Über kontingente und strafende Gewalt-“Warum so brutal?” in der neuen POLAR

April 4th, 2014 § 1 comment

In der April­aus­ga­be 2014 des klei­nen, fei­nen Maga­zins POLAR “Kunst der Dras­tik” erscheint gera­de mein Text “War­um so bru­tal? Tom Fon­ta­nas TV-Serie OZ und Dan­tes Gött­li­che Komö­die”. Das Heft kann man hier bestel­len. Mei­nen Bei­trag (in mnei­ner Roh­fas­sung) kann man sich am Ende die­ses Pos­tings herunterladen.

Es ste­hen, wie der Unter­ti­tel andeu­tet, die von Tom Fon­ta­na geschrie­be­ne TV-Serie OZ und Dan­te Ali­ghie­r­is Divina Com­me­dia im Mit­tel­punkt, genau­er gesagt die dras­ti­schen Schil­de­run­gen von Bru­ta­li­tät und ihre nar­ra­ti­ven Funk­tio­nen. Die instru­men­tel­le Gewalt bei Dan­te, die sich als Stra­fe für began­ge­ne Unta­ten spie­gel­bild­lich zu die­sen Taten ver­hält, damit die Gewalt recht­fer­tigt und mit “Sinn” auf­lädt, trifft auf die kon­tin­gen­te Gewalt in OZ, wo sich zwar eben­falls Straf­tä­ter fin­den, deren Schre­ckens­zu­stand in der Gefäng­nis­höl­le aber eben nicht in ers­ter Linie aus einer “sinn­haf­ten” Straf­zu­mes­sung her­rührt, son­dern gera­de­zu gespens­tisch zir­ku­liert und sich ihre Opfer fast zufäl­lig sucht (war­um “fast” — dazu im Text selbst mehr).

Tom Fon­ta­nas Serie OZ, gelau­fen in den USA von 1997 bis 2003 mit 56 Epi­so­den in sechs Staf­feln, ist die ers­te soge­nann­te Qua­li­ty-TV Serie von HBO. Es ist die bei wei­tem Radi­kals­te die­ser Seri­en, die alle Cha­rak­te­ris­ti­ken, die man spä­te­ren Wer­ken wie den Sopra­nos, The Wire oder Brea­king Bad attes­tiert, nicht nur bereits auf­weist, son­dern ins Extrem treibt. Sowohl in der visu­el­len und akus­ti­schen Ästhe­tik, in der Dra­ma­tur­gie, die kaum mehr als Hand­lung zu bezeich­nen ist, in der for­ma­len Gestal­tung mit ihren an den Chor der Grie­chi­schen Tra­gö­die ange­lehn­ten Kom­men­ta­ren von Augus­tus Hill, ihrer Dys­to­p­ik und der Expli­zit­heit von Sex und Gewalt. Die genann­ten Nach­fol­ger schei­nen dahin­ter wie­der zurück gefal­len zu sein oder nur einzl­ne Aspek­te auf­ge­nom­men zu haben: Die Sopra­nos die dramt­ur­gisch mäan­dern­de Struk­tur und die kom­men­tie­ren­den Zwi­schen­epi­so­den (Tony bei Jen­ni­fer Mel­fi), The Wire die Mas­se an wich­ti­gen Figu­ren in ihren Ver­flech­tun­gen, Brea­king Bad die Gewalt­tä­tig­keit und den Absturz des Nor­ma­los (hier Wal­ter White, in OZ Tobi­as Bee­cher). An das Meis­ter­werk von Tom Fon­ta­na kom­men sie aller­dings den­noch nicht her­an. Wo jene span­nend, unter­halt­sam, erschre­ckend sind, da ist OZ ver­stö­rend, über­wäl­ti­gend, erschütternd.

Eine deutsch­spra­chi­ge Aus­strah­lung begann erst vor weni­gen Wochen auf einem Bezahl­sen­der. OZ fin­det sich in den meis­ten Arbei­ten zu den neue­ren TV-Seri­en — wenn über­haupt — nur am Ran­de erwähnt. Dabei han­delt es sich, mei­nes Erach­tens, um ein epo­cha­les Meis­ter­werk, das mit Dan­te mit­hal­ten kann. Mindestens.

Auch wenn es eine “Moral der Geschicht” bei OZ gera­de nicht gibt, sind die letz­ten Wor­te von Augus­tus Hill doch eine ganz schö­ne Annä­he­rung an die Beschrei­bung des­sen, was Fon­ta­nas Pro­jekt aus­ma­chen könnte:

Augus­tus Hill: So, what have we lear­ned? What’s the les­son for today? For all the never-ending days and rest­less nights in Oz? That mora­li­ty is tran­si­ent? That vir­tue can­not exist wit­hout vio­lence? That to be honest is to be fla­wed? That the giving and taking of love both deba­ses and ele­va­tes us? That God or Allah or Yah­weh has ans­wers to ques­ti­ons we dare not even ask? The sto­ry is simp­le: a man lives in pri­son and dies. How he dies? That’s easy. The who and the why is the com­plex part. The human part. The only part worth kno­wing… Peace. (OZ, Staf­fel 6, Epi­so­de 8)

Mei­nen Text “War­um so bru­tal? Tom Fon­ta­nas TV-Serie OZ und Dan­tes Gött­li­che Komö­die” kann man  hier down­loa­den

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