Neben dem Kulturbruch, den die Disruption beschreibt, steht auch die wirtschaftliche Disruption, für die der Name Deflation zu schwach wäre, im Raume. Die Disintermediation, der Wegfall von Teilen der Wertschöpfungskette, der aus den Ketten wieder die Zweierbeziehung mittelalterlicher Wochenmärkte im globalen Dorf des Netzes entstehen lässt, führt zu einem gewaltigen Kostensturz in der Produktion und Distribution der Wirtschaft. Digitalisierbare Güter lassen sich direkt vom Herstellerrechner auf den Kundenrechner oder das iPhone übertragen. Nichtdigitalisierbare Güter bedürfen des stationären Handels nicht mehr, sondern werden virtuell im Internet feilgeboten. Und im Zweifelsfall erst hergestellt, nachdem sie konfiguriert und bestellt wurden. Dieses „On Demand“ System, von dem IBM schon seit einem halben Jahrzehnt spricht, ist allenthalben Realität. Im KfZ-Bau sowieso. Aber auch in allen anderen Bereichen. Noch nicht bei den Lebensmitteln. Aber ansonsten nahezu überall.
Und das heißt: Die Kostenspirale dreht sich rasant abwärts. Die Maschinen produzieren effizienter. Die Abteilungen von F+E über Produktion über Lagerlogistik über Lieferlogistik und Preisgestaltung ist dabei, sich in ein gemeinsames gewaltiges IT-System zu integrieren, bei dem die Registrierkasse die Bestellung in Auftrag gibt (tut sie schon), die Produktionsplanung daraus die Bestellung an Material und die Personalplanung ableitet (tut sie schon, nennt sich ERP), die Logistik wiederum die nötigen Transportmittel bucht und ihre Wege plant. Das gesamte vernetzte System sorgt für einen Grad an Effizienz, wie es nicht mal bei den Heinzelmännchen geherrscht haben dürfte. Und der Grad der Automatisierung schreitet dabei so schnell voran, dass keine Zeit bleibt, die freiwerdenden Mitarbeiter sinnvoll anders einzusetzen. Raus, raus. Das ist das Szenario. Ganz frei von Fatalismus: Es ist unumkehrbar. Weil niemand bereit ist, die konsequent höheren Kosten zu bezahlen. Die Disruption sorgt für abstürzende Warenpreise, abstürzende Mitarbeiterzahlen, abstürzende Löhne. Die ganz sich durch Schulden finanzierende Schönfärberei muss an ihr Ende kommen. Denn nur dann ist das, was in der Digitalen Disruption gang- und gestaltbar.
Wem wird die Zukunft gehören? Nicht Westeuropa, nicht Nordamerika. Vermutlich auch nicht Südamerika oder China und Indien. Afrika wird die Zukunft gehören. Die gegenwärtige Schwäche Afrikas: das Fehlen starrer traditioneller westlicher Gesellschaftstrukturen und mangelnde Infrastruktur werden zum Vorteil, wenn diese Altbestände nur noch rückzubauende oder zu unterhaltende Altlasten sein werden wie Ruhrkohle, Festnetztelefonleitungen oder Medienkonzerne. Zu wünschen ist, dass Negropontes „One Laptop per Child“ Unternehmen Nachfolger und Unterstützer genug findet, um diese Phantasien zu realen Möglichkeiten werden zu lassen.