Zum Begriff der Inszenierung und ihrer Kritik

Juli 10th, 2011 § 4 comments § permalink

War­um das Fest­hal­ten am Begriff der Insze­nie­rung das Den­ken über und das Arbei­ten für Thea­ter behin­dert und was eine Kon­se­quenz für die Thea­ter­kri­tik wäre, wie sie sich dem­nach neu erfin­den müss­te, ver­sucht die­ses Pos­ting zu klä­ren. Beim Schrei­ben der ers­ten Zei­le, ken­ne ich das Ende noch nicht. Ich weiß nicht, wor­auf es hin­aus­führt, ob es auf etwas hin­aus­führt oder wohin es führt.

 Zum Begriff der Inszenierung

Der Begriff der Insze­nie­rung gehört so sehr zum (unbe­frag­ten) Kern­be­stand des noch vor­herr­schen­den Dis­po­si­tivs von Thea­ter — ver­kürzt als Stadt­thea­ter benenn­bar — dass das Den­ken eines ande­ren Thea­ters, ins­be­son­de­re eines Netz­thea­ters oder Thea­ters unter den Bedin­gun­gen der Netz­ge­sell­schaft — es nicht unter­las­sen darf zu befra­gen und letzt­lich zurück­zu­wei­sen, was in die­sem Begriff als frag­los unter­stell­te Auf­ga­be oder Funk­ti­on von Thea­ter mit­ge­schleift wird. Ins­be­son­de­re die Ver­wo­ben­heit der Thea­ter­kri­tik in die­ses Kon­zept ist dabei zu befragen.

Der Text als Stückwerk

Tra­di­tio­nell setzt der Begriff der Insze­nie­rung vor­aus, dass es etwas gibt, das in Sze­ne gesetzt (mise en sce­ne) wird. Und zwar einen Text, ein Dra­ma — mit­hin eine lite­ra­ri­sche Gat­tung, die in ihrer Mach­art erkenn­bar dar­auf ange­legt ist, in Sze­ne gesetzt zu wer­den. Als Mar­kie­rung für eine sol­che Absicht fin­det sich eine beson­de­re Schreib­wei­se die­ses Tex­tes, ein beson­de­rer for­ma­ler Auf­bau des­sen, was auf der Sze­ne von wem zu sagen ist und zusätz­lich pro-gram­mie­ren­de Neben­tex­te, die sowohl sagen, wie etwas zu spre­chen ist und wie die opti­sche Gestal­tung der Sze­ne­rie aus­se­hen soll, wie sie zugleich die Stück­haf­tig­keit durch den Ver­such, das Stück­werk zu ergän­zen, erst um so deut­li­cher mar­kie­ren.  Der Text trägt die Mar­kie­rung sei­ner Halb­fer­tig­keit in eini­gen Spra­chen bereits vor sich her, indem er als Stück benannt ist, also nur als ein Teil des­sen, was bei sei­ner Insze­nie­rung die Ganz­heit der Sze­ne­rie ausmacht.

 Das Stück als Textwerk

Als Bestand­teil der Schrift­ge­sell­schaft und als les­ba­rer Text, als Werk eines Schrei­bers aber gehorcht er zugleich Erwar­tungs­hal­tun­gen, die an Schrift­wer­ke gestellt wer­den: aus der schwarz­weiß mäan­dern­den bloß phy­si­schen Mate­ria­li­tät ergibt sich in der Lek­tü­re sowohl der Vor­stel­lungs­raum eines ima­gi­nä­ren Thea­ters, der rhe­to­ri­schen Tra­di­ti­on der ekphra­sis nicht unähn­lich, die durch leb­haf­te und. Genaue Beschrei­bung von Din­gen oder Gescheh­nis­sen bewir­ken woll­te, dass die beschrie­be­nen Din­ge oder Gescheh­nis­se vor dem “inne­ren Auge” des opti­schen oder bes­ser noch akus­ti­schen Lesers sicht­bar wer­den. Zugleich ergibt sich trotz der Stück­haf­tig­keit des Stücks, die bei der Lek­tü­re ins­be­son­de­re von als lite­ra­risch gel­ten­den Wer­ken immer unter­stell­te Eigen­sinn des Tex­tes. Wie stück­haft ein Stück auch sein mag — der schu­lisch aus­ge­bil­de­te Leser wird nicht umhin­kom­men, nach der „Aus­sa­ge“ des Tex­tes zu fra­gen oder ihr nach­zu­ge­hen. Mar­kie­rung die­ser Suche war seit jeher die Fra­ge, was der Autor damit ande­res sagen wol­le, als das, was er wirk­lich geschrie­ben hat. Tex­te wer­den dann zu Trans­port­mit­teln für ver­bor­ge­ne Aus­sa­gen über Lie­be, Macht, Fami­lie und so wei­ter. Und gera­de fin­det sich – in eine rhe­to­ri­sche Fra­ge ver­packt – die­se For­de­rung an Thea­ter auch wie­der in der Schrott­pres­se, hier im Ham­bur­ger Albern­blatt:

