la­den zu nut­zen. Das war frus­trie­rend schlecht. Und ist inzwi­schen verschwunden.

Kampf gegen Amazon

Ama­zon und Hachet­te befin­den sich in einem Preis­kampf, der mit bran­chen­üb­li­chen har­ten Ban­da­gen geführt wird. Und bei dem alle Betei­lig­ten in der Ver­gan­gen­heit bewie­sen haben, dass sie bereit sind, die Gren­zen der Lega­li­tät zu über­schrei­ten. Hachet­te ist wegen ver­bo­te­ner Preis­ab­spra­chen mit Apple in Sachen ebooks ver­ur­teilt. Und Ama­zon muss sich immer wie­der vor Gericht ver­ant­wor­ten und ver­liert etwa wenn es um die deut­sche Buch­preis­bin­dung geht. Es gibt hier kei­ne wei­ßen Rit­ter. Und dass Autoren und Leser die Leid­tra­gen­den sind, kommt dabei auch immer wie­der vor. Selbst wenn es um die Arbeits­be­din­gun­gen geht, Ama­zon-Mit­ar­bei­ter strei­ken und die Aus­lie­fe­rung von bestell­ten Büchern verhindern.

Dass Ama­zon inzwi­schen groß genug ist, um die größ­ten tra­di­tio­nel­len Akteu­re unter Druck zu set­zen, dass es glo­bal genug ist, um selbst Regie­run­gen unter Druck set­zen zu kön­nen ist wider­wär­tig (etwa die Dro­hung, die deut­schen Ver­triebs­zen­tren aus Deutsch­land weg zu ver­le­gen, von der gera­de berich­tet wur­de). Zu for­dern, dass Ama­zon sich an die Geset­ze hält, ist eine Selbst­ver­ständ­lich­keit. Zu for­dern, dass das pro­fit­ori­en­tier­te Unter­neh­men Ama­zon sich aus frei­en Stü­cken fair ver­hal­ten möge unter Hint­an­stel­lung kapi­ta­lis­ti­scher Pro­fit­in­ter­es­sen, ist blau­äu­gig. Noch sind Trans­port­ex­pe­ri­men­te mit Droh­nen eher sku­r­il­le Mel­dun­gen. Das muss aber nicht so blei­ben. Das ist das eigent­li­che The­ma hin­ter Ama­zon: dass auto­ma­ti­siert wer­den wird, was nur irgend auto­ma­ti­sier­bar ist.

Dass fai­re Bedin­gun­gen mit Ver­la­gen geschaf­fen wer­den müs­sen – geschenkt. Aber die am Hori­zont auf­tau­chen­de Fra­ge lau­tet: Wozu denn noch Ver­la­ge, wenn Ama­zon heu­te schon Autoren kom­for­ta­ble Mög­lich­kei­ten des Self-Publi­shing anbie­tet? Es ist wich­tig, mensch­li­che Arbeits­be­din­gun­gen bei Ama­zon zu for­dern und durch­zu­set­zen. Dafür gibt es Gewerk­schaf­ten, die dar­an arbei­ten. Dahin­ter aber gibt es ein grö­ße­res Pro­blem: dass Ama­zon mit­tel­fris­tig ver­mut­lich gar kei­ne Mit­ar­bei­ter mehr brau­chen wird, weil die gesam­te Logis­tik voll auto­ma­ti­siert wird. Mögen heu­te noch Fah­rer für den Trans­port nötig sein – auf Per­so­nal inner­halb der Lager­häu­ser könn­te Ama­zon bald völ­lig ver­zich­ten und sie durch Maschi­nen erset­zen. Und auf den Vers­nad von Büchern sowie­so (mit ebooks) und auf den Ver­kauf ein­zel­ner Titel mit der ange­kün­dig­ten monat­li­chen Flat­rate Kind­le Unlimited.

