Vielleicht ist das Drama seit nunmehr 2 oder 3 Jahrzehnten in der Krise, weil seine Macher noch nicht bemerkt und reflektiert haben, dass es ihnen längst geraubt wurde. Jenseits einer rein formalistischen Debatte könnte doch die nüchterne Feststellung lauten, dass die dramatische Form der Moderne, des Naturalismus, Realismus und was auch immer — jeden Abend auf zahllosen Fernsehprogrammen zu sehen ist. Mag zwischen “Unter uns” oder GZSZ und Tschechow auch ein qualitativer Unterschied bestehen — die dramatische Dihegese ist nicht so weit voneinander entfernt. Irgendwann wird schon eine Folge gelaufen sein, die funktioniert wie Tschechow. Oder Ibsen. Oder wer auch immer. Und wenn sie nicht gelaufen ist — dann kommt sie irgendwann — schon wegen der “…im deutschen Sprachraum so geliebten, tschechowschen Dialogmuster…” (Streeruwitz hier)
Die Krise der Malerei, die die Fotografie auslöste, die Krise des Kinos durch das Fernsehen — ist die entsprechende Krise des Theatertextes bereits in den Köpfen der Theaterautoren UND der Dramaturgien, Verlage, bei Regisseuren und Schauspielern angekommen? Jenseits bloßer Verweigerung durch postdramatischen Bühnenjahrmakt? Wo läuft die Debatte über ein Storytelling, einen (aristotelischen) Begriff des mythos als systhesis pragmatôn, den plot, die brechtsche Fabel — die unter den Gegebenheiten der Gegenwart zu reflektieren unternimmt, was dem Theater eigen ist (“dem” Theater nicht im Sinne eines Wesenskernes übrigens), was nur Theater könnte. Nicht um im Sinne eines Marketing eine Marktlücke zu öffnen und zu besitzen. Sondern um die Kraft von Theater wieder freizusetzen. Sodaß die politischen Spar-taner es nicht allzu einfach haben bei Budgetstreichen und Theaterschließen. Weil Theater etwas erzählt oder erfahrbar macht, was weder TV noch Kino noch andere Künste besser, schneller, einfacher könnten. Ich vermisse eine Debatte ums Postdrama. Oder bin ich blind und sehe nur nicht, wo sie wirklich ernsthaft geführt wird?