Ist das Thea­ter nicht gera­de dazu da, Stü­cke, die man beim Lesen allein » Read the rest of this entry «

Ist dem Stadttheater noch zu helfen?

Juli 5th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Ist dem Stadttheater noch zu helfen? § permalink

Auf nacht­kri­tik erschien vor eini­gen Tagen ein Dis­kus­si­ons­bei­trag von Mat­thi­as von Hartz (auch abge­druckt im Thea­ter der Zeit Arbeits­buch „ Heart of the City – Recher­chen zum Stadt­thea­ter der Zukunft“), der sich mit dem Ver­hält­nis zwi­schen Stadt­thea­tern und soge­nann­ten frei­en Thea­tern aus­ein­an­der­setz­te und mehr oder min­der erst gemein­te Lösungs­an­sät­ze für die von ihm kon­sta­tier­te Kri­se des deut­schen Stadt­thea­ter­sys­tems präsentierte.

Wer die­ses Blog hier ein wenig mit­ver­folgt, wird erwar­ten, dass hier sowohl sei­ne Zustands­be­schrei­bung als auch die prä­sen­tier­ten Lösungs­an­sät­ze als bei wei­tem nicht grund­le­gend genug betrach­tet wer­den. In den Pos­tings zum Tod des Stadtt­ha­ters (Teil 1, Teil 2, Teil 3) dem Sie­chen von Thea­tern und Kri­tik (hier) und dem zuletzt hier gepos­te­ten Lösungs­vor­schlag war ich der Situa­ti­on eben­falls nach­ge­gan­gen – mit aller­dings eini­gen ande­ren Konsequenzen.

Was sagt von Hartz

Von Hartz zieht die Dif­fe­renz zwi­schen Stadt­thea­tern und Frei­en Grup­pen, kon­sta­tiert, dass „Inno­va­tio­nen“ im Wesent­li­chen aus der frei­en Sze­ne kämen und schließt dar­aus, dass die unter­fi­nan­zier­ten Frei­en Grup­pen mehr Geld bekom­men müss­ten. Dabei ist sei­ne Pro­blem­be­schrei­bung durch­aus „dra­ma­tisch“. Es gehe, schreibt er, letzt­lich „ um Ent­wick­lung und Über­le­ben des gesam­ten Medi­ums“. Er kon­sta­tiert, dass zwar  90% der öffent­li­chen Mit­tel in die Stadt­thea­ter­sys­te­me flie­ßen, die „Inno­va­tio­nen“ hin­ge­gen zu 90% aus den gering finan­zier­ten „armen“ frei­en Grup­pen kämen.

