Warum so viele Klassikerinszenierungen: Die Todsünden des Theaters (Antwort auf Nora Decker)

April 11th, 2011 § 3 comments § permalink

Die Schau­spiel­stu­den­tin Nora Decker hat mir eine Fra­ge gemailt, die nur auf den ers­ten Blick oft gehört und wie ein miso­thea­tra­ler Stoß­seuf­zer erscheint:

war­um wer­den sovie­le büh­nen­klas­si­ker insze­niert (shake­speare, goe­the, ibsen, usw.)?

gab es nicht eine zeit, in der stü­cke geschrie­ben u auf die büh­ne gebracht wur­den und gebrauch­te stü­cke im schrank blieben?

und wenn ja, war­um ist das nicht mehr so, war­um sieht die hit­lis­te der spiel­plä­ne so aus? :

1 Faust (Goe­the)
2 Der Gott des Gemet­zels (Reza)
3 Romeo und Julia (Shake­speare)
4 Ein Som­mer­nachts­traum (Shake­speare)
5 Kaba­le und Lie­be (Schil­ler)
6 Klamms Krieg (Hen­sel)
7 Wert­her (Goe­the)
8 Sze­nen (Lori­ot)
9 Die Räuber (Schil­ler)
10 Maria Stuart (Schil­ler)
11 Nathan der Wei­se (Les­sing)
12 Der zer­broch­ne Krug (Kleist)
13 An der Arche um acht (Hub)
14 Ham­let (Shake­speare)
15 Die Grönholm-Methode (Gal­ceran)
16 Der Men­schen­feind (Molière)
17 Ladies Night (Sinclair/McCarten)
18 Bud­den­brooks (Mann/Düffel)
19 Wer hat Angst vor Vir­gi­nia Woolf? (Albee)
20 Micha­el Kohl­haas (Kleist)

Ich fin­de die Fra­ge rele­vant. Und möch­te sie des­we­gen nicht per Mail son­der mit einem Pos­ting beantworten.

Erster Ansatz: Der Markt

Man könn­te es sich ein­fach machen und ange­bots­öko­no­misch argu­men­tie­ren: „Nun­ja, es gibt halt nicht genug Nach­schub, der insze­niert wer­den könn­te.“ Das ist kein Argu­ment: Öko­no­mi­schen Regeln fol­gend, müss­te eine Nach­fra­ge sich ein Ange­bot erschaf­fen. Übri­gens: Das tut es sogar.

Zweiter Ansatz: Der Wahrnehmungsfehler

Tat­säch­lich gab es in den letz­ten Spiel­zei­ten so vie­le Urauf­füh­run­gen wie ver­mut­lich nie in der Thea­ter­ge­schich­te zuvor (Werk­sta­tis­tik Büh­nen­ver­ein 2008/09: 609 Ur- und Erst­auf­füh­run­gen!). Also: „Wahr­neh­mung öff­nen und sehen, dass die Behaup­tung falsch ist.“

Sie ist aller­dings nicht falsch. Die von den Batt­le­group-Autoren vor­ge­tra­ge­ne Behaup­tung, es gäbe zwar einen unstill­ba­ren Hun­ger nach Urauf­füh­run­gen, die zumeist von Jung­re­gis­seu­ren auf Werk­statt­büh­nen ver­heizt wür­den, trifft zu. Und sie ändert nichts an der Situa­ti­on, dass unter dem Deck­män­tel­chen des „Wir spie­len ja Neu­es“ tat­säch­lich eine basalt­e­ne Grund­struk­tur der Klas­si­ker­in­sze­nie­run­gen zu fin­den ist (2008/9 wur­den ins­ge­samt 3.710 Wer­ke laut Büh­nen­ver­ein auf­ge­führt – ein Sechs­tel also nur neue Tex­te, 3.100 nicht­neue Wer­ke bei ins­ge­samt 7.090 Insze­nie­run­gen, von denen dann die „neu­en“ Stü­cke, die zumeist nur ein­mal insze­niert wer­den, gera­de ein­mal  8,6% sind), in die nur gele­gent­lich eini­ge „embedded aut­hors“, die als Dra­ma­tur­gen oder ähn­li­ches im Betrieb durch­ge­nu­delt wer­den, inte­griert sind.

