Etwas tut sich im Theaterstaate Deutschland. Ein Windchen rauscht und bläht sich, will werden — aber was? Hier jedenfalls wars zu vernehmen:
- Sparende Politiker: finden Theater – insbesondere in Wuppertal – überflüssig (hier)
- Wuppertal: Die Theater finden sparende Politiker doof. (hier)
- Kehlmann (Weltvermesserer): findet Regietheater doof. hier
- Heidelberg: Stückemarktjury findet die eingereichten Stücke zu doof um auszeichenbar zu sein. (hier) N.B.: Auf ähnlicheWeise ist übrigens auch ein Nachwuchstalent Papst Benedikt XVI geworden … Erst rumdiskutieren und dann: ratzefatz.
- Stockmann (Nils-Momme, Stückemarktjuror): findet Kritiker doof (hier oder hier)
- Dössel (Kritikerin und Stockmann-Mitjurorin): findet deswegen Stockmann ziemlich doof (hier).
- Streeruwitz: findet angepasste Schreiber und die neoliberale Arbeitsordnung der Theater und ihrer Jungdramatiker doof (hier)
- Battle Autoren: finden Theater doof, die keine Knete für Arbeitsleistung rüber reichen (hier).
- Spuhler (Heidelbergintendant): Findet dass die Juroren lieber nicht hätten Juroren werden sollen, wenn sie nicht jurieren wollen (im Mannheimer Morgen am 17.5.). Oder so. Und beurteilt die Urteile der Nichturteilenwollenden (wenn ers denn auf nachtkritik hier im Kommentar 85 und 87 war) als …irgendwas.
- Nichtausgezeichnete, auserwähle Autoren (5): finden, dass die Jury den Sinn der Nachwuchsförderung nicht versteht und dass der Heidelberger Wettbewerb, der Dramatiker fördern soll (in dem von dem Autoren bei der Jury vermissten Verständnis), nicht über Nachwuchsförderung debattieren soll. (hier)
- Die Jury (Dössel, Altorfer, Stockmann): fands offenbar ok, Gastautoren aus Israel einzuladen, ihnen am Ende der Reise mitzuteilen, dass man die Stücke eigentlich scheiße findet, um sie dann wieder zu verabschieden (Übrigens – falls jemand mich mal nichtauszeichnen will: teilts mir bitte brieflich mit!)
- Frank Kroll: findet spontan mindestens zwei der Heidelbergnichtpreiswürdigen Stücke ganz gut und auszeichenbar (hier Kommentar 59). Und ist eh ein guter Typ. Warum bloggt er so wenig hier?
- Christine Dössel: findet Spuhler und den Stückemarkt doof. Den Vermarktungszusammenhang unangenehm. Die jurierten Stücke schlecht. Und findet, dass 2500 Euro für jeden einreichenden Autoren super sind – und dass das eigentlich besser ist als einen mit viel zu viel Geld reich und arbeitsscheu zu machen. (nochmal hier)
- Botho Strauß: findet das Theater allgemein doof. Also das von nach seiner Zeit. Damals. (hier)
- Thomas Ostermeier: Jahrgang 1968 (das findet nachtkritik.de erwähnenswert ; zudem das Geburtsjahr der Herrn Strauß – der ist 66 und damit am Beginn seines Lebens, wie der Dichter Jürgens weiland sang). hier
- Thomas Ostermeier (selbst): findet Strauß doof, weil der Theater schmäht, obwohl er ja gar nicht alles gesehen hat. (hier)
- Ulrich Khuon (Intendant): findet Botho Strauß (Dramatiker?) doof. (hier)
Ich: finde es großartig, dass sich in Theaterdeutschland was regt. Zarte Wutpflänzchen zwar erst, die sich noch etwas ungelenk an den Kreissaalnachbarn ausprobieren, bevor sie laufen lernen. Aber wenn diese Wut dann größer wird, die Augen und Ohren öffnet und den Thaliakreissaal hinterm Eisernen verlässt und ans Tageslicht tritt – dann kann Theater vielleicht werden, was es sein muss: (Für alle Literaturliebhaber: Ich wechsle jetzt gewaltsam das sprachliche Bild) Die Flakstellung der Demokratie.
Vielleicht ein paar Vorschläge, worauf sich die Wut der nichtsnutzigen Autoren, selbstverliebtuntalentierter Regisseure an den miesen Häusern neoliberaler Intendanten zum Wohlgefallen impertinent-illegitimer Kritikaster wenden könnte:
- Ein Deutschland, das sich offen zum Krieg bekennt
- Ein Deutschland, das im Notverordnungsverfahren Milliardenbeträge ausgibt
- Ein Deutschland das von hetzenden Boulevardmedien meinungsgeprägt wird
- Ein Deutschland, in dem Sparpakete geschnürt werden, die den Ärmsten das Vorletrzte nehmen werden
- Ein Deutschland, dessen Sicherheitsorgane unverblümt jeden Bürger als Terrorverdächtigen registrieren, speichern, überwachen. Biometrisch, Scannend, Vorratsdatengespeichert.
- Ein Deutschland, in dem die Wirtschaft und die Finanzinstitute gerettet werden, die Umwelt aber nicht.
- Ein Deutschland, in dem der galoppierende Wertverlust digitaler Güter, die Produktivitätsexplosion der vernetzten Wirtschaft und die alles selbst am Rechner erledigenden „Kunden“ zu einer „Digitalen Disruption“, einem möglichen „Ende der Arbeit“ (Rifkin) und einem rasanten Durchsacken der Lebensumstände der meisten Menschen (Griechenland geht nur voran) führen werden.
- Ein Deutschland, dessen Bürger frechen Attacken auf ihre Privatsphäre durch digitale Großkonzerne nahezu schutzlos ausgeliefert sind
Noch was? Findet sich auch. Es gibt genug, auf das eine zur Wut gewachsene Dooffinderei sich richten kann. Und es wird Zeit, sich dem zu stellen. Also Schreiber, Regisseure, Theaterleute, Kritiker – fasst euch an die Hände, Nasen oder wohin ihr wollt. Und sucht euch eine Wut. Eure beschissene Zänkerei interessiert außer euch kein Schwein da draußen. Und ihr machts den politischen Spar-tanern zu leicht, euch alle zusammen in einen Sack zu stecken und im Schuldenloch zu versenken.