Das Inter­es­se des Stadt­thea­ters sei dabei weni­ger die Zukunft des Thea­ters, son­dern das eige­ne Über­le­ben als Insti­tu­ti­on, das als Insti­tu­ti­on eben zunächst am Fort­be­stand und an der öko­no­mi­schen Nut­zung der eige­nen Res­sour­cen inter­es­siert sei. Die Struk­tur der Insti­tui­ti­on bestim­me, wel­che Art von Thea­ter pro­du­ziert wird. In einer For­mu­lie­rung, die auch hier aus dem Blog stam­men könn­te, stellt er fest:  „Über die Jahr­hun­der­te ist so eine Fabrik ent­stan­den, die sehr pro­fes­sio­nell und spe­zia­li­siert ein sehr gutes Pro­dukt her­stellt.“. Aus­führ­li­cher und pointiert:

Inter­es­sant ist, dass die Pro­ble­me am Stadt­thea­ter nicht nur durch Men­schen oder Din­ge ent­ste­hen, die ein Künst­ler braucht und die es dort nicht gibt. Son­dern auch durch die Pro­duk­ti­ons­mit­tel, die vor­ge­hal­ten wer­den, die man aber nicht benutzt. Also: Wer nicht probt oder kei­ne Schau­spie­ler für sei­ne Arbeit braucht, pro­du­ziert Leerstand.

Von der Insti­tu­ti­on zum Inhalt

Im Ver­lauf sei­nes Tex­tes durch­aus unver­mit­telt fällt von Hartz dann aus der insti­tu­tio­nel­len in die inhalt­li­che Kri­tik, die durch sei­ne vor­he­ri­gen Aus­füh­run­gen nicht vor­be­rei­tet ist:

Als Thea­ter­be­su­cher wün­sche auch ich mir, dass die Insti­tu­ti­on sich mit » Read the rest of this entry «

Ist “Ich” eine Gesellschaft?

Juni 25th, 2011 § 2 comments § permalink

Hab mir gera­de nach einem Zitat, das ich bei Kus­anow­sky gele­sen hat­te und das mir die­sen Autor als inter­es­sant erschei­nen ließ, den lan­ge Zeit ver­ges­se­nen Sozio­lo­gen und Durk­heim-Wider­sa­cher Gabri­el Tar­de, genau­er sei­ne Schrift zur Mona­do­lo­gie und Sozio­lo­gie vor­ge­nom­men. Abge­se­hen davon, dass die­se Schrift von außer­or­dent­lich inspi­rie­ren­der Schräg­heit ist, bin ich auf einen Gedan­ken gesto­ßen, der mir enorm frucht­bar erscheint:

Am Grun­de jedes Dings liegt jedes wirk­li­che oder mög­li­che ande­re Ding. Dies setzt aber zunächst vor­aus, dass jedes Ding eine Gesell­schaft ist und dass alle Phä­no­me­ne sozia­le Tat­sa­chen sind. […] Alle Wis­sen­schaf­ten schei­nen dazu bestimmt, Zwei­ge der Sozio­lo­gie zu werden.

Abge­se­hen von der Schräg­heit der dekon­struk­ti­ven Umkeh­rung, die Gesell­schaf­ten nicht mehr aus Ein­zel­nen, son­dern ein­zel­ne aus Gesell­schaft bestehen las­sen, scheint mir eine hohe Anschluss­fä­hig­keit an die hier und eben­falls bei Kus­anow­sky beschrie­be­ne Über­le­gung zur poly­morph-per­ver­sen Struk­tur des Post-Sub­jekts (das, um all­zu vor­ei­li­ge Kom­men­ta­to­ren vor­ab zu besänf­ti­gen, kei­ne Exis­tenz­aus­sa­ge zum Sub­jekt impli­ziert, son­dern nur eine Begriffs­re­fe­renz dar­stellt) vorzuliegen.