Der groß­ar­ti­ge, hier (lei­der offen­bar nicht mehr) blog­gen­de Frank Kroll vom Hen­schel-Schau­spiel­ver­lag hat sich vor eini­gen Jah­ren die Mühe gemacht, die Büh­nen­ver­eins-Sta­tis­tik jen­seits des ers­ten posi­ti­ven Ein­drucks nach­zu­rech­nen und kommt zu dem Ergebnis:

Zwar ist, abso­lut be­trach­tet, die Zahl der ur- und erst­auf­ge­führ­ten Wer­ke seit Beginn der 90er Jah­re um etwa ein Drit­tel ange­stie­gen, im sel­ben Zeit­raum redu­zier­te sich die durch­schnitt­li­che Vor­stel­lungs­zahl pro Werk jedoch um ein höhe­res Maß. Immer mehr Wer­ke wer­den von den Thea­tern «ent­deckt», erle­ben dann aber immer weni­ger Auf­füh­run­gen. Die Aus­ein­an­der­set­zung mit neu­er deutsch- und fremd­spra­chi­ger Dra­ma­tik sta­gniert wei­ter­hin auf einem nied­ri­gen Level. Den viel­be­schwo­re­nen «Hype» mit Neu­er Dra­ma­tik hat es nie gege­ben. Zwi­schen der Selbst­dar­stel­lung der Thea­ter und dem tat­säch­li­chen Büh­nen­ge­sche­hen besteht eine deut­li­che Dis­kre­panz. (Quel­le)

Nur weil Buch­händ­ler auch lus­ti­ge Gruß­post­kar­ten an der Kas­se ver­kau­fen wer­den sie noch lan­ge nicht zu Gruß­post­kar­ten­ge­schäf­ten. Das „Kern­ge­schäft“ der Thea­ter ist und bleibt die bis zu Erbre­chen wie­der­hol­te Klas­sik. Warum?

Dritter Ansatz: psycho-ethisch

Tat­säch­lich begrün­det sich die­ses Ver­hal­ten aus fünf künst­le­ri­schen Tod­sün­den: Faul­heit, Feig­heit, Dumm­heit, Eitel­keit und Geiz. Und zwar so: » Read the rest of this entry «

Theatersterben: Zur Kritik des reinen Vergnügens

April 11th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Theatersterben: Zur Kritik des reinen Vergnügens § permalink

Ein kur­zer Mail­wech­sel mit Oli­vi­er Garo­fa­lo bringt mich dazu, nicht nur zum Haupt­the­ma die­ses Blogs – dem Thea­ter – zurück zu keh­ren. Son­dern direkt zu fun­da­men­ta­len Fra­gen des Gegen­warts­thea­ters zu kom­men. In der Mail von Garo­fa­lo fin­det sich die­se pro­vo­kan­te Frage:

die wich­tigs­te Fra­ge ist wohl, ob der Inhalt
ver­schwin­det, weil das Publi­kum in den heu­ti­gen Zei­ten in ihrer Freizeit
nicht mit Fremd­ge­dan­ken belas­tet wer­den wol­len, oder ob beson­ders die
Schau­spiel- und Regie­schu­len nur Ästhe­tik leh­ren (weil das freie Den­ken eh
nicht bei­bring­bar ist). Wahr­schein­lich bei­des und mit­ten­drin die Kritik,
die ihre Mass­stä­be an der Kunst mes­sen und eben nicht am Inhalt.

Garo­fa­lo nimmt damit drei Betei­lig­te als poten­zi­el­le Akteu­re auf: Publi­kum, Thea­ter­schu­len und Kri­tik. Das ist inso­fern span­nend, als die Dis­kus­si­on nicht sofort Inten­dan­ten, Dra­ma­tur­gen und Regis­seu­re in den Blick und Angriff zu neh­men ver­sucht. Son­dern die Ent­ste­hungs­be­din­gun­gen einer bestimm­ten Gesamt­si­tua­ti­on auf schein­ba­re Rand­be­din­gun­gen zurück­führt – was Sinn macht.