Die eman­zi­pa­to­ri­sche Dimension

Nicht ver­ges­sen wer­den soll­te, dass die Digi­ta­li­sie­rung des Buch­an­ge­bo­tes und dadurch sin­ken­de Prei­se wie­der­um ein eman­zi­pa­to­ri­sches Poten­zi­al hat: War­um sol­len Schul­kin­der jedes Jahr Unsum­men in die Geld­beu­tel eini­ger Schul­buch-Mono­po­lis­ten wer­fen, wenn die Schul­bü­cher, schnel­ler, bes­ser, inter­ak­ti­ver und: viel preis­güns­ti­ger digi­tal ver­füg­bar gemacht wer­den kön­nen. Abge­se­hen davon, dass das Erset­zen eines Kilo­schwe­ren Schul­ran­zens durch einen Ebook-Rea­der die Rücken der Klei­nen schon, sorgt es auch dafür, dass der Zugang zu Bil­dung erleich­tert und ver­brei­tert wird. Eben­so der Zugang zu wis­sen­schaft­li­chem Wis­sen, erstellt durch die öffent­li­che Finan­zie­rung von Hoch­schu­len und der dort For­schen­den, wer­den die­se Ergeb­nis­se heu­te von Wis­sen­schafts­ver­la­gen zu hor­ren­den Prei­sen ver­kauft, Uni­ver­si­tä­ten genö­tigt, das von ihnen finan­zier­te Wis­sen in einem enorm teu­ren Abon­ne­ment zum zwei­ten Mal zu bezah­len – und der inter­es­sier­ten brei­te­ren, nicht aka­de­mi­schen Öffent­lich­keit weit­ge­hend unzu­gäng­lich zu machen.

Das umso mehr, da auf einem digi­ta­len End­ge­rät nicht nur Aktua­li­sie­run­gen und Kor­rek­tu­ren jeder­zeit durch­ge­führt wer­den kön­nen, die Kin­der ihre eige­nen Bei­trä­ge und Haus­auf­ga­ben dar­in erle­di­gen kön­nen. Son­dern auch noch fil­mi­sche Inhal­te ein­ge­bun­den wer­den kön­nen. Links ange­bracht wer­den kön­nen, mit denen die Kin­der zu wei­te­ren Infor­ma­tio­nen kom­men. Oder ihre Bei­trä­ge direkt auf die digi­ta­le Schul­ta­fel oder an den Leh­rer schi­cken kön­nen. Das Ler­nen ver­än­dert sich. Es wird rei­cher, zugäng­li­cher, inter­es­san­ter. Viel­fäl­ti­ger und viel­leicht sogar freud­vol­ler. Und viel­leicht auch das Publizieren.

Ich lese gera­de eine Bio­gra­phie von Kai­ser Karl V., in der ich einen span­nen­den Hin­weis auf Bar­to­lo­mé de Las Casas und sei­nen Ein­satz gegen die Ent­rech­tung der Indi­os von 1540 fand. Um mehr her­aus­zu­fin­den – Buch weg­le­gen, an den Rech­ner gehen. Wiki­pe­dia. Goog­le. Buch bestel­len. War­um nicht einen Direkt­link zu sei­nen Tex­ten. Sie sind gemein­frei. Dem­nächst wird wie­der das Gejam­mer groß sein, weil Goog­le die gesam­te gemein­freie Welt­li­te­ra­tur digi­ta­li­siert und sich „aneig­net“. War­um kamen die euro­päi­schen Biblio­the­ken Goog­le nicht zuvor und bie­ten die­se his­to­ri­schen Bücher gemein- und wer­be­frei an?

So what?

Wenn die Autoren der Digi­ta­len Agen­da ver­stan­den hät­ten oder noch ver­ste­hen wür­den, wie weit sie hin­ten lie­gen, dass tat­säch­lich ein Zeit­ver­zug von 25 Jah­ren besteht — müss­ten sie anders han­deln. Nicht im Sin­ne eines Chau­vi­nis­mus, son­dern viel­leicht aus dem Gedan­ken her­aus, dass Tech­no­lo­gie einem eman­zi­pa­to­ri­schen gesell­schaft­li­chen Ziel die­nen könn­te. Dass das Netz eman­zi­pa­to­ri­sche Kräf­te beflü­geln und zugleich die­je­ni­gen mit­neh­men und ein­bin­den könn­te, die momen­tan als Ver­lie­rer daste­hen. Dafür gilt es zu ver­ste­hen, dass nicht die dämo­ni­schen Gigan­ten der “Feind” ist.

Man fühlt sich (etwa in der Buch- und Han­dels­bran­che) wie die Mayas, die von den Spa­ni­ern über­rannt und aus­ge­beu­tet wer­den. Und die­ses Gefühl trügt nicht. Nur dass eben Ama­zon nicht der dämo­ni­sche Feind ist, der ein­mar­schiert, son­dern dass es die Kun­den, die Leser in Deutsch­land sind, die die tra­di­tio­nel­le Land­schaft fort­wi­schen. Der „Feind“ der Ver­la­ge und Buch­händ­ler ist nicht Ama­zon, es sind – und immer wie­der ist es das­sel­be im Zusam­men­hang mit dem Inter­net – ihre bes­ten „Freun­de“. Nicht Goog­le macht Zei­tun­gen platt, son­dern Zei­tungs­le­ser, die kein Papier mehr kau­fen, son­dern sich online infor­mie­ren. Nicht Ama­zon ist die Gefahr für die Han­dels- und ins­be­son­de­re die Buch­bran­che, son­dern die Leser und Käu­fer.  Und wenn etwas anders gemacht wer­den könn­te, dann eben nur zusam­men mit ihnen.