Reißt man die uralte Dua­li­tät von Mate­rie und “Psy­che” ein, wie Tar­de es tut, indem er selbst auf ato­ma­rer und sub­ato­ma­rer Ebe­ne das Vor­lie­gen von Phä­no­me­nen kon­sta­tiert, die jen­seits “blo­ßer Mate­rie” lie­gen, und kommt zu Tar­des an Leib­niz geschärf­ten  Begriff der Mona­de, öff­net sich tat­säch­lich der Denk­raum für ein “Sub­jekt”, das kein Sub­jekt mehr ist, son­dern eben jenem poly­morph-per­ver­sen oder prot­e­i­schen Sub­jekt gleicht, von dem etwa Rif­kin ange­sichts des “Men­schen” der Netz­ge­sell­schaft redet. Dabei ist Tar­des Dreh so sim­pel wie ver­blüf­fend ein­leuch­tend: Wenn sich tra­di­tio­nell von Gesell­schaf­ten mit der Meta­pher, dem Bild oder der Ana­lo­gie des Orga­nis­mus reden lässt — war­um soll­te sich umge­kehrt nicht ange­sichts von Orga­nis­men nicht von Gesell­schaf­ten reden las­sen. Dann ist also ein Kör­per eine Zell­ge­sell­schaft, die Zel­le selbst wie­der Gesell­schaft ihrer Kon­sti­tu­en­ten, die Kon­sti­tu­en­ten selbst wie­der Atom­ge­sell­schaf­ten , deren Zusam­men­hang in die­ser Per­spek­ti­ve nichts weni­ger als eine Über­ra­schung sein kann (war­um ver­hal­ten sich die Ato­me zu einer Zel­le?), die durch den Begriff des Natur-“Gesetzes” viel­leicht anthro­po­morph ver­kleis­tert und ver­deckt, nicht aber » Read the rest of this entry «

Die Massen der Medien

Juni 16th, 2011 § 3 comments § permalink

Rolf Todes­co hat einen inter­es­san­ten Text zum The­ma Mas­sen und Mas­sen­me­di­en geschrie­ben (hier).Dabei defi­niert er Mas­sen­me­di­en folgendermaßen:

Als Mas­sen­me­di­en bezeich­ne ich Zei­tun­gen, Radio, Fern­se­hen, usw., also jour­na­lis­ti­sche Arte­fak­te, die funk­tio­nal zwi­schen einer Redak­ti­on und einem Publi­kum ver­mit­teln, indem sie Signa­le ver­mit­teln, die als Schrift, Bild oder Ton usw. inter­pre­tiert werden.

Spä­ter for­mu­liert er:

„Mas­sen­me­di­en“ sind Medi­en, die sich an Mas­sen richten.

Ich fin­de den Ansatz span­nend, wür­de ihn aber gedank­lich ein Stück weit ver­schie­ben oder umkeh­ren, wie ich in einem Kom­men­tar dazu geschrie­ben habe:

„Mas­sen­me­di­en“ sind Medi­en, die sich an Mas­sen rich­ten. “ – könn­te man nicht umge­kehrt behaup­ten, Mas­sen­me­di­en sei­en Medi­en, die Mas­sen erschaf­fen. Spe­zi­fi­zier­ter (wenn es um als nicht-fik­tio­nal gekenn­zeich­ne­te, soge­nann­te Nach­rich­ten­sen­dun­gen geht): ein Publi­kum oder gar (wenn es sich um poli­ti­sche-gesell­schaft­li­che) Nach­rich­ten han­delt: eine Öffent­lich­keit? Sodaß der Fluch des Mas­sen­me­di­ums dar­in bestün­de, fort­ge­setzt wei­ter Inhal­te zu pro­du­zie­ren, um die Mas­se, die sich zwar ver­ein­zelt in den Wohn­zim­mern befin­det, durch Schaf­fung eines poten­zi­ell all­ge­mei­nen Gesprächs­zu­sam­men­hangs (Über Poli­tik reden – mit Freun­den, an Stamm­ti­schen, auf Par­ties) wei­ter als Mas­se zu sta­bi­li­sie­ren, die genau idann wie­der in ihre Kon­sti­tu­en­ten zer­fie­le, wenn das Mas­sen­me­di­um ausfällt?

Nimmt man also als Ansatz: Mas­sen­me­di­en sind Medi­en, die eine Mas­se pro­du­zie­ren, wird der dif­fu­se und schwer fass­ba­re Begriff der “Mas­se” plötz­lich » Read the rest of this entry «

Die Utopie: Netztheater für eine globale Öffentlichkeit

Juni 13th, 2011 § 3 comments § permalink

Es ist Pfings­ten – Zeit für Geist, der ins Thea­ter fährt. Nicht Hei­li­gen. Eher Spi­rit. A new spirit.