Das Publi­kum

Ist das Publi­kum bzw. sind die Zuschau­er Akteu­re in einem Sinn, der sie mit­ver­ant­wort­lich für das Elend gegen­wär­ti­gen Thea­ters macht? Was will „das Publi­kum“? Ein gro­ßer, ein­fluss­rei­cher Teil des aktu­el­len Publi­kums for­dert offen­bar „werk­treue“ Insze­nie­run­gen von Klas­si­kern. Sie wol­len Muse­um. Iden­ti­sche Repro­duk­ti­on der eige­nen Vor­stel­lun­gen des­sen, was „die alten Meis­ter“ schrie­ben, woll­ten, vor­stell­ten. Die­se Debat­te ist nicht tot zu bekom­men. Und Thea­ter tun die­sem Publi­kum ja den Gefal­len. Man spielt die Klas­si­ker. Und wenns kei­ne » Read the rest of this entry «

Die Facebook-Frage: Die ganze Reihe als PDF

Februar 23rd, 2011 § Kommentare deaktiviert für Die Facebook-Frage: Die ganze Reihe als PDF § permalink

Wer kei­ne Lust hat, die Pos­tings ein­zeln durch­zu­kli­cken, kann sich hier alle in einem PDF runterladen:

Die Face­book Fra­ge (PDF Download)

Die Facebook Frage (Teil 8): Das Unternehmen: Datenspeicher und Datenquelle

Februar 22nd, 2011 § 3 comments § permalink

Ich möch­te noch ein­mal kurz auf eine Bemer­kung von Micha­el See­mann zurück­kom­men, die ich im letz­ten Pos­ting bereits zitiert hatte:

In der Rei­he, der Unter­neh­men, die poten­ti­ell oder real an Infor­ma­tio­nen von Nut­zern her­an­kom­men, ist kein ein­zi­ges dabei, das mit einer Keu­le auf irgend­wen ein­schla­gen wird oder eine Skla­ven­ga­le­re betreibt, auf der wir rudern müs­sen, weil wir den fal­schen Film­ge­schmack haben

Das wirft die Fra­ge auf, ob Face­book „gut“ oder „böse“ ist. Bzw. „Gutes“ oder „Böses“ Im Schil­de führt. Und das ist ein­deu­tig die fal­sche Kate­go­rie. Denn Unter­neh­men han­deln weder gut noch böse. Unter­neh­men han­deln nicht nach mora­li­schen Prin­zi­pi­en. Das ist in die­ser Form der Beschrei­bung zunächst nicht ein­mal kri­tisch gemeint. Es ist ledig­lich eine Feststellung.

Unter­neh­men ver­fol­gen kei­ne mora­li­schen Zie­le. Sie ver­fol­gen auch nicht unbe­dingt unmo­ra­li­sche Zie­le. Ihr Ziel ist Gewinn. Und in Wett­be­werbs­zei­ten: Gewinn­stei­ge­rung. Dafür set­zen sie alle ver­füg­ba­ren Res­sour­cen ein – es sei denn, Geset­ze ver­bie­ten die­ses. Moral spielt dabei kei­ne Rol­le.  Die Por­no­in­dus­trie » Read the rest of this entry «

Die Facebook Frage (Teil 6): Die Situation „der User“ – Kommunikation wird Information wird Daten

Februar 22nd, 2011 § Kommentare deaktiviert für Die Facebook Frage (Teil 6): Die Situation „der User“ – Kommunikation wird Information wird Daten § permalink

Die Kom­mu­ni­ka­ti­on im Netz reißt die tra­di­tio­nel­le Unter­schei­dung zwi­schen Schrift und Rede, zwi­schen kom­mu­ni­ka­ti­vem Aus­tausch und Infor­ma­ti­on, zwi­schen Pri­vat­heit und Öffent­lich­keit ein. Die schein­ba­re Gegen­über­stel­lung von Schrift und Rede, von Pri­vat und Öffent­lich weicht der Gra­da­ti­on. Die Spur, von Der­ri­da in die phi­lo­so­phi­sche Tra­di­ti­on ein­ge­bracht, ist ein zunächst ganz brauch­ba­rer Begriff – ist doch schon all­ge­mein­sprach­lich aner­kannt, dass im Netz jede Bewe­gung Spu­ren hin­ter­lässt, die sich zu der letz­tens beschrie­be­nen Kugel­wol­ken­abs­trak­ti­on fügen. Oder anders gesagt: Die die­je­ni­gen Wel­len­be­we­gun­gen des Wel­le-Teil­chens aus­ma­chen, die sich in dr Abs­trak­ti­on zu einem Teil­chen fügen können.