Jen­seits des Chauvinismus

Dass es in den USA eine star­ke Ten­denz gibt, gesell­sch­at­li­che Ent­wick­lung zuneh­mend nach markt­wirt­schaft­li­chen Bedin­gun­gen zu orga­ni­sie­ren, darf wohl ange­nom­men wer­den. Und so schafft man dort mög­lichst idea­le Bedin­gun­gen, um aus Gara­gen­fir­men Welt­un­ter­neh­men wer­den zu las­sen. Die Bun­des­re­gie­rung steht sicher im Ver­dacht, die­ses Vor­bild nach­zu­spie­len. Ver­mut­lich wird man die Bau­be­triebs­ver­ord­nung für Gara­gen über­ar­bei­ten und die KfW kre­dit­güns­ti­ge Dar­le­hen für den Gara­gen­bau ver­ge­ben las­sen. In der Hoff­nung, man müs­se nur bes­se­re Vor­aus­set­zun­gen für Gara­gen (vul­go: Start-Ups) schaf­fen, um den­mächst auch irgend­wel­che tol­len Unter­neh­men blü­hen zu sehen. Nicht ver­ste­hend, dass es sinn­los ist, mit über 20jähriger Ver­spä­tung eine Ent­wick­lung nach­zu­spie­len. Auch wenn es Fir­men gibt, die damit erfolg­reich sind: es ist dumm, erfolg­rei­che Geschäfts­mo­del­le zu kopie­ren und zu hof­fen, sie wür­den das Ori­gi­nal über­flü­geln. Es gilt jetzt, eine Visi­on zu ent­wick­len, wo eine euro­päi­sche Ent­wick­lung, die die markt­wirt­schaft­li­chen hin­ter die gesell­schaft­li­chen Inter­es­sen zurück­stellt oder die­se zumin­dest mit­ein­an­der ver­bin­det, hin­ge­hen könn­te. Nicht im Sin­ne eines Anti-Ame­ri­ka­nis­mus, son­dern im Sin­ne einer Alter­na­ti­ve. Ein Netz, von dem vie­le zumin­dest bis zu den NSA-Ent­hül­lun­gen geträumt haben.

Die USA bzw. die dort leben­den Men­schen haben eini­ge ande­re Prio­ri­tä­ten­set­zun­gen. Man ver­traut auf die Kraft der Wirt­schaft und der Eigen­in­itia­ti­ve mehr als auf Gesell­schaft, Staat und Soli­da­ri­tät. Man betrach­tet das Tra­gen von Feu­er­waf­fen als Bür­ger­recht, anders als in Euro­pa. Man betrach­tet gesetz­li­che Sozi­al­ver­si­che­run­gen grund­sätz­lich miss­trau­isch. Anders als in Euro­pa. Man will exis­tie­ren­de Ener­gie­ab­hän­gig­kei­ten dadurch mil­dern oder lösen, dass per Frack­ing noch das letz­te Öl und Gas aus dem Boden gequetscht wird. In Deutsch­land setzt man des­we­gen auf erneu­er­ba­re Ener­gien und steckt sogar mas­siv öffent­li­che Gel­der hin­ein. In den USA fin­det man die Todes­stra­fe eine akzep­ta­ble Idee. In Euro­pa nicht. Es gibt unter­schied­li­che Prä­fe­ren­zen und Sicht­wei­sen, die zu bemer­ken nicht not­wen­di­ger­wei­se chau­vi­nis­ti­sches Über­le­gen­heits­ge­fühl impli­zie­ren muss. Kann wohl – muss nicht. Din­ge anders zu orga­ni­sie­ren heißt nicht, auf ande­re Orga­ni­sa­ti­ons­wei­sen auto­ma­tisch chau­vi­nis­tisch zu bli­cken. Man redet viel­mehrt von Plu­ra­lis­mus und Toleranz.

