Zugegeben, die Headline dieses Postings ist so reißerisch, wie eine schlechte BILD (darf ich den Namen noch erwähnen, ohne verklagt zu werden?) Schlagzeile. Allerdings ist hier wie dort auch das Ziel ähnlich: es soll nicht nur informiert, sondern agitiert werden.
Zur Sache: nachtkritik.de ist DAS deutschsprachige Theater- und Theaterkritikportal im Netz. Es wurde vor über fünf Jahren von erfahrenen und printrenommierten Theaterkritikern gegründet und bringt jeden Morgen Kritiken zu den wichtigsten Theaterpremieren des vergangenen Abends. Zudem werden dort die heißesten Kommentardebatten über ästhetische, theater- und kulturpolitischen Themen geführt. Zusammen mit der Redaktion sorgen mehrere Dutzend freie Kritiker, verteilt über das ganze Land, dafür, dass nicht nur die „Zentren“ des Theatergeschehens, sondern auch die Provinz Beachtung und Aufmerksamkeit findet. Nachtkritik lebt im Wesentlichen von dem (positiv formuliert) Idealismus und der (kritisch gesagt) Selbstausbeutung aller Macher, um ein kostenloses, hoch professionelles und journalistisches Angebot zu schaffen.
Um die Mittel selbst für diesen recht spärlichen Honorare zu generieren, nutzt nachtkritik Werbebanner, bekommt Unterstützung etwa von der Bucerius-Stiftung – und ist auf Spenden angewiesen. Aktuell werden 25.000 Euro benötigt, um den Betrieb von nachtkritik auch in der nächsten Spielzeit zu ermöglichen. Davon sind nach vier Wochen nicht einmal 4.000 Euro zusammengekommen.
Für mich ist nachtkritik nicht nur als Kulturplattform spannend und faszinierend. Für mich steht vielmehr gerade in den aktuellen Umständen, der Debatten um Urheber- und Leistungsschutzrechte mehr auf dem Spiel bei der Farge, ob nachtkritik das Überleben gelingt.
Nachtkritik ist – neben einigen anderen Angeboten wie carta oder netzpolitik – ein Vision vom unabhängigen Digitaljournalismus der Zukunft Heißt: Wenn es nicht gelingt, eine solche Plattform jenseits traditioneller Erlösmodelle dauerhaft am Leben zu erhalten, schwindet mein grundsätzlicher Optimismus was die Zukunft von Qualitätsjournalismus im Netz jenseits industriegesellschaftlicher Produktions- und Distributionsmechanismen angeht. Nicht weil vom Theaterjournalismus etwa die Zukunft von irgendetwas abhinge (abgesehen von den Stadttheatern, die man finden mag, wie man will). Sondern weil nachtkritik symbolisch stehen kann für die entscheidende Frage:
Kann Journalismus mit hohem Anspruch, mit intensiver Debattenkultur, ohne Verlage und ihre lobbybearbeiteten Gesetzeswerke zukünftig ökonomisch leben oder nicht? Können Journalisten ohne Verlags- und Vertriebshintergründe zukünftig selbstorganisierte Angebote in einer Form betreiben, dass auch eine zumindest existenzsichernde Finanzierung dabei herauskommt – oder ist dieses ganze Netz letztlich nur ein Hobbyraum?
Um dafür einen zukunftsweisenden Beitrag zu leisten, braucht es mehr als Lippen- oder Twitterbekenntnisse. Es braucht in paar Euro (die sogar steuerlich abzugsfähig sind, da nachtkritik gemeinnützig ist). Man muss sich nicht für Theater interessieren, um ein Statement zur Zukunft des anspruchsvollen (Kultur-)Journalismus im Netz per Spende abzugeben. Man muss nachtkritik nicht jederzeit zustimmen, muss nicht einmal mit der Grundlinie oder der Inhaltsauswahl einverstanden sein, um zu verstehen und per Spende zu goutieren, dass eine Inhaltsdebatte nur dann sinnvoll geführt werden kann, wenn die Erstellung der Inhalte gesichert ist. Man muss nachtkritik nicht einmal lesen, um ein Statement für einen zukunftsweisenden Digitaljournalismus abzugeben, indem man ein paar Euro springern lässt.
Wer als Schauspieler darauf angewiesen ist, dass Menschen ein paar Euro Eintritt zahlen, sollte eine Spende in Höhe eines Eintrittsgeldes beisteuern, um zukünftig netzöffentliche Aufmerksamkeit für die eigene Arbeit zu bekommen. Wer als Intendant vom Fortbestehen der Stadttheaterkultur abhängig ist, sollte einen Wochenlohn (Brutto – Steuern gibt’s ja zurück; bei einem Frankfurter Intendantengehalt von 240.000+X — wie nachtkritik gerade berichtet — wären also ca. 5.000+X fällig!) dafür springen lassen. Wer als Journalist um die Zukunft des Journalismus besorgt ist, sollte sich eine Packung Zigaretten verkneifen und dafür einen fünfer springen lassen. Wer die Debatte um das Leistungsschutzrecht besorgt verfolgt, sollte seinen Beitrag für eine Plattform leisten, die sich über Erwähnungen, Verlinkungen, Zitierungen freut, statt sie juristisch zu verfolgen.
Und wer gar kein Geld, aber eine Twitter-Followerschaft hat, sollte wenigstens mit einem Retweet dafür sorgen, dass solventere Follower aufmerksam werden – und Geld rauslassen. Es geht um lächerliche 25.000 Euro. Das sind 5.000 Spenden zu 5 Euro.
Plase Donate here and retweet.
Disclosure: Ich gehöre der Redaktion nicht an, bin aber mit Redakteuren persönlich bekannt und habe Beiträge für nachtkritik geschrieben. Das dafür bezogene Honorar geht selbstverständlich als Spende zurück an nachtkritik.