Schlecht­ge­laun­tes wie zuletzt hier über das gegen­wär­ti­ge Stadt­thea­ter abzu­son­dern ist eine Leich­tig­keit. Den Beob­ach­ter in der Loge zu geben, der sou­ve­rän sein Urteil über die Gla­dia­to­ren fällt, die sich täg­lich mit dem Thea­ter her­um­schla­gen, reicht nicht. Wie also wäre ein neu­es Thea­ter anzu­ge­hen? Dirk Bae­cker hat mit der sieb­ten sei­ner 15 The­sen gera­de eine ganz lau­ni­ge Dis­kus­si­on unter Sys­tem­theo­re­ti­kern (auto­poiet und Dif­fe­ren­tia) ange­sto­ßen, die sich dar­über unter­hal­ten, wie denn wohl eine sol­che Kunst beschaf­fen sein müss­te. Abge­se­hen davon, dass „Kunst“ ein ziem­lich hoh­ler und damit unhand­li­cher Begriff ist, den es über­haupt erst ein­mal über Bord zu wer­fen gilt, sind die Gedan­ken inspi­rie­rend. Aller­dings geht es hier um eine ande­re Dimen­si­on der Fra­ge nach einer neu­en Kunst (kann über­haupt von „Kunst“ die Rede sein – wenn, dann als For­mu­lie­rung eines Gedan­kens, nicht aber als Zuschrei­bung zu irgend­ei­nem real exis­tie­ren­den Ding. Das vor­ab). Es geht um Thea­ter. Und es geht mir dar­um, wie ein Thea­ter aus­se­hen könn­te, das sich dem schein­bar unaus­weich­li­chen Kre­pie­ren der gegen­wär­ti­gen Thea­ter ent­zie­hen, ent­ge­gen­stel­len könn­te. Eine Uto­pie von Thea­ter, die mit dem bestehen­den pyra­mi­da­len Grab­mä­lern der Ver­gan­gen­heit bricht. Das will ich hier und heu­te zei­gen. Und das geht so: » Read the rest of this entry «

Martin Oetting über den massenmedialen Paradigmenwechsel der Gegenwart

Mai 26th, 2011 § 4 comments § permalink

Sehr span­nen­der Vor­trag von Mar­tin Oet­ting (Blog) in der Wer­be­agen­tur Scholz+Friends über den gegen­wär­ti­gen Medi­en­wan­del. Der anfangs etwas umständ­lich wir­ken­de Ein­stieg über Kuhns Begriff des Para­dig­men­wech­sel macht hoch­gra­dig Sinn, wenn er zum Wan­del der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­land­schaft kommt. Ins­be­son­de­re sei­ne Aus­füh­run­gen zur teu­ren Infra­struk­tur tra­di­tio­nel­ler Medi­en­häu­ser und dem werb­li­chen Finan­zie­rungs­bei­trag, der dafür sorgt, dass das Medi­en­haus die redak­tio­nel­le “Fil­te­rung” umgeh­bar macht und Wer­bung auf­nimmt, ist ein inspi­rie­ren­der Gedan­ke. “Rein in den Rat­ten­kä­fig” scheint mir eine hin­rei­chend bedroh­li­che (und unter­halt­sam auf­be­rei­te­te) Fort­set­zung die­ser dar­ge­leg­ten Ent­wick­lung. Anse­hen lohnt sich!

Warum es für die Theater um Leben und Tod geht — Teil 3

Mai 19th, 2011 § Kommentare deaktiviert für Warum es für die Theater um Leben und Tod geht — Teil 3 § permalink

In den letz­ten bei­den Pos­tings ver­such­te ich zu zei­gen, wie Stadt­thea­ter einer­seits sei­ne Funk­ti­on in der Abend­un­ter­hal­tung ein­ge­büßt hat, ande­rer­seits sei­ne Funk­ti­on für die Kon­sti­tu­ti­on einer städ­ti­schen Bür­ger­lich­keit ver­lor. Im drit­ten Teil möch­te ich nun dar­auf ein­ge­hen, inwie­fern Thea­ter auch das Thea­ter­haf­te, das Spek­ta­ku­lä­re ein­ge­büßt hat.