Euro­päi­sche Stärken

Sinn­voll wäre es, eine tat­säch­lich vor­han­de­ne euro­päi­sche Stär­ke aus­zu­spie­len: Die trotz der Bolo­gna-Idio­ti­en noch vor­han­de­ne Hoch­schul­land­schaft. Tech­no­lo­gi­sche Ent­wick­lung ist tra­di­tio­nell stark von Hoch­schu­len mit­be­stimmt, geprägt und ermög­licht. Dafür auch in der Digi­ta­len Nais­sance Geld in die Hand zu neh­men, macht Sinn. Dafür muss ver­stan­den wer­den, dass es einen neu­en Wis­sen­schafts­zweig gibt: Neben den Geis­tes­wis­sen­schaf­ten (oder Kultur‑, Sozial‑, Human- usw.-Wissenschaften) und den Natur­wis­sen­schaf­ten die Digi­tal- und Netz­wis­sen­schaf­ten. Nicht unter­ge­ord­net oder ein­sor­tiert unter eine der der bei­den tra­di­tio­nel­len Wis­sen­schafts­zwei­ge. Son­dern als gänz­lich neu­en Wis­sen­schafts­zweig. Das Inter­net allein den Infor­ma­ti­kern und Tech­ni­kern zu über­las­sen, ist unge­fähr so klug, wie Labor­phy­si­ker über die Ver­wen­dung der Atom­bom­be bestim­men zu lassen.

Dafür Geld in die Hand neh­men. 50 Mil­li­ar­den pro Jahr. Oder 100 Mil­li­ar­den pro Jahr in Deutsch­land. Das ist  viel? Der Bör­sen­wert von Face­book liegt gera­de bei 157 Mil­li­ar­den US-Dollar …

Infografik: Facebook steigert Börsenwert um 160% | Statista

Der poten­zi­el­le Lehr­kör­per ist vor­han­den und leis­tet momen­tan die Arbeit auf eige­ne Rech­nung, lebt nicht ein­mal von der Hand son­dern höchs­tens von der Fin­ger­kup­pe in den Mund. Ich nen­ne: Con­stan­ze Kurz, Frank Rie­ger, Jens Best, Micha­el See­mann, Niko Lum­ma, Chris­toph Kap­pes, Klaus Kus­anow­ski, Mar­cel Weiss, Mar­kus Becke­dahl und sei­ne Kol­le­gen von der Digi­ta­len Gesell­schaft, Sascha Lobo, Chris­ti­an Stö­cker, Kon­rad Lisch­ka, Mar­tin Oet­ting, (Nach­trag:) Tina Lorenz – und vie­le ande­re. Mit Insti­tu­ten wie:

  • Insti­tut für plu­ra­le Suchmaschinologie
  • Insti­tut für Digi­tal- und Netzsoziologie
  • Insti­tut für Digitalökonomie
  • Insti­tut für sozia­le Netzwirtschaft
  • Insti­tut für digi­ta­len und ver­netz­ten Journalismus
  • Insti­tut für eman­zi­pa­to­ri­sche Datenanalyik
  • Insti­tut für Peer-Production-Forschung
  • Insti­tut für Open Sources
  • Insti­tut für Kryp­to­lo­gie, Kryptografie
  • Insti­tut für Postwachstumsökonomie
  • Insti­tut für Arbeit nach dem Ende der Arbeit
  • Insti­tut für asym­me­tri­sche Kriegsvermeidung
  • Insti­tut für Terrorismusabwehr
  • Insti­tut für Spionageabwehr
  • Insti­tut für Programmierlinguistik
  • Insti­tut für All­ge­mei­ne und theo­re­ti­sche Kybernetik
  • Insti­tut für Digitaltheater
  • Insti­tut für Wasn-das-fürn-Knopfologie
  • Insti­tut für Blöd­sinn, Quatsch und Sachen, die Spaß machen, von denen aber kei­ner weiß, wozu sie gut sind
  • Insti­tut für alles, was woan­ders kei­nen Platz hat

Die drit­te Wissenschaft

Es geht dar­um zu ver­ste­hen, dass eine neue Wis­sen­schaft ent­steht, die weder Geis­tes- noch Natur­wis­sen­schaf­ten ersetzt. Die teil­wei­se geis­tes­wis­sen­schaft­lich arbei­tet, teil­wei­se natur­wis­sen­schaft­lich, aber weder nur das eine noch das ande­re. Der Akt des Pro­gram­mie­rens ist dem Schreib­akt der Geis­tes­wis­sen­schaft ver­gleich­bar — aber unter natur­wis­sen­schaft­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen. Tech­no­lo­gi­sche Ent­wick­lun­gen ins­be­son­de­re der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­no­lo­gie haben unmit­tel­ba­re gesell­schaft­li­che Aus­wir­kun­gen. Nichts lässt sich in einer nur-geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen noch in einem nur-natur­wis­sen­schaft­li­chen Umfeld bear­bei­ten. Mathe­ma­ti­sche Algo­rith­men haben poli­ti­sche Fol­gen. Und was über­haupt Poli­tik in Digi­ta­li­en ist, was Digi­ta­l­öko­no­mie ist — das wird her­aus­zu­fin­den sein. In der drit­ten Wis­sen­schaft: Der Digi­tal- und Netzwissenschaft.

