Nach einem ersten Abgrenzungsversuch der Digitalökonomie gegen die Nationalökonomie in den vergangenen Tagen, heute ein erster Versuch zu bestimmen, worion sich die Digtal- von der in letzten Zügen liegenden Globalwirtschaft, d.h. der Globalisierung, unterscheidet. So paradox es auf den ersten Blick wirkt:
Globalwirtschaft ist noch und in aller stärkstem Maße Lokalwirtschaft. Wirtschaft begibt sich an bestimmte Orte — sei es um Lohnkosten zu senken, Märkte zu erschließen, Steuervorteile zu nutzen, Investitionshilfen abzufragen … — heißt: sie globalisiert. Sie arbeitet mit Partnern, die an anderen Orten sitzen. Oder verkauft an Kunden, die am anderen Ende der Welt angesiedelt sind. Transport und Kommunikation sind die Ermöglicher diesess Prozesses der Globalisierung. Transport und Kommunikation zwwischen lokalisierbaren Punkten.
Tatsächlich findet bei der Globalisierung ein gewaltiger weltweiter Verschiebebahnhof der Knappheiten und Überflüsse statt. Lokale Nachfrageüberschüsse werden durch Transport von Gütern dorthin oder Errichten von Produktionseinheiten vor Ort beantwortet. Lokales Arbeitskräfteüberangebot wird ebenso durch lokale Ansiedlung beantwortet. Knappheit und Überfluss finden zu globalen Austauschprozessen. Aber diese Globalisierung kann nur als Ungleichgewicht funktionieren. Würde die ganze Welt leben wie Castrop-Rauxel — es gäbe keine Globalisierung.
Digitalökonomie und Verfügbarkeit
Wie die nationalökonomische Knappheit in der Digitalökonomie nicht zu finden ist, so auch die lokale Knappheit der Globalisierung nicht. Jeder Mensch mit Zugriff auf das Internet kann im Web jedezeit und überall jedes Gut abrufen und bezahlen. Und er kann jedes Gut anbieten und bezahlen lassen. Dabei darf man sich den Warenhandel nicht wie bei der Globalisierung als Austausch zwischen bestimmten Regionen vorstellen. In Digitalien gibt es kein lokales Business — es sei denn, auch hier werden wieder künstliche Grenzen eingezogen, um die letzten Strukturen der überkommenen globalen Wirtschftsordnung aufrecht zu erhalten. Der Versuch, abgegrenzte Wirtschaftsräume zu schaffen durch IP-Filterung etwa, versucht eine solche globale Lokalisierung. In Digitalien aber weiß ich oftmals nicht einmal, in welchem “Land” ich ein Gut bestellt oder gekauft habe. Dies nach lokalen Gesetzen abwickeln zu wollen, ist völlig absurd. Digitalien braucht Gesetze, die für jeden, der sich dorthin begibt, gelten. Von woher er auch immer kommt.
Das Netz ist “hier” wo immer ich bin. Und ich bin in Digitalien, wo auch immer mein rechner steht. Digitalien ist überall und jederzeit gleichzeitig. Wer in Digitalien ist, ist überall oder nirgendwo, jederzeit oder niemals. Auch das lässt sich nicht auseinander halten. Videokonferenzen und Echtzeitzusammenarbeit überbrücken keine Entfernungen, sie schaffen einen eigenen Raum, in dem es keine Entfernungen gibt. Digitalien. Hier gibt es keine lokalen Knappheiten, weil es kein “lokal” gibt. Jedes Gut, das jemand in Castrop-Rauxel hat, hat auch jeder in Bogota, Bangkok oder Bangalore (Netzzugang und Interesse daran vorausgesetzt).
Hypothese 2: Die Digitalökonomie kennt keine lokalen Ungleichgewichte. Was an einer Stelle ist, ist im selben Moment an jeder anderen Stelle der Welt zugänglich.