Das ist jen­seits theo­re­ti­scher Klü­ge­l­ei­en ein hand­fes­ter empi­ri­scher Fakt (wenn es so etwas gibt). Denn die Daten­ban­ken von Face­book tun genau das. Wo User mit­ein­an­der kom­mu­ni­zier­ten und davon über­zeugt waren (so sie je einen Gedan­ken dar­über ver­schwen­de­ten), dass es sich eben um rede­ar­tig flüch­ti­gen Aus­tausch han­del­te, erzeu­gen sie zugleich sta­ti­sche, spei­cher­ba­re Infor­ma­tio­nen. Und zwar nicht Infor­ma­tio­nen wie die­je­ni­gen, an denen die Wiki­pe­dia-Autoren gemein­sam arbei­ten. Son­dern Infor­ma­tio­nen über sich selbst.

Man kann sich auf die von Wiki­leaks ver­öf­fent­lich­ten Bot­schafts­de­pe­schen als Bei­spiel stüt­zen. Auch hier glaub­ten die Betei­lig­ten, ein­fach einen ande­ren Weg der » Read the rest of this entry «

Die Facebook Frage (Teil 4): Die Facebook-„Revolution“ bei Christoph Kappes

Februar 21st, 2011 § Kommentare deaktiviert für Die Facebook Frage (Teil 4): Die Facebook-„Revolution“ bei Christoph Kappes § permalink

Aus der Bestim­mung des Revo­lu­ti­ons­be­grif­fes jen­seits blo­ßer „revo­lu­tio­nä­rer Mas­sen mit poli­ti­schen Umsturz­ab­sich­ten“ lässt sich die Fra­ge der Face­book-Revo­lu­ti­on dif­fe­ren­zier­ter angehen.

Kap­pes hebt zunächst dar­auf ab, dass es nicht die Mittel/Medien sind (Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel oder Waf­fen), die eine Revo­lu­ti­on „machen“, son­dern die Men­schen dahin­ter. Bereits die­ser Punkt ist so zen­tral, dass er auch für Face­book selbst fest­zu­hal­ten ist. Nicht Face­book, die Web­sei­te und tech­ni­sche Platt­form ist die revo­lu­tio­nä­re Kom­mu­ni­ka­ti­ons­neue­rung die­ser Jah­re – son­dern die 600 Mil­lio­nen Men­schen, die Face­book nut­zen sind eigent­lich in einem revo­lu­tio­nä­ren Akt ver­sam­melt (wenn er denn revo­lu­tio­när ist). Ob nun Face­book, Twit­ter oder Mobil­te­le­fo­ne die eigent­li­chen revo­lu­tio­nä­ren Mit­tel waren, sei hier dahin gestellt. Dabei ist aller­dings aus dem bis­her gesag­ten  mit Kus­anow­sky – hin­zu­zu­fü­gen, dass es sich letzt­lich nicht um ein ent­we­der-oder han­delt. Denn die Unter­schei­dung hie Mensch – hie Tech­nik wäre sub­kom­plex. Viel­mehr ist es der User, der Netz­mensch, die sur­fen­de Kugel­wol­ke mit ihren kom­mu­ni­ka­ti­ven Eigen­hei­ten im Netz, die zur Betrach­tung steht. Man könn­te auf den von Paul de Man intepre­tier­ten Wil­liam But­ler Yeats zurück­kom­men und sei­ne abschlie­ßen­de Fra­ge in „Among School Child­ren“:

O body sway­ed to music, O brigh­tening glance,
How can we know the dancer from the dance?