Der Ver­lust des Spektakulären

Dem Thea­ter eig­ne­te in sei­nen Hoch­zei­ten das Spek­ta­ku­lä­re, das sich noch in Spu­ren in der Oper der Gegen­wart wie­der­fin­det. Zu sei­nen Hoch­zei­ten war Thea­ter eine mul­ti­me­dia­le tech­ni­sche Meis­ter­leis­tung. Nicht nur der Dar­bie­ten­den, son­dern auch der Büh­nen- und Beleuch­tungs­tech­nik. Rasche Ver­wand­lun­gen, Dreh­büh­nen, Schie­be­büh­nen, beweg­li­che Pla­fonds und Heer­scha­ren von Büh­nen­ar­bei­tern schu­fen in Minu­ten­schnel­le sze­ni­sche Zau­ber­kunst­stü­cke. Ein glei­ßend erhell­ter Zuschau­er­raum konn­te mit Gas- oder Elek­tro­be­leuch­tung ins Dun­kel gehüllt, die Büh­ne mit Licht‑, Feu­er- » Read the rest of this entry «

Warum es für die Theater um Leben und Tod geht — Fortsetzung

Mai 18th, 2011 § 2 comments § permalink

Im vor­he­ri­gen Pos­ting habe ich dar­zu­le­gen ver­sucht, in wel­cher Wei­se Thea­ter sei­nen Stel­len­wert als nahe­zu mono­plois­ti­scher Anbie­ter von Abend­un­ter­hal­tung ein­büß­te. Jetzt will ich ver­su­chen zu zei­gen, wie das Thea­ter auch sei­ne Funk­ti­on als Kon­sti­tu­ent einer städ­ti­schen Bür­ger­ge­sell­schaft einbüßte.

Das Ende des Bürgertheaters

Thea­ter war für das ent­ste­hen­de Besitz­bür­ger­tum des 19. Jahr­hun­derts zugleich der Ort, sich reprä­sen­ta­tiv aus­zu­stel­len und den eige­nen Wohl­stand unter Sei­nes­glei­chen zu zei­gen. Wie zuvor der Adel sich bei Fes­ti­vi­tä­ten in Gala warf und sich zeig­te (ohne dass dabei unbe­dingt der Besitz zum aus­schlag­ge­ben­den Reprä­sen­ta­ti­ons­fak­tor wur­de), so zeigt sich nun­mehr das Bür­ger­tum, der klei­ne und mitt­le­re Finanz­adel sei­nes­glei­chen und reprä­sen­tiert den eige­nen Wohl­stand in ver­gleich­ba­ren Krei­sen. Wäh­rend sich zuvor loka­le Gemein­schaf­ten in Kirch­ge­mein­den, auf Volks­fes­ten, auf Märk­ten und ande­ren öffent­li­chen Ver­samm­lungs­or­ten kon­sti­tu­ier­ten, kon­sti­tu­ier­te sich nun­mehr inner­halb der städ­ti­schen Gesell­schaft eine Groß- und spä­ter auch Klein­bür­ger- und Arbei­ter­ge­sell­schaft im Theater.

Wie­der­be­schwo­ren als ver­lo­re­nes Ide­al nach der 48er-Revo­lu­ti­on, wird das Volks­stück zum iden­ti­fi­ka­to­ri­schen Sym­bol einer ent­ste­hen­den urba­nen » Read the rest of this entry «

Warum es für die Theater um Leben und Tod geht

Mai 17th, 2011 § 1 comment § permalink

Die letz­ten Jah­re haben ver­schie­de­ne Wirt­schafts­zwei­ge enorm durch­ge­schüt­telt. Tra­di­ti­ons­un­ter­neh­men mit ver­al­te­ten Geschäfts­mo­del­len sind an den Abgrund getau­melt oder abge­stürzt. Wir befin­den uns in einer Zeit rasan­ten Wan­dels. Dies vor­weg zu bemer­ken soll nicht dahin füh­ren, Thea­ter als Wirt­schafts­un­ter­neh­men zu bestim­men. Es soll ledig­lich die Umbruch­si­tua­ti­on bestim­men, in der es Thea­ter zu betrach­ten gilt.