Baut nicht Gara­gen, son­dern Hochschulen!

Es geht also nicht dar­um Gara­gen (=Start-Ups) zu bau­en, son­dern Hoch­schu­len. Man zäh­le die jetzt vor­han­de­nen Hoch­schul­mit­ar­bei­ter zusam­men, tei­le die Zahl durch zwei und hat damit das benö­tig­te Per­so­nal für die Digi­tal- und Netz­wis­sen­schaft. Man neh­me das jetzt ein­ge­setz­te öffent­li­che Bud­get… Usw. Die drit­te Wis­sen­schaft wird gegrün­det, in dem die Hoch­schul­aus­ga­ben von Jetzt=100 auf Dann=150 erhöht werden.

Tech­ni­sche Neue­run­gen der letz­ten 150 Jah­re gin­gen par­al­lel mit der Ent­wick­lung der Hoch­schu­len, mit der Ent­wick­lung von Geistes‑, Natur und nicht zuletzt Inge­nieurs­dis­zi­pli­nen. Aus den Grund­la­gen­for­schun­gen die­ser Ein­rich­tun­gen sind — wie von selbst — auch tech­ni­sche Fort­schrit­te ent­stan­den. Oder wur­den TGV, ICE, Air­bus etwa in Gara­gen ent­wi­ckelt? Der “Gore Bill” pene­triert das The­ma For­schung und Bil­dung gera­de­zu. Noch­mal ein paar Punk­te von oben:

(1) expan­ding Fede­ral sup­port for rese­arch, deve­lo­p­ment, and appli­ca­ti­on of high-per­for­mance com­pu­ting in order to–

(A) estab­lish a high-capa­ci­ty and high-speed Natio­nal Rese­arch and Edu­ca­ti­on Net­work;

(B) expand the num­ber of rese­ar­chers, edu­ca­tors, and stu­dents with trai­ning in high-per­for­mance com­pu­ting and access to high-per­for­mance com­pu­ting resources;

(C) pro­mo­te the fur­ther deve­lo­p­ment of an infor­ma­ti­on infra­struc­tu­re of data bases, ser­vices, access mecha­nisms, and rese­arch faci­li­ties available for use through the Network;

(D) sti­mu­la­te rese­arch on soft­ware technology;

(H) invest in basic rese­arch and edu­ca­ti­on, and pro­mo­te the inclu­si­on of high-per­for­mance com­pu­ting into edu­ca­tio­nal insti­tu­ti­ons at all levels; and

(I) pro­mo­te grea­ter col­la­bo­ra­ti­on among govern­ment, Fede­ral labo­ra­to­ries, indus­try, high-per­for­mance com­pu­ting cen­ters, and uni­ver­si­ties;

Got me?

Zugleich sind Hoch­schu­len die Orte, an denen — wenn nicht durch Bolo­gna-Schwach­sinn aus­ge­dörrt — eine kri­ti­sche Refle­xi­on statt­fin­den kann, die bei der Drit­ten Wis­sen­schaft bes­ten­falls bereits bei Ent­ste­hen des Neu­en reflek­tie­rend mitwirkt.

Was zu wün­schen ist, wäre ein euro­päi­scher High-Per­for­mance Com­pu­ting Act of 2014, der sich dar­auf rich­tet, was in den nächs­ten 20 Jah­ren gesche­hen soll, der jetzt die Grund­stei­ne für eine offe­ne Ent­wick­lung legt. Der nicht ver­sucht, die Ergeb­nis­se der letz­ten 20 Jah­re in den nächs­ten 20 Jah­ren zu kopie­ren, damit die­se noch im Start-Up-Sta­di­um gewinn­brin­gend an die Big Play­er ver­scher­belt wer­den, son­dern auf eine nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung setzt. Und der eine Prä­am­bel for­mu­liert, in der die Eigen­hei­ten der euro­päi­schen Tra­di­ti­on, die sozi­al-gesell­schaft­li­chen Errun­gen­schaf­ten, die Errun­gen­schaf­ten der Arbeit­neh­mer, der Kun­den, die Sozi­al­ver­pflich­tung von Eigen­tum und Wirt­schaft, die Rech­te der hier Leben­den wie der­je­ni­gen in ande­ren Län­dern der Welt erhal­ten, geach­tet und ver­tei­digt wer­den. Liber­té, Éga­li­té, Fra­ter­in­té 2.014!

 

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