Der Tän­zer ist vom Tanz nicht zu unter­schei­den, sowe­nig wie der User vom Use, der Sur­fer vom Sur­fen oder der Netz­mensch vom Men­schen­netz. Es lässt sich nur durch theo­re­ti­sche Abs­trak­ti­on eine Unter­schei­dung her­bei­füh­ren, die gele­gent­lich von theo­re­ti­schem Wert ist. Dabei aber fällt der User, Sur­fer, Netz­mensch in eine Zwit­ter­po­si­ti­on oder Kipp­fi­gur, wie sie die Quan­ten­phy­sik aus dem Wel­le-Teil­chen-Dua­lis­mus kennt. Wir haben es mit einem Gegen­stand zu tun, der sich auf eine Wei­se ver­hält, dass die­ser Gegen­stand mal als Wel­le, mal als Teil­chen » Read the rest of this entry «

Die Facebook Frage (Teil3): Facebook-Revolution?

Februar 21st, 2011 § Kommentare deaktiviert für Die Facebook Frage (Teil3): Facebook-Revolution? § permalink

Was ist eine Revo­lu­ti­on? Fra­gen wir den Prot­ago­nis­ten der enzy­klo­pä­di­schen Revo­lu­ti­on, Wiki­pe­dia:

Der Begriff Revo­lu­ti­on wur­de im 15. Jahr­hun­dert aus dem spät­la­tei­ni­schen revo­lu­tio („das Zurück­wäl­zen, die Umdre­hung“) ent­lehnt und zunächst als Fach­wort in der Astro­no­mie für den Umlauf der Him­mels­kör­per ver­wen­det. Spä­ter wur­de das Wort auch all­ge­mein für „Ver­än­de­rung, plötz­li­cher Wan­del, Neue­rung“ gebräuch­lich. Die heu­ti­ge Bedeu­tung als „meist, jedoch nicht immer, gewalt­sa­mer poli­ti­scher Umsturz“ bil­de­te sich erst im 18. Jahr­hun­dert unter dem Ein­fluss der Fran­zö­si­schen Revolution

Es macht Sinn, einen Schritt hin­ter die Begriffs­di­men­si­on des 18. Jahr­hun­derts zurück­zu­ge­hen – hin zur Astro­no­mie. Denn ganz so harm­los, wie es die­se Defi­ni­ti­on andeu­tet, ist die „Revo­lu­ti­on“ der Astro­no­mie nicht. In De revo­lu­tio­ni­bus Orbi­um Coeles­ti­um hat­te Niko­laus Koper­ni­kus die größ­te Revo­lu­ti­on der Neu­zeit for­mu­liert: Die Ein­sicht, dass » Read the rest of this entry «

Die Facebook Frage (Teil 2): Soziologisch? Technologisch?

Februar 21st, 2011 § 1 comment § permalink

In Kus­anow­skys Ant­wort auf den Car­ta-Arti­kel von Chris­toph Kap­pes ist der Hin­weis zu fin­den, dass die Mensch-Maschi­ne The­ma­tik durch­aus wei­te­rer Refle­xi­on bedient, da es so schei­nen könn­te, als wür­de Kap­pes über die Kon­stan­te Mensch“ reden, die sich nun­mehr der neu­en Tech­no­lo­gie „Inter­net“ bedient und sich oder sei­ne Gesell­schaft dar­auf­hin ver­än­dert oder den ver­än­der­ten Rah­men­be­din­gun­gen anpasst. Das ist so lan­ge sinn­voll, wie man davon aus­geht, dass es ein Inter­net git, das Men­schen benut­zen. Alsoe eine tech­nisch basier­te Betrach­tungs­wei­se. Man wür­de dann sagen, dass das Inter­net ein gro­ßer Erfolg ist, weil es von vie­len Men­schen benutzt wird. Und dass der Erfolg von Face­book die Nut­zung durch vie­le Men­schen ist. Dann könn­te man sich also auf die Phä­no­me­ne „Inter­net“ und „Face­book“ als Gegen­stän­de der Betrach­tung stürzen.