Letz­tens hat­te ich – etwas übel­lau­nig – Thea­tern das Enden des inne­ren Siech­tums durch finan­zi­el­le Aus­trock­nung oder insti­tu­tio­nel­le Schlie­ßung an die Wand mene­te­kelt. Län­ge­res und inten­si­ve­res Nach­den­ken füh­ren nun dazu, die­ser düs­te­ren Visi­on zuneh­mend mehr Ein­tritts­wahr­schein­lich­keit zu attes­tie­ren. Auch wenn der Rou­ti­ne­be­trieb in den bestehen­den Häu­sern dazu ver­lei­tet, das eige­ne Wei­ter­exis­tie­ren als beque­me Selbst­ver­ständ­lich­keit anzu­se­hen: es ist dem nicht so. Aus dem Bestand lässt sich der Fort­be­stand weder fol­gern noch for­dern. Das hat meh­re­re Grün­de, die offen­sicht­lich den Thea­ter­schaf­fen­den nicht wirk­lich klar gewor­den sind. Sie wer­den erst voll­ends sicht­bar, wenn das Bestehen­de vor der Folie sei­nes Her­kom­mens betrach­tet und also in eine „his­to­ri­sche“ Erzäh­lung ein­ge­ord­net wird – ohne dass damit aller­dings Anspruch auf „die“ Geschich­te „des“ Thea­ters erho­ben würde.

Tat­säch­lich ist die deut­sche (Stadt-)Theaterlandschaft kei­ne in his­to­ri­schen Dimen­sio­nen lang exis­tie­ren­de. Jen­seits der Le Roi s’amuse Hof­thea­ter in ita­lie­ni­scher Tra­di­ti­on ent­stan­den die deut­schen Stadt­thea­ter seit dem aus­ge­hen­den 18. Und beson­ders im 19. Jahr­hun­dert als Insti­tu­tio­nen einer erstar­ken­den und immer zah­lungs­kräf­ti­ger wer­den­den Bür­ger­lich­keit, die sich Abend­un­ter­hal­tung wünsch­te. Das heißt zwei­er­lei: Thea­ter ist mit einer Form von Bür­ger­lich­keit und mit dem Inter­es­se an Abend­un­ter­hal­tung ver­bun­den. Die Thea­ter­däm­me­rung der Gegen­wart nun hat mit bei­dem zu tun. Und mit einem Dritten.

 

Das Ende des Unterhaltungstheaters

Als Thea­ter als bür­ger­li­che Abend­un­ter­hal­tung sei­nen Sie­ges­zug im 19. Jahr­hun­dert antrat, erfüllt es einen bestimm­ten Zweck: Das Stadt-Bür­ger­tum, zu Geld gekom­men, woll­te nach (sonntag)nachmittäglichem Lust­wan­deln sich auch abend­li­cher Kurz­weil hin­ge­ben. Kauf­leu­te, Beam­te, Ange­stell­te, Ärz­te, Anwäl­te und Nota­re, Grund­be­sit­zer, mitt­le­re und gro­ße Unter­neh­mer ver­lang­ten nach Mög­lich­kei­ten, das mehr oder min­der hart erar­bei­te­te Ein­kom­men in Ver­gnü­gen umzu­mün­zen. Schau­spiel, Oper, Ope­ret­te – nicht ganz frei vom Ruch des Unschick­li­chen und für unver­hei­ra­te­te Frau­en nicht Geeig­ne­ten – lock­ten das Eta­blis­se­ment an wie Mot­ten das Licht. Wenn man was erle­ben woll­te, muss­te man ins Theat­re gehen. Eine nahe­zu mono­po­lis­ti­sche Posi­ti­on in Sachen Abend­an­ge­bot, für das es nun Geld, Zeit und Inter­es­se gab.