Nun ist aber „das Inter­net“ nichts als ein ziem­li­cher Hau­fen von Kabeln, Rou­tern, Hubs und so wei­ter. Nichts Tol­les. Und Face­book ist eine von eini­gen Mil­li­ar­den Platt­for­men im Inter­net. Übri­gens eine der am schlech­tes­ten nutz­ba­ren (weit jen­seits der von mir zuletzt so geschmäh­ten nachtkritik.de), intrans­pa­ren­tes­ten und – wenn ich sagen darf – häss­lichs­ten. Aus der Betrach­tung die­ser maschi­nel­len Gege­ben­heit ist nichts zu ler­nen. Erst durch eine Ver­schie­bung der Per­spek­ti­ve rückt ein inter­es­san­tes Phä­no­men in den Fokus: 2 Mil­li­ar­den Men­schen, die sich mit­ein­an­der ver­net­zen – was eine nach­läs­si­ge For­mu­lie­rung ist, wie Kus­anow­sky ver­mut­lich direkt anmer­ken wür­de. Tat­säch­lich sind es 2 Mil­li­ar­den Netz­men­schen. In ihren kom­mu­ni­ka­ti­ven Zusam­men­hän­gen las­sen sich „Mensch“ und „Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel“ nicht aus­ein­an­der divi­die­ren. Am Ende wird der Begriff „Men­schen“ selbst als Bestand­teil von „Netz­men­schen“ sogar frag­lich. Nen­nen wir sie also „User“, Enti­tä­ten, die erst durch die elek­tro­ni­sche » Read the rest of this entry «

Die Facebook Frage: Start einer Reihe

Februar 20th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Die Facebook Frage: Start einer Reihe § permalink

Immer wie­der mal flam­men hier und da Debat­ten rund um die Pri­vat­sphä­re auf. Sei es bei Goog­le Street­view. Sei es in Sachen Face­book. Im Wesent­li­chen zei­gen sich die­se Debat­ten als erschre­ckend niveau­los. Der (zumeist aus öffent­lich-recht­li­cher Ecke) gespeis­ten Warn-Mahn-Zei­ge­fin­ger­he­be­rei tre­ten auf der ande­ren Sei­te die Neo-Hip­pies und Ver­fech­ter der Frei­en Daten­lie­be unter der Sig­le der Post Pri­va­cy ent­ge­gen. Allen gemein­sam ist dabei, dass jeder ein aus unter­schied­lichs­ten Fak­ten und Fik­tio­nen gemisch­tes eige­nes Süpp­chen kocht und dem andern mög­lichst brüh­warm über den Kopf schüt­tet – das nie­mals auf sei­ne Ingre­di­en­zi­en befragt wird. Die Lage ist – unüber­sicht­lich. Und sie ist zudem: kom­plex. Denn es tre­ten in die­sem Post­dra­ma ver­schie­de­ne „Big Play­er“ auf, die auf wun­der­sa­me Wei­se wie Kipp­fi­gu­ren ihr eige­nes Erschei­nungs­bild ändern ohne sich selbst zu ver­än­dern. Der Betrach­ter oder Beob­ach­ter beob­ach­tet sie nur jeweils verschieden.

Die Play­er sind: Der User (ver­stan­den nicht als Mensch+Internet, son­dern als Netz­mensch). Die User. Der Staat. Das Unter­neh­men – zum Bei­spiel Face­book. So sim­pel hin­ter­ein­an­der auf­ge­schlüs­selt ent­behrt das Post­dra­ma­tis Per­so­nae bereits nicht einer gewis­sen Skur­ri­li­tät. Seis drum. Die Betrach­tungs­wei­se ist nun in vie­len Tex­te eine, die im Wesent­li­chen aus ungu­ten oder sau­gu­ten Gefüh­len » Read the rest of this entry «

Das kleine psychische System – ein Märchen. Teil II

Februar 2nd, 2011 § Kommentare deaktiviert für Das kleine psychische System – ein Märchen. Teil II § permalink

Nach eini­gem Umse­hen stell­te jedes klei­ne psy­chi­sche Sys­tem fest, dass sein leben­di­ges Sys­tem aus­weg­los gefan­gen sei. Und so leb­te man also etwa 10 Jah­re ver­schüt­tet vor sich hin. Kei­ner ver­miss­te die klei­nen ere­mi­ti­schen psy­chi­schen Sys­te­me. Die Umwelt hat­te sie längst schon in der Wüs­te ver­lo­ren gege­ben. Und die Ere­mi­ten selbst dach­ten nicht im Träu­me dar­an, sich mit den ande­ren Ere­mi­ten im Raum zusam­men zu tun. Etwa eine ere­mi­ti­sche Gesell­schaft zu grün­den. Oder einen Ver­ein zur För­de­rung des Erem­ti­tis­mus. Oder » Read the rest of this entry «

Where Am I?

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