Heu­te ist das Mono­pol gefal­len. Der Kino­film ist zum all­ge­mein akzep­tier­ten Kunst­werk gewor­den, ins Kino zu gehen ist eine kul­tu­rell akzep­tier­te Abend­tä­tig­keit, die nicht nur finan­zi­ell güns­ti­ger zu haben ist, son­dern die zudem einer Indus­trie­men­ta­li­tät näher kommt, die sich nicht auf die Über­ra­schung des Pro­dukt­kaufs auf dem Bau­ern­markt ein­lässt, son­dern indus­tri­ell pro­du­zier­te Mas­sen­wa­re wegen ihrer Garan­tier des iden­ti­schen Geschmacks kauft. Ein Film kann nicht schief gehen. Ein Film in Mün­chen ist der­sel­be wie in Ham­burg. Der Film, den der Kri­ti­ker vor drei Wochen sah der­sel­be wie heu­te. Und John » Read the rest of this entry «

Appell und Verantwortung. Oder: Sind Surfer Subjekte?

April 11th, 2011 § 7 comments § permalink

Im Zeit­al­ter des Net­zes wird die Fra­ge nach dem Sub­jekt neu gestellt. Sie muss neu gestellt wer­den, da die tra­di­tio­nel­len Bestim­mun­gen von Sub­jek­ti­vi­tät nicht mehr hin­rei­chend zu sein schei­nen, um den poly­morph per­ver­sen Sur­fer oder User zu fas­sen. Gemes­sen am Begriff des Sub­jekts ist der Sur­fer eine viel­ge­stal­tig gal­lert­ar­ti­ge Mas­se an Kom­mu­ni­ka­ti­on, die sich bald hier­hin, bald dort­hin ver­brei­tet, kle­ben bleibt und selbst zu einem Netz im Gesamt­netz gerinnt, bestehend aus den hin­ter­las­se­nen Spu­ren. Ob dahin­ter eine Iden­ti­tät, Kon­stanz, Auto­no­mie liegt? Ob über­haupt ein ein­heit­li­cher Flucht­punkt hin­ter die­sen prot­e­i­schen Viel­ge­stal­ten liegt? Ob sich von einer Viel­heit im Sin­ne einer mul­ti­pli­zier­ten und mul­ti­plen Ein­heit spre­chen lässt – oder von einer Unbe­stimmt­heit in sich, einem zeit­li­chen, räum­li­chen, kon­tex­tu­el­len Flui­dum, das sich in Sekun­den­schnel­le ver­än­dert. Das alles ist kei­ne post­mo­der­ne Fei­er eines post­sub­jek­ti­ven Zeit­al­ters – denn der his­to­ri­sche Rück­gang (mit durch­aus bewuss­ter Ver­knap­pung) kommt an einem Punkt an, der zeigt, wie wich­tig ein Begriff des Sub­jekts ist (auch wenn es viel­leicht zukünf­tig einen ande­ren Namen füh­ren muss).

Das Sub­jekt – Natu­ral Born Fiction

Das Sub­jekt war immer schon eine Fik­ti­on. Was kein Ein­wand ist. Es macht ledig­lich Sinn, das nicht zu ver­ges­sen, wenn dage­gen ange­rannt wird. Es ist schier unmög­lich, gegen Fik­tio­nen zu kämp­fen. Gespens­ter las­sen sich nicht dekon­stru­ie­ren. Zunächst weil sie von Anfang an kon­stru­iert sind und jede Dekon­struk­ti­on nur fest­stel­len kann, dass hier eine Kon­struk­ti­on vor­liegt. Was von wenig Erkennt­nis­ge­winn ist. Zudem weil jeder erneu­te Kampf gegen das Gespenst ihm nur neue Kraft ver­leiht. So ist der Ent­zug der Meta­phy­sik, den die Dekon­struk­ti­on bewerk­stel­li­gen woll­te, gründ­lich dar­an geschei­tert, dass » Read the rest of this entry «

Where